Protokoll der Sitzung vom 19.05.2011

So sind wir auf den Gesetzentwurf der Landesregierung bereits jetzt neugierig, sind ebenfalls gespannt, wie lange es dauern wird, dass er uns vorliegt, und was er dann tatsächlich enthält und ob er das dann auch hält, was vollmundig verkündet und

versprochen worden ist, nämlich eine umfassende Novellierung des Datenschutzgesetzes. Ich bin gespannt darauf. Ob eine umfassende Novellierung allerdings für den Einzelfall immer die beste Variante ist, wird sich wahrscheinlich bald zeigen. Wir alle wissen, dass die Zeit drängt. Deswegen soll ein entsprechender Gesetzentwurf der Regierungskoalition dem Landtag noch vor der Sommerpause zugeleitet werden. Ich verspreche Ihnen, meine Damen und Herren, wenn das nicht der Fall ist, werden wir ebenfalls wieder beharrlich den Finger in die Wunde legen, bis der Datenschutz in Thüringen auf dem richtigen Weg ist.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Ich möchte heute, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal die Chance nutzen und trotz des Ausschussvotums für den Gesetzentwurf werben. Wie schon oben erwähnt, hat er von allen Anzuhörenden positive Bewertungen bekommen. Der Gesetzentwurf regelt zwar nur einen bestimmten, aber dafür sehr wesentlichen Teil des Thüringer Datenschutzgesetzes neu. Deswegen sollten wir den Gesetzentwurf als einen ersten Schritt sehen. Diesem sogenannten ersten Schritt sollen und müssen natürlich weitere Schritte folgen. Ich bin der Ansicht, dass wir mit dem Gesetzentwurf die EU-Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt hätten, dass wir damit Datenschutz in Thüringen deutlich nach vorn gebracht hätten. Weiterhin hätte die Zusammenlegung des öffentlichen und nicht öffentlichen Bereichs beim Thüringer Datenschutzbeauftragten zu Bürokratieabbau, zu mehr Bürgernähe geführt.

(Beifall FDP)

Ich glaube, dass wir - anders als beim Antrag der LINKEN - noch eine geringe Form von Dienstaufsicht drin haben. Soweit die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten gewährleistet ist, ist nichts, was der Qualität des Datenschutzes Abbruch tun würde.

Deswegen, meine Damen und Herren, bin ich der Auffassung, wir sollten heute hier den Gesetzentwurf auf den Weg bringen und nicht parteipolitische Spielchen spielen. Ich meine, dass es auch ein Stück weit wichtig ist für die Glaubwürdigkeit dieses Hauses, für die Akzeptanz unserer Arbeit bei den Menschen im Land, dass wir auch einmal in der Lage sind, sachlich miteinander wichtige Dinge auf den Weg zu bringen. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf und ich danke Ihnen.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Für die CDU-Fraktion hat das Wort Christian Gumprecht.

(Abg. Bergner)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, wir sind uns einig, das Thüringer Datenschutzgesetz muss angepasst werden. Dies haben die beiden regierungstragenden Koalitionspartner in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Eine Änderung ist notwendig, erstens in Hinsicht auf die veränderten Anforderungen an den Umgang mit personenbezogenen Daten - das ist heute nicht Debatte - und zweitens, wie Sie es in Ihrem Antrag beabsichtigen, aufgrund der aktuellen Rechtsprechung.

Der uns vorliegende Antrag will allein in Auswertung der EuGH-Entscheidung das deutsche System der Datensicherheit im nicht öffentlichen Bereich nämlich sie haben das für europarechtswidrig erklärt - einer Lösung zuführen.

Meine Damen und Herren, aber das ist zu kurz gesprungen. Wir halten von der Scheibchenmethode nichts. Sicherlich ist Eile geboten. Die Landesregierung hat erklärt, dass sie im Sommer einen eigenen Gesetzentwurf vorstellen wird. Ich weiß, dass sich auch einige Abgeordnete sehr intensiv mit konkreten Änderungsvorschlägen beschäftigen. Ich muss auch sagen, aus der Anhörung ging nicht so eindeutig hervor, dass alles so sein sollte, wie es jetzt bei Ihnen geschrieben ist, sondern es gab auch einige Anregungen. Dem Grundsatz, dies zu regeln in dieser Hinsicht, wurde in der Anhörung zugestimmt.

