Protokoll der Sitzung vom 15.04.2011

Es liegen keine Redemeldungen mehr aus den Fraktionen vor. Für die Landesregierung Minister Machnig, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst herzlichen Dank für die guten Wünsche des Hauses zu meinem Geburtstag. Dabei war eines auffällig, alle haben mir immer viel Kraft und Gesundheit gewünscht - ich hoffe, das ist ehrlich gemeint -, und alle sind sich über die Konsequenzen klar, wenn das eintritt.

(Heiterkeit im Hause)

Aber das nur am Rande - herzlichen Dank dafür.

Lassen Sie mich am Anfang eines sagen: Für mich ist entscheidend, was heute hier passiert, wir ziehen Konsequenzen daraus, dass wir etwa in der Wirtschafts- und Finanzkrise eines erlebt haben, Märkte ohne Regeln funktionieren nicht. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt, Märkte, die keinen Korridor haben, Märkte, die keine Regeln kennen, die führen zu ökonomischen und sozialen Supergaus.

(Abg. Adams)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen brauchen wir Regeln auf den Märkten für die Märkte, und zwar nicht nur für die Finanzmärkte, sondern auch für die Arbeitsmärkte, weil Arbeit nicht zu einem beliebigen Produkt werden darf, sondern wir müssen Arbeit schützen, wir müssen Arbeit auch an Kriterien knüpfen, insbesondere dann, wenn Arbeit auch dadurch ausgelöst wird, dass es öffentliche Investitionen gibt. Deswegen sage ich klar, das, was wir heute hier beschließen, ist soziale Marktwirtschaft konkret. Nicht in den Sonntagsreden, die auf Parteitagen gehalten werden, sondern wir machen es konkret dadurch, dass wir hier Regeln definieren, wie denn bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu verfahren ist.

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Dann le- sen Sie doch mal bei Ludwig Erhard nach, was soziale Marktwirtschaft heißt.)

Sie können doch gar nicht lesen, deswegen können Sie da auch nicht mitreden.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das ist jetzt aber ganz unteres Niveau.)

Ja, ist jetzt gut.

(Unruhe FDP)

Ich würde gern einfach weiterreden.

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Sie sind einfach wirklichkeitsfremd.)

Ich stelle fest, Thüringen geht den Weg auch anderer Länder. 12 von 16 Bundesländern haben ein Vergabegesetz, im Übrigen auch Länder, an denen die FDP in der Landesregierung beteiligt ist, wie z.B. in Hessen. Viele Regelungen, die wir getroffen haben, finden sich auch im hessischen Vergabegesetz.

Jetzt komme ich zu dem, was Dieter Hausold gesagt hat, den ich ansonsten schätze, wir brauchten keinerlei Aufforderung vonseiten der Linksfraktion, um einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen, sondern das steht im Koalitionsvertrag. Ich habe sehr schnell, nachdem ich das Amt übernommen habe, bereits im Februar das Kabinett befasst bzw. in die Ressortabstimmung vorgenommen. Im Mai haben wir den ersten Kabinettsdurchgang gemacht und im September haben wir dann im zweiten Durchgang das dem Parlament zugeleitet. Ich glaube, dass das zügig war, dass das auch gut koordiniert war im Rahmen der Landesregierung und dass wir natürlich - Herr Adams, da gebe ich Ihnen recht, es gilt das Strucksche Gesetz - das Gesetz in das Parlament geben. Gesetze gehen immer anders in das Parlament, als sie herauskommen. Das halte ich für eine Selbstverständlichkeit im Übrigen. Es ist gut, Lernprozesse durchzumachen, auch durch Anhörungsverfahren. Das ist unbestreitbar. Aus der Tatsache, dass der eine oder andere das Gesetz ab

lehnt auch in seiner öffentlichen Stellungnahme, kann ich nur eine Schlussfolgerung ziehen. Jeder, der 100 Prozent seiner Vorstellung in diesem Gesetz, ob Gewerkschaften oder Arbeitgeber, hat realisieren wollen, der ist in der Tat enttäuscht, weil es nicht darum geht, zu 100 Prozent Einzelinteressen zu berücksichtigen, sondern es geht darum, ein vernünftiges Gesetz zu machen. Das haben wir getan.

