Protokoll der Sitzung vom 14.10.2011

(Beifall DIE LINKE)

Bill Gates hat einmal sinngemäß gesagt, wer das Internet aufhalten will, versucht, mit einem Taschentuch sich vor einem Sommergewitter zu schützen. In abgewandelter Form...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir drücken auf den Kopf.)

Das kommt nur darauf an, an welcher Stelle man sich schützen will, Kollege Fiedler.

(Heiterkeit im Hause)

Davon bin ich jetzt ausgegangen, dass der Kopf gemeint war. In abgewandelter Form dieses Spruches sage ich, wer Informationen im Internet sperren will, versucht, einen Tsunami mit einem Regenschirm aufhalten zu wollen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten auf für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Dr. Voigt.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist angekündigt gewesen.)

Ich muss jetzt rückfragen, die Frau Ministerin Walsmann wünscht als Erste das Wort?

Gerne, ja.

Dann machen wir das so, weil wir die Regel haben, dass die Landesregierung, wenn sich jemand zu Wort meldet, immer das Prä hat. Bitte, Frau Ministerin.

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

Das passt sehr gut, glaube ich, jetzt im Anschluss. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE möchte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt Stellung nehmen.

Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung, bevor ich auf den Inhalt genau eingehe. Die Frage der Zulässigkeit und der Sinnhaftigkeit von Netzsperren wird nicht erst heute, nicht erst gestern, sondern eigentlich seit Jahren kontrovers diskutiert, wobei die Positionen von der absoluten Medienfreiheit auf der einen Seite bis zum stets berechtigten ordnungsstrafrechtlichen Eingriff auf der anderen Seite reichen. Es ist also ein ganz breites Meinungsspektrum. Auch im Internet achtet die Landesregierung nicht nur das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, sondern hat dem vielmehr eine besonders große Bedeutung beigemessen, denn es handelt sich hierbei um ein Grundrecht. Es handelt sich um Grundrechte, die in der Thüringer Verfassung und im Grundgesetz verankert sind. Nach Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz und Artikel 11 Abs. 1 der Thüringer Verfassung hat jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten, sowie sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Diese Grundrechte finden allerdings ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre, wie Artikel 5 Abs. 2 Grundgesetz und Artikel 11 Abs. 3 Thüringer Verfassung ausdrücklich klarstellen.

In Deutschland ist dieses Thema insbesondere im Zusammenhang mit Fragen nach einer gesetzlichen Verpflichtung bei Access-Providern zum Sperren von kinderpornografischen Webseiten diskutiert worden. Im Bereich des Internets wird zwischen Access-Providern, die lediglich den Zugang zu Webseiten ermöglichen, und Content-Providern, die Inhalte bereithalten, unterschieden. Technisch handelt es sich um Rechner, auf deren Speicherplätzen inkriminierte Inhalte bereitgehalten und abgerufen werden. Häufig geschieht dies über peer-to-peerNetze oder Chatprotokolle, in denen die Nutzer ihr Material anderen zur Verfügung stellen. So kann im Einzelfall zum Beispiel aus Gründen des Jugendschutzes eine partielle Zugangsbeschränkung im Sinne eines Internetfilters geboten sein. Schon heute sind folglich solche Sperrverfügungen technisch grundsätzlich möglich. Sie erfordern aber einen hohen technischen Aufwand und beseitigen eben nicht das Material selbst, sondern erschweren nur den Zugang zu einer Adresse. In der Regel sind die inkriminierten Inhalte auf verschiedenen Seiten auffindbar. Das BKA spricht zum Beispiel im kinderpornografischen Umfeld von ca. 1.000 Adressen. Die

„Anbieter“ sorgen dafür, dass sie immer auf neuen Adressen verfügbar sind. Rechtlich zu betrachten sind bei den Sperrverfügungen insbesondere Artikel 5 Grundgesetz zur Meinungs- und Medienfreiheit, Artikel 10 Grundgesetz zum Fernmeldegeheimnis, Artikel 12 und 14 Grundgesetz zur Berufsfreiheit und das Eigentumsrecht sowie auch europäisches Recht, und zwar E-Commerce-Richtlinie, umgesetzt im Deutschen Telemediengesetz.

