Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber wie der Durchschnitt ist, das haben Sie verstanden?)

habe ich tatsächlich das Gefühl, wir würden in jedem Kreis eine große Schweinemastanlage bauen. Wenn es denn so wäre, könnten wir über das Thema tatsächlich reden. Bloß das hält sich tatsächlich in Grenzen, was an Anträgen da ist. Sicher sind wir uns einig, das soll schon vernünftig sein. Und das, was Sie sagten zur Viehhaltung, das ist tatsächlich so, wir haben nicht einmal die Hälfte von Bayern an Besatz. Und wenn Sie Niedersachsen ansprechen und Vechta, die haben 2,5-mal mehr als wir und das in Niedersachsen komplett, in Vechta ist es sogar noch höher. Das ist tatsächlich so. Es ist nun einmal so, dass wir es nicht hinbekommen. Sie fordern doch ständig, bei einer Schweinemastanlage muss der Gülleabsatz nachgewiesen werden. Das haben wir sogar im Koalitionsvertrag stehen, dass da nichts anderes passiert, das läuft ja alles.

(Beifall SPD)

Da müssen die großen Flächen nachgewiesen werden. Warum sollen wir denn jetzt plötzlich, wenn wir dort die großen Flächen nachweisen müssen, sagen, aber das zählt dafür nicht, wenn es um den Viehbesatz pro Hektar oder so geht. Da zählt das nicht. Also, ich denke, das kann so nicht aufgehen, das funktioniert so nicht. Natürlich müssen wir uns stellen und müssen auch über Tierschutz reden, weil es nicht anders geht. Die Landwirtschaft, der Berufsstand muss sich dort stellen und man muss

auch die veränderten Anforderungen an Tierhaltung und an Tierschutz aktiv aufgreifen und muss den richtigen Mittelweg finden. Da sind wir uns doch völlig einig. Man muss auch den Widerständen der Bevölkerung Rechnung tragen. Das muss aber irgendwo in Einklang kommen auch mit den wirtschaftlichen Interessen. Das geht nicht anders. Dann muss man versuchen, den vernünftigsten, konfliktärmsten Mittelweg zu finden. Ich kenne überhaupt nichts, wo es nicht versucht wird, auch von den Ämtern, die dort die Genehmigung zu erteilen haben im Feststellungsverfahren usw., all das mit durchzudiskutieren. Sie wissen auch, dass sich die Landwirtschaft schon der Sache angenommen hat. Ich führe da nur einmal die frühere Käfighaltung an, die nun nicht mehr da ist. Man tut da schon etwas.

(Zwischenruf Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat es verboten?)

Ja, Frau Künast. Frau Künast, ich habe sie sehr gern,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil sie die Erste war, die zur Grünen Woche mit Plastehühnern geworben hat. Sie hat nur versucht, uns klarzumachen, das Plasteei schmeckt. Da mussten wir ihr sagen, das schmeckt nicht, das Plasteei, was sie zur Verfügung hatte. Also es funktioniert so nicht, was sie da vorhatte. Allerdings einen Vorteil hatte Frau Künast, das war schon klar, wir hatten alle ein klares Feindbild. Das ist nun nicht mehr da, das ist ein bisschen schwierig.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist das, was Sie brau- chen, Herr Primas.)

Generell hat das insgesamt geeint.

Meine Damen und Herren, insgesamt sage ich Ihnen, Massentierhaltung und bäuerliche Landwirtschaft - der Begriff „Massentierhaltung“ ist negativ besetzt, bäuerliche Landwirtschaft wird als positiv besetzter Begriff aufgegriffen. Wir sollten nicht diese Gegenseitigkeiten weiter schüren. Das hilft echt niemandem. Es hilft der Bevölkerung nicht und es hilft den Leuten, die dort arbeiten, auch nicht. Schönen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort Herr Abgeordneter Tilo Kummer.

