Protokoll der Sitzung vom 07.07.2011

Denn qualifizierte und kompetente Personalvertretungen stärken die Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst, stärken die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und stärken die Demokratie.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Personalvertretungsrecht ist die Grundlage für die betriebliche Mitbestimmung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Ziel ist, Eigenständigkeit und Selbstverantwortung der Beschäftigten zu fördern. Sie sollen Einfluss auf die Gestaltung der innerbetrieblichen Angelegenheiten nehmen können und sich aktiv in die Belange der Verwaltung oder ihres Unternehmens einbringen können. Damit ist das Personalvertretungsrecht Ausdruck des Sozialstaatsgebots, das dem Gesetzgeber aufgibt, die Le

bens- und Arbeitsverhältnisse unter Berücksichtigung sozialer Prinzipien zu gestalten. Die beiden Koalitionspartner haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Personalvertretungsgesetz zu novellieren, in dem die Rechte der Personalvertretungen gestärkt werden. Es heißt: „Ziel ist ein zukunftsorientiertes und flexibles Personalvertretungsrecht für Thüringen.“

(Beifall SPD)

Es liegt uns heute der angekündigte Entwurf der Landesregierung vor.

Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Monaten zahlreiche Reden zu diesem Thema auch von dieser Stelle gehört. Die Lektüre - und ich kann sie Ihnen nochmals anempfehlen - der vorgetragenen Argumente ist vielfältig und interessant. Es zeichnen sich grundsätzlich zwei Tendenzen in der Diskussion und in der schriftlichen Anhörung ab: Den Gewerkschaften geht der Entwurf nicht weit genug, der Arbeitgeberseite geht er zu weit, der Landkreistag lehnt ihn gar gänzlich ab. Ich könnte konkrete Argumente beider Seiten noch genügend nennen. Die Landesregierung vertritt die Meinung, der Entwurf ist ein Kompromiss, der das Spannungsverhältnis ausgewogen berücksichtigt.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, wo liegt die goldene Mitte? Das ist die Frage, der wir uns stellen müssen und mit der wir uns in den Ausschüssen auseinandersetzen müssen.

Lassen Sie mich auch aus eigenen Erfahrungen heute noch eines sagen: Der Kern des Personalvertretungsgesetzes ist der § 2, in dem nämlich die vertrauensvolle Zusammenarbeit definiert wird und hier in unserem Gesetz sogar noch erweitert wird um die Begriffe „kooperationsorientiert“, „respektvoll“ und „offen“. Diese Generalklausel normiert das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Personalvertretung und Dienststelle. Es dient als Auslegungsregel für alle Rechte und Pflichten. Das Gebot soll gewährleisten, dass sich Personalvertretungen und Dienststellenleiter gegenseitig unterstützen und respektvoll, kooperativ und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Ihre Arbeit soll dem Wohl der Beschäftigten dienen und ermöglichen, dass die Dienststelle die ihr obliegenden Aufgaben erfüllen kann. Das Gebot soll darüber hinaus sicherstellen, dass beide Seiten nicht gegeneinander arbeiten.

Meine Damen und Herren, aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, das ist der Kern der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern. Wenn die vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht funktioniert, dann kann das Gesetz nur noch Hilfsmittel sein.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in diesem Sinne in den Ausschüssen - und ich bitte um

(Abg. Recknagel)

Überweisung an den Innen- und Wirtschaftsausschuss - weiter darüber diskutieren. Die Federführung sollte der Innenausschuss übernehmen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Gumprecht. Ich habe jetzt eine weitere Wortmeldung vom Abgeordneten Heym.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Innenminister, vielen Dank für die Vorlage des Regierungsentwurfs für dieses neue Personalvertretungsgesetz. Wir konnten es in den Vorreden schon vernehmen, Sie hatten die undankbare Aufgabe, sehr weit auseinandergehende Interessen in einem Gesetzentwurf zusammenzubinden. Letztendlich kann das immer nur ein Kompromiss sein.

Ich habe mich deshalb gemeldet, um noch einmal nach vorn zu gehen, weil eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion einige Bedenken zu den beabsichtigten Änderungen in diesem Personalvertretungsgesetz haben.

Ich will es an ein paar nur wenigen Stichworten deutlich machen, zum einen die Änderungen zu den Freistellungsregelungen. Sie werden Auswirkungen auf die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung haben und sie werden auch höhere Kosten hervorrufen. Was aber noch schwerer wiegt, sind die Änderungen von Mitwirkungen in eingeschränkte Mitbestimmungsrechte. In den Angelegenheiten der Mitbestimmung stehen sich die Personalvertretung und die Dienststelle als gleichberechtigte Partner gegenüber. Die eingeschränkte Mitbestimmung bedeutet, dass grundsätzlich eine Einigung zwischen Personalvertretung und Dienststelle erreicht werden muss. Wenn nicht, beginnt dann ein Stufenverfahren, deren letzte Instanz die Einigungsstelle ist. In den Fällen der eingeschränkten Mitbestimmung kann die Einigungsstelle, wenn sie sich nicht der Entscheidung der obersten Dienststelle anschließt, eine Empfehlung an diese aussprechen, an die sich dann die oberste Dienststelle aber jedoch nicht gebunden fühlen muss.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf müsste Einvernehmen erreicht werden zu nur beispielhaft aufgezeigten folgenden Sachverhalten: Vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, Versagung oder Widerruf der Genehmigung einer Nebentätigkeit, Einführung neuer grundlegender Änderungen oder Auswirkungen bestehender Arbeitsmethoden und - das ist auch schon angesprochen worden, ich will es noch mal wiederholen - Privatisierung, Auflösung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung

