Protokoll der Sitzung vom 25.03.2011

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Abgeordnete Leukefeld zu Wort gemeldet.

(Abg. Primas)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte hier anknüpfen an das, was Martina Renner gesagt hat, ganz kurz noch einmal Stellung nehmen als Mitglied des Suhler Bündnisses für Demokratie, Toleranz und gegen Rechtsextremismus. Ich sage übrigens in Suhl auch öfters, so viel Zeit muss sein. Es ist nicht nur schlechthin das Bündnis gegen Rechts, auch wenn das eine Hauptaufgabe für die vielen Menschen, die dort auch mitarbeiten, ist. Aber es geht um Demokratie, um Toleranz und gegen Rechtsextremismus. Ich denke, so habe ich jedenfalls damals unseren ersten Antrag, den wir hier gemeinschaftlich im Thüringer Landtag beschlossen haben, für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit verstanden, dass das der gemeinsame Nenner ist und unser gemeinsamer Anspruch, dafür einzutreten. Ich kann nicht verstehen, das sage ich ganz klar, dass hier eine Kriminalisierung von Demokraten erfolgt.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, da tut sich dieses Hohe Haus keinen Gefallen. Ich verstehe Demokratie tatsächlich als eine Form der Auseinandersetzung. Dort müssen unterschiedliche Auffassungen Platz haben. Dort müssen wir miteinander die Debatte darum führen. Deswegen ist, wenn heute gesagt wird, rechtsstaatliches Handeln - und Frau Marx, da gebe ich Ihnen recht in gewisser Weise -, dass man das differenziert betrachten muss, dann darf man aber nicht vergessen, dass dem ein Akt vorhergegangen ist. Da frage ich mich schon, was das für ein Demokratieverständnis der CDU und auch der FDP ist. Der erste Akt war, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU im Suhler Stadtrat den Oberbürgermeister aufgefordert hat, ein Verbot der Ausstellung durchzusetzen. Da sage ich mal, ein Verbot, das kommt einer Zensur gleich. Ich weiß sehr wohl, als was ich hier stehe mit meiner Biografie. Das wollen wir nie wieder. Wir müssen uns auseinandersetzen, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt, aber kein Verbot.

(Beifall DIE LINKE)

Da werden neue Feindbilder aufgebaut und das verstehe ich auch nicht, Herr Bergner, was Sie hier gesagt haben, Sie haben den Oberbürgermeister und den Suhler Stadtrat in Gänze hier angegriffen, das Bündnis kriminalisiert, das muss ich hier ganz klar zurückweisen.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt einen zweiten Punkt, der damit entstanden ist: Es gibt bei den Schulen eine Angst und eine Verunsicherung, mit dem Thema umzugehen. Das heißt, diese Kriminalisierung ist Ihnen in gewisser Weise gelungen und da sollten Sie mal in sich gehen, ob das Ihre Absicht war. Die Schulen, viele Klassenlehrer sagen, wir gehen lieber nicht in die

Ausstellung, weil wir uns dieser Auseinandersetzung nicht gewachsen fühlen. Das macht ein großes Spannungsfeld auf, wo man ansetzen muss, denn - ich wiederhole mich jetzt - ohne eine Auseinandersetzung in der Sache funktioniert das nicht - und da geht es auch um Parteilichkeit. Die Ausstellung heißt „Neofaschismus in Deutschland“ und verweist in vielen Dingen auf Aktionen - Martina Renner hat es hier genannt -, wo eine wehrhafte Demokratie nötig ist und die muss auch funktionieren. Und die soll nicht niedergemacht werden mit solchen Auseinandersetzungen. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass das Bündnis am 11. April in einer Bündnisversammlung - leider dann, nachdem die Ausstellung auch schon geschlossen ist, aber sie ist ja auch im Netz, man kann das alles nachverfolgen - sich damit auseinandersetzen wird. Ich lade hier nochmals ein, und das haben wir mehrfach in Suhl getan, dass Vertreter der CDU und auch der FDP, Menschen, die sich auch konservativ verstehen, auch Mitglieder des Bundes der Vertriebenen in diesem Bündnis mitarbeiten. Wir sind offen für alle, die es ernst meinen damit, dass Rassismus, Neonazismus, Rechtsextremismus,

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Linksextre- mismus.)