Die Sperrverfügung ist nach deutschem Recht Ultima Ratio. Vorausgehen müssen versuchte Maßnahmen bzw. Maßnahmen gegen Verantwortliche, gegebenenfalls auch im Ausland. Die Sperrverfügung ist in der Regel ein Fall der Nichtstörerhaftung. Bildlich gesprochen: Der Regaleigentümer haftet für das, was andere in sein Regal stellen.

Ein Hinweis zu Ihrer Begründung des Antrags: Die Landesregierung hat in der Beantwortung der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten König vom 2. Mai 2011 über die geplante Änderung des Glücksspielstaatsvertrags keineswegs eine Positionierung zum Thema Internetsperren verweigert. Vielmehr hat die Landesregierung die Auffassung vertreten, dass eine differenzierte Betrachtung der Thematik im jeweiligen Regelungszusammenhang erfolgen sollte. Daran halten wir fest.

Kommen wir zu II.1. des Antrags: Die Landesregierung ist aufgrund der dargelegten differenzierten Betrachtung der Auffassung, dass ein Vorratsbeschluss über den Ausschluss von Internetsperren in sämtlichen künftigen Staatsverträgen unterbleiben sollte. Denn eine pauschale Ablehnung der Sperrung einzelner Internetangebote selbst als Ultima Ratio und in jedem denkbaren Regelungszusammenhang erscheint beim gegenwärtigen Stand insbesondere internationaler Durchgriffsmöglichkeiten nicht nur falsch, sondern auch rechtlich bedenklich. Denken Sie beispielsweise an volksverhetzende Inhalte auf ausländischen Servern, die auch bei intensiven Bemühungen der deutschen Behörden auch nach Wochen oder gar Monaten noch nicht gelöscht sind. Warum sollten derartige Inhalte im Einzelfall als Ultima Ratio nicht gesperrt werden können? Das sehen wir übrigens nicht allein so, in Sachsen und Sachsen Anhalt denkt man ganz ähnlich in dieser Sache.

Zum Punkt II.2. des Antrags: Die Landesregierung befürwortet grundsätzlich, dass in der Diskussion um das Zugangserschwerungsgesetz des Bundes herausgearbeitete Prinzip „Löschen statt Sperren“. Allerdings sollte dieses Prinzip nach Auffassung der Landesregierung vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler Rechtsordnung nicht ausnahmslos gelten. Denn an ausländische Stellen herangetragenen Löschungsbegehren werden grundsätzlich nur dann umgesetzt, sofern sie Angebote betreffen, die auch nach der Rechtsordnung dieser Länder unzulässig sind. Das ist beispielsweise bei kin

derpornographischen Internetseiten in aller Regel der Fall, da diese Darstellungen weltweit verboten sind. Jedoch werden Angebote, die im Ursprungsland zulässig sind, von den dortigen Stellen normalerweise auch dann nicht gelöscht, wenn die Angebote sich auch oder sogar vorwiegend an Deutsche richten und hier verboten sind. Das macht die Löschung ausländischer, in Deutschland unzulässiger Online-Glücksspiele meist unmöglich, da diese in den Herkunftsländern oft durchaus zulässig sind. An dieser Stelle setzt der Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags an, der in § 4 Abs. 4 zunächst bestimmt, dass das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet und über SMS grundsätzlich verboten ist. § 4 Abs. 5 regelt die Voraussetzungen unter anderem zum Schutz minderjähriger und suchtgefährdeter Spieler, unter denen die Länder den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet gestatten können. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 verpflichtet sodann die Glücksspielaufsichtsbehörde, darauf hinzuwirken, dass illegales Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben und gibt ihr insoweit die Befugnis, Zugangsprovidern nach vorheriger Bekanntgabe die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielen zu untersagen. Der Ausspruch einer Netzsperre durch die Aufsichtsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen dient damit einem klar umrissenen Schutzzweck, an dessen Notwendigkeit kein ernsthafter Zweifel bestehen dürfte. Da nicht ersichtlich ist, dass mildere Maßnahmen zur Erreichung dieses Zwecks zur Verfügung stehen könnten, dürfte eine Netzsperre auch verhältnismäßig sein, zumal vorher eine Bekanntgabe zu erfolgen hat.