Danke schön, Frau Präsidentin. Das Motto der Aktuellen Stunde „Für eine standortgerechte, tiergemäße, umweltschonende und zukunftsfähige land

wirtschaftliche Tierhaltung in Thüringen“ kann unsere Fraktion voll und ganz teilen.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Dr. Augsten, ich sage Ihnen auch, ich bin dankbar, dass Sie zum Beispiel die Forderung der GRÜNEN im Deutschen Bundestag, den Privilegierungstatbestand für die Landwirtschaft, Tierhaltungsanlagen im Außenbereich zu errichten, heute da nicht noch mit reingebracht haben, denn wenn wir über tiergerechte Haltung reden wollen, wozu auch Auslauf gehört, möchte ich nicht wissen, was wir in unseren Dörfern für Bürgerinitiativen hätten, die dann gegen kleine landwirtschaftliche Haltungen, bäuerliche Haltung mit Auslauf bei Schweinen protestieren würden. Das würde ganz anders stinken, als wir es gegenwärtig haben. Von der Warte her haben Sie das draußen gelassen.

Ich bin auch dankbar, dass nicht Schlagworte wie „Massentierhaltung“ und „industrielle Tierhaltung“ vorkamen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bei Herrn Primas schon.)

Nein, in der Überschrift kamen sie nicht vor.

Da tue ich Ihnen den Gefallen, was Sie von mir erwartet haben, auch zu erfüllen, tiergerechte Haltung hängt in der Regel nicht mit der Zahl der gehaltenen Tiere zusammen. Technikeinsatz in der Produktion, gebe ich zu, ich kenne kleinbäuerliche Landwirtschaft, ich bin dankbar, dass wir Technikeinsatz in der Produktion haben, weil dadurch viel schwere körperliche Arbeit abgeschafft worden ist, die den Menschen damals wirklich das Leben schwer gemacht hat.

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion ist für ausgewogene Viehdichten. Da bin ich auch bei Ihnen, Herr Dr. Augsten. Es hilft uns nicht, hier fünf Großvieheinheiten auf einem Hektar zu haben und dort 0,2, es gehört die Tierhaltung in regionale Kreisläufe mit hinein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist meine feste Überzeugung, denn nur so kann ich auch eine ausreichende Humusversorgung von Ackerflächen sicherstellen durch Betriebsdünger. Da brauchen wir nicht so viel Kalidünger und würden vielleicht auf anderer Seite etwas weniger Probleme haben. Es ist natürlich auch wichtig, dass wir die regionalen Kreisläufe bei der Weiterveredelung der Produkte weiterdenken. Wir haben eine Große Anfrage zu der Situation der Ernährungswirtschaft in Thüringen gestellt. Hauptproblem, was dort beschrieben wurde, sind fehlende Verarbeitungskapazitäten. Da müssen wir in Thüringen noch ein bisschen was tun. Wir haben einen guten Ruf als Land, was auch tierische Erzeugnisse veredelt. Ich sage auch eins dazu: Ich habe jahre

lang in Berlin gelebt, ich war froh, wenn ich eine „echte Thüringer Bratwurst“ bekommen habe und nicht eine, wo sie „mit original Thüringer Majoran“ draufgeschrieben hatten. Die Bratwurst von hier ist ein Qualitätsprodukt und das darf auch exportiert werden. Wichtig ist aber, dass wir wirklich bei der Veredelung im Land etwas davon haben.

Ich wünschte mir, dass wir dementsprechend auch ein paar mehr Tiere halten, um die Selbstversorgung sicherzustellen, um sicherzustellen, dass wir auch von der Veredelung profitieren können. Ich sage mal, das Hauptproblem haben wir hier im Ökolandbau. Dass wir im Ökolandbau so wenig Tierhaltung haben und dementsprechend so wenig Produkte ökologisch gehaltener Tiere anbieten können, das ist für mich ganz, ganz schwierig. Da sage ich auch eins dazu: Wir könnten viel mehr dafür tun, dass Tiere ordentlich gehalten werden, wenn denn mehr Produkte aus Ökolandbau in der Richtung zur Verfügung stünden und wenn der Verbraucher auch öfter auf diese Produkte zurückgreifen würde.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, in dem Zusammenhang noch eines: Man kann ja generell noch einiges tun, um die Lebensbedingungen von Tieren zu verbessern. Es gibt dort noch Defizite, obwohl ich auch sage, die Standards in Deutschland sind sehr hoch, was Tierhaltung angeht, deutlich höher als in vielen Ländern, aus denen wir noch Fleisch importieren. Wie gesagt, es gibt dort noch Bereiche, wo man etwas tun kann. Auch Unfälle, wie sie in Alkersleben stattgefunden haben, müssen vermieden werden. Hier muss Anlagentechnik deutlich verbessert werden, damit so etwas nicht passieren kann.