Es war aber leider so, dass Sie nicht bereit waren, auf den gesamten Entwurf, der von der Landesregierung in wenigen Monaten zu erwarten ist, zu warten. Deshalb haben wir diesen Antrag abgelehnt. Ich meine, wir wollen nicht diese Scheibchenmethode, sondern wir wollen ein Gesetz in Summe anpassen.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Aber Sie wissen schon, dass das nicht richtig ist, was Sie da sagen?)

Doch, wir haben gesagt, warten Sie bitte, bis die Landesregierung ihr Gesetz mit vorgelegt hat. Da haben Sie Nein gesagt.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie haben mein Gesprächsangebot nicht angenom- men.)

(Unruhe im Hause)

Herr Abgeordneter Gumprecht möchte seine Ausführungen fortsetzen.

Meine Damen und Herren, was sollte nun ein künftiges Datenschutzgesetz beinhalten, was muss er

gänzt werden? Natürlich erstens die Übertragung der Aufsicht für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich auf den Landesbeauftragten für Datenschutz mit der Sicherstellung der völligen Unabhängigkeit. Nach Ansicht des EuGH in seinem Urteil vom März 2010 bedeutet das, dass die Aufsicht im nicht öffentlichen Bereich keiner staatlichen Fachaufsicht oder Rechtsaufsicht unterliegen darf, obwohl sie mit den Mitteln des Verwaltungsrechts und damit sogar mit Verwaltungszwang gegensätzliche Positionen Privater hoheitlich zu regeln hat.

Meine Damen und Herren, es ist auch sinnvoll, dieses zu bündeln. Es ist nur schwer verständlich, warum ein Bürger sich bei Fragen des Datenschutzes an verschiedene Datenschutzbehörden wenden soll, zumal diese Zuständigkeitsabgrenzung auch noch augenblicklich mit einem Mehraufwand an Personal verbunden ist. Aus fachlicher Sicht, so meine ich, ist eine Konzentration des datenschutzrechtlichen Sachverstands beim Landesbeauftragten für Datenschutz sinnvoll, den ich an dieser Stelle auch recht herzlich begrüße. Ich denke, das ist eine Nutzung vorhandener Ressourcen, man kann dort bündeln und, ich denke, er hat auch die entsprechende Kompetenz und Anerkennung.

Meine Damen und Herren, der zweite Grund sind die veränderten Anforderungen an den Datenschutz, wie die Datensammlung ELENA, die beabsichtigte Patientenkarte oder die Veröffentlichung der für den Einzelnen recht interessanten Karten von Google Street View, die aber die Grenzen des Individualschutzes sehr stark berühren. Dies zeigt die Notwendigkeit auch der Veränderung unseres Gesetzes. Ich sehe Handlungsbedarf auch im Hinblick auf den Diskussionsstand in anderen Ländern. Dort kann man auch verschiedene Themenbereiche entnehmen. Ich möchte heute nicht darauf eingehen, wir werden dies in Kürze bald sehr umfänglich tun können.

Meine Damen und Herren, der Datenschutz befindet sich in einer Umbruchsituation. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Papier hat diese Umbruchsituation dahin gehend charakterisiert, dass er die Privatisierung der Informationstechnologie im Zusammenhang mit dem Zusammenwirken der Globalisierung eher als eine „Big Brother“-Situation schildert. Er schreibt - und ich darf zitieren: Es seien „aus datenschutzrechtlicher Sicht eher anarchische Zustände als ein totalitärer Überwachungsstaat zu befürchten.“ Ich kann dieser Analyse nur zustimmen und ihn dahin gehend ergänzen, dass die Vorbereitung und die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche und private Stellen eher sich ineinander verflechten. Ich verweise hier auf die Videoüberwachung.

