Protokoll der Sitzung vom 16.06.2011

Herr Machnig und Herr Weber sind gestern nicht müde geworden, auf die Potenzialstudie der Fachhochschule Nordhausen hinzuweisen, die bei mittleren oder großen Anstrengungen voraussieht, dass wir in Thüringen im Jahr 2020 bei 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien landen können. Es ging, und das wurde leider in der Debatte nicht deutlich genug gesagt, immer um Strom. Es ging nicht um Wärme. Wir haben in Deutschland für Strom genauso viel CO2-Ausstoß wie für Wärme und das ignorieren Sie.

Herr Machnig sagte, der Bereich ist schwierig. Wir sind im Bereich Wärme erst bei 7 Prozent erneuerbarer Energien. Gerade deshalb muss man viel mehr Hirnschmalz hineinstecken, als wir das im Stromsektor schon getan haben, und das tun Sie nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Ihnen vielleicht auch zu unbequem. Es reicht nicht, darauf hinzuweisen, dass Sie vom Bund mehr Geld wollen, das haben wir auch in das Gesetz geschrieben, dass wir die Aufstockung z.B. der KfW-Mittel brauchen. Die EU wird da, darauf werde ich nachher noch zu sprechen kommen, etwas ehrgeiziger vorangehen, zumindest will sie. Sie will 3 Prozent Sanierungsquote im Bestand als Ziel. Das wird unter anderem von Ihren Kollegen in der Bundesregierung noch blockiert. 12 Prozent der Gebäude in der EU sind öffentliche Gebäude und das zeigt doch, dass wir bei den anderen 88 Prozent, selbst wenn wir da voranschreiten, einen großen Nachholbedarf haben. Wir müssen uns diesem Bereich widmen.

Die CDU hat gesagt, sie setzt auf Geothermie. Das ist insofern nicht glaubwürdig, als Sie das Thema binnen fünf Minuten im Ausschuss abgehandelt haben. Da frage ich mich, wann fangen Sie dann an, darüber nachzudenken, welche Potenziale wir in Thüringen heben können, um z.B. Gebäude zu beheizen. Herr Machnig sagte, es seien auf dem Energiegipfel alle Aspekte angesprochen worden, aber ansprechen reicht eben nicht. Wenn ich nach Sachsen schaue, dort kam heraus, dass von den Mitteln, die - proportional an der Bevölkerung gemessen - für Sachsen für die Gebäudesanierung zur Verfügung stehen, nur ein kleiner Teil - 10 bis 20 Prozent - abgerufen werden. Das ist ganz genau das Problem, das deutlich macht, dass wir einen ordnungsrechtlichen Rahmen brauchen. Denn ich vermute, in Thüringen ist die Situation nicht viel besser.

Herr Scherer hatte sich bei der ersten Beratung zurückgelehnt und gesagt, na ja, Baden-Württemberg, die haben zwar etwas gemacht, aber die wollen nur, dass mit diesem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, wenn jemand sowieso die Heizungsanlage austauscht, er erneuerbare Energien einsetzen soll und das Berliner Stufenmodell sei noch gar

nicht so weit, Gesetz zu werden. Das ist alles richtig. Nur, was sagte die Ministerpräsidentin mehrmals und auch Herr Machnig? Thüringen soll das energieeffizienteste Bundesland werden. Thüringen will das energieeffizienteste Bundesland werden. Dann müssen Sie auch voranschreiten und können sich nicht zurücklehnen und warten, was die anderen machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie den Energiekonsens wirklich ernst meinten, dann hätten Sie unseren Gesetzentwurf zumindest überwiesen oder hätten zumindest angedeutet, dass Sie an einem eigenen Entwurf arbeiten. Dergleichen habe ich nicht gehört.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Eigentlich ist die Situation doch ganz anders. Die traurige Wahrheit ist, dass die CDU nicht will, die SPD will, am liebsten gestern schon so einen Entwurf vorgelegt hätte, aber sie darf nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist Ihr trauriger Kompromiss und die Energiewende, wenn sie denn kommt, ist eben gerade nur die Hälfte.

