Protokoll der Sitzung vom 07.07.2011

Danke, Herr Minister Geibert. Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Adams für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Gäste auf der Tribüne, die Sie hierher zu dieser Debatte gekommen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im letzten Jahr …

(Zwischenruf aus dem Hause)

(Heiterkeit im Hause)

Ich finde es erstaunlich, aus welcher Ecke hier im Hause noch versucht wird, ein bisschen Spaß im Zusammenhang mit dieser Gesetzesvorlage zu treiben.

(Unruhe CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im letzten Jahr konnte ich eine sehr kurze Rede zu dem Gesetz zu den Neugliederungen hier halten, weil es unsere absolute Zustimmung findet, wenn Gemeinden erkennen, was der CDU an Erkenntnis noch fehlt, dass größere Einheiten effektivere Einheiten sind und sie sich nachhaltig verbinden wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vorausschauenden Kommunen sind hier aufgeführt. Sie haben sich entschlossen, sich in Verwirklichung ihres aus dem Artikel 28 stammenden Rechts der Selbstverwaltung zu vereinigen. Ich kann nur alle Kommunen hierzu beglückwünschen.

Damit könnte die Rede zu Ende sein, wenn nicht in diesem Jahr erstmalig und ganz neu Gemeinden dieses Recht verwehrt, meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und die kommunale Selbstverwaltung mit Füßen getreten werden würde. Sie sind es doch immer wieder, diejenigen, die so laut rufen bei der kleinsten Kritik an Kommunen, dass diese über ihre Selbstverwaltung verfügen und man müsse sie allein machen lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind Kommunen hier ausgeschlossen worden - und vorhin in meiner Mündlichen Anfrage wurde es durch Herrn Staatssekretär noch einmal bestätigt -, erstmalig und nur vier Kommunen, die sich zu zwei neuen Gemeinden verbinden wollten, nämlich Gleichamberg und Straufhain sowie Steinbach und Schweina werden von dem Recht ausgeschlossen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, für meine Begriffe ein ungeheuerlicher neuer Vorgang hier im Freistaat Thüringen nach 20 Jahren.

(Minister Geibert)

(Beifall FDP)

Was, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die knallharten Kriterien des Innenministeriums, die zu dieser Entscheidung führen? Wir hatten danach gefragt. Herr Staatssekretär Rieder hat darauf geantwortet, es ist die Raumordnung als Ganzes und die Verbindung unter den Gemeinden und unterschiedliche Verbundenheit der Gemeinden untereinander.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine Begründung, das ist ein Ausweichen und ein Ausweichen in Mysterien der Raumplanung. Raumplanung hat doch viel, ist doch ein ganzer Strauß von Elementen. Welche Elemente haben Sie denn hier gewählt? Sind die Gemeinden, die entstehen, zu klein? Ist die Gemeinde, die entsteht, zu groß? Ist die Gemeinde zu arm, ist sie zu reich? Welche Infrastruktur würde ihnen denn fehlen? Über all das schweigt sich das Innenministerium aus, sagt einfach nur, ihr seid nicht mit dabei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist weder Ernstnehmen noch eine Achtung vor dem Prozess, denn so ein Vereinigungsvertrag zwischen Gemeinden fällt ja nicht vom Himmel - der Prozess, der hier in den Gemeinden angetreten wird, oft schmerzlich geführt wird mit vielen Auseinandersetzungen und dann von den Gemeinderäten in großer Mehrheit angenommen wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden dieses Gesetz nicht ohne Änderungsantrag der GRÜNEN, die hier auf die Selbstvertretung - das hohe Recht der Kommunen - achten werden, diesen Landtag passieren lassen. Es liegt an Ihnen, ob Sie den hehren Worten, die Sie immer wieder führen für die Selbstverwaltung der Kommunen, auch Taten folgen lassen und dem guten Grundsatz, den Sie in den letzten Jahren hatten, folgen, nämlich da, wo Gemeinden sich vereinigen wollen, auch als Landtag unterstützend beizutreten. Der Vorgang an sich zeigt eines ganz deutlich, Thüringen hat keinen Plan für seine Gebietsneuordnung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Was wollen Sie denn machen, wenn im nächsten Jahr der gleiche Antrag von Gleichamberg und Straufhain wieder kommt? Es gibt noch viele andere Kommunen und Schweina und Steinbach auch wieder. Die kommen so lange, Sie müssen doch auch irgendwann einen Grund nennen, warum die sich nicht zusammenfügen sollen. Sie werden Prämissen brauchen, um Thüringen zu ordnen. Es geht nicht, wie man aus Ihren Kreisen immer wieder hört, dass man sagt, unsere Eigenständigkeit werden wir verteidigen bis zum letzten Tag, solange es noch geht. Wir wissen zwar, dass es nicht mehr lange geht, aber wir werden sie verteidigen. Das ist keine Politik, meine sehr verehrten Damen