Meine Damen und Herren, der Datenschutz braucht klare Regeln. Es reicht nicht, dies allein in einem

Passus zu ändern. Ich denke, wir sollten uns mit dem gesamten Gesetz beschäftigen. Dies wird in Kürze geschehen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Dirk Adams.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Datenschutzgesetzes ist richtiger Liberalismus, ist richtig guter Liberalismus. Auch wenn das im Augenblick nicht Mainstream ist, dies zu sagen, sage ich es gern bezogen auf dieses Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil es richtig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP stellt mit diesem Änderungsgesetzentwurf die bürokratisch juristische Denke vom Kopf wieder auf die Füße, denn es ist überhaupt keinem Bürger vernünftig zu erklären, warum eine Videokamera an einem Bahnhof, wenn man sich dagegen wehren will oder Auskunft darüber haben will, Sache des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz ist, aber die daneben liegende videoüberwachte Eingangstür einer Bank hier in den Bereich des Landesverwaltungsamts fällt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist für den Bürger undurchsichtig, aber wir brauchen keinen undurchsichtigen Staat, sondern wir brauchen Bürger, die stark sind und durch diesen Staat hindurchsehen können und ihn erkennen können. Das heißt auch, erkennen können, an wen sie sich wenden müssen, wenn es ein Problem gibt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht. Ich bin mir sicher, dass hier im gesamten Haus dieses Grundrecht entsprechend gewürdigt wird. Wenn wir es so würdigen, dann ist es eigentlich zwangsweise so, dass wir dem Antrag der FDP heute hier alle zustimmen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Durchsichtig und erkennbar - das habe ich schon gesagt - heißt es, muss der Staat sein. Wir brauchen aber auch unabhängige Personen, die die Rechte der Bürgerinnen und Bürger dann auch gegen den Staat, gegen Private durchsetzen können, wenn wir dieses Grundrecht mit Leben erfüllen wollen. Diese Ansprechpartner und die Unabhängigkeit ist im Augenblick noch eine Frage der Formulierung

in diesem Gesetz. DIE LINKE findet nach unserer Ansicht, nach der Ansicht der GRÜNEN, hier die bessere und klarere Formulierung. Deshalb werden wir dem Änderungsantrag der LINKEN zustimmen. In der Substanz bleibt es dabei, dass wir einen Landesbeauftragten für den Datenschutz bekommen, der sowohl für die Angelegenheiten Bürger gegenüber weiteren Privaten oder Bürger gegenüber dem Staat zuständig sein wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Stellungnahmen gelesen und ich habe gelesen, dass von der Piratenpartei bis zur IHK - und das ist ein erstaunliches Bündnis - alle Ja sagen zu diesem Gesetzentwurf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Koalition dann einmal ihren Quartalsstreit beendet hat, könnten Sie uns ja auch etwas vorlegen. Sie könnten uns ja - so wie es eben gesagt wurde nicht Scheibchen, sondern endlich mal ein Stück auf den Tisch legen, über das wir diskutieren können; aber Sie schaffen es nicht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Gebietsreform ist offen bei Ihnen, das Polizeiorganisationsgesetz ist offen, die gefährlichen Hunde sind offen und auch der Datenschutz ist offen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Hauptsache Ihr seid zu …)

Wann beginnen Sie endlich, Ihre Arbeit umzusetzen?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wann beginnen Sie endlich mit der Arbeit und wann hören Sie endlich auf, diesen Landtag zu vertrösten und nur immer darauf zu reagieren, wenn die Opposition Ihnen etwas vorlegt? Bitte legen Sie ein Stück vor, dann müssen wir nicht in Scheibchen Sie stückweise drängen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Alle Anzuhörenden sagen Ja dazu. Der EuGH verpflichtet uns dazu. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten es einfach tun. Stimmen Sie diesem Gesetz zu. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Dorothea Marx.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Stauch! Ja, Herr Hau

(Abg. Gumprecht)

boldt, Sie haben gesagt, dass es nichts Schöneres gibt, als Donnerstag um 9.00 Uhr über den Datenschutz zu reden. Sie haben das so leicht ironisch gemeint.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Bis jetzt.)

Ich will nur mal sagen, wir sollten das viel öfter machen. Diese Prime Time steht diesem Thema gut zu Gesicht, es ist nämlich ungeheuer wichtig und nimmt einen immer größeren Raum ein in der öffentlichen Berichterstattung mit den Sorgen und Wünschen unserer Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall SPD)