Protokoll der Sitzung vom 08.07.2011

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Die Sta- tistiken sind eindeutig und Sie zitieren sie falsch.)

Da können Sie ja gern hier vorkommen und dann stellen wir Statistik neben Statistik und dann schauen wir mal.

Und dieser Punkt muss auch und kann auch in den Regionalbeiräten weiter diskutiert werden. Ich muss sagen, ich habe Bedarf, das Ganze im Ausschuss zu diskutieren, und plädiere deswegen auch für

meine Fraktion für eine Überweisung an den Wirtschaftsausschuss.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Frau Siegesmund. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rolf Baumann für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich an die Ausführungen von Frau Holzapfel anschließen. Sie hat gesagt, TA vom 17.06., Wirtschaftswachstum 2 Prozent, damit verbunden natürlich auch eine geringere Arbeitslosigkeit, aber - und das muss man sagen - die Langzeitarbeitslosen haben nicht in dem Maße davon profitiert, wie wir uns das gewünscht hätten.

(Beifall DIE LINKE)

Nun zum Antrag: Ich danke auch der Fraktion DIE LINKE für diesen Antrag. Der Bericht der Landesregierung zeigt, dass der Weg Mitte der 90er-Jahre, einen Landesbeirat und vier Regionalbeiräte für die Arbeitsmarktpolitik zu gründen, der richtige Weg war. Landesbeirat und Regionalbeiräte haben in Thüringen eine wichtige Funktion, wenn es um die Arbeitsmarktpolitik des Freistaats und die Abstimmung mit den Akteuren der Wirtschaft, den kommunalen Spitzenverbänden, den Gewerkschaften, den Kirchen und der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege geht. Damit hat Thüringen wirksame Gremien wie kein anderes Bundesland in Deutschland.

Nun zu Punkt 1 des Antrags: Dort hat die Landesregierung bereits ausführlich berichtet und ich sage hier, dem gibt es nichts hinzuzufügen.

Zu Punkt 2: Ich würde auch gern die Regionalbeiräte mit mehr Kontingenten aus ESF-Mitteln ausstatten. In der Vergangenheit gab es bereits Versuche dazu. Man kommt aber bei der Umsetzung dieser Versuche an seine Grenzen. Der Verwaltungsaufwand steht nicht im Verhältnis zum Nutzen. Einige Richtlinien, wie die Richtlinie über die Gewährung von Lohnkostenzuschüssen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und/oder des Freistaats Thüringen im Rahmen des Programms „Arbeit für Thüringen und Zukunft Familie“ und die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und/oder des Freistaats Thüringen zur Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung und zur Förderung der beruflichen Integration, werden bereits budgetiert regional bearbeitet. Dies erfolgte mit dem vorhandenen Personal und die Regionalbeiträge votieren die vorliegenden Projekte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu den Aufgaben der Regionalbeiräte - Herr Staatssekretär

(Abg. Siegesmund)

hat es bereits benannt - gehören die Analyse arbeitsmarktrelevanter Strukturen und Probleme zur Initiierung beschäftigungswirksamer und strukturverbessernder Maßnahmen. Mit diesen sieben Punkten sind die Aufgaben der Regionalbeiräte gut definiert. Eine Ausweitung dieser Aufgaben in Richtung der Mittelbewirtschaftung von ESF-Geldern würde das Aufgabenfeld wesentlich erweitern, ist mit einer personellen Aufstockung verbunden und mit einer Umstrukturierung des Antragswesens. Dies ist angesichts der bereits erfolgten Halbzeitevaluierung des Europäischen Sozialfonds, vor allem aus Zeitgründen eher aussichtslos. Eine solche Veränderung braucht Zeit, ich prognostiziere mal, mindestens ein Jahr. Wie wir alle wissen, ist die Förderperiode 2013 zu Ende. Der Aufwand steht also in keinem Verhältnis zum Nutzen. Damit ist der Punkt 2 nicht umsetzbar.