(Beifall SPD)

Dazu will ich noch mal ausdrücklich Folgendes sagen: Der Kernbereich dieses Gesetzes definiert Standards im Bereich der tariflichen Entlohnung, mit den Grenzen allerdings - und das ist der Unterschied zu dem, was die Linkspartei... -, die uns der Europäische Gerichtshof gesetzt hat, weil er gesagt hat, ich kann keinen allgemein verbindlichen Mindestlohn zur Grundlage machen, sondern ich kann nur Branchen heranziehen, die Teil des Arbeitnehmerentsendegesetzes sind. Das haben wir getan und da, wo wir weitergehende Regelungen haben durchsetzen können, etwa im ÖPNV-Bereich, haben wir das auch getan. Das heißt, der Kernbereich dieses Gesetzes - da gibt es auch keine Schwellenwerte - gilt für jedes Unternehmen, egal wie groß dieses Unternehmen ist.

Jetzt zu der Frage: Was haben wir in den anderen Bereichen getan? Was ist mit dieser 25-ProzentRegelung? Ich sage ganz offen, ich stehe auch dazu, habe auch keine Lust, dann das Schwarze-Peter-Spiel zu spielen, war es nun der oder war es der. Ich stehe zu der Regelung, ich sage das hier auch deutlich. Ich sage auch, warum. Alle, die Weitergehendes fordern, müssen eines mal definieren und sollen mir mal ein Rechtsgutachten geben, wie sie eigentlich bestimmte Standards zu Vergabekriterien machen, die ich auch vor Gericht durchsetzen kann. Diese Frage hat niemand beantwortet. Deswegen ist es wohlfeil, bestimmte Forderungen zu stellen. Selbst meine Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratischen Frauen sagt zu mir, ich habe keine gesetzliche Formulierung, die sicherstellt, dass, wenn ich aufgrund einer z.B. nicht vorgenommenen Frauenförderung den Zuschlag nicht erteile, ich dieses gerichtsfest machen kann. Das ist die Realität, die haben wir berücksichtigt und ich bin immer dafür, Realitäten zu berücksichtigen, wenn man Gesetze macht. Dennoch finde ich es richtig, dass wir klare Orientierungen in das Gesetz hineingegeben haben, dass man auch ökologische und sonstige Standards zu berücksichtigen hat.

Herr Minister, gestatten Sie eine Anfrage durch Herrn Adams?

(Minister Machnig)

Ganz zum Schluss kann er gern eine Nachfrage stellen, ich will das kurz mal im Kontext erläutern.

Deswegen, glaube ich, ist das richtig, was wir dort gemacht haben. Mir ist es noch mal ganz wichtig, dass wir vor allem den Kernbereich dessen, worum es geht, nämlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping zu schützen, auch Unternehmen vor Lohndumping zu schützen, dass dieses erfolgt ist und dass wir auch noch mal klar gemacht haben, in der Tat geht es um das wirtschaftlichste Angebot und nicht um das billigste. Das müssen wir jetzt auch mal in die Köpfe derjenigen hineinbringen, die die Vergabe machen. Das billigste Angebot ist eben häufig nicht das wirtschaftlichste, wie wir aus vielen Erfahrungen kennen. Deswegen muss das zu einem wirklichen Grundsatz des Vergabegesetzes werden.

Jetzt zu ein paar Anmerkungen, wo wir angeblich nun haben nachlegen müssen. Wir haben das Präqualifizierungsverfahren reingeschrieben - ja, aber es hätte auch so gegolten. Wir haben es aufgenommen, damit es auch jeder merkt. Es gibt nämlich eine Reihe von Präqualifizierungsverfahren, etwa über EMAS-Zertifizierung und Ähnliches, die gelten natürlich weiter. Deswegen höre ich dann gern die Kritik oder den großen Erfolg der GRÜNEN, der angeblich darin bestanden haben soll, das reingenommen zu haben. Ich sage aber, wir haben es konkretisiert, damit es auch jeder versteht, aber im Kern war das immer auch mitgedacht.

