Protokoll der Sitzung vom 25.03.2011

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Die haben noch jemand anders groß ge- macht.)

Der Staatssekretär hat eben davon gesprochen,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Irgendwie kann ich mich über Ihren Beitrag überhaupt nicht freuen.)

20 Prozent weniger Lohn durch die Zeitarbeit. Lohndrückerei haben Sie gesagt. Das mag es geben. Sie greifen Einzelfälle heraus, die sind aber nicht repräsentativ für die Zeitarbeit. In Wirklichkeit ist die Zeitarbeit, wie schon erwähnt, eine Erfolgsgeschichte; sie kann als Durchlauferhitzer wirken, man muss nur den Weg auch wirklich zu Ende gehen. Der Weg besteht aus einem Einstieg in eine

Beschäftigung, oftmals aus der Arbeitslosigkeit heraus, in der Regel sogar aus der Arbeitslosigkeit in eine Qualifizierung in einem gegenseitigen Kennenlernen und dann in den Aufstieg zunächst möglicherweise in befristete, anschließend in unbefristete Beschäftigung. Das ist auch ganz natürlich so, denn jeder Arbeitgeber will gute Leute halten. Und dass das Image der Zeitarbeit tatsächlich ein Schlechtes ist, darüber brauchen wir hier nicht zu diskutieren. Deswegen wird ein Arbeitgeber auch jemandem, der aus der Zeitarbeit kommt und den er halten möchte, einen sicheren Arbeitsplatz anbieten. Allein der Fachkräftemangel zwingt dazu.

Sie haben auch davon gesprochen, grundsätzlich verpflichtend Stammkräfte so zu bezahlen wie Leiharbeiter. Das hört sich zunächst mal ganz gut an. Man muss sich aber die Frage stellen: Ist es denn auch praktikabel? Wie gestaltet man denn Leiharbeit? Wie ist das denn typischerweise? Das ist doch typischerweise etwas, wo über befristete Dauer, einige Tage, einige Wochen, möglicherweise auch Monate, bestimmte Auftragsspitzen abgefedert werden müssen, erledigt werden müssen, damit die Aufträge in Deutschland bleiben und nicht nach Rumänien oder nach China abwandern. Solche Tätigkeiten wird man dann vergeben, dann beschäftigt man einen solchen Zeitarbeiter, stellt ihn an die Maschine A, der arbeitet dort zusammen mit dem Kollegen B und in der Pause unterhalten die sich: „Was verdienst denn du?“. Der eine sagt: „15 €“ und stellt dann fest, er selber liegt darunter und schließt möglicherweise:

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch gar nicht. Das ist fernab von jeder Realität.)

Die Tätigkeit, die mein Kollege für 15 € macht, die muss ich hier für 12 € tun. Das ist ungerecht. Ich will auch die 15 € haben. Er verkennt aber möglicherweise, dass der Kollege auch nur die Tätigkeit deswegen macht, weil gerade dort der Bedarf am größten ist. Das hat doch nichts mit der notwendigen Qualifikation zu tun. Wie wollen Sie denn das juristisch sicher darstellen? Welche Statistiken muss man führen? Wie kann man die Vergleichbarkeit in der Praxis wirklich nachweisen? Sie verkennen auch, dass nicht sämtliche Arbeit, die es in Deutschland gibt, genau normiert ist, in Tarifverträge gegossen,

(Beifall FDP)

sondern dass es tatsächlich ein ganz vielfältiges Bild gibt. Und was ist mit der Leiharbeit, die eine Woche hier und dann in der nächsten Woche an einer anderen Stelle im gleichen Betrieb zu absolvieren ist? Wie gehen Sie damit um? Wie gehen Sie damit um, wenn ein Zeitarbeitsbetrieb heute in Thüringen diesen Lohn zahlt, morgen in Baden-Württemberg arbeitet? Da ist der Vergleich nun mögli

cherweise sehr viel höher. Wie gehen Sie damit um, wenn der Zeitarbeiter dort wieder abgezogen wird und nach Mecklenburg-Vorpommern geschickt wird? Hat der dann ein Recht, in Baden-Württemberg zu bleiben, weil dort der höhere Vergleichslohn gezahlt wird? In der Praxis ist das alles nicht ausgegoren. Sie kennen offensichtlich die Wirklichkeit in den Betrieben, die Wirklichkeit in der Wirtschaft nicht.