Zu Punkt 3: Den Kommunen die Möglichkeit zu geben, verstärkt als Maßnahmeträger der Arbeitsförderung aufzutreten, davon halte ich in der jetzigen Situation aus arbeitsmarktpolitischer Sicht sehr wenig. Ich will Ihnen das auch begründen. Wir haben in Thüringen einen akuten Fachkräftebedarf in den nächsten Jahren. Ich glaube, das ist bei allen Beteiligten hier im Hause unumstritten. Wir haben viele Langzeitarbeitslose mit mehreren Vermittlungshemmnissen. Wir haben im Bereich des SGB II über 80 Prozent der Hilfeempfänger mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Genau diese Potenziale gilt es zu aktivieren. Erste Schritte hierzu sind das Landesarbeitsmarktprogramm und das Projekt TIZIAN. Wir brauchen in den nächsten Jahren in diesem Bereich noch mehr Anstrengungen, und zwar qualitativ gute, um diesen Personenkreis zu aktivieren und für den regulären Arbeitsmarkt fit zu machen. Das wird eine der Herausforderungen für die Zukunft werden. Dieser Personenkreis kann meiner Meinung nach und meiner auch 20-jährigen Erfahrung auf diesem Gebiet nur aktiviert werden mit einem qualitativ guten Mix, der sich zusammensetzt aus sinnvoller Beschäftigung und einem Qualifizierungsangebot. Um dieses strukturelle Defizit in Angriff zu nehmen, braucht es ein professionelles Trägernetzwerk, was Thüringen noch hat.

Wir brauchen einen angemessenen Eingliederungstitel des Bundes und die richtigen Instrumente hierfür. Dies vermisse ich zurzeit beim Bund. Die drastischen Einschnitte in 2012 und den Folgejahren sind in Anbetracht der geschilderten Situation unangemessen. Es braucht eine verbindlich abgestimmte Strategie von Land und Bund. Wir haben die Grundlagen in der Koalition dazu geschaffen und mit dem Wirtschaftsministerium einen guten Umsetzer. Es hat mit dem Landesbeirat und dem Regionalbeirat die besten Voraussetzungen, um einen Teil der benötigten Fachkräfte aus dem eigenen Pool akquirieren zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht ist es nicht Aufgabe der Kommune, aktive Arbeitsmarktpolitik mit den von mir vorgetragenen hohen qualitativen und inhaltlichen Ansprüchen umzusetzen. Die Kommunen werden diese Aufgaben auch aus finanzieller Sicht nicht aus eigener Kraft leisten können. Ich nenne hier nur das Problem der ergänzenden Finanzierung - es wurde schon angedeutet - aus dem ESF und anderen Programmen. Der Punkt 4 ist somit entbehrlich und damit nicht umsetzbar, deshalb werden wir den Antrag ablehnen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Baumann. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Kemmerich für die FDPFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste im Internet, vielen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihren Bericht, der sehr ausführlich war, der auch sicherlich Gutes enthielt, aber meinen Applaus haben Sie für die Bewegung des Pults erst einmal bekommen, über den Rest werden wir dann noch hier reden. Ich denke, wir haben in aller epischen Breite gehört, warum es die Regionalbeiräte gibt, warum sie eingerichtet worden sind, was sie heute nach den bestehenden Vorschriften und Richtlinien leisten, zu leisten vermögen, leisten sollten, deshalb erlauben Sie mir auch in Anbetracht der Tatsache, dass wir Freitag Nachmittag schreiben, 16.47 Uhr, hier auf ein paar Schwerpunkte einzugehen.