und Herren, das ist ein Ausweichen vor der Realität. Sie sollten raus aus der Blockade,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

rein in richtungweisende Politik. Nachhaltigkeit wäre hier wichtig. Ich fordere das Innenministerium auf, klare Beschlüsse zu fassen und den Kommunen das im Übrigen auch deutlich zu sagen, warum stimmen wir eurem Antrag nicht zu. Das war auch ein Teil meiner Nachfrage, dass ich Herrn Rieder gefragt habe, sind die Kommunen denn darüber informiert worden. In der letzten Woche habe ich mich mit Vertretern beider Kommunen Straufhain und Gleichamberg getroffen und die sagen mir, außer einem Gespräch, das zunächst offen dann geendet ist, haben sie nichts wieder gehört. Sie haben einen schriftlichen Antrag gestellt und die Landesregierung sendet ihnen nicht einmal den Referentenentwurf durch, den haben sie durch die Öffentlichkeit erhalten. Ich finde, das ist kein Umgang mit Kommunen und da sollte sich dringend etwas ändern. Im Übrigen werden wir im Ausschuss darüber diskutieren, was denn die Gründe sein sollen, warum diese Kommunen in Zukunft nicht gemeinsam gehen sollen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter Adams. Ich weise die Besucher darauf hin, dass sie nicht klatschen und sich nicht äußern dürfen. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Bergner für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Bürgermeister Gärtner, wie in den letzten Jahren steht auch dieses Jahr ein Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden auf der Tagesordnung. Grundsätzlich, meine Damen und Herren, begrüßen wir Zusammenschlüsse, die aufgrund eigener Entscheidungen der Gemeinden zustande kommen. Ich sage deutlich, einen Zwang von oben braucht es dafür nicht und ein Zwang von oben führt schon lange nicht dazu, dass die Zusammenschlüsse wirklich funktionieren.

(Beifall FDP)

Auch bleiben wir weiterhin bei unserem Standpunkt, dass Größe allein nicht unbedingt mehr Effizienz bedeutet. In den 24 Paragraphen des Gesetzentwurfs finden wir alle Möglichkeiten, die die Thüringer Kommunalordnung zulässt, von der Auflösung von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften hin bis zur Bildung neuer Gemeinden und Landgemeinden oder die Erweiterung von Verwaltungsgemeinschaften. All diese Beispiele sind Ein

(Abg. Adams)

zelfallentscheidungen, die vor Ort getroffen worden sind. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, dass, wenn die Gemeinden vor Ort die Entscheidung treffen, diesen Weg zu gehen, die Menschen vor Ort aus ihren persönlichen Erfahrungen, aus ihren persönlichen Erkenntnissen und auch aus persönlichen Beziehungen entschieden haben. Das ist im Regelfall gut so und dann ist das auch richtig so. Deshalb sollten wir im Zusammenhang mit dem Neugliederungsgesetz auch ernsthaft über die Verlängerung der Freiwilligkeitsphase nachdenken. Zum einen sieht man den großen Zuspruch der Gemeinden und zum anderen existieren noch eine Menge Gemeinden, die sich nicht im Gesetzentwurf wiederfinden. Da möchte ich ganz deutlich auch an das anknüpfen, was Kollege Adams gesagt hat. Ich finde, der Gesetzentwurf ist da in sich auch nicht schlüssig,