Zum Punkt II.3. des Antrags: Der freie Zugang zum Internet wird als Kommunikationsgrundrecht ohne Weiteres durch Artikel 5 des Grundgesetzes umfassend geschützt. Sperrungen des Internetzugangs beispielsweise als Strafsanktion aufgrund von Urheberrechtsverletzungen wären in Deutschland verfassungswidrig. Die Landesregierung ist daher der Auffassung, dass eine zusätzliche Festschreibung des freien Zugangs zum Internet als Menschenrecht überflüssig ist. Das alles zeigt, dass die im Antrag unter Ziffer I verlangte ausnahmslose Ablehnung von Netzsperren verfehlt ist. Selbst der im Antrag angesprochene Bericht des UNO-Sonderberichterstatters verlangt keine ausnahmslose Freiheit im Internet, sondern hält Internetfilter beispielsweise im Bereich der Kinderpornographie für gerechtfertigt. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Deutschland der Zugang der Bürger zum Internet und die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung über das Internet gefährdet sind, ist ein etwaiger gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht ersichtlich. Außerdem ist die Situation in Deutschland, einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, in dem Meinungs- und Informationsfreiheit

durch die Verfassung geschützt sind, nicht mit der im UNO-Bericht kritisierten Situation in Ägypten vergleichbar, wo ein Diktator einen Volksaufstand unterdrücken wollte, indem er unter anderem das Internet abschalten ließ. Auch die Situation in China, einem Land, in dem ein ausgeklügeltes WebFiltersystem zur Kontrolle des Internets eingesetzt wird, hat mit den hiesigen Gegebenheiten rein gar nichts gemein. Soweit Großbritannien und Frankreich in dem UNO-Bericht kritisiert werden, weil in beiden Ländern gesetzlich geregelt ist, dass Raubkopierern im Wiederholungsfall der Internetzugang gesperrt wird, ist eine entsprechende Regelung in Deutschland weder existent noch angedacht. Was den Antrag zu Ziffer II anbelangt, wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen. Im Übrigen erscheint es nicht sinnvoll, sogenannte Netzsperren zukünftig in jedem Staatsvertrag ausdrücklich auszuschließen, da sich die wenigsten Staatsverträge mit dem Internetzugang der Bürger beschäftigen dürfen. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD)

Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Dr. Voigt das Wort.

Werte Frau Präsidentin, das Internet ist vieles. Es ist ein virtueller Raum, es ist Weltbibliothek und Jobmaschine, globaler Supermarkt und weltumspannende Versammlungsmeile. An allererster Stelle ist es aber vor allen Dingen - und das ist die politische Frage, die uns heute bewegt - ein Ort der Chancen für jeden Einzelnen und es bieten sich im World Wide Web zahlreiche Möglichkeiten für den Einzelnen, sich zu entfalten. Wir werden dem Internet seine Chancen und den Menschen, die es nutzen, nicht gerecht, wenn wir es einseitig und vorrangig als Sicherheitsrisiko betrachten. Die verantwortungsbewusste Offenheit gegenüber neuen technischen Entwicklungen ist immer ein Markenzeichen der CDU gewesen. Sie lachen?

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Ja, ich denke an Herrn …)

Als Sie noch über Antenne Radio gehört haben, hat die CDU sich schon für Kabelfernsehen und für Farbfernsehen eingesetzt.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Des- wegen gibt es ja jetzt die dritten Programme.)