von Dienststellen oder deren wesentlichen Teilen. Das sind nur ein paar Beispiele, die noch umfangreich ergänzt werden können.

Die in § 78 geregelte Mitwirkung der Personalvertretung bei Kündigungen soll durch eine volle Mitbestimmung ersetzt werden. Das bedeutet, dass die Personalvertretung die Zustimmung zu einer Kündigung verweigern kann. Das hat zur Folge, dass eine ordentliche Kündigung ohne die Zustimmung der Personalvertretung nicht mehr ausgesprochen werden kann. Eine solche Regelung hätte in der Praxis die Folge, dass der überwiegende Teil an ordentlichen Kündigungen im Rahmen von zeitaufwendigen, kostenpflichtigen Verfahren vor der Einigungsstelle - da sind wir auch ganz schnell bei Beträgen pro Fall von 8.000 bis 10.000 € - entschieden werden müssten, da die Personalvertretungen zum Wohl aller Beschäftigen tätig werden und deshalb nur selten einer Kündigung zustimmen werden.

Der § 78 Abs. 3 des Entwurfs regelt das Vorgehen bei Verweigerung der Zustimmung. Er bestimmt, dass bei Kündigungen trotz Verweigerung dann Arbeitnehmern eine Abschrift der Stellungnahme des Personalrats zuzuleiten ist. Schon allein diese Regelung ist in sich widersprüchlich und in der Praxis überhaupt nicht durchführbar. Wenn für eine wirksame Kündigung die Zustimmung des Personalrats erforderlich ist, dann kann eine Kündigung ohne Zustimmung des Personalrats gar nicht rechtswirksam erfolgen. Da liegt ganz offensichtlich schon ein Ei im Entwurf und das wird zu beraten sein.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, jede Fraktion in diesem Haus redet sicherlich mit unterschiedlichen Horizonten von notwendigen Struktur- und Personaldeckenveränderungen. Wir haben gerade diese Woche erst vernommen, vor welche ehrgeizige Aufgabe sich auch diese Koalition stellt, wenn man davon spricht, dass 8.600 Stellen in diesem Freistaat abgebaut werden sollen bis 2020. Diese Personalveränderungen sind auch unbedingt angezeigt, denn der bundesweite Vergleich zeigt, wir in Thüringen haben im öffentlichen Dienst die meisten Beschäftigten pro 1.000 Einwohner, es sind statistisch über 22.

Man darf an der Stelle auch einmal in Erinnerung rufen, dass die Rechte von Personalvertretungen und Bediensteten der öffentlichen Verwaltung ohnehin schon keinen Vergleich mit der Wirtschaft zu scheuen brauchen. Ich glaube, das ist schon wohlwollend formuliert. Vor dem Hintergrund notwendiger und vor uns liegender Veränderungen ist dieses Gesetz in dieser vorliegenden Form kein geeignetes Instrument, um am Ende des Wegs auch erfolgreich sein zu können. Bei aller Sympathie für noch mehr Mitbestimmung von Personalvertretungen muss auch gesichert sein, dass auch noch geführt

(Abg. Gumprecht)

und entschieden werden kann ohne zeit- und geldraubende Verfahren.

(Beifall CDU)

Heute bin ich zuversichtlich, dass die alte Weisheit gilt, dass kein Gesetz den Landtag so verlässt, wie es hineinkommt. Deshalb beantrage auch ich neben der Überweisung an den Innenausschuss - der wird dann wohl federführend sein - auch die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, um über dieses Gremium mitberatend in die Überlegungen mit eingreifen zu können und dort auch die Hinweise aus dem Bereich Wirtschaft in die Beratungen mit einfließen zu lassen. Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Heym. Mir liegt jetzt keine Wortmeldung mehr vor. Dann kommen wir zur Überweisung. Es wurde Ausschussüberweisung beantragt an den Innenausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und den Haushalts- und Finanzausschuss.

Wir beginnen mit der Überweisung an den Innenausschuss. Wer sich dem anschließen kann, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Auch nicht, danke. Damit ist der Gesetzentwurf an den Innenausschuss überwiesen.

Wir kommen zu der Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Wer sich dem anschließen kann, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen der FDP, der CDU und der SPD. Gegenstimmen? Die kommen aus den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer sich dem anschließen kann, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP. Gibt es Gegenstimmen? Die Gegenstimmen kommen aus den Fraktionen der SPD und der CDU.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Können wir mal zählen?)

