Protokoll der Sitzung vom 07.07.2011

Ja, die Grenze soll alleinig dort sein, wo sie das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat.

Zum Zweiten - und letztlich wird dies Kern der weiteren politischen Auseinandersetzung sein müssen - kritisieren wir das faktische Fortbestehen der Mitwirkung als Stufe der Beteiligung unterhalb der eingeschränkten Mitbestimmung. Zwar streicht der Gesetzentwurf §§ 69 a und 75 a, lässt aber durch die Neufassung des § 69 Abs. 4 das Verfahren der Mitwirkung und die entsprechenden Beteiligungstatbestände quasi wieder auferstehen. Der gemeinsame Ausschuss der Hauptpersonalräte bezeichnet dies völlig zu Recht als Mogelpackung. Es ist schon ein starkes Stück, wenn die Landesregierung in ihrer Erwiderung auf die Stellungnahme des Beamtenbunds Thüringen ausführt, eine vollständige Streichung des Verfahrens der Mitwirkung ist vor dem Hintergrund der praktischen Erfahrung nicht geboten.

Die entscheidende Frage wird sein, ob sich der Landtag dazu durchringen kann, dass in allen Fällen der Mitbestimmung bei Uneinigkeit zwischen Personalvertretungen und Dienststellenleiter die Einigungsstelle angerufen werden kann, so wie es im Gesetzesvorschlag meiner Fraktion vorgesehen ist. Als Kritikpunkte sind auch das eingeschränkte Initiativrecht zu nennen und der Ablehnungskatalog in

§ 76, der zwar eine, ich nenne es mal, sprachliche Aufhübschung erfährt, den Personalräten ihre Entscheidungsfindung massiv einschränkt, weil er mögliche Ablehnung an das Vorliegen konkreter Tatbestände knüpft. Es wären noch weitere Punkte aufzuzählen. Wer für die Dauer der beteiligungsfreien Abordnungszeiträume die Abänderung zum gemeinsamen Ausschuss der Hauptpersonalräte oder die Frage nach dem Unfang der Beteiligung der Personalvertretung bei Organisationsprozessen, eigentlich eine ganz wichtige und spannende Frage in diesen Tagen, die im Rahmen einer Verwaltungsreform natürlich vor den Beschäftigten stehen. Im Kern geht es letztlich darum, welches Verständnis wir dem Personalvertretungsrecht zugrunde legen. Haben wir das Bild des Staatsdieners vor den Augen oder das Bild eines eigenverantwortlichen, mitdenkenden und gestaltenden Beschäftigten mit eigenen Vorstellungen und daraus erwachsenen Motivationen. Die Fraktion DIE LINKE hat sich für letzteres Bild entschieden.

Meine Damen und Herren, eine nicht in erster Linie mit dem Personalvertretungsrecht zusammenhängende Bemerkung noch zum Schluss. Die Aufnahme der Kategorie Rasse und Abstammung im Rahmen der Diskriminierungsverbote in § 67 finden wir unglücklich. Auch wenn zumindest einer der Begriffe sich auch im allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wiederfinden lässt, habe ich den dringenden Appell an Sie, die verwendeten Begrifflichkeiten zu überdenken. Prof. Wolf Wagner von der Fachhochschule Erfurt schreibt, Zitat: „Rassen sind also keine evolutionsbiologischen Lebensordnungen verwandter Menschen, sondern verrückte Annahmen über die Unterschiede zwischen Menschen, die längst wissenschaftlich widerlegt sind.“ Ich finde, solche verrückten Annahmen sollten sich nicht in einem Gesetzentwurf finden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass dieser Gesetzentwurf im Innenausschuss beraten wird, ich gehe davon aus, meine Hoffnung ist noch nicht zu Ende, dass wir eine mündliche Anhörung beschließen, und ich gehe davon aus, dass die Verabredung aus dem Innenausschuss noch gilt, dass beide Entwürfe, der heute zu diskutierende Entwurf der Landesregierung, aber auch der seit eineinhalb Jahren im Ausschuss liegende Entwurf meiner Fraktion Gegenstand der mündlichen Anhörung sein wird und dass wir am Ende der parlamentarischen Beratung zu einem Personalvertretungsrecht kommen, das dann mit Fug und Recht auch von sich sagen kann, es ist modern und innovativ. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete Renner. Es hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Meyer für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Renner hat fast die Rede gehalten, die ich auch hätte halten wollen, die ich aber nicht halten kann, weil ich so weit in der Materie gar nicht drinstecke, aber inhaltlich war sie richtig. Danke dafür, deshalb kann ich mich auch beschränken.

