Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, man kann es nicht oft genug tun und daher möchte ich persönlich allen Hinterbliebenen der Opfer des NSU mein Beileid aussprechen.
Seit November 2011 werden wir immer wieder geschockt von neuen Enthüllungen von rechtsextremen Gewaltverbrechen, die von Menschen aus Thüringen ausgegangen sind. Es berührt mich besonders, weil für mich unser Bundesland auch immer für Weltoffenheit und Toleranz stand. Natürlich war ich nicht blind und wusste auch, dass es in Thüringen rechtsextreme und rechtsradikale Bewegungen gibt. Aber dass Menschen zu solch einer Tat in der Lage sind, hat mich zutiefst erschüttert. Dazu zählt auch, dass durch Pannen und Fehler unserer Institutionen und Behörden die Täter nicht rechtzeitig oder frühzeitig erkannt wurden und überführt werden konnten. Es liegt nicht in unserer Hand, die Ereignisse rückgängig zu machen, aber
es liegt in unserer Verantwortung, dass wir alles Erdenkliche tun, damit sich solches nicht wiederholt. Hierzu sind alle Demokraten in unserem Land aufgefordert.
Mit dem Einsatz des Untersuchungsausschusses können wir als Parlamentarier dieses Hohen Hauses einen wichtigen Beitrag leisten, um herauszufinden, worin die Verantwortung oder die Verfehlungen gelegen haben. Häufig wird der Untersuchungsausschuss als schärfstes Schwert der Opposition bezeichnet. Es ist aber nicht nur das Schwert der Opposition, nein, es ist das Schwert aller Parlamentarier. Mir ist es wichtig zu betonen, dass hier alle im Landtag vertretenen Parteien dieses Kontrollgremium beantragen. Das wurde von meinen Vorrednern auch bereits ausführlich gewürdigt. Es zeigt sehr gut den Konsens über