Ich denke, es ist gerade richtig, dass die Regionalbeiräte der Verzahnung der Wirtschafts- und Strukturförderpolitik mit arbeitspolitischen Maßnahmen dienen. Es ist wichtig, dass da eben zwei Hände nicht voneinander Ahnungen haben, was geschieht, sondern dass deren Maßnahmen verbunden werden, damit eine sinnvolle, schlagkräftige Einheit auf dem Arbeitsmarkt im Sinne der Arbeitsuchenden, aber auch im Sinne der Arbeitsplatzanbietenden, sprich der Wirtschaft, geschaffen wird. Deshalb sind diese Beiräte geschaffen worden und ich denke, sie sind ein wirklich effektives Mittel, um Arbeitsmarktpolitik aktiv zu gestalten. Wir würden einen Schwerpunkt aber anders setzen. Ich denke, wir müssen sogar noch mehr darauf achten, dass aus der regionalen Wirtschaft, aus den Playern vor Ort, Angebote formuliert werden, die auch wahrgenommen werden können, aber auch teilweise eher noch mehr müssen, um die heute dem Arbeitsmarkt fern stehenden Menschen mit Beschäftigung auszustatten und ihnen Beschäftigung zu ermöglichen. Da will ich auch noch zwei Beispiele oder Stichworte nennen, zum einen nach wie vor das Thema Bürgerarbeit. In unseren Kommunen ist genug Arbeit

(Abg. Baumann)

zu tun, wir haben aber noch nicht die richtigen Schlüssel gefunden, die Arbeit für die Leute, die Nachfrager sind, gangbar zu machen, und noch keine richtigen Methoden gefunden, sie auch bezahlbar für die Kommunen zu gestalten. Hier sind sicherlich noch Nahtstellen zwischen Aktivierung und passivierten Mitteln der BA zu verbessern. Ich nenne auch hier

(Beifall FDP)

die Beispiele Niederlande und Dänemark, wo die Bürgerarbeit, die Arbeit in der Kommune ganz anders angesehen ist, von den Kommunen ganz anders betrieben wird und, ich denke, wo viele Menschen viel glücklicher damit fahren, denn ich glaube, es ist nach wie vor sinnvoller, den Tag über etwas zu tun in seinem nächsten Umfeld für die Kommune, für die Gemeinde, als Geld zu bekommen fürs Nichtstun.

(Beifall FDP)

Jetzt wird aber durch den Antrag der LINKEN der Eindruck erweckt - wir haben ja auch das Klagelied von Herrn Baumann gehört, oh Gott wir streichen viele Mittel -, dass viel viel hilft. Ich glaube, das hat sich bewiesen auch in den letzten Jahren, die Arbeitsplätze, den Aufschwung im Arbeitsmarkt, den wir heute haben, haben wir sicherlich auch der BA zu verdanken und den dort fleißigen und tätigen Menschen, aber wir haben insbesondere der Wirtschaft zu danken, denn Arbeitsplätze werden in erster Linie immer noch in der Wirtschaft geschaffen

(Beifall FDP)

und eben nicht in den Amtsstuben, nicht auch bei Konferenzen, nicht auch bei noch so gut gemeinten Diskussionsrunden, sondern indem wir Rahmenbedingungen für Wirtschaft und deren Akteure schaffen, dass sie gewillt und in der Lage sind, Arbeitsplätze zu schaffen, anzubieten und nachhaltig auch vorzuhalten.

Zur Statistik: Ich spreche jetzt mal für den Arbeitsmarktbezirk Erfurt. Im Vergleich Mai 2010 zu Mai 2011 sind 1.000 Mann weniger in Bezug von Hartz IV und 300 Bedarfsgemeinschaften weniger zu verzeichnen. Ich denke, das ist erst einmal ein guter Erfolg und da kann ich nicht davon reden, dass der Aufschwung nicht am Arbeitsmarkt ankommt. Das sind auch erquickliche Summen,

(Beifall FDP)

die wir von der öffentlichen Hand einsparen, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen. Ich denke, darauf sollten wir wirklich auch stolz sein und da weitermachen und, wie gesagt, der Wirtschaft den Rücken stärken, dass sie noch mehr macht. Wenn die BA dann hingeht, um ihre Mittel effektiver zu gestalten, dann sollte das bitte Ansporn sein, um zu sagen, okay, was können wir für die wirklich Be

dürftigen noch an Strukturen schaffen, dass sie möglichst schnell in einer vernünftigen Art und Weise einen Weg in den Arbeitsmarkt finden. Wenn wir den Antrag der LINKEN hier ablehnen werden, nachgeben würden …

Herr Abgeordneter Kemmerich.