Internet ist ein Medium der Freiheit. Das Internet gibt den Menschen die Chance, selbstbestimmt und selbstbewusst ihr modernes Leben zu gestalten. Innovative Nutzungsmöglichkeiten prägen den heutigen Alltag und stellen sich oft als Bereicherung

(Ministerin Walsmann)

oder praktische Hilfe dar. Das betrifft einerseits die Erweiterung der Möglichkeiten zur Informationsgewinnung, z.B. Wikis, Blogs, Foren, Beratungs- und Bewerbungsportale, andererseits im Bereich der Kommunikation über E-Mail, Instant Messaging oder die mobile Kommunikation in sozialen Netzwerken. Gleichzeitig erweitert es damit die Möglichkeit der Teilhabe des Einzelnen an den Schätzen der Welt. Aber wir müssen uns natürlich bewusst machen, dass die Debatte um das Internet auch bedeutet, dass wir Menschen ein Angebot machen müssen, die im Internet leben, genauso wie denjenigen, die sich das Internet ausdrucken. Das Internet hat in der zweiten Kategorie natürlich auch eine Chance für Benachteiligte. Der Staat des Grundgesetzes ist zugleich auch ein Sozialstaat. Insofern ist natürlich in diesem verfassungsrechtlich verankerten Staatziel klar, dass das Internet eine Brücke bilden kann, besonders für benachteiligte Menschen, behinderte Menschen in strukturschwachen Regionen. Gerade diese neue Technologie kann helfen, Hindernisse in ihrem Alltag zu überwinden und damit noch aktiver am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Also, die sachgerechte und kritisch reflektierende Nutzung des Internets muss zur vierten Kulturtechnik werden nach Rechnen, Schreiben und Lesen.

(Beifall CDU)

Die Wirkungsweise und die Chance des Internets haben aber auch gleichzeitig die Frage, die uns heute bewegt, nämlich: Wie gehen wir im rechtlichen Sinne damit um? Da gilt, das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Es müssen also adäquate Formen eines freiheitssichernden Rechtsschutzes entwickelt werden, der aus einem klugen Mix aus unterschiedlichen Instrumenten besteht. Wir haben auf der einen Seite vorhandene Gebote, Verbote und Sanktionen, die genauso auch im realen Leben verankert sind. Gleichzeitig bietet das Internet aber über technische Lösungsvarianten, wie z.B. Internetfunktionen mit eingebautem Rechtsschutz - wir kennen das im Bereich der Meldebuttons in sozialen Netzwerken -, eine weitere Möglichkeit, genauso wie - drittens - Elemente der Selbstregulierung, dass die Nutzerschaft auch auf die Einhaltung des Jugendschutzes achtet, wie auch - der vierte Punkt - Bereiche des Urheberschutzes und Urheberrechts, wo darauf geachtet wird, dass Kreativität und Innovation nicht außen vor bleiben. Es gibt also unterschiedliche Möglichkeiten, wo wir im Internet mit einem klugen Mix erfolgreich sein können.

Die Frage, die der Antrag unter anderem anspricht, ist: Sollte es Open Access im Sinne eines weitgehend kostenfreien Zugangs zu öffentlichen Informationen über das Internet geben? Ja, muss es, weil es eine Frage der Chancengerechtigkeit ist. Die Frage ist aber, wie es gewährleistet wird. Die Ministerin hat ja schon ausgeführt, dass das auch verfas

sungsrechtlich geschützt ist. Welche Rolle hat in diesem Zusammenhang der Staat? Der Staat wirkt hier als Schiedsrichter in diesem Rechtsraum Internet. Denn mit dem Gebrauch von Freiheitsrechten, also das, was ich erweben und nutzen möchte auf der einen Seite, entwickle ich natürlich auch die Frage der Verantwortlichkeit gegenüber diesen Rechten, vor allen Dingen denjenigen gegenüber, die vielleicht nachteilig oder sogar verletzt werden können durch die Aktivitäten, die ich im Internet mache. Hier geht es besonders in der Debatte natürlich wie im realen Leben zu, nämlich dass Gefährdung und Rechtsgutverletzung von der Würde des Menschen am Ende nicht tatenlos hingenommen werden darf, sondern darauf geachtet werden muss, dass das Prinzip der Freiheit nicht verletzt wird durch das, was im Internet geschieht. Dem Staat kommt hier eine Rolle eines Schiedsrichters zu, der das freie Spiel der Internetnutzer beobachtet, ab und an lenkt, ermahnt, aber am Ende sanktionierend eingreifen muss, wenn Rechtsverletzungen da sind. Deswegen „Löschen statt Sperren“; die Entscheidung ist klar. Sperren können von Anbietern und Konsumenten leicht umgangen werden und schießen auch häufig über ihr Ziel hinaus, denn gerade der Zugang zu legalen Inhalten kann ebenso mit gesperrt werden.