(Beifall DIE LINKE)

Aber wie ist denn die Situation bei den Erzeugern? Ich möchte hier kurz das TBV-Journal zitieren. Albert Seifert, Vizepräsident des Bauernverbandes, der übrigens seine Schweine auf Stroh hält, hat gesagt: „Im Tal der Tränen können die Sauenhalter und Schweinemäster gemeinsam eine Versammlung abhalten. Schon viele Monate regiert in diesem Bereich das Prinzip ‚Hoffnung auf bessere Zeiten’, doch die sind auch nach der aktuellen Getreideernte nicht in Sicht. Mit 35 € für ein 25 kg schweres Ferkel und 1,53 € je Kilogramm Schlachtgewicht wird kein Geld verdient, sondern verbrannt. Überleben werden nur die Betriebe, die hohe tierische Leistungen mit Kostenmanagement verbinden.“ Solange wie die wirtschaftliche Situation unserer Betriebe durch fehlende Marktmacht, durch Ausnutzung der Marktmacht durch die Handelskonzerne, durch die Handelsketten und aber auch durch das Verbraucherverhalten in Deutschland so ist, werden wir die Schwierigkeiten haben und uns immer wieder mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen. Deshalb muss hier dringend etwas

getan werden, um die wirtschaftliche Situation unserer Betriebe zu verbessern. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Mühlbauer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich ausdrücklich bedanken bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diesen Antrag hier heute eingebracht zu haben. Er ist aktuell, er ist sehr aktuell. Ich habe nur eines vermisst, und zwar den Begriff „industrielle“ Tierhaltung. Ich denke, wir müssen - und das ist auch hier im politischen Raum gefragt - unterscheiden nicht zwischen vielen gehaltenen Tieren, sondern der Art, wie man Tiere hält, industriell oder unter dem Begriff der bäuerlichen Landwirtschaft. Ich denke, es wird Zeit, dass wir mal Klarheit in diese Definition und in diesen Begriff bringen.

Ich möchte gern mit einem Zitat beginnen, wenn Sie erlauben Frau Präsidentin: „Wie eine Nation durchschnittlich die Tiere behandelt, ist ein Hauptmaßstab ihres Humanitätswertes.“ Herr Dr. Augsten, Sie haben es sich gespart, ich möchte aber ein paar Zitate bringen, ein paar Fakten mit einbringen in diese Debatte: 98 Prozent der in Deutschland zum Verzehr gehaltenen Tiere stammen aus industrieller Massentierhaltung, bei den Rindern sind es 95,7 Prozent, bei den Schweinen fast 99 Prozent und beim Geflügel 97 Prozent.

Wir essen in Deutschland 83,3 kg Schwein pro Jahr und dazu kommen pro Kopf noch 16 kg Fisch. Es geht nämlich in diesem Kontext, das will ich ausdrücklich betonen, nicht nur um Schwein und Rind, sondern auch beim Fisch wird diese Problematik immer drastischer auf uns zukommen.

Die konventionellen Masthühner haben eine Besatzdichte von 13 Tieren pro Quadratmeter und dürfen ein maximales Lebensgewicht von 27,5 kg pro Quadratmeter erreichen. Um die Anforderungen der Freilandhaltung zu erfüllen, muss pro Masthuhn gerade einmal eine Freilauffläche von einem Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden. Hier können bis zu 6.000 Tiere ohne räumliche Trennung zusammen gehalten werden. Licht, Futter, Futterzeiten für Legehennen werden manipuliert. Diese nur anscheinend natürlichen Tages- und Nachtrhythmen, die keine Jahreszeiten kennen und die die ganze Lebenszeit von anderthalb Jahren durchgehalten werden, sowie eine entsprechende Nahrung führen dazu, dass die Legehennen ständig auf Hochleistung getrimmt werden. Früher hatten Hühner eine Lebenserwartung von 15 bis 20 Jahren. Das moderne Masthähnchen wird nach sechs Wo

chen getötet. Durch die hohe, auf Wachstumsintensität ausgerichtete Zucht von Masthähnchen und Puten ist die Anfälligkeit von Beinschäden und Beinschwächen angestiegen.