Die Situation, dass das Personalvertretungsgesetz in Thüringen nicht modern gewesen ist, das hat ja sogar der Innenminister zugegeben, und das ist auch richtig so. Dass die Personalvertretung jetzt geändert werden soll, ist auch richtig und die Richtung, in die sie verändert werden soll, ist auch richtig. Wie weit es gehen soll, darüber sind sicherlich der Herr Innenminister und wir in unserer Fraktion etwas uneiniger, andere Fraktionen sind mit ihm etwas einiger wahrscheinlich, aber darüber wird sicherlich in den Ausschüssen dann auch zu sprechen sein. Dass die Freistellung für die Personalräte verbessert wurde, u.a. bei den Stufenvertretungen, ist bereits mehrfach gesagt worden. Dass der Beschäftigtenbegriff ausgeweitet wurde auch, das sind alles positive Entwicklungen. Dass dieser Begriff der Mitwirkung entfällt, aber dafür leider keine volle Mitbestimmung gewährt wird, ist auch schon gesagt worden, deshalb habe ich mich auf Frau Renner bezogen, das ist also etwas inkonsequent, was da passiert, aber trotz alledem die richtige Richtung.

Die überfällige Anpassung an das Personalvertretungsgesetzeswerk anderer Bundesländer ist vielleicht auch etwas, was dafür sorgt, dass wir ein bisschen moderner sind für Menschen die hierherkommen wollen und auch herkommen müssen, wenn es um das Thema Fachkräftebedarf in der öffentlichen Verwaltung gehen wird. Ich bin sicher, wir werden dieses Jahr noch über dieses Thema reden müssen, wenn ich mit meiner Hoffnung richtig liege, dass auch mal jemand aus den Ministerien, die dafür zuständig sind, was die Strukturreform angeht in dieser Verwaltung, dann auch zu diesen Problemen vorstoßen. Ich bedanke mich namens meiner Fraktion ausdrücklich für die Stellungnahmen, die uns bislang vorliegen vom DGB, Thüringer Beamtenbund und vor allem der Hauptpersonalräte. Das ist hilfreich für die Debatte und ich denke, wir sind uns hier in diesem Rund bisher einig darin, auch wenn das dann doch wieder in Differenzen ausgeartet ist, dass das Personalvertretungsrecht ein zentraler Baustein dafür sein wird und sein muss, um die Strukturreform der Verwaltung des