Ein wichtiger Punkt, bei dem ich glaube, dass da der kontraproduktive Ansatz deutlich wird, ist, dass die Sperrlisten durch besonders gezielte Suchstrategien so umgangen werden können, dass sie am Ende eine Empfehlungsliste für diejenigen sind, die man eigentlich außen vor halten will. Das ist natürlich etwas, was wir vermeiden sollten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also keine Surftipps für diejenigen, die nach Kinderpornografien suchen.

(Beifall CDU)

Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht die Meinungs- und Informationsfreiheit als schlechthin konstituierend für die Demokratie und im Internetzeitalter auch für die freiheitssichernde Infrastrukturgestaltung bezeichnet. Wenn uns jetzt also die Frage beschäftigt - Wie gehen wir damit um? - dann will ich sagen, dass vor allem durch die Sperrung kinderpornografischer Inhalte der trügerische Eindruck vermittelt wird, dass damit das Thema und die Quelle weg ist. Das ist natürlich nicht so.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist für uns und meine Fraktion klar, dass das vorzugswürdige Prinzip „Löschen statt Sperren“ ist,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

denn es ist demgegenüber frei von schädlichen Nebenwirkungen und es setzt allerdings eines voraus und dessen müssen wir uns bewusst sein, weil alle Appelle heute hier nichts nützen, wenn wir am Ende eines nicht hinbekommen, nämlich, dass wir es schaffen, grenzüberschreitend Diskussionen zu führen und vor allen Dingen auch Rechtsschutz gewähren zu können, denn die Realität ist doch die, dass wir heutzutage Serverstrukturen haben, die in Staaten stehen, wo demokratische Systeme und rechtsstaatliche Systeme selten darauf zugreifen können. Das ist natürlich auch etwas, wo wir uns gegenseitig dafür einsetzen müssen, dass hier rechtliche Nachvollziehbarkeiten und Ermittlungen über Staatsgrenzen unterstützt werden, dass es so eine weltweit geächtete Verbrechensform gibt wie Kindermissbrauch und dass das nicht im Internet Halt machen darf. Insofern ist für die CDU-Fraktion klar, wir wollen, dass im realen wie im virtuellen Raum die Würde des Menschen geschützt wird. Dementsprechend glauben wir, dass, wenn die Würde gefährdet ist, diese Inhalte gelöscht statt gesperrt werden sollen. Ansonsten setzen wir darauf, dass der Staat der richtige Schiedsrichter, aber nicht der protektionistische Verhinderer von öffentlicher Informationsgewinnung ist. Dementsprechend lehnen wir Ihren Antrag ab. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Zugangsfreiheit zum Internet sichern - Netzsperren ausschließen, zu beraten. Ich freue mich, dass DIE LINKE sich nach unserem Antrag zum Glücksspielstaatsvertrag im März dieses Jahres auch diesem Thema widmet, das begrüße ich ausdrücklich. Wir haben schon in der Beratung zu unserem Antrag im März die Möglichkeit der Netzsperren in der derzeitigen Fassung des Glückspieländerungsstaatsvertrags deutlich kritisiert. Ich will das auch gerne noch einmal wiederholen: Eine Zustimmung zum Glückspieländerungsstaatsvertrag, der Regelungen zu Netzsperren enthält, wird es mit uns nicht geben. Ich denke, die Landesregierung ist gut beraten, wenn sie die Stellungnahme der Europäischen Kommission ernst nimmt.