Protokoll der Sitzung vom 17.06.2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns alle einig, es muss aufhören mit diesem Schleckern auf Kosten der Arbeitnehmer.

(Beifall CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Übrigens hat auch Schlecker aufgrund des öffentlichen Drucks seiner eigenen Verleihfirma gekündigt und versucht angesichts roter Zahlen, sein Image zu verbessern. Es ist Bewegung in diese Angelegenheit gekommen. Wir dürfen hier alle gemeinsam nicht nachlassen. Die Leiharbeit muss raus aus der Ecke der prekären Beschäftigung. Jeder hier im Haus kennt solche Fälle in seinem Wahlkreis. Unser damals noch CDA-Vize Gustav Bergemann hat das bereits vor Wochen mit bewegenden Worten zum Ausdruck gebracht, was uns, glaube ich, über die Fraktionsgrenze hinweg gerührt hat. Auch die Zeitarbeit selbst will, dass endlich aufgeräumt wird mit den schwarzen Schafen. Nur die FDP erwähnt das in ihrem Antrag mit keinem einzigen Wort; von einem eigenen Vorschlag, liebe Kollegen, in Richtung Ihres Bundesministers, unseres Bundesministers Rösler, ganz zu schweigen. Wir müssen ganz einfach initiativ werden, um Leiharbeit zu begrenzen. Das sind doch die Punkte, die man ansprechen muss. Ich denke, da sind wir uns auch einig.

(Beifall CDU, SPD)

Zur Sache selbst: Was ist passiert? Mit der Änderung der GRW-Richtlinie für die gewerbliche Wirtschaft zum 1. April wollte Minister Machnig offensichtlich ein Zeichen setzen gegen den Missbrauch der Leiharbeit, indem er solche Unternehmen in der Förderhöhe für Erweiterungsinvestitionen nach unten abstuft. Da steht zunächst die Frage: Kann die Landesregierung überhaupt in das Fördergebilde der GRW als Bund-Länder-Programm eingreifen? Das ist eindeutig mit Ja zu beantworten. Ja, sie kann. Im Koordinierungsrahmen der GRW als gesetzliche Grundlage ist es ausdrücklich Sache der Länder, im Gefüge der vorgegebenen Maßnahmen und Förderhöhen des Koordinierungsrahmens eige

ne Förderprioritäten zu setzen, zum Beispiel in Form eines Bonussystems. Thüringen hat bekanntermaßen eine solche Zuschlagsmatrix. Voraussetzung ist aber, dass die zentralen Förderziele ausschließlich auf den Regionaleffekt für Wertschöpfung und Beschäftigung fokussiert werden. Zum Beispiel muss der Arbeitsplatzeffekt nachgewiesen werden, und zwar in Form von Dauerarbeitsplätzen. Also das Unternehmen kann eigentlich gar keine Zeitarbeiter im Zusammenhang mit einem Fördervorhaben einstellen, völlig klar. Auch die verständliche Neigung, im Augenblick populäre Politikziele insbesondere aus Parteiprogrammen als Förderziele zu fixieren, wie zum Beispiel die Verbesserung der Einkommenssituation der Leiharbeit - so wünschenswert dies auch sein mag -, steht in keinem Sachzusammenhang zu den Förderzielen der Investitionsförderung der GRW.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz und gar grenzwertig sind pauschale Diskriminierungen ganzer Unternehmensgruppen. Leiharbeit - und das sage ich ganz deutlich - ist keiner kriminellen Vereinigung entsprungen, sondern von einem eigenen Rechtsrahmen abgedeckt, an dem vor allem RotGrün 2003 mit der Reform der Arbeitnehmerüberlassung mit Auswirkungen bis heute maßgeblich mitgewirkt hat.