(Beifall FDP)

wenn auf der einen Seite, sagen wir, die Gemeinde Frankenblick völlig in Ordnung ist und auf der anderen Seite etwa Straufhain-Gleichamberg sich nicht wiederfindet und, wie ich finde, ohne ausreichende Begründung nicht wiederfindet.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es soll aber nicht darum gehen, die Gemeinden nur mit der sogenannten Hochzeitsprämie zu locken, sondern freiwillige Zusammenschlüsse, ich sage einmal, zu unterstützen, die den Gemeinden der Nachbarschaft und natürlich den Bürgern nutzen und somit dem öffentlichen Wohl dienen. Das ist auch meine Kritik an dem gesamten Verfahren. Nach § 9 der Thüringer Kommunalordnung ist maßgeblich für eine Gebiets- oder Bestandsänderung das öffentliche Wohl. Ich habe aber das Gefühl, dass das zuständige Innenministerium teilweise von diesem Kriterium oder teilweise bei diesem Kriterium unterschiedliche Maßstäbe ansetzt. Anders kann ich mir - und das ist genau das, was ich bereits angesprochen habe - jetzt die Aufnahme von bestimmten Gemeinden in das Gesetz nicht vorstellen bei gleichzeitigem Außen-vor-lassen anderer Gemeinden, wo eigentlich überhaupt keine anderen Kriterien vorliegen, während wiederum andere Gemeinden gebildet werden, die bislang gar keinen eigenen Verwaltungskörper hatten. Ich glaube, da haben wir im Ausschuss noch einigen Diskussionsbedarf.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern hoffe ich, dass wir dort auch Auskunft erhalten, wenn wir dann die Stellungnahmen bekommen, die uns ja bislang nicht vorliegen, meine Damen und Herren. Deswegen denke ich, dass es wichtig ist, jetzt intensiv in dem Ausschuss zu beraten und zu prüfen, welche Gründe und Ursachen für die Aufnahme in das Gesetz sprechen oder eben auch nicht. Insofern werde ich heute den Ge

setzentwurf vorerst noch nicht zu intensiv analysieren wollen, da uns mit diesen Stellungnahmen die wichtigsten Hintergrundinformationen fehlen. Ich sage aber eins, wenn schon, dann muss es irgendwo auch ein durchgängiger Maßstab sein, dann muss das Gesetz in sich stimmig sein; den Eindruck habe ich im Augenblick noch nicht. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter Bergner. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Fiedler für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Horst Gärtner, ein Zuschauer ist wenigstens da, das ist beruhigend. Heute reden wir über den Gesetzentwurf Neugliederung in Drucksache 5/2990. Ich will nur gleich eines vorweg sagen: Hier werden Begehrlichkeiten geweckt, die nicht erfüllt werden können. Es geht erstens und da sind wir froh, dass Kommunen sich freiwillig zusammenschließen, auch für die Oberlehrer mitgedacht - um den Willen der Gemeinden, das ist vollkommen richtig, wenn die ihre Beschlüsse gefasst haben usw. und wenn dem nichts entgegensteht, kann man das machen. Dann kommt aber zweitens das öffentliche Wohl.

Warum lachen Sie darüber? Das ist so. Da müssen Sie sich mal ein bisschen kundig machen, dass das so ist.

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Weil ich gespannt auf Ihre weiteren Erläuterungen bin, reden Sie wei- ter.)

Na klar. Sie brauchen doch nicht erst zu lachen, warten Sie es doch ab.