Das Gleiche gilt für die Vergabeplattform, Herr Adams. Ich will Sie auf eines hinweisen, das Gesetz regelt nicht, dass das eine staatliche Aufgabe ist. Wir sagen nur, es soll eine Vergabeplattform geben. Wer am Ende die Vergabeplattform betreibt, diese Frage ist dann gar nicht im Gesetz geregelt, sondern muss dann z.B. durch ein Verfahren oder durch einen Wettbewerb gelöst werden. Aber wir haben keine Vorgabe gemacht, dass dies staatlich zu regeln ist.

Auch beim Datenschutz bin ich ein wenig irritiert. Natürlich auch ohne Nennung im Gesetz gilt der Datenschutz. Das ist doch selbstverständlich. Im Vergabegesetz gelten auch ein paar andere Dinge bzw. werden ein paar andere Dinge nicht geregelt, die aber auch rechtlich normiert sind in Deutschland. Deswegen muss ich nicht auf jedes Gesetz im Rahmen des Vergabegesetzes verweisen. Was passiert jetzt, wenn es ein Verdachtsmoment gibt, z.B. ob denn richtige Löhne gezahlt wurden? Dann kommen die zuständigen Stellen und prüfen, und zwar unter der Maßgabe datenschutzrechtlicher Bestimmungen. Das tun sie und das ist die Aufgabe und nichts anderes passiert dort, ein ganz normaler Vorgang, nichts anderes. Dazu auch die Frage, hät

ten wir eigentlich auf die europäische Ebene warten können, das wird doch auch immer vorgetragen. Herr Kemmerich, ich will Sie mal in Bezug auf Folgendes belehren, vielleicht wissen Sie das nicht: Ein Grünbuch ist der aller-, aller-, allererste Schritt auf einem europäischen Prozess, dann kommt ein Weißbuch,

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Herr Machnig, vielen Dank, aber ich weiß das.)

dann kommt eine Richtlinie, und wenn eine Richtlinie kommt, dann geht das irgendwann einmal in die Räte. Das ist ein mehrjähriger Prozess. Mir nun zu sagen, wir sollten dafür das Grünbuch und das, was sich daraus entwickelt, auf europäischer Ebene warten, das ist der Verschiebebahnhof, den wir uns nicht erlauben können. Deswegen sage ich klar, das war richtig, dass wir heute entscheiden.

(Beifall SPD)

Wir haben im Übrigen auch eines klargemacht mit dem Mittelstandsgesetz. In der Tat ist das das Rückgrat unserer Wirtschaft und dieses Rückgrat wollen wir auch stärken. Wir wollen, dass das ein weiterer Beschäftigungs- und Wachstumstreiber in den nächsten Jahren ist und wollen auch die Rahmenbedingungen für diese Unternehmen entsprechend unterstützen und verbessern. An einer Stelle, Herr Heym, wollte ich dann doch noch einen Satz sagen: In der Tat - das habe ich ja auch eingeräumt - hat es einen Übertragungsfehler gegeben, den werden wir korrigieren, was die GRW-Richtlinie angeht. Das, was im Internet steht, ist das, was ich entschieden habe und es hat auf Fachebene einen Übertragungsfehler gegeben, den räume ich ein, der wird korrigiert und da ist die Sache sozusagen aus der Welt.