(Beifall FDP)

Das wundert mich auch nicht, denn viele Politiker hier haben möglicherweise noch nicht so richtig häufig in der Wirtschaft gearbeitet.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie.)

Tatsächlich wäre eine Entrümpelung des Arbeitsrechts notwendig und da gibt es gute Beispiele dafür.

(Beifall FDP)

Ich spreche hier nicht von den USA.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Da läuft es ei- nem kalt den Rücken runter, wenn man das hört.)

Ich spreche von Ländern des sozialen Notstands: Dänemark, der Schweiz. Solche Länder gehen einen richtigen Weg, haben dann folgerichtig geringere Arbeitslosigkeit, haben geringere Probleme mit Fachkräftemangel. Und die haben ganz bestimmt auch ohne Mindestlohn höhere Löhne.

Sie fordern weiter den Abbau prekärer Beschäftigung und Herr Hausold hat es eben erwähnt, Sie setzen prekäre Beschäftigung mit Leiharbeit gleich. Das kann man aber nicht gleichsetzen, weil es faktisch nicht so ist.

(Beifall FDP)

Sie fordern tarifgerechte Entlohnung. Damit erheben Sie den Tarif quasi zum Gesetz. Der Tarif ist aber gerade kein Gesetz. Ich hatte eben von den bürgerlichen Freiheitsrechten gesprochen und zu diesen, die im Übrigen auch in unserem Grundgesetz verankert sind, gehört auch die Tariffreiheit.

(Beifall FDP)

Tariffreiheit heißt auch, dass jeder Einzelne sich entscheiden darf, jeder einzelne Betrieb, ob er einem Tarifvertrag beitreten möchte, und jeder einzelne Mitarbeiter, ob er mit in einer Gewerkschaft sein möchte oder nicht oder ob er sein persönliches Glück unter Abwägung aller Rahmenbedingungen möglicherweise auch anders findet. Sie verstoßen gegen diese bürgerlichen Freiheitsrechte. „Closed Shops“, wie es im Übrigen zum Beispiel in angelsächsischen Ländern üblich ist, darf es nicht geben.

(Beifall FDP)

Dann unter Punkt 5, das hat mir ja geradezu hervorragend gefallen, fordern Sie eine angemessene Vergütung von Praktika. Na ja, dann können Sie den Minister, Sie wissen schon, wen, mal fragen, wie er es denn damit hält. Er hält es für angemessen vergütet, wenn ein Praktikant Fahrtkosten ersetzt bekommt. Das ist hier in Thüringen Realität. Die FDP hat sich dagegen gewandt. Eine Änderung ist meines Wissens noch nicht in Gang gesetzt worden.

Was Sie verkennen, ist, dass es Marktmechanismen gibt, die sehr gut dafür sorgen, dass es angemessene und gute Bezahlung gibt und dass es auch gute Arbeitsbedingungen gibt. Untauglich sind solche Dinge für die Fachkräftesicherung wie dieses umgetaufte UFaS, was jetzt ThAFF heißt, wo man weiteres Geld versenken will und dann anschließend schulterzuckend feststellt, so erfolgreich war es dann wieder nicht. Wir warten es ab und wir stellen es dann fest.

Frau Holzapfel, ich möchte Ihnen ganz herzlich danken für Ihren Beitrag zur Freizügigkeit für Arbeitskräfte ab dem 1. Mai 2011. Sie hatten eben bemängelt, ich hätte nicht genug geklatscht. Ich habe tatsächlich Beifall gespendet, Sie haben es vielleicht nicht mitbekommen. Deswegen sage ich es an der Stelle noch mal: Sie hatten vollumfänglich recht, wir brauchen überhaupt keine Angst davor zu haben. Ganz im Gegenteil, uns erwachsen große Chancen daraus, wenn wir Fachkräfte aus benachbarten oder weiter entfernten Ländern der Europäischen Union hier nach Thüringen bekommen. Nebenbei bemerkt, aus Wettbewerbsgründen ist es mir allemal lieber, dass diese Fachkräfte in Thüringer Unternehmen arbeiten, hier Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, die hiesige Wirtschaft fördern, die hiesige Wirtschaft mit entwickeln, als wenn sie das in irgendeinem anderen Land der Europäischen Union tun und das Geld dort bleibt; das ist mir allemal lieber.