(Beifall FDP)

Das wird dann immer ganz schnell vergessen. Damals hatte man zwar Equal Pay ins Gesetz geschrieben, aber man hat Ausnahmen zugelassen, die heute zum Teil zu dem Wildwuchs der Umgehungstatbestände führen. Da müssen wir ansetzen und müssen rangehen an die Sache. Auch das Diskriminierungsverbot, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein hohes Rechtsgut. Ich wage und da komme ich ein Stück zum Antrag der Kollegen der FDP zurück - gar nicht an die erste Klage eines Unternehmens zu denken, deren Investitionsförderung für eine wichtige Anlage abgelehnt wird, die vielleicht 20 zusätzliche, hoch qualifizierte Arbeitsplätze schafft, nur weil Zeitarbeiter kurzfristig das Unternehmensumfeld im Werkhof neu gestalten. Das ist natürlich konstruiert, aber Herr Minister bzw. Herr Staatssekretär, glauben Sie wirklich, dass so etwas ausbleibt, insbesondere mit Blick auf die europäischen Wettbewerbshüter? Ich denke nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller Kritik für die vielen Einzelverfehlungen im Zusammenhang mit der Leiharbeit, die CDU-Fraktion lehnt klar und deutlich eine Pauschalverteufelung der Zeitarbeit ab

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wir auch.)

(Beifall FDP)

vielen Dank, Kollege Barth -, denn die Zeitarbeit spielt die bekannte Pufferfunktion, ohne die Unter

nehmen manchen Auftrag vor allem in Phasen des Konjunkturaufschwungs nicht annehmen könnten. Zwar ist die Sprungbrettfunktion der Zeitarbeit noch umstritten, aber die Zeichen mehren sich, dass es nennenswerte Übernahmen in die Stammbelegschaft gibt. Ich habe erst in der letzten Woche in einem Unternehmen zur Kenntnis nehmen dürfen, dass gleich in dem Unternehmen, was ich besucht habe, in einer Woche drei Zeitarbeiter in Festanstellung übernommen worden sind. Ich denke, das ist der richtige Weg.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das ist auch Teil der Realität.)

Ja, es wird Realität werden. Ich darf auch daran erinnern, dass einer der schwerwiegenden ökonomischen Nachteile Thüringens in der geringen Betriebsdichte liegt. Sie liegt mehr als ein Drittel unter dem westdeutschen Durchschnitt. Damit verbunden sind die bekannten Rückstände in Produktivität und der Forschungs- und Entwicklungsintensität. Das heißt, es kommt darauf an, Betriebswachstum zu generieren, insbesondere im Fall technologieorientierter Unternehmen. Ich denke, in die Richtung ging auch der Hinweis der Kollegen der FDP, im Einzelfall auch über die Zwischenschaltung von Zeitarbeit. Das muss möglich sein. Die geänderte Richtlinie wirkt in diesem für Thüringen so wichtigen Aufholfeld des Betriebswachstums zumindest psychologisch kontraproduktiv.

(Beifall FDP)

Übrigens, und das hat auch Herr Hausold schon angesprochen, Deutschland nimmt mit 2 Prozent aller sozialversichersicherungspflichtigen Beschäftigten der Zeitarbeit - mir liegt diese Zahl des IAB aus 2008 vor - einen Mittelplatz ein. Die westeuropäischen Industrieländer, mit Großbritannien an der Spitze, liegen bei bis zu 4 Prozent. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch hier heißt es bitte schön, auf dem Teppich bleiben. Ich denke, wir sollten vielmehr den Zeitarbeitsunternehmen bei ihrem Bestreben, aus der Schmuddelecke herauszukommen und sich in einer Art Selbstreinigung ihrer schwarzen Schafe zu entledigen, auch eine faire Chance geben.

(Beifall FDP)