Jetzt will ich einmal etwas vorlesen, was in meinem Hause im Moment stattfindet. Ich bekomme zu dieser GRW-Richtlinie eine Vielzahl von Mails, und zwar sehr, sehr viele. Ich lese einmal eine vor. Datenschutzrechtlich nenne ich jetzt nicht den Herren, der mir das geschrieben hat, aber ich lese das jetzt einmal vor: „Sehr geehrter Herr Minister, bitte lassen Sie sich bei der Durchsetzung der Neuordnung der Fördermodalitäten durch nichts beeindrucken. Sie sind auf einem sehr guten Weg und ich würde diesen für die gesamte Republik begrüßen. Auch das Geschwafel von“ - Ich nenne jetzt mal nicht den Namen. - „mehr als 44 Prozent der Leiharbeiter verrichteten bei den Unternehmen Hilfsarbeiten, sollten Sie nicht beachten. Die Zeitarbeitsfirmen stellen nämlich vermehrt Facharbeiter als Helfer ein, vielleicht weiß das Herr... aber nicht. Kleines Beispiel dazu: Mich, als frisch ausgebildeten Schweißer, wollte eine Zeitarbeitsfirma als Schweißerhelfer für 5,69 € einstellen, nur weil ich keine Erfahrung hatte. Die Liste solcher Beispiele ließe sich noch fortführen, es sind beileibe keine Einzelfälle. Gern lade ich den... mal ein, in die Arbeitsbedingungen beim

Vorzeigebetrieb..., Leiharbeitsquote von 50 Prozent sozusagen“

(Heiterkeit im Hause)

Das ist Datenschutzrecht, das ist der eingeforderte Datenschutz. - „durchzusetzen“.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Haben Sie sich die selber geschickt?)

Nein, das ist doch Unsinn. „Bei der Zeitarbeit verliert momentan immer der Arbeitnehmer. Ich wünsche Ihnen viel Durchhaltevermögen bei der Durchsetzung dieser Idee“ usw.

(Beifall SPD)

Ich will das nur sagen, diese Mails habe ich mir nicht selber geschrieben, die kommen jeden Tag an, und zwar vermehrt, im Übrigen auch nicht nur von Arbeitnehmern, sondern auch von Arbeitgebern. Deswegen sollten wir eines tun, wir sollten uns eines wechselseitig unterstellen, das tue ich jedem hier, dass er in seiner Verantwortung die Dinge auch aufnimmt, die ihm begegnen, und etwas das ist meine Verantwortung - für den Beschäftigungsstandort Thüringen tun. Das ist zumindest meine Auffassung.

Zum Schluss möchte ich gern zwei Dinge tun. Ich will einmal ausdrücklich sagen und mich bedanken, weil diese Koalition bei allen Unkenrufen bei diesem Thema Handlungsfähigkeit gezeigt hat.

(Beifall SPD)

Ja, das ist so. Wir haben uns gemeinsam verständigt und das ist ein guter Tag für Thüringen, für die Arbeitnehmer und für die Unternehmen hier im Land.

(Beifall SPD)

Ich will mich ausdrücklich auch an eine Person in der CDU-Fraktion wenden, nämlich Gerhard Günther, der mich heute Morgen angerufen hat, der krank ist, der mir nicht nur zum Geburtstag gratuliert hat, ansonsten sich auch noch einmal für die gute Zusammenarbeit bedankt hat. Ich kann das nur zurückgeben. Ich wünsche ihm von diesem Platz aus gute Besserung, er sollte schnell wiederkommen. Wir sollten ihm sagen, er wird gebraucht im Thüringer Landtag, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will mich aber auch bedanken beim Kollegen Heym, bei den Kollegen Weber und Lemb aus meiner Fraktion, auch ausdrücklich bei Herrn Adams und Herrn Hausold, die sich an der Debatte, wie ich finde, konstruktiv beteiligt haben. Wir haben nicht alles aufnehmen können, aber man kann ja auch mal unterschiedlicher Auffassung zu dem einen oder anderen Thema sein. So ist das eben, aber

ich denke, wir haben heute eine gute Grundlage geschaffen für das, was wir auch an Rahmenbedingungen für den Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort Thüringen brauchen.

Der letzte Satz geht so: Ich habe mit meinem Geburtstag angefangen und will mit meinem Geburtstag enden. Das schönste Geschenk, das der Landtag mir heute machen kann, wenn dieses Gesetz mit möglichst breiter Mehrheit verabschiedet werden könnte. Herzlichen Dank und auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit.

(Beifall CDU, SPD)