Herr Abgeordneter Hey, war das jetzt ein Antrag? Nein, gut.

Meine Damen und Herren, ich muss zählen. Ich möchte bitte noch mal die Jastimmen sehen. Ich

sehe 25 Jastimmen. Bitte die Gegenstimmen. Ich sehe 25 Neinstimmen. Ich habe meine nicht mitgezählt. Also, meine Damen und Herren, das ist ja nicht lustig. Wir machen das bitte noch mal, damit es hier keine Unstimmigkeiten gibt.

(Unruhe im Hause)

Also Jastimmen - 30. Neinstimmen - ja, nun ist die Zeit ran, nachdem wir dreimal zählen mussten, dass das die Mehrheit ist, damit ist die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss nicht erfolgt.

Es geht jetzt um die Federführung. Federführung war beantragt für den Innenausschuss. Wer sich dem anschließen kann, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind alle Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Vielen Dank, damit ist der Innenausschuss federführend.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/2990 ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das ist der Fall. Herr Innenminister Geibert hat das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Landesregierung legt heute den Gesetzentwurf zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 vor. Damit entspricht die Landesregierung den Wünschen und Beschlüssen aller 98 an den Strukturänderungen beteiligten Gemeinden. Insgesamt werden in diesem Gesetzentwurf 17 Regelungsfälle vorgeschlagen. Es handelt sich dabei um freiwillige Fälle, zu denen die Antragsunterlagen vollständig vorliegen und deren rechtmäßiges Zustandekommen die jeweiligen Landratsämter als zuständige kommunale Aufsichtsbehörden geprüft haben. Durch das Neugliederungsgesetz 2011 sollen sechs neue Landgemeinden nach § 6 Abs. 5 ThürKO gebildet werden und eine sogenannte Einheitsgemeinde. An der Neubildung dieser sieben neuen Gemeinden sind insgesamt 33 Gemeinden beteiligt. Weiterhin werden in dem vorliegenden Gesetzentwurf 2011 sieben Eingliederungen vorgeschlagen, an denen insgesamt 16 Gemeinden beteiligt sind. Darüber hinaus sollen drei Verwaltungs

(Abg. Heym)

gemeinschaften um je eine Gemeinde erweitert, eine Verwaltungsgemeinschaft neu gebildet sowie zwei erfüllende Gemeinden neu angeordnet werden. Ich denke, meine sehr geehrten Damen und Herren, es entspricht Regelungsgehalt und Regelungssinn der von Ihnen heute verabschiedeten Geschäftsordnung für das Hohe Haus, dass ich abweichend von der Praxis der Vorjahre nicht in die Aufzählung der 17 Neugliederungsfälle einsteige und Ihnen alle 98 Gemeinden vorlese. Ich erlaube mir insoweit auf den Gesetzentwurf zu verweisen; in den Vorjahren war dies anderes.

Die Thüringer Landesregierung unterstützt nach wie vor die Bestrebungen der Städte und Gemeinden, auf freiwilliger Basis ihre Verwaltungsstrukturen effektiver zu gestalten und die vorhandenen Potenziale der Einzelgemeinden zur noch wirtschaftlicheren Nutzung zusammenzufassen. Die mit diesem Gesetzentwurf vorgelegten Gemeindestrukturänderungen dienen diesem Ziel. Durch die Gemeindeneubildungen und die Vergrößerung von Gemeinden durch Eingliederungen kann insgesamt eine weitere Verbesserung der Leistungskraft und auch der Verwaltungskraft der beteiligten Gemeinden erreicht werden. Auch durch den Beitritt von bisher eigenständigen Gemeinden zu bestehenden Verwaltungsgemeinschaften können die damit gegebenen Möglichkeiten einer noch effektiveren Gestaltung der Verwaltungstätigkeit für alle Gemeinden genutzt werden. Gleiches gilt für die Anordnung der erfüllenden Gemeinde in § 7 des Gesetzentwurfs und die Zusammenfassung von bisher zwei Verwaltungsgemeinschaften zu einer neuen in § 13 des Gesetzentwurfs.

Die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagenen freiwilligen Gemeindefusionen sollen wie in den vergangenen Jahren auch nach § 36 des Thüringer Finanzausgleichgesetzes finanziell gefördert werden. Damit die Fördermittel noch in diesem Haushaltsjahr an die neu gebildeten oder vergrößerten Gemeinden ausgezahlt werden können, wird als Termin des Inkrafttretens der förderfähigen Gemeindefusionen der 1. Dezember 2011 vorgeschlagen. Die übrigen Regelungen des Gesetzes sollen am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Die Landesregierung sieht diesen Entwurf als einen weiteren wichtigen Beitrag zur Verbesserung der bestehenden gemeindlichen Verwaltungsstrukturen auf freiwilliger Basis an. Ich hoffe, dass das weitere Gesetzgebungsverfahren zügig durchgeführt werden kann, damit das Gesetz im Interesse der antragstellenden Gemeinden und ihrer Bürger rechtzeitig in Kraft tritt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)