Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

(Beifall FDP)

Mit Blick auf meine Hoffnung muss ich sagen, es wäre ja auch zu schön gewesen. Dann stellt sich der Thüringer Wirtschaftsminister auch noch hin heute sitzt er nicht mal hier - und meint, ein ausgeglichener Haushalt sei kein Wert an sich. Das habe ich mit Erstaunen gelesen und habe mich zunächst gefragt, was will uns denn der Künstler damit sagen? Jenseits philosophischer Betrachtungen wahrscheinlich vor allem eines, nämlich, dass er mehr Geld ausgeben will. Das ist weder neu noch überraschend, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur hat er sich vor zwei Jahren immerhin noch die Mühe gemacht, mit irgendwelchen wirtschaftswissenschaftlichen Hilfsargumenten seine Begehren zu begründen - antizyklisches Handeln, so hieß es damals. Das heißt also, man soll in der Krise nicht gegen die Krise ansparen, sondern richtig Geld ausgeben. Das mag man für richtig oder für falsch halten, das ist gar nicht der entscheidende Punkt, aber bei Herrn Machnig wird es zum Hilfsargument, weil dieselbe Maßnahme, nämlich mehr Geld ausgeben, abhängig von der Situation mit immer anderen Argumenten begründet wird.

(Beifall FDP)

Er will einfach nicht sparen, nicht im Aufschwung und auch nicht heute. Das beweist seine Zeit in der Bundesregierung, in der Aufschwungzeit in der Mitte des Jahrzehnts und heute und in der Krise ohnehin nicht, denn da war das antizyklische Handeln ja angesagt.

Meine Damen und Herren, schauen wir uns noch einmal die großen Posten an: 250 Mio. € weniger

bei den Kommunen. Herr Minister Matschie, Sie sind ja der Parteichef und auch der stellvertretende Ministerpräsident - man ist immer geneigt, in die andere Richtung zu schauen -, Ihre eigenen, also die sozialdemokratischen Bürgermeister, halten nicht viel von dem, was da vorgeschlagen wird. Der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein rät dazu, den Koalitionsfrieden nicht über alles zu stellen.

(Beifall FDP)

Viele Bürgermeister werden in den nächsten Wochen den Wert eines ausgeglichenen Haushalts kennenlernen. Sie werden sich in vielen Fällen auf die Hinterbeine stellen müssen, um überhaupt einen Haushalt auf die Beine zu bekommen.

(Beifall FDP)

Zu verdanken haben die Bürgermeister das auch der Tatsache, dass diese Landesregierung den Sinn und den Wert des Sparens so einschätzt wie Herr Machnig - jetzt ist es dann die richtige Seite -, für den das Motto gilt, Sparen ist etwas für die anderen, ich gebe das Geld lieber aus.

Da kann ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, wirklich nachvollziehen, dass die Thüringer Gemeinden und Städte sich als Melkkühe der Landesregierung fühlen.

(Beifall FDP)

Sie müssen herhalten für eine Politik, die in den letzten beiden Jahren versagt hat. Sie müssen herhalten für eine Politik, die sich zur Methode gemacht hat, auch die Kommunen in Thüringen hinters Licht zu führen.

(Beifall FDP)

Nur drei Beispiele: Dass eine bessere Kinderbetreuung ein erstrebenswertes Ziel ist, das ist überhaupt keine Frage. Da sind sich alle in diesem Haus einig und auch einig gewesen, besonders deshalb auch, weil zugesagt war, dass das Land die Mehrkosten natürlich ausgleicht. Es war für uns auch ein Grund - auch nach Rücksprache mit unseren Kommunalpolitikern - zu sagen, okay, wir stimmen diesem Gesetz unter dieser Maßgabe zu. Man kann das so oder so rechnen, aber wenn Sie den Kommunen an der einen Stelle mehr Geld geben und es zur gleichen Zeit unter fadenscheinigen Begründungen an der anderen Stelle wieder herausziehen, dann bleibt für die Kommunen unter dem Strich ein Minus.