Gewalt jeder Art hier bei uns keinen Platz haben. Dazu gehört aber auch eine kulturvolle Debatte hier im Thüringer Landtag. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe jetzt keine weiteren Redemeldungen seitens der Abgeordneten, doch, der Abgeordnete Ramelow für die Fraktion DIE LINKE. Herr Minister Dr. Poppenhäger, Sie würden am Ende gern, ja? Gut.

Herr Primas, es ist mir persönlich sehr wichtig, noch einmal darauf einzugehen, weil ich das ausdrücklich das letzte Mal ja auch erwähnt habe, dass ich Ihre Auseinandersetzung mit den Neonazis in Ihrem Verband mit großer Hochachtung zur Kenntnis genommen habe. Sie haben in dem Verband so viele Probleme durch eine bestimmte Form der Unterwanderung, Trinkaus und andere Beispiele, und Sie sind damit umgegangen. Und dafür habe ich ausdrücklich das letzte Mal hier deutlich das Lob erwähnt und gesagt, so ist die richtige Herangehensweise.

Frau Renner hat Fragen gestellt. Ich wollte es jetzt von hier vorn noch mal für mich festhalten, wie ich es verstanden habe, dass die genannten Stellvertreter von Herrn Latussek nicht Ihrem Verband angehören. Sie fungieren aber in den Medien - ich habe mich jetzt im Moment noch einmal überzeugt

immer wieder mit dem Zusatz Bund der Vertriebenen. Also, ich verstehe es, Latussek hat einen eigenen Verein gegründet, den GDV. Damit haben Sie nichts zu tun, das ist absolut glaubwürdig. Er sitzt aber gleichzeitig der Schlesischen Landsmannschaft in Thüringen vor, die wiederum eine Gliederung des Bunds der Vertriebenen ist. Und auf dieses Problem hat Frau Renner aufmerksam gemacht. Wenn wir das falsch verstehen …

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das ist ei- ne andere Untergliederung.)

Wenn der Bund der Vertriebenen damit nichts zu tun hat, dann wäre der Vorwurf falsch. Dann würde ich diesen Vorwurf auch zurücknehmen. Wenn Sie aber in das Internet gehen und die Namen eingeben der Stellvertreter von Herrn Latussek, finden Sie bei jedem dieser Namen den Zusatz „Bund der Vertriebenen“. Das war eine Frage und nicht eine Behauptung, weil innerhalb dieser Frage kommt das, was Sie eben glaubwürdig klargemacht haben, keine revanchistischen und Rückabwicklungsansprüche an die Territorien in Polen oder außerhalb der Bundesrepublik. Die preußische Treuhand praktiziert genau dies. Sie haben eben glaubwürdig gesagt, Sie bzw. Ihr Verband hat mit der preußischen Treuhand nichts zu tun, Herr Latussek und sein Verband aber sehr wohl. Deswegen war die Fragestellung, ob man deutlich macht, Mitglieder des Bundes der Vertriebenen beteiligen sich an keiner Stelle an diesen Rückübertragungsansprüchen, an diesen Schadenersatzprozessen, an diesen Ausgleichsansprüchen, weil das Revanchismus ist und darum ging es in der Ausstellung, um diese Fragestellung. Da steht nicht drin, diese genannten Personen sind Revanchisten oder sind Neofaschisten, sondern da steht in der Ausstellung auf der Tafel, um die es hier geht: Diese Personen liefern Stichworte, die am Stammtisch in die falsche Richtung führen. Hier müssen wir aufpassen, dass man diesen Stichwortgebern nicht einfach bedenkenlos Pardon gewährt. Und da, lieber Herr Bergner, kann ich der Rede Ihres Parteivorsitzenden Guido Westerwelle eben nicht verzeihen. Er hat es bis heute nicht zurückgenommen, von der spätrömischen Dekadenz zu sprechen, und zwar in einer Zeit, als er schon Bundesaußenminister war. Da hat er das Ansehen Deutschlands beschädigt, indem er als Parteivorsitzender von der spätrömischen Dekadenz spricht und dieses Zitat ist korrekt zitiert.