Ich schlage deshalb vor, den Antrag zum Anlass zu nehmen, Beteiligte und Betroffene der Zeitarbeit in einer Anhörung Gelegenheit zu einer Lageeinschätzung zu geben. Ich beantrage daher für meine Fraktion die Überweisung des Antrags an den Wirtschaftsausschuss. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDPFraktion hat zwei Anträge, also einen ersten Antrag vom 13.04. und dann einen Änderungsantrag vom 07.06., dazu wurde eine Neufassung eingereicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden diese Anträge ablehnen, nicht ohne vorher noch einmal deutlich zu machen, dass wir den Weg, den die Landesregierung gewählt hat, nicht richtig finden. Unserer Meinung nach muss es möglich sein, dass man in einer temporären Situation des Engpasses auch mehr als 30 Prozent Leiharbeiter in sein Unternehmen holen kann. An der Stelle zitiere ich Herrn Kemmerich, der das vorgerechnet hat, wie das bei einem kleinen Unternehmen von 12 Personen ist. Und es ist richtig, hier darauf hinzuweisen, wie schwierig die Anwendung dieser Förderrichtlinie in diesem Falle wäre. Es ist ein gutes Ziel versucht worden, hier zu erreichen, aber das Kind ist mit dem Bade ausgeschüttet worden mit dieser Regelung. Dennoch werden wir aber Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil Sie in Ihrer ersten Variante vom 13.04. die komplette Regelung zurücknehmen wollen, diese Regelung umfasst aber viel mehr als diesen einen Punkt der Leiharbeit. Es sind nahezu an die zehn Punkte, die hier geändert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie wichtig es ist, Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte gerade auch in diesem Bereich zu stärken, zeigt eine ganz aktuelle Meldung heute von der dapd ca. 13.00 Uhr, da wurde berichtet, dass der Zoll in Thüringen 80 Unternehmen der Gebäudereiniger untersucht hat. Dort hat man in zehn Fällen Verstöße gegen den Mindestlohn festgestellt und in sieben Fällen hat man Verstöße gegen die tarifrechtliche Entlohnung festgestellt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, davor darf der Landtag und darf auch eine Landesregierung nicht die Augen verschließen. Das muss unser Anliegen sein, hier wirklich reinzukommen und man hat versucht, es mit dieser Förderrichtlinie mit reinzubringen und das ist auch ein Punkt dieser Änderung vom 1. April gewesen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Gesetzes- verstöße wird es immer geben.)

Ja, das ist ein gutes Argument. Dennoch ist die Frage, ob wir das Recht nicht weiterentwickeln müssen angesichts dieser Situation, und wir machen ja hier kein neues Gesetz, sondern es geht Ih

(Abg. Günther)

nen ja darum, eine Förderrichtlinie, die das Land einfach erlassen kann, zu ändern. Diese Förderrichtlinie sagt, wir schauen als Fördermittelgeber, nicht nur der Zoll schaut bei ihnen hin, sondern wir schauen als Fördermittelgeber, als derjenige, der leckeres Steuergeld zu verteilen hat, darauf, dass ihr das auch ordentlich macht. Da, finde ich, Herr Barth, haben Sie jetzt nicht so ein richtiges Argument vorgebracht, warum man das durchwinken sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 4 Prozent, ist hier gesagt worden, das seien ja gar nicht viele. 4 Prozent ist auch nicht viel und ich will nur mal darauf hinweisen, dass diese Prozentrechnung uns nicht weiterhilft. 4 Prozent, wenn wir darauf abstellen, müssten wir sagen, es kann nicht zur Diskriminierung von Leiharbeit kommen, es kann nicht zu Problemen in der Wirtschaft kommen, wenn es doch nur 4 Prozent Leiharbeiter in der Thüringer Wirtschaft sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann aber auch nicht zur großartigen Erschwernis kommen, wenn es nur 4 Prozent sind. Deshalb, diese Prozentrechnung hilft uns nicht wirklich weiter. Wir sollten hier auch noch einmal den Blick darauf nehmen, wie das auf die Wirtschaft wirkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zitiere an der Stelle, wenn es um Wirtschaftspolitik geht, immer sehr gern die Wirtschaftswoche. Sie hatte im Jahr 2009 einen Artikel gehabt und darin aus unternehmerischen Betrachtungen davor gewarnt, zu sehr auf Leiharbeit zu setzen. Auch das ist ein wichtiger Punkt, den diese Förderrichtlinie erreichen kann. Es wird nämlich vor mehr als größeren Konflikten im Unternehmen gewarnt, die sich durch Streit zeigen. Viele Personalchefs wollen deshalb nicht an die Leiharbeit heran. Es wird davor gewarnt, dass man mit der Leiharbeit die Chance zur Personalentwicklung aus der Hand gibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden den FDP-Anträgen nicht zustimmen. Wir werden uns aber auch einer Überweisung an den Wirtschaftsauschuss nicht verschließen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Kemmerich von der FDP-Fraktion.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hausold, die Zahlen, die Sie hier zitiert haben, sind sicherlich zutreffend, aber eben statistisch. Wenn Sie die Statistik 2009 gegen 2010 laufen lassen, dann haben Sie den Effekt. Wenn Sie 2008 und 2010 vergleichen und sich vielleicht einmal die Mühe gemacht hätten, in die heuti

ge Zeitung zu schauen, die Frankfurter Allgemeine hat eine Überschrift gewählt - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -: „Die Zeitarbeit stößt an ihre Grenzen“, mit der gemeint ist, dass sie nicht weiter wächst, auch nicht weiter wachsen kann - zu den Gründen komme ich gleich noch -, dann wüssten Sie, dass Ihre Zahlen wieder billige Panikmache und einfach falsch sind und nicht dem Zeitgeist entsprechen.