Freistaates voranzubringen. Wenn man mit diesem Gesetz nicht dazu kommt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungswillen und dann auch Entscheidung zuzutrauen, dann wird man auch daran scheitern, mit diesen Mitarbeitenden Tausende von Stellen sozialverträglich abzubauen, an der richtigen Stelle abzubauen und trotzdem Motivation für die Menschen zu erhalten, die dann weiterhin bei uns beschäftigt sein sollen. Ich hoffe, dass die Debatte dazu dann entsprechend führen wird. Vielen Dank. Wir sind dafür zu überweisen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter Meyer. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hey für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin fast geneigt zu sagen, was lange währt, wird endlich gut, aber jetzt habe ich soviel Kritik gehört, Frau Renner, schauen wir mal, das Personalvertretungsgesetz der Landesregierung ist jetzt jedenfalls schon mal Gegenstand der Tagesordnung. Es ist die erste Lesung und ich will, wie es der Innenminister auch schon tat, nur kurz auf ein paar Punkte eingehen, die aus unserer Sicht, eine deutliche Verbesserung der bestehenden Rechtslage bedeuten. Ich zähle zum Beispiel auf, dass auch Leiharbeiter und sogenannte 1Euro-Jobber jetzt unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen. Die Mitarbeiter sogenannter Jobcenter haben nun eine doppelte Wahlberechtigung, nämlich in der Stammdienststelle und im Jobcenter. Das Quorum für die Anzahl der Personalratsmitglieder wird in kleineren Dienststellen heruntergesetzt. Herr Geibert ist darauf dankenswerterweise schon eingegangen. Bei Maßnahmen der Organisationsänderung ist nach neuer Gesetzeslage die Personalvertretung umfassend und rechtzeitig zu unterrichten. Sie kann jetzt auch sogar externe Beratung in Anspruch nehmen. Das ist, denke ich, auch eine sehr deutliche Verbesserung. Es gibt also eine Reihe von Veränderungen, über die hier im Hohen Hause und natürlich auch im Ausschuss noch zu diskutieren sein wird.

Ich will noch eines anmerken, Frau Renner, sicherlich mag aus der einen oder anderen Sicht für Sie legitim und auch sehr verständlich diese Gesetzesvorlage noch nicht weitgehend genug sein. Wir sind uns zumindest in dem Fakt einig, dass es eine deutliche Verbesserung des bestehenden Rechts und der bestehenden Rechtslage ist und das ist doch schon mal ein Fortschritt. Ich will auch noch anmerken, es formiert sich, wenn man genau liest und hinhört in den letzten Tagen, bereits wieder ein gewisser Widerstand gegen diese Neuregelung,

über die wir dann hier noch zu diskutieren haben, weil es so manchen gibt, der schon wieder das Abendland in Gefahr sieht, wenn es in Thüringen ein neues Personalvertretungsgesetz gibt. Was wir hier liegen haben, ist, denke ich, ein guter Gesetzentwurf, der sollte im Ausschuss genau behandelt werden. Wir haben einen fabelhaften Ausschuss dafür, das ist der Innenausschuss und deswegen beantrage ich namens meiner Fraktion auch die Überweisung an genau denselben. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Hey. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Recknagel für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, ich bin entsetzt. Alle sprechen von Verbesserung. Ich kann die Verbesserung für das Land, für unsere Behörden, für unsere Ämter nicht so recht erkennen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keiner wundert sich.)

(Beifall FDP)

Ich weiß nicht, ob Sie hier als gewählte Personalräte, als Betriebsräte sprechen oder als Abgeordnete des Thüringer Landtags.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Als ehemaliger Betriebsrat.)

Wahrscheinlich, das dürfte so ein. Also für mich trägt das, wie auch schon der Entwurf der LINKEN, der Gott sei Dank zunächst mal in der Versenkung zu verschwinden versprach, eher den Titel „Alle Macht den Räten“. Alle Macht den Räten, ich glaube, ich hoffe, dass diese Zeiten vorbei sind.

(Beifall DIE LINKE)

Wir bekommen wieder Beifall von der genau erwarteten Seite. Ich hatte das erwartet, Sie haben das damals auch schon gemacht.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das stand in Ihrem Manuskript.)

Es entlarvt Sie gleichermaßen, wie es zeigt, dass Sie nicht die Interessen des Landes Thüringen

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie, oder was?)

und der Wähler vertreten, sondern Sie vertreten hier in den Redebeiträgen, die ich bisher gehört habe, ausschließlich die Interessen von Personalrä

ten. Es gibt mehr Freistellungen in den neuen Regelungen. Es gibt mehr Personalräte. Das bedeutet, wir haben eigentlich keinen Vorteil, aber höhere Kosten und wir stärken die Verhandlungspartner, die die Behördenleiter dann haben und machen uns eine Menge mehr Arbeit.

