Ich will noch mal aus unserer Sicht vier Hauptrichtungen nennen, die sind zum Teil identisch mit den fünf strategischen Linien aus dem Aktionsprogramm. Wir sagen erstens eine hohe Qualität der Bildung und Ausbildung, auch was den Anteil der Wirtschaft selbst betrifft, auch mit dem Blick auf Weiterbildung, denn da gibt es Defizite, aber damit werden wir uns ja auch mit dem nächsten Antrag beschäftigen.
Wir sagen zweitens ganz klar, es geht darum, vorhandene Potenziale zu nutzen, bei Jugendlichen, bei Frauen, bei Langzeitarbeitslosen, bei ausländischen Menschen, die hier leben oder die hierherkommen wollen. Wir hatten ja heute die Debatte, da haben Sie ja unseren Antrag abgelehnt, was die Berufsanerkennung von ausländischen Fachkräften, die hier in Thüringen leben, angeht. Und wir haben auch eine große Reserve bei den älteren Arbeitnehmern - auch das haben wir hier schon einmal thematisiert vor nicht allzu langer Zeit -, die eben früher in Rente geschickt werden und als Fachkräfte, die sie ja sind, sicherlich auch in Zukunft weiter gebraucht werden.
Ein dritter Punkt - und das ist uns auch sehr wichtig - ist die Frage der Attraktivität der Arbeitsbedingungen hier im Land Thüringen. Da müssen Sie sich das schon noch mal sagen lassen: Gute Arbeit, gute Ausbildung sind dort eben eine ganz entscheidende Voraussetzung dafür. Ich komme dann noch mal darauf zurück.
Der vierte Punkt: Für attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen hier in Thüringen gilt natürlich auch die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und zwar für Männer und Frauen.
Eine der wesentlichen Fragen, meine Damen und Herren, die wir uns stellen, ist die Frage, warum es nicht gelingt, junge Menschen, die heute in Workshops beispielsweise sagen - und das ist offensichtlich fest verankert im Denken -, „wenn du hier bleibst, bist du ein Loser“, junge Menschen zu gewinnen, hier im Land zu halten und dafür zu sorgen, dass sie hier eine Perspektive finden. Wie können wir dieser Abwanderung entgegensteuern und was können wir tun, um Abgewanderte zurück
Ich will noch einmal betonen, wir haben heute den „Equal Pay Day“. Herr Präsident, ich habe das TShirt nicht angezogen, Sie erinnern sich vielleicht noch an das vergangene Jahr. Es ist es nicht wert, sich hier den Ordnungsruf einzuholen. Aber „Equal Pay“ ist ein Grundsatz für Frauen und Männer, für Menschen in Ost und West
und für alle Arbeitnehmer in Kernbelegschaften und auch für die in der Leiharbeit. Das muss man ganz klar sagen. Jetzt muss ich Ihnen aber auch noch einmal sagen, dass die Realität eine andere ist. Wir haben gestern in der Aktuellen Stunde, die die GRÜNEN beantragt hatten, über „Equal Pay“ für Frauen und Männer diskutiert. Ich will noch zwei Zahlen anfügen, die gestern keine Rolle gespielt haben. Wir wissen, dass in Thüringen der Lohnabstand zwischen Frauen und Männern im Durchschnitt 176 € beträgt, das sind 6,8 Prozent. Das ist im Vergleich zu den 23 Prozent bundesweit - also knapp einem Viertel - sehr wenig. Warum? Die Frage ist gestern beantwortet worden. Weil die Männer in Thüringen auch sehr niedrig verdienen. Frau Holzapfel, Sie haben es gesagt: Gott sei Dank ist die CDU abgerückt von ihrer jahrelang propagierten Niedriglohnstrategie für Thüringen. Es ist Zeit, dass sich das ändert. Das bekräftigen auch diese Zahlen noch einmal. Man muss noch eine zweite Zahl anfügen. Wenn man die Frauen und ihre Verdienstmöglichkeiten in Thüringen sieht, dann liegen diese im Vergleich zu dem Mann-West bei 34,7 Prozent weniger, also ein Drittel, nicht nur ein Viertel. Der Lohnabstand beträgt hier 1.275 €.