Also dann kommt das öffentliche Wohl, was eine wichtige Funktion hat und was das Innenministerium abzuwägen hat, denn das ist das zuständige Ministerium. Dann kommt der Parlamentsvorbehalt. Da sind wir dran. Das haben wir extra damals so hineingeschrieben, weil wir wollten, dass das Parlament darüber zu entscheiden hat, was an Veränderungen stattfindet und, ich denke, aus gutem Grund und das hat sich auch bisher bewährt. Das Innenministerium hat uns die Dinge, die in der Drucksache geschrieben stehen, vorgelegt und dort sind aus den uns bekannten Gründen Schweina und Steinbach und Gleichamberg und Straufhain nicht enthalten, weil das Innenministerium gesagt hat vielleicht sagt der Herr Minister noch etwas dazu, ich gehe mal davon aus, dass der Innenminister das nicht so im Raum stehen lässt -, weil das öffentliche Wohl aus Sicht des Innenministeriums

(Abg. Bergner)

überwiegt und in diesem Falle, auch wenn wir sonst immer sehr für die kommunale Selbstverwaltung sind, gibt es aber auch noch ein paar übergeordnete Dinge, die zu beachten sind, und in dem Falle ist aus Gründen, die wir bisher gehört haben, dem nicht stattgegeben worden. Demzufolge ist es dem Landtag auch nicht übergeben oder uns auf die Tagesordnung gesetzt worden, demzufolge werden wir das in dem Gesetzentwurf auch nicht behandeln, weil die nicht aufgeführt sind. Das ist so. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Man kann durchaus in Selbstbefassung oder anderen Dingen darüber reden, aber in dem Gesetzentwurf wird das nicht behandelt und nicht Gegenstand der Beratungen sein. Das muss man einfach klar und deutlich sagen. Denn ich glaube auch, beim öffentlichen Wohl spielen insbesondere auch die Entwicklungsmöglichkeiten von anderen Gebietskörperschaften eine wichtige Rolle. Man kann auch nicht, wenn sich die einen das mühsam erkämpft haben, mühsam sich geeinigt haben, aber daneben gibt es andere, bei denen das nicht funktioniert. Aber dafür ist die Exekutive erst einmal zuständig, die entsprechend das sicher noch erläutern wird.

Wir hatten auch schon einmal einen ähnlichen Fall, da hat die Landesregierung damals Langenwetzendorf und Voigtländisches Oberland vorgelegt und wir sind dem nicht gefolgt, weil sich herausstellte, dass es da doch noch Querelen und ähnliche Dinge gegeben hat. Auch das ist damals schon einmal passiert.

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass 98 Strukturveränderungen von beteiligten Gemeinden auf freiwilliger Basis im Gesetzentwurf vorliegen, das zeigt, dass die freiwilligen Zusammenschlüsse durchaus gut wirken. Wir setzen in der Regel alle ob LINKS, ob GRÜN oder andere - auf die Freiwilligkeit, immer mit der Abstufung, was ich gerade erklärt habe. Ich hoffe, es ist bei Ihnen angekommen, dass es auch noch übergeordnete Dinge geben kann. Wir dürfen nicht vergessen, über dem Ganzen schwebt doch immer noch das Verfassungsgericht. Wir müssen nämlich aufpassen, dass wir Gesetzentwürfe wirklich vorlegen, die gerichtsfest sind und vor dem Verfassungsgericht Bestand haben. Denn wer hat es gern, vor dem Verfassungsgericht zu scheitern, das sollte nicht unser Ziel sein.

Meine Damen und Herren, wir haben auch noch einmal finanzielle Anreize gesetzt, wenn sich Gemeinden zusammenschließen, dass zumindest bei 4.000 Einwohnern dort 30 € - ich sage mal - pro Nase gezahlt werden; wenn sie über 5.000 liegen, dann gibt es 100 € und die Höchstförderung ist 1 Mio. €. Das wird schon ein mühsames Werk, um das alles geldlich zu untersetzen. Aber wir sind uns im Klaren, dass das Ganze auch so passiert und wir entsprechend diese Freiwilligkeit dort haben. Ich glaube auch, dass die Enquetekommission, die damals unter anderem die Landgemeinde mit geboren