(Unruhe DIE LINKE)

Denn dadurch, dass auch die Mitbestimmungsrechte ganz erheblich ausgeweitet werden, ganz dramatisch ausgeweitet werden, wird es viel mehr Fälle geben, die damit zu behandeln sind. Werfen wir doch einfach nur mal einen Blick an die Hochschulen. Wir sind uns, glaube ich, einig, dass die sich darum kümmern sollten, dass unsere jungen Menschen beste Bildung genießen. In Zukunft müssen die einen wesentlichen Teil ihrer Zeit damit verbringen, sich mit Personalräten über Dinge herumzuschlagen, die bisher völlig in Ordnung auch so zu regeln waren, mit einem Recht, an dem man sicherlich an der einen oder anderen Stelle Kritik üben konnte, aber was im Kern funktioniert hat. Ich bin hier insbesondere entsetzt über die CDU, die das mittut. Wir nehmen hier den Thüringer Hochschulen einen Teil der Luft zum Atmen. Ich hoffe noch auf die Beiträge, die von Ihrer Seite kommen, vielleicht sehen Sie das eine oder andere ähnlich. Sie nehmen den Thüringer Hochschulen die Luft zum Atmen und vielen anderen Behörden, Dienststellen genauso.

Es gibt grundlegende strukturelle Änderungen in diesem Gesetzentwurf. Die Beteiligungsverfahren werden dramatisch ausgeweitet. Es gibt viel mehr Vorgänge. Jede Dienststelle hat mehr Aufwand. Es gibt mehr Freistellungen, das heißt, wir müssen diese Personalräte dafür, dass sie hart mit uns verhandeln, auch noch bezahlen. Wir erweitern die Mitbestimmung erheblich und notwendige Maßnahmen, die wir hier parlamentarisch, demokratisch legitimiert beschließen, werden durch die Hintertür behindert, erschwert oder sogar verhindert. Mit diesem Gesetz würden wir uns Fesseln anlegen. Es handelt sich hier im Kern um ein Ermächtigungsgesetz des Landtags mit Verlagerung von Verantwortung auf Räte, auf Personalräte. Die sind auch gewählt, aber nur von einem kleinen Teil der Thüringer Bevölkerung, nämlich von den Beschäftigten des Landes.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Mehr aber als FDP-Wähler.)

Als Beispiele: Privatisierung und Verlegung von Dienststellen zukünftig mitbestimmungspflichtig, die Berufsausbildung oder auch Richtlinien zur Personalauswahl. Der dramatischste Punkt: Die ordentliche Kündigung ohne Zustimmung des Personalrats ist überhaupt nicht mehr möglich.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, zum Glück.)

(Abg. Hey)

Das heißt, dass wir uns hier Fesseln anlegen. Wir gehen in diesem Personalvertretungsrecht weit über das hinaus, was sich in der Privatwirtschaft mit dem Betriebverfassungsgesetz seit Jahrzehnten bewährt hat - ohne Not. Denn selbst in der Privatwirtschaft, wo man ein gewisses wirtschaftliches Interesse der privaten Unternehmen unterstellen kann, selbst dort geht der Gesetzgeber nicht so weit. Also wir schaffen hier Blockaderechte ohne Not. Das Gesetz ist handwerklich schlecht formuliert. Es ist inhaltlich zum Teil katastrophal. Es ist teuer, es ist unnötig und es ist einfach schlecht. Wir schaffen damit die Räteherrschaft statt demokratischer Entscheidungen des Landtags.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb lehnt die FDP diesen Antrag selbstverständlich ab. Ich beantrage zudem die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss, denn das Ganze hat insbesondere auch finanzielle Auswirkungen. Danke schön.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Recknagel. Sie haben zusätzlich den Finanzausschuss beantragt?

(Zuruf Abg. Recknagel, FDP: Jawohl.)

Danke. Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Gumprecht für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer eine starke, leistungsfähige, demokratische Verwaltung will, der muss seine kompetenten und leistungsfähigen Mitarbeiter nicht nur gut bezahlen, sondern er muss ihnen auch umfangreiche Personalvertretungsrechte einräumen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)