Doch, das will ich aber einmal vergleichen, Herr Recknagel. Diese Zahlen lügen nicht. Dass das ein Durchschnitt ist, das wissen wir auch. Aber ich glaube, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn 76 Prozent der Teilzeitbeschäftigten in Thüringen Frauen sind - auch das ist eine Durchschnittszahl - und im Durchschnitt 4,17 € weniger Stundenlohn bekommen als Menschen, die in Vollzeit tätig sind - und nicht alles ist gewollte Teilzeit -, dann sehe ich hier ganz deutliche Reserven und Möglichkeiten, wo man einfach nachhaken muss. Das ist eine strategische Linie, hier muss sich etwas verändern. Das muss hier auch ganz klar benannt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben in unserem Antrag Bundesratsinitiativen formuliert. Ich will das noch einmal sagen, wenn man davon ausgeht, dass zu den Motiven der Menschen, wo sie lernen, leben, arbeiten, eine Familie gründen und alt wer
den möchten, eine ganz entscheidende Frage die nach der gut bezahlten, sicheren Arbeit ist, nach guten Arbeits- und Lebensbedingungen und auch nach individuellen Möglichkeiten einer persönlichen Entwicklung durch Bildung, durch Aufstiegschancen und auch durch Anerkennung im Beruf. Dazu gehört übrigens auch eine entsprechende Gesundheitsvorsorge, auch das gewinnt an Bedeutung, wenn man sich auf ältere Arbeitnehmer orientiert. Das heißt also, es lohnt sich, über die Arbeitsbedingungen, über Weiterbildung, Gesundheitsvorsorge und gerade mit dem Blick auf ältere Arbeitnehmer auch über altersgemischte Teams nachzudenken. Das ist übrigens auch Ergebnis einer entsprechenden Studie.
Unser Antrag richtet sich auch darauf, dass wir die vorhandenen Arbeitsund Fachkräftepotenziale durch die Integration von Arbeitslosen, Langzeitarbeitslosen und Nichtleistungsbeziehern erkennen und umfassender nutzen wollen. Da ist es schon so, dass beispielsweise auf eine Kleine Anfrage von mir vor einiger Zeit gesagt wurde: Wir wissen gar nicht so richtig, was für Arbeitskräftepotenziale in den Arbeitslosen drinstecken. Ich weiß schon, dass es eine Milchmädchenrechnung ist, wenn man den Bestand an Arbeitslosen, an Langzeitarbeitslosen dem Fachkräftedefizit gegenübersetzt, das ist zu einfach gedacht, aber ich glaube, dass die Möglichkeiten der Weiterbildung hier besser genutzt werden müssen. Die Tatsache, dass gerade für Bildungseinrichtungen Mittel der BA um 30 bis 40 Prozent gekürzt werden, ist natürlich nicht dazu angetan, hier einen Zahn zuzulegen.
Auch das ist auf unserer Beratung mit Experten deutlich geworden; viele Menschen haben ihre zweite Chance verdient, auch hier in besonderer Weise Frauen. Deswegen werden wir auch in der Forderung nicht nachlassen, dass Weiterbildung und Qualifizierung auch von Unternehmen selbst ein ganz wichtiger Punkt ist.
Meine Damen und Herren, ich kann es mir an der Stelle auch nicht verkneifen, einige Bemerkungen zu der vom Wirtschaftsminister Machnig und der LEG Thüringen am Mittwoch vorgestellten Agentur für Fachkräftegewinnung zu machen. ThAFF, kann ich da nur sagen, es klingt ein bisschen schlaffer als Topp Thüringen und der große Wurf ist es meines Erachtens wirklich nicht. Die Wirtschaft - Sie haben die Reaktionen gehört - hat das ja auch deutlich gemacht. Innerhalb von drei Jahren wurden 500 Personen nach Thüringen zurückgeholt und dafür 2 Mio. € ausgegeben. Dass das nicht gerade effizient war, das ist eine Erkenntnis. Ob die Schlussfolgerung daraus, die Sie jetzt gezogen haben, die richtige ist, möchte ich infrage stellen. Aber fragen möchte ich auch, was mit den 15.000 Rückkehrwilligen, die sich auf der Internetplattform von
UFaS registrieren ließen, wird. 15.000 Menschen, die zurück nach Thüringen kommen wollen, wer hat sich denn in der Vergangenheit um die gekümmert und wer kümmert sich in Zukunft darum? Die Thüringer Fachkräfteagentur wird sich ja nur noch dem Marketing widmen und wenn die Aussagen stimmen, dass diese 15.000 Rückkehrwilligen nun in einen Pool gesteckt werden - ich hoffe nicht im Wasser, dass Sie dann da irgendwie schwimmen, sondern dass wirklich weiter mit denen gearbeitet wird -, sollte es nicht dem Zufall und allein den Unternehmen überlassen werden, sich dann um diese Menschen zu kümmern. Ich will an einem Bespiel deutlich machen, dass es sich lohnen würde, intensiver daran zu arbeiten. Das Beispiel geht von einer jungen Thüringerin aus, 26 Jahre, erfolgreich abgeschlossenes Studium als Germanistin, lebt und arbeitet zurzeit in Marburg, ist seit mehreren Jahren liiert mit einem Thüringer, der in Jena studiert und promoviert hat, seit 2010 hat er den Doktortitel und möchte in Erfurt eine Familie gründen. Die zwei möchten hier in Erfurt eine Familie gründen, weil die Familie, die Eltern auch hier sind. Nun hat sie sich zigmal in Erfurt und Umgebung bei Unternehmen beworben, Absagen erhalten, hat sich an die Arbeitsagentur gewandt als Arbeitsuchende. Die Arbeitsagentur hat ihr zunächst erst mal empfohlen, in die Altbundesländer zu gehen oder ins Ausland und aktuell, deswegen sage ich es jetzt, hat man der jungen Frau einen Job angeboten in einem Verlag für pornografische Literatur, schließlich sei Sie Germanistin. Da fällt einem wirklich nichts mehr ein. Wenn wir so mit jungen Leuten umgehen, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn diese auswandern.