(Beifall FDP)

Unter dem Strich, das ist die Stelle, wo es auch für die Kommunen zählt. Ich will ganz ehrlich sagen, dass ich inzwischen soweit bin nach vielen Gesprächen mit Bürgermeistern, mit Stadträten, mit kommunalen Abgeordneten meiner Partei, dass ich fast soweit bin, meine Zustimmung zu diesem Gesetz

damals zu bereuen, und zwar nicht deshalb, weil ich die bessere Kinderbetreuung infrage stelle, sondern weil ich dieses Vorgehen der Landesregierung für eine Verarschung der Kommunen halte, weil Sie uns alle verarscht haben, Herr Minister, …

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Na, na.)

Herr Abgeordneter Barth, Sie mäßigen sich jetzt aber.

Ich sage das böse A-Wort nicht wieder, Frau Präsidentin, und bedanke mich für diesen Hinweis.

Dann bin ich ja glücklich.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sol- che Worte passen nicht zu einem Schlipsträ- ger.)

Aber ich habe diesem Gesetz in dem Glauben damals zugestimmt, dass diese Zusage der Landesregierung eingehalten wird. Ich und viele Bürgermeister stellen jetzt fest - nichts gewesen mit Zusage einhalten, Mehrkosten bleiben bei den Kommunen.

Wir haben vor wenigen Wochen hier über das Straßengesetz gesprochen. 670 Kilometer etwa Landesstraßen werden in den nächsten Jahren in die Zuständigkeit der Kommunen übergehen. Das mag formal unter verkehrsrechtlichen und verkehrsaufkommensmäßigen Gesichtspunkten alles in Ordnung sein. Aber den Sanierungszustand, in dem diese Straßen übergeben werden, den will die Landesregierung nicht definieren. Ich ahne warum und ich weiß auch schon, wer geradestehen muss dafür, wenn das dann in Ordnung gebracht werden muss. Der Punkt ist, die Bürgermeister, die wissen es auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, sie müssen nämlich geradestehen dafür.

(Beifall FDP)

Die besondere Posse und wirklich der Höhepunkt der Veralberung - ist das erlaubt? Danke, Frau Präsidentin - der Kommunen ist dann, wenn man Fördertöpfe einrichtet, in denen gar kein Geld drin ist.

(Beifall FDP)

Es gibt 140 Gemeinden in Thüringen, die haben einen Antrag gestellt für einen Fördertopf, der den schönen Namen trägt „Zuwendungen an Gemeinden zur Anpassung an die besonders schwierigen Prozesse des demographischen Wandels im ländlichen Raum“. All diese 140 Kommunen werden kein

Geld aus diesem Topf bekommen, weil aus einer Antwort einer Kleine Anfrage unserer Fraktion sich nämlich ergeben hat, dass dieser Topf nicht etwa inzwischen leer ist - nein, in dem Topf war nie Geld drin.

(Beifall FDP)

Und das, meine Damen und Herren, ist schon wirklich der Höhepunkt, da fällt es einem wirklich schwer, ein der Würde des Hohen Hauses angemessenes Wort dafür zu finden, wie sich Bürgermeister, wie sich Antragsteller in so einer Situation wohl fühlen müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ja eine Fortsetzungsgeschichte. Der Umgang des Landes mit den Kommunen - die Vorredner haben das hier auch schon mehr oder weniger kritisch beleuchtet - hat in der Vergangenheit schon gelegentlich Anlass zu Kritik geboten. Wenn innerhalb von wenigen Jahren der KFA dreimal Gegenstand einer Verfassungsklage ist, Herr Kollege Mohring, dann mag das aus Ihrer Sicht vielleicht auf zwei, drei renitente Fraktionen hier im Hause zurückzuführen sein, die das nicht lassen können. In Wahrheit zeigt es aber, dass diese ganze Frage höchst umstritten ist. Allein diese Situation ist weder ein Ruhmesblatt für die Landesregierung, sie ist aber erst recht kein Ruhmesblatt für dieses Hohe Haus als Gesetzgeber - das sind wir nämlich. Das sage ich vor allem und wieder auch mit Blick auf die Kollegen, die hier die Mehrheit stellen, nämlich auf die Kollegen von CDU und SPD. Denn es sind Ihre Stimmen, die bei den Mehrheitsentscheidungen hier im Haus vor allem den Ausschlag geben.