Nach meiner Rede.

Nach seiner Rede würde er eine Frage gestatten.

Das, was hier im Antrag der LINKEN wieder vorgesehen wird, hat nur die Gefahr im Nachzug, dass wir wieder einmal eine Doppelstruktur schaffen, deren Sinnhaftigkeit wir nicht sehen. Insofern würden wir den Antrag ablehnen. Das war jetzt nicht lang, aber bitte, Herr Baumann.

(Beifall FDP)

Herr Baumann, Sie hatten eine Frage an den Abgeordneten Kemmerich.

Herr Kemmerich, würden Sie mir recht geben, dass wir in den nächsten Jahren einen akuten Fachkräftebedarf haben, den wir aus den jetzt vorhandenen Arbeitslosen sowohl im SGB III als auch im SGB II nicht decken können, und dass es da nicht sinnvoller ist, die eigenen Arbeitslosen, die wir gerade im SGB II haben, zu aktivieren, um sie für den Arbeitsmarkt fit zu machen, als dass wir vielleicht auf ausländische Arbeitnehmer und mehr Zuzug setzen? Was da der finanzielle Vorteil wäre, diese Leute aus dem eigenen zu akquirieren, dazu braucht man natürlich Geld.

Herr Baumann, ich denke, Sie haben sich gerade widersprochen. Können wir nun die fehlenden Fachkräfte aus den Beziehern von Hartz IV decken oder nicht? Das war jetzt widersprüchlich.

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Wenn man immer weniger Geld zur Verfügung stellt.)

Sie sollten jetzt nicht in ein Zwiegespräch eintreten, sondern Herr Kemmerich hat die Möglichkeit, die Frage von Herrn Baumann zu beantworten. Wenn Sie sie nicht verstanden haben, dann beantworten Sie sie eben nicht. Das müssen Sie entscheiden.

(Beifall FDP)

Sie war nicht zu verstehen, weil sie in sich widersprüchlich war, Frau Präsidentin; ich glaube, auch wir Abgeordnete hier vorn am Pult haben Anspruch darauf, dass Sie das auch nicht werten. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Günther, CDU: Genau so.)

(Beifall FDP)

Fachkräfte sind jetzt nicht unbedingt Thema, aber Sie bekommen gern eine Antwort von mir. Sie wissen selbst, was wir tun müssen, um die fehlenden Fachkräfte in Thüringen und in Deutschland neu zu besetzen, das ist sehr vielschichtig. Da ist ein Punkt sicherlich, diejenigen, die heute im Hartz-IV-Bezug sind oder einer weniger qualifizierten Tätigkeit nachgehen und aufstocken müssen, in die Lage zu versetzen, einer höherwertigen Arbeit oder überhaupt einer Arbeit nachzugehen. Die Frage ist nur, das habe ich eben gesagt, viel hilft nicht viel. Ob wir das mit Milliarden erreichen oder mit intelligenten Verzahnungsprojekten zwischen Wirtschaft, nämlich dem Anbieter von Arbeitskräften, und dem, der sie qualifiziert, was übrigens auch die Wirtschaft sein kann. Aber ich möchte der Mär entgegentreten, dass einfach nur mit Milliarden eine Lösung herbeizuführen ist. Da braucht es mehr als Geld, nämlich intelligente Konzepte. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Kemmerich. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Ina Leukefeld für die Fraktion DIE LINKE.