Ich will noch ein Beispiel nennen: Fachkräfte, Techniker, Ingenieure fehlen in besonderer Weise. Ich habe noch einmal nachgesehen nach der alten Fachkräftestudie, in der gesagt wird, wir brauchen einen Bedarf an Fachkräften bei Ingenieuren bis 2013 von 4.500 und bei Technikern von 4.000. Da müssten wir auch abrechnen, wie das eigentlich gesichert ist. Wenn Sie sich erinnern, habe ich eine Anfrage gestellt in Drucksache 5/2216 und nach arbeitslosen Ingenieuren gefragt. Dort wurde mir geantwortet: 948 arbeitslose Ingenieure gibt es, 380 offene Stellen - und jetzt kommt, was ich eigentlich sagen will und über 7.900, exakt 7.952 Ingenieure haben wir in Thüringen an Universitäten und Hochschulen seit 2005 ausgebildet, fast 8.000, übrigens 2.000 Frauen darunter. Das ist ein Potenzial, mit dem muss man umgehen. Natürlich wollen die jungen Leute sich andere Länder ansehen, das sollen sie auch. Aber da müssen unsere Unternehmen gute Bedingungen schaffen, dass sie hierbleiben oder zurückkommen, weil wir diese Menschen brauchen wie viele andere auch, um Thüringen zukunftsfähig zu gestalten.
Lassen Sie mich zum Schluss auf die Frage flächendeckender Mindestlohn und Eindämmung der Leiharbeit eingehen. Um Ängste geht es nicht. Es ist auch nicht über uns gekommen, weil am 1. Mai die Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeführt wird. Sie wissen, dass wir über den flächendeckenden Mindestlohn gesetzlich fixiert wie in 21 europäischen Ländern existent seit Jahr und Tag streiten. Ich meine, ganz offensichtlich - und das ist auch deutlich geworden in der Berichterstattung des Staatssekretärs - gibt es hier die Unterschiede in der Regierung. Ich sage Ihnen auch, wir werden da nicht nachlassen, diese Forderung immer wieder aufzumachen, weil ich glaube, es ist ein Gebot der Zeit, dass wir einen Deckel nach unten einziehen, dass wirklich existenzsichernde Arbeit mit gesetzlichen Mindestlöhnen das Gebot der Stunde sind, damit nicht Menschen tätig sind, die von ihrer Hände Arbeit nicht leben können, die arbeiten und trotzdem Hartz IV beziehen müssen. Das ist auch ein Kostenfaktor. Was in anderen Ländern geht, das muss in Thüringen auch funktionieren. Das wird es auch, wenn die politischen Mehrheiten dort auch da sind.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen - bzw. möchten wir ihn gern an den Wirtschaftsausschuss, an den Sozialausschuss und an den Bildungsausschuss aus den genannten Gründen überweisen. Wir wollen miteinander weiterdiskutieren, um den Fachkräftebedarf in Thüringen zu sichern und vor allen Dingen den Menschen - jungen wie älteren die Chance in Thüringen zu geben, ihr Leben selbst zu gestalten und hier zu arbeiten und auch die Wirtschaft entsprechend beim Fachkräftebedarf zu unterstützen. Ich danke Ihnen.