(Beifall DIE LINKE)

Von Herrn Brüderle - von gestern - da versuchen Sie zurückzurudern und sagen, das hat er so gar nicht gesagt, das ist alles im Protokoll falsch wiedergegeben. Aber Herr Westerwelle als Parteivorsitzender Ihrer Partei ist in der Ausstellung völlig korrekt zitiert und dieses Zitat der spätrömischen Dekadenz in Richtung von Menschen, die Hartz-IVEmpfänger sind, von Menschen, die auf staatliche

Hilfe angewiesen sind, genau das ist die Vorstufe, die dann in Richtung neofaschistischer Gedanken genau den Stammtisch bedient. Deswegen glaube ich, dass Sie jetzt so in eine Richtung geschlagen haben, um abzulenken von Ihrer eigenen Partei und Ihrer Verantwortung, sich mit Ihrem Parteivorsitzenden mal auseinanderzusetzen, damit diese Stichworte, diese Stammtischstichworte einfach mal als das bezeichnet werden, was sie sind, nämlich entlarvend, Biertischniveau auf schlimmste Art, die Menschen in nützliche und unnütze Menschen einteilt und deswegen, lieber Herr Bergner,

(Unruhe FDP)

(Beifall DIE LINKE)

bin ich jetzt auch noch mal wegen Ihnen hier vorgegangen, Sie haben,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Biertischni- veau haben Sie.)

Ihr Parteivorsitzender hat die Menschen in Deutschland in nützliche und unnütze Menschen eingeteilt und das finde ich widerwärtig.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe FDP)

Wer im Zusammenhang mit Hartz-IV-Empfängern von spätrömischer Dekadenz redet, der vergeht sich an den Menschen in diesem Land, er schafft keine Lösungen für die Menschen, sondern er versucht, die Menschen an die Seite zu stellen und genau darüber muss man reden, über diese Form der Nützlichkeitseinteilung. Da, lieber Herr Bergner, haben Sie sich nun völlig vergaloppiert, als Sie die Auseinandersetzung des Junge-Union-Vorsitzenden, Herrn Dr. Mario Voigt, mit mir hier als Beispiel der Zensur, wie wir mit prozessualen Mitteln umgehen …

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Na, was ist es denn anderes?)

Herr Bergner, haben Sie die Geduld, damit Sie es einmal verstehen. Erstens hat meine Partei nicht geklagt, sondern ich habe gegen das Plakat geklagt. Es war ein auf mich gerichtetes Plakat, in dem zwei Dinge gezeigt wurden: eine Thüringer Bratwurst als Original - das sind die, die hierher gehören - und ein westdeutscher Ramelow, bei dem stand, der gehört hier nicht her. Das ist der gleiche Rassismus, den ich Nützlichkeitsrassismus nenne, den ich Ihnen eben mit Ihrem Parteivorsitzenden vorgehalten habe.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insoweit ist die geistige Allianz von Herrn Westerwelle und Herrn Voigt einfach perfekt.

(Unruhe FDP)

Aber dass Herr Voigt auch noch die Frechheit besitzt, Lenin zu zitieren - und ich hoffe, ich habe es jetzt richtig mitgeschrieben - isolieren, diffamieren, eliminieren. War das das Zitat, Herr Dr. Voigt? Liquidieren, ich habe eliminieren verstanden, aber es ändert, glaube ich, gar nichts an der Geschichte. Wie heißt es denn nun? Eliminieren oder Liquidieren?