(Beifall FDP)

Herr Kollege Günther, Herr Kollege Adams, Sie beide sagen, dass das, was mit der Richtlinie gewollt ist - wir verhehlen nicht, dass ein Fördermittelgesetzgeber oder Fördermittelgeber natürlich auch beeinflussen kann, wie er seine Fördermittel vergibt - und das, was herauskommen wird, nicht gewollt ist und nicht gut ist. Herr Günther hat das auch gesagt. Warum stellen Sie dann keinen Antrag, der in eine andere Richtung geht? Warum stellen Sie keinen Antrag, der diesen Missstand beseitigt und werfen uns vor, keine Alternativen zu benennen?

(Beifall FDP)

Die erste Alternative haben wir im Antrag benannt, nämlich: Nehmt die KMU heraus. Die KMU sind deshalb herauszunehmen, ich will es nicht in aller epischen Breite wiederholen, aber kleine Betriebe sind hier benachteiligt. Sie haben im kleinen Betrieb zehn Leute. Da haben Sie einen Chef, eine Sekretärin, zwei, die sich mit Entwicklung befassen, und fünf, sechs Mann in der Produktion. Jetzt kriegt der auf einer Messe einen interessanten, guten Auftrag - eben einen -, kommt zum Ministerium und sagt, ich hätte erstens gern Fördermittel und zweitens ist es ein Auftrag, ich weiß nicht, wie es weitergeht. Damit ich ihn schnell und gut realisieren kann, gehe ich zur Zeitarbeit und hole mir da meist gut qualifizierte Leute, zwei, drei Personen.

(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär: Es gibt auch andere Wege.)

Zwei, drei Personen holt er sich. Damit ist er aus der Förderrichtlinie heraus. Wir können jetzt das ganze Thema Arbeitsrecht aufmachen. Andere Wege heißt, er soll die Leute einstellen. Was ist, wenn der Auftrag nicht verlängert wird? Dann steht er vor den engen Fesseln des deutschen Arbeitsrechts mit Kündigungsschutz, etc. pp.

(Unruhe DIE LINKE)

und hat einfach das Problem, auf diese Atmungsfähigkeit der Wirtschaft nicht mehr eingehen zu können. Sie wissen doch, dass gerade deshalb das Modell von Rot-Grün eingeführt worden ist, um diese Möglichkeiten zu eröffnen. Leugnen Sie es doch nicht.

Sie sprachen eben, Herr Kollege Günther, davon, die FDP würde keine Leitplanken einziehen. Genau das ist falsch verstandener Liberalismus. Natürlich verlange ich Liberalismus, wie wir ihn praktizieren.

(Abg. Adams)

Wir ziehen Leitplanken ein. Nicht zuletzt hat das die Bundesregierung unter Federführung unseres Wirtschaftsministers, damals noch Herr Brüderle, heute Herr Rösler, gemacht, und zwar den Hauptmissbrauch eingedämmt und diesen Drehtüreffekt. Das ist das, was Schlecker und andere praktiziert haben, nämlich die Leute an der einen Tür hinauszuschicken und über eine eigene oder eine andere Zeitarbeitsfirma an der anderen Tür wieder hineinzulassen. Dieser Missbrauch ist abgestellt. Natürlich sind Gesetze, die vor zehn Jahren gemacht worden sind, auch anfällig, dass die Zeit Möglichkeiten eröffnet, aber natürlich auch findige Missbrauchstatbestände entwickelt werden. Die haben wir, soweit es geht, eingedämmt und wir werden auch nicht aufhören, sie weiter einzudämmen.

(Beifall FDP)

Da stehen wir an der Seite, sie weiter einzudämmen, um die Leute nicht auszunutzen. Aber das auf dem Rücken des Thüringer Klein- und Mittelstands auszutragen, ihn von diesen Fördermitteln fernzuhalten, das monieren wir hier. In diese Richtung geht unser Antrag.

(Beifall FDP)