Danke, Frau Abgeordnete. Ich habe noch eine Nachfrage. Sie haben drei Ausschüsse beantragt. Es ist aber nur ein Ausschuss möglich nach unserer Geschäftsordnung. Ich gehe davon aus, dass Sie dann den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit haben möchten.
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, DIE LINKE hat einen Antrag vorgelegt zum Thema Fachkräftemangel, betitelt: „Thüringen attraktiv ge
stalten - Fachkräfte halten, qualifizieren und gewinnen“. Das hört sich toll an, aber leider haben Sie unter II. Ihres Antrags lauter untaugliche Mittel aufgezählt, das hilft uns gar nicht.
es wird etwas Grundsätzlicher, ja, dass Sie da lachen, entlarvt ein wenig - wird als eines der grundlegenden Menschenrechte das Recht auf das Streben nach Glückseligkeit erwähnt. Eines dieser großen bürgerlichen Freiheitsrechte, die sich daraus u.a. ergeben, ist die Vertragsfreiheit.
Jeder darf sein persönliches Glück selbst definieren und diese Definition des persönlichen Glücks steht der LINKEN nicht zu. Vertragsfreiheit sichert genau das. Jeder darf selbst entscheiden, was er für angemessen hält.
Sie erwähnen in Ihrem Punkt 1, wie immer und immer wieder, den flächendeckenden und existenzsichernden Mindestlohn. Sie beantworten aber nicht die Frage, wie Sie mit dem unterschiedlichen Lohngefüge in Deutschland umgehen. Ich meine nicht die Unterschiede zwischen Ost und West, sondern z.B. auch die Unterschiede zwischen Nord und Süd. Die Probleme, die Sie hier erkennen, lösen Sie damit überhaupt nicht. Wie hoch ist denn z.B. ein existenzsichernder Mindestlohn für eine Familie mit vier Kindern? Wenn Sie nachrechnen, werden Sie sehr schnell feststellen, so hoch kann ein Mindestlohn niemals sein.
Welchem Arbeitgeber und auch welchem öffentlichen Arbeitgeber wollen Sie es denn zumuten, dafür allein die Last zu tragen, die doch in Wirklichkeit eine Last des Sozialstaats ist, die er auch ganz berechtigt übernehmen kann, aber eben nicht über einen Mindestlohn, indem er in fremde Vertragsverhältnisse eingreift, sondern indem er ergänzend Sozialleistungen zahlt. Wir haben dafür das Konzept des liberalen Bürgergelds vorgelegt.
Sie haben weiterhin gefordert, im Bundesrat für ein Gesetz zur Eindämmung und Regelung der Leiharbeit aktiv zu werden. Da frage ich mich doch: Warum wollen Sie die denn überhaupt eindämmen? Sie haben offensichtlich ein grundsätzliches Problem mit der Zeitarbeit, und zwar zu Unrecht.
In der Ostthüringer Zeitung vom 25.03., also von heute, wird erwähnt mit der Überschrift „Leiharbeit in Thüringen über Vorkrisenniveau“. Das zeigt doch mindestens eines, das zeigt, dass die Leiharbeit ein ganz taugliches, ein gutes Instrument ist, um nach Krisen sehr schnell wieder Beschäftigung aufzubauen.
Die Geschichte der Bundesrepublik hat gezeigt, dass es immer lange Jahre gedauert hat und wir immer einen Bodensatz an Arbeitslosigkeit nach jeder Krise, nach jeder Rezession zurückbehalten haben,
bis das Niveau der Beschäftigung wieder aufgebaut werden konnte. Wir haben nie wieder das alte Niveau vor der Rezession erreicht. Heute ist das anders. Es tut mir leid, das hier sagen zu müssen, das ist eine Erfolgsgeschichte. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, weil es eine Erfolgsgeschichte ist, die ganz wesentlich von Rot-Grün ermöglicht wurde.
Bundeskanzler Schröder war das in der rot-grünen Koalition, die haben nämlich die Leiharbeit liberalisiert. Das findet unseren Beifall.
(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Die haben den kleinen Finger gegeben und Sie haben den ganzen Arm genommen.)
Die Geschichte seitdem zeigt, wie richtig das war. Die SPD hat einen sehr großen Preis dafür bezahlt, dass sie richtige Dinge konsequenterweise angepackt hat gegen Widerstände in der eigenen Partei, gegen vehemente Widerstände aus den Gewerkschaften - Sie sind abgewählt worden deswegen -, und Sie haben die Linksextremisten groß gemacht damit. Trotzdem haben Sie dieses Richtige getan. Mein Respekt.