(Beifall FDP)

Sie sagten auch, Frau Holzapfel, es wird und muss einen Lohnanstieg geben. Genau das ist es. Wenn es einen Fachkräftemangel gibt - und den gibt es, gar keine Frage -, dann wird und muss es einen Lohnanstieg geben. Sie haben von der LINKEN, meine Damen und Herren, dort Beifall gespendet. Aber genau deswegen braucht es keinen Mindestlohn, weil es geradezu zwangsläufig automatisch kommt.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Frau Holzapfel, Sie sagen aber auch - wir sprechen von Fachkräften - es sei Sache der Tarifparteien. Das kann es zum Teil sein, es ist aber nicht allein Sache der Tarifparteien; ich verweise noch einmal auf die Vertragsfreiheit und insbesondere die Koalitionsfreiheit. Es gibt eine Menge Betriebe, die das

sehr gut alleine regeln können, im Übrigen auch übertariflich.

Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage durch den Abgeordneten Adams.

Ja, gern.

Herr Kollege Recknagel, ich habe Ihrem Vortrag entnommen, dass Sie die Punkte, die im Antrag der LINKEN aufgeführt wurden, für untauglich halten. Sie sind sie im Einzelnen durchgegangen; auch beim Praktikum haben Sie gesagt, scheint nicht zu funktionieren. Jetzt ist es für mich ganz wichtig noch mal nachzufragen, dass ich es nicht verpasse. Was wäre denn Ihr Vorschlag, um den Fachkräftemangel zu mildern, wenn Sie doch eben gerade ausgeführt haben, dass er sich zwangsläufig aus dem Markt heraus immer regulieren würde? Weil ich unterstelle, dass auch Sie den Fachkräftemangel in Thüringen sehen, erst noch einmal die Frage: Sehen Sie den wirklich so? Was würden Sie denn jetzt vorschlagen?

Ich komme gleich zu dem, was ich vorschlagen werde.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Nicht, dass dann Ihre Redezeit vorbei ist.)

Ich sehe den Fachkräftemangel also durchaus. Sie haben das Thema Praktika angesprochen. Hier ist genannt, ich zitiere: „Initiativen zur rechtlichen Ausgestaltung und einer angemessenen Vergütung von Praktika“. Die rechtliche Ausgestaltung braucht es nicht. Es braucht natürlich eine angemessene Vergütung. Da kann die Landesregierung und der Minister, von dem ich eben sprach, mit gutem Beispiel vorangehen.

(Beifall FDP)

Die Wirtschaft tut es in ihrem überwiegenden Teil heute schon; da werden Praktika angemessen bezahlt, weil auch da durchaus wertvolle Arbeit geleistet wird.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was verstehen Sie unter gut bezahlten Praktika?)

Frau Leukefeld, Sie haben eben die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angesprochen. Das ist natürlich immer wieder ein sehr gern genommenes Argument. Aber gerade da hat Thüringen weniger Grund

als andere Bundesländer zu klagen und gerade das ist dann kein so schlagender Grund, gerade Thüringen zu verlassen. Sie haben angesprochen, Equal Pay für Ost und für West. Gilt das denn nicht auch nach Gerechtigkeitsgrundsätzen über Deutschland hinausgehend? Wie halten wir es denn beim Equal Pay mit der Schweiz? Sollten wir uns nicht auch dem Anspruch stellen, auf das Schweizer Niveau zu kommen oder auf ein schwedisches Niveau? Oder hatten Sie bei Equal Pay eigentlich mehr das Beispiel von Rumänien vor Augen oder China? Wir haben eine Weltwirtschaft, in der Arbeitskräfte bewertet werden müssen mit der Produktivität, die hier vor Ort geleistet wird.

(Beifall FDP)

Man kann es sich eben nicht so einfach machen und einfach nur alles von Gesetzes wegen fordern. Gerechtigkeit geht in beide Richtungen, auch für Rumänien und China genauso wie für die Schweiz oder Schweden. Sie sagten, Teilzeit sei hauptsächlich weiblich.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: 75 Prozent.)

Dann sprachen Sie von gewollter Teilzeit. Damit meinen Sie, dass es auch ungewollte Teilzeit gibt.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Ja, natürlich.)

Da sage ich Ihnen. Küssen kann man nicht allein, es gehören immer zwei dazu. Angebot und Nachfrage. Derjenige, der Teilzeit möchte und der andere, der Teilzeit anbietet genauso

(Beifall FDP)