Pro Mastschwein fallen in Deutschland im Jahr durchschnittlich 2,2 Kubikmeter Gülle und Jauche an. Wie der Presse zu entnehmen war, können wir in Thüringen die Kapazität des Stausees Ratscher mit Gülle füllen. Ferkel werden kastriert und kupiert und ca. 13 Prozent überleben das Absetzen von Muttersauen nicht. Trotz aller Bemühungen der Landwirtschaft, die Produktion auf Masse und Wirtschaftlichkeit zu trimmen, geht die Rechnung nicht auf.

Sehr geehrte Damen und Herren, „seit Wochen keine kostendeckende Produktion möglich“ - ich denke, das sollte uns zu denken geben. Das ist das aktuelle TBV-Journal September 2011 und ich möchte gern weiter zitieren, falls Sie erlauben Frau Präsidentin, auch hier in diesem Heft enthalten, aus dem gleichen Artikel: „Selbst Effektivitätssteigerungen in der Anzahl verkaufsfähiger Ferkel führen nur zu einer unerheblichen Kostendegression und beheben in keiner Weise die dargestellte Kalamität.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine werten Kollegen, hier ist doch die Politik gefordert. Wir brauchen ein Umdenken und ein Umlenken! Durch die erreichte Überproduktion reagieren die Märkte mit dem Absenken der Preise. Dies ist weder im Interesse der Landwirte, noch ist dies ein Vorteil für die Verbraucher. Der Preis, den wir dafür zahlen, ist hoch. Es ist ein Verlust der Qualität des Lebensmittels Fleisch und ein Wertverlust in unserer Gesellschaft, ganz zu schweigen von den negativen Auswirkungen auf die Ökologie.

Ich fordere ein Umdenken. Ich bin dankbar für die Aktuelle Stunde und ich hoffe, wir werden diese Debatte führen.

Lassen Sie mich mit einem kleinen Zitat enden: „Die vermeinte Rechtlosigkeit der Tiere, der Wahn, dass unser Handeln gegen sie ohne moralische Bedeutung sei oder - wie es in der Sprache jener Moral heißt -, dass es gegen Tiere keine Pflicht gäbe, ist geradezu eine empörende Rohheit und Barbarei des Okzidents.“ In diesem Sinne, bitte lassen Sie uns umdenken, lassen Sie uns nicht weiter Lebensmittel produzieren, die auf Müllhalden enden zum Leid für Ökologie und auch für die Ökonomie unserer Landwirte und lassen Sie uns neue Wege gehen. Danke.

(Beifall SPD)

Danke schön. Für die FDP-Fraktion spricht Frau Hitzing.

(Abg. Kummer)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich habe den Titel Ihrer Aktuellen Stunde, Herr Dr. Augsten, etwas anders interpretiert. Wir haben ja nun schon zwei Interpretationsversuche hier gehabt „Für eine standortgerechte, tiergemäße, umweltschonende und zukunftsfähige landwirtschaftliche Tierhaltung in Thüringen“. Das Wörtchen „für“ hat bei mir an und für sich die Intention gestartet, dass Sie zunächst einmal unterstellen mit der Themenstellung, dass bis zum heutigen Zeitpunkt im Freistaat Thüringen keine standortgerechte und tiergemäße Tierhaltung gewährleistet ist,

(Zwischenruf Abg. Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Böse Unterstellung, böse Unterstellung.)

und Sie unterstellen damit natürlich auch nicht nur den vielen fürsorglichen und vorbildlichen Thüringer Tierhaltern, sondern auch den zusätzlichen Kontroll- und Aufsichtsbehörden eine gewollte unsachgemäße Tierhaltung.

(Beifall FDP)