Die CDU trifft sich in Eisenach mit Herrn Oettinger und will einen Antrag beraten „Energiepolitik mit Maß und Mitte“. Herr Oettinger hat klargemacht, dass, wenn wir vorankommen wollen, wir eines tun müssen: Dämmen vom Dach bis zum Keller - nachzulesen in einem Interview in der „Zeit“. Er sagte auch, dass es in der EU viele Strukturprogramme gibt, die man dafür anzapfen kann, dass diese Gelder aber leider in großem Maße in Umgehungsstraßen und Brücken geflossen sind.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, Sie haben eine gute Beratung mit ihm. Ich möchte auch nicht die Schwierigkeiten verhehlen, die es auf dem Weg zu einem guten Gesetzentwurf geben würde, wenn man ihn denn beschreitet. Aber eines ist auch ganz klar: Mit Maß und Mitte wird Thüringen nie Vorreiter als energieeffizientestes Bundesland. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Untermann von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit Maßlosigkeit, Frau Schubert, wollen wir aber auch kein Vorreiter sein.

(Abg. Schubert)

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Davon habe ich nicht gespro- chen, Herr Untermann.)

Ich habe es aber so aufgefasst. Nachhaltige Architektur und Stadtentwicklung bedeuten, Lebensräume mit einem Höchstmaß an Funktionalität und Lebensqualität bei geringsten Eingriffen in die natürlichen Kreisläufe zu schaffen. Dieses erfordert aber die gleichwertige Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange. Der Zweck Ihres Gesetzes soll die verbindliche Festlegung von Klimaschutzzielen für den Gebäudebestand in Thüringen sowie die Einrichtung eines Rahmens für die Erarbeitung, Umsetzung, Überprüfung, Berichterstattung und Fortschreibung von Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand sein. Wie die Ziele in die Praxis umgesetzt werden sollen, auf welche zusätzlichen finanziellen Lasten sich jeder Wohnraumbesitzer in Thüringen ab wann einstellen muss, aus welchen Fördermitteln diese gefördert werden sollten und vor allem wer mit der Durchführung der einzelnen Maßnahmen beauftragt werden sollte, haben Sie in Ihrem Themenkatalog leider nicht erwähnt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deshalb Rahmengesetz.)

Ach so. Des Weiteren soll nach Ihrer Gesetzesvorlage ab dem 1. Januar 2016 in Thüringen als Pflicht für alle Eigentümerinnen und Eigentümer von Gebäuden ein Mindeststandard für den maximalen Energiebedarf oder ersatzweise maximalen CO2Ausstoß pro Quadratmeter Nutzfläche einzuhalten sein. Ich frage hier einmal nebenbei: Es wäre nett, wenn Sie mir erklären würden - das gehört zwar nicht zum Thema -, wie Sie das mit dem CO2-Ausstoß und Ihrer Energiewende mit den Gas- und mit Kohlekraftwerken hinbekommen. Das wäre eine ganz interessante Frage, vielleicht hören wir auch einmal etwas davon.

(Beifall FDP)

Dieser Mindeststandard soll durch das Durchführungsgesetz so festgelegt werden, dass basierend auf dem tatsächlichen Zustand des Gebäudebestandes in Thüringen die Erreichung des Mindeststandards für voraussichtlich mindestens 90 Prozent der Eigentümer der betroffenen Gebäude wirtschaftlich möglich ist. Ich glaube, Sie merken an dieser Stelle selbst, dass eine voraussichtliche wirtschaftliche Umsetzung sowie gleichzeitige Umsetzungspflicht eine riesige Mehrbelastung für alle Wohnraumbesitzer nach sich zieht.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das interes- siert die aber nicht.)