(Beifall FDP)

Aber es sind nicht nur die großen Linien, auch viele einzelne Regelungen tragen zu diesem traurigen Bild des Verhältnisses zwischen Landesregierung und Kommunen bei. Wir haben mit unserer Verfassungsklage - wir sind einer von den dreien, das hat Herr Mohring richtig erkannt - einige dieser Regelungen aufgegriffen und völlig egal wie das im Einzelnen ausgeht, eines werden wir auf jeden Fall erreichen, wir werden erfahren, ob das Verfassungsgericht die Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung und des angemessenen Finanzausgleichs, wie sie sich aus den Artikeln 91 und 93 unserer Verfassung ergeben, als erfüllt ansieht. Neben der Frage der Höhe des Kommunalen Finanzausgleichs ist das nämlich einer der ganz entscheidenden Punkte, einen transparenten, nachvollziehbaren und für die Kommunen verlässlich kalkulierbaren Kommunalen Finanzausgleich auf die Beine zu bekommen.

(Beifall FDP)

Aber die absoluten Zahlen spielen für die Bürgermeister, für die kommunalen Verantwortungsträger natürlich eine mindestens ebenso große Rolle. Da

fällt einiges an Merkwürdigkeiten auf, was man auch einmal hinterfragen muss. Da werden den Gemeinden fiktive Steuereinnahmen unterstellt, d.h. also Steuereinnahmen, die sie aus Sicht des Landes haben könnten. Da nun offenbar keiner weiß, wie hoch das Ganze wirklich ist, macht man es sich ganz einfach und nimmt den bundesweiten Durchschnitt her. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur dass man das mal gehört hat, da gehen dann also Hessen mit 329 Prozent und Berlin mit dem Hebesatz von 810 Prozent ein. Aus diesem Konglomerat wird dann ein Mittel gebildet und dann wird gesagt, das Mittel von Hessen bis Berlin, das ist das Richtige für Thüringen von Artern bis nach Jena. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren der Landesregierung, ist eine Art von Statistik nach dem Motto, wenn ich mit den Füßen im Feuer liege und mit dem Kopf im Tiefkühlfach, dann habe ich im Mittel die richtige Temperatur.

(Beifall FDP)

Man muss kein Mediziner sein, um sich den Gesundheitszustand des Menschen vorzustellen, der in so einer Situation ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das Zitat habe ich von Ihnen schon öfter gehört.)

Das Land beklagt den demographischen Wandel. Wir beklagen Abwanderung. Wenn es aber einem Bürgermeister nun gelingt, ein Unternehmen anzusiedeln, wenn es einem Bürgermeister gelingt, Einwohner auch im Ortskern zu halten und dazu zu überreden zu investieren, der eine in ein Unternehmen und Arbeitsplätze, der andere vielleicht in einen sanierungsbedürftigen Altbau in der Innenstadt, dann ist da natürlich auch immer die Steuerfrage ein Argument, aber es ist eben ein Argument.

(Beifall FDP)

Dass der Bürgermeister seinen investitionswilligen Bewohnern und Unternehmern nun eine Zusage gemacht hat, den Steuersatz machen wir so und so, und jetzt kurz darauf herkommen und sagen muss, vielen Dank dafür, dass ihr meine Bitte erfüllt habt, vielen Dank, dass ihr euer Wort gehalten habt, in der Gemeinde, in der Kommune zu investieren, aber es tut mir leid, ich kann mein Wort nicht halten.

(Beifall FDP)

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eine Situation, die trägt nirgends dazu bei, Vertrauen zu wecken, die schafft nirgends Freunde, und das ist letztlich eine Situation, an der kann auch diese Landesregierung kein Interesse haben.

(Beifall FDP)

Wenn wir einmal bei den Kommunen sind, dann muss man auch über die Strukturen reden. Da sind wir ganz schnell beim strukturellen Sparen, jedenfalls bei dem, was die vereinigte LINKE hier im Haus unter strukturellem Sparen versteht. Das ist dann das böse G-Wort. Da höre ich immer nur „Gebietsreform“. Das ist das, was Sie darunter verstehen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich habe es ja nicht mal benutzt.)

Nein, Sie haben es nicht benutzt, lieber Kollege Ramelow, aber Ihre Kollegen, die hier vor zwei oder drei Wochen auf der Messe gewesen sind. Wenn Sie mir einfach mal zuhören, ich habe Ihnen vorhin auch zugehört.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Die Gebietsreform wird von uns überhaupt nicht thematisiert.)