(Zwischenruf Dr. Spaeth, Staatssekretär: Li- quidieren.)

Aber dass ausgerechnet Sie die Stirn hier besitzen, dieses Zitat anzuwenden und mich dabei anzugucken, dabei ist es Ihre Organisation mit Ihrer Verantwortung gewesen, die dazu noch einen Brief geschrieben hat, wie diese Taktik mit den Plakaten einzuordnen war. Dieter Althaus sollte der Gute sein und in Ihrem Brief, von Ihnen autorisiert, steht sogar noch drin, wir dürfen dabei nicht erwischt werden als Teil der Parteiauseinandersetzung im Wahlkampf.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Herr Voigt gibt Ihnen bestimmt gern Hinweise in ML.)

Dieter Althaus muss der Gute sein und wir sind die Bösen und das Ganze nimmt Herr Bergner zum Anlass, das zu dem Antrag jetzt hier mit einzubringen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Reden Sie mal zum Thema, Herr Ramelow.)

Ich bin beim Thema. Denn der Unterschied ist, lieber Herr Bergner, ich habe die Prozesse gewonnen. Die Staatsanwaltschaft - und da, Frau Marx, bin ich wieder beim Antrag - hat nicht mal den Hauch eines Vorwurfs gefunden und dass Sie sich hier hinstellen und sagen, Gefahr im Verzug, das ist doch nur eine erbärmliche Antwort, um zu sagen, wir sind in der Koalition, wir machen nicht mit. Es wäre einfacher gewesen, wenn Sie gesagt hätten, aus Koalitionsgründen stimmen wir nicht zu. Aber dass wir zulassen, dass in Thüringen eine Ausstellung in einem Rathaus von Polizei beschlagnahmt wird, hinterher gesagt wird, es war vielleicht doch keine Beschlagnahmung, es war vielleicht eine Ausleihaktion, der Staatsanwalt der Besitzerin der Ausstellung noch mitgeteilt hat, sie bekommt überhaupt keine Beschlagnahmungsunterlagen und gar nichts, das ist im höchsten Maß rechtsstaatswidrig. Eine Form, wie man dann mit Menschen und mit Organisationen umgeht, nur um eins zu erreichen und das wollte Herr Dr. Voigt, das wollte er wirklich, insoweit freut er sich über diese Debatte hier, da konnte er seinen Jesse jetzt noch mal komplett herauslassen -, nein, es ist völlig klar, es sollte darum gehen, Bündnissen gegen Rechts möglichst martialisch zu begegnen, damit schon im Keim der Ansatz der Gemeinschaft gestört ist.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt noch eine Wortmeldung von der FDP-Fraktion, Herr Abgeordneter Bergner.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache es kurz, ich werde nicht noch einmal alles aufrollen.

Sehr verehrter Herr Ramelow, Sie haben das Zitat unseres Bundesvorsitzenden mit der spätrömischen Dekadenz angesprochen. Nun kann man über dieses Zitat sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Man kann auch unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob das glücklich formuliert war, inhaltlich ging es aber mit Sicherheit nicht um die Einteilung in Menschen nach nützlich oder nicht nützlich, sondern es ging darum, dass wir uns in diesem Land schon wieder etwas mehr nach der Decke strecken müssen, damit es nach vorn geht.

Meine Damen und Herren, dieses Zitat herzunehmen, um einen Menschen, egal welcher politischen Partei, egal welcher politischen Richtung, hinzustellen in den Kontext als Wegbereiter von Neofaschismus, das ist das, was ich kritisiere.

(Beifall CDU, FDP)

Wer so auftritt, meine Damen und Herren, sucht diesen Schulterschluss, zu dem sie jetzt nachträglich in Suhl einladen, nicht. Das ist meine Kritik. Ich danke Ihnen.