Der wirtschaftliche Aufschwung durch zusätzliche Aufträge im Handwerk darf nicht auf zusätzlicher Pflichtverschuldung der Bürger und schlimmstenfalls auf der Aufgabe des Wohnraums basieren.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)

(Beifall FDP)

Gleichzeitig heißt es weiter im Gesetzentwurf: Für betroffene Mieterinnen und Mieter darf eine notwendige Sanierung in der Summe über die durchschnittliche Nutzungsdauer und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Energiepreissteigerungen nicht zu wesentlichen Mehrkosten führen. Dann frage ich Sie: Wer soll die Mehrkosten dann tragen und wie nachhaltig und möglichst preiswert können von oben verordnete Maßnahmen in der Praxis sein? Das Nähere, wofür Sie vor lauter Euphorie keine Zeit hatten, sollte letztlich in dem Durchführungsgesetz der Landesregierung bis zum 30. November 2013 bestimmt werden. Ebenfalls soll die Landesregierung dem Landtag bis zum 30. November 2012 einen Klimaschutz-Gebäudeplan vorlegen. Des Weiteren heißt es in dem Gesetzentwurf: Der Nachweis der Einhaltung der geforderten Mindeststandards soll durch einen Energieausweis laut Energieeinsparverordnung (EnEV) des Bundes in der jeweils aktuellen Fassung erfolgen. Die Eigentümer der Gebäude werden verpflichtet, unabhängig von Umbaumaßnahmen, einen solchen Energieausweis für ihre Gebäude ausstellen zu lassen. Die Fristenregelung hierfür soll wieder durch das Durchführungsgesetz erfolgen. Wird die Einhaltung des Mindeststandards durch das CO2-Ziel dargestellt, so ist durch die Eigentümer der Gebäude neben dem Energieausweis eine Berechnung eines Fachbetriebs über den Anteil der regenerativen Energien an der Wärmebereitstellung vorzulegen. Näheres regelt das Durchführungsgesetz.

Jetzt kommen wir der Sache wieder näher. Sie möchten gern die Wirtschaft und die Kreditwirtschaft auf Kosten der Wohnraumbesitzer auf der Grundlage eines Gesetzes fördern, welches erst im Jahre 2013 vorliegen soll. Mit Nachhaltigkeit, ökologischen und sozialen Belangen hat dieser Gesetzentwurf nur sehr wenig zu tun.

(Beifall FDP)

In der Studie des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt im Jahre 2000 „Klimaschutz in Thüringen - Analysen, Potenziale, Handlungsfelder“ sind bereits die wichtigen Maßnahmen einer klimagerechten Planung und Daten zur Gebäudesanierung enthalten.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gut, dann machen wir es doch.)

Die bisher vom Freistaat Thüringen aufgelegten Programme zur Förderung der Modernisierung und Instandsetzung von Wohngebäuden zielen neben der Einhaltung und Erhöhung des Gebrauchswertes insbesondere auch auf die energetische Verbesserung der Wohnsubstanz. Besonders in den Jahren 1992 bis 1993 umgesetzte Förderprogramme im Zuge der Energieträgerumstellung auf umweltfreundliche und schadstoffarme Medien leisteten einen expliziten Beitrag zur Minderung des CO2- und SO2-Ausstoßes der Heizanlagen und damit zur Reduzierung der Umweltbelastung. Die Thüringer Wohnungsunternehmen haben seit 1990 in die Modernisierung und Instandsetzung des Wohnungsbestandes ca. 12 Mrd. DM investiert. Rund zwei Drittel dieser Gesamtinvestition wurde mit energiesparenden Maßnahmen wie Dämmfassaden, neuen Fenstern, Türen, Wärmedämmung von Decken und Dächern, modernen Heizungssystemen und Mess- und Regeltechnik zur verbrauchsabhängigen Erfassung verbunden. Die bestehenden Förderprogramme des Landes und des Bundes hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei der energetischen Verbesserung des Wohnungsbestandes sind also nichts Neues, beruhen aber - und das ist das Entscheidende - auf freiwilliger Leistung und haben dennoch einen großen Anklang in der Bevölkerung gefunden.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was ist denn das für eine freiwilli- ge Leistung?)

Die Datenerhebung zur energetischen Qualität und zu Modernisierungstrends im deutschen Wohngebäudebestand vom 09.12.2010 bestätigt, dass die Inanspruchnahme von Fördermitteln bei umfangreicheren Maßnahmepaketen größer wird. Während 11,3 Prozent der Gebäude, bei denen nur eine Maßnahme durchgeführt wurde, Fördermittel erhalten haben, steigt dieser Anteil bis auf 60,9 Prozent für diejenigen Gebäude, bei denen ab 2005 mindestens vier Maßnahmen durchgeführt wurden.

Die Förderquoten sind auch nach Art der Maßnahme unterschiedlich. Bei Durchführung nur einer Wärmedämmmaßnahme - Außenwand, Dach oder Obergeschossdecke oder Fußboden - wurden etwa 9 Prozent der Hauseigentümer gefördert. Bei der Installation einer Solaranlage als einzige Maßnahme sind es ca. 47 Prozent. Es ist zu erkennen, dass zumeist Einzelmaßnahmen bzw. kleinere Maßnahmepakete durchgeführt werden. So etwas braucht Zeit und kann nicht per Gesetz zu einem bestimmten Zeitpunkt angeordnet werden. Erkennbar ist hier ein sehr hoher Anteil der Modernisierungsarbeiten mit Eigenkapitalfinanzierung, bei den Einfamilienhäusern noch mehr als bei den Mehrfamilienhäusern. Es wird auch deutlich, dass ein nicht geringer Anteil der verschiedenen Energiesparge

bäude, im Fall der KfW-Energiesparhäuser mehr als ein Drittel, auch ohne Förderung errichtet wurden. Die von den Förderprogrammen definierten Standards haben offensichtlich über die tatsächlich geförderten Fälle hinaus eine Bedeutung erlangt. Dies kann als Hinweis auf eine Ausstrahlungs- bzw. Multiplikatorenwirkung der entsprechenden Förderprogramme gewertet werden. Es ist falsch, bei Gebäudesanierung auf Zwang zu setzen, dieser ist auch nicht notwendig und man kann mit vernünftigen und planbaren Konzepten auf die Eigenverantwortung - das sage ich noch einmal deutlich - der Bürger setzen. Das zeigen die bisherigen Ergebnisse. Es dürfen und müssen auch nicht zu hohe gesetzliche Standards eingefordert werden, denn am Ende sind es - wie bereits erwähnt - die Mieter und Eigentümer, die dafür aufkommen müssen.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und den Nutzen dafür haben.)

Hierzu ein Zitat der Bundeskanzlerin, der ich zwar auch nicht in allen Sachen recht gebe, aber hier hat sie mal wirklich das betont, was auch unsere Meinung ist: Wir fördern und fordern, aber wir werden nicht überfordern.

Ihr Entwurf enthält keine Konzepte, schafft Unsicherheit und zusätzlichen Verwaltungsaufwand, das muss ich noch mal betonen, und ist daher unbrauchbar. Danke schön.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Untermann. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Wolf für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich gebe zu, was mir zu dem Tagesordnungspunkt heute zuerst einfiel, war der Vorschlag unseres eigenen Beitrags zum Klimaschutz. Ich persönlich finde es hochgradig unvernünftig, dass man bei Außentemperaturen, wo man gern im T-Shirt draußen sitzt, einen Raum so weit herunterkühlt, dass alle gemütlich im langen Hemd und Jackett darüber hier sitzen können. Vielleicht sollten wir uns an der Stelle ein Beispiel an Japan nehmen, wo gerade darauf hingewiesen wurde, dass die Kleiderordnung entsprechend den Temperaturen draußen angepasst werden kann.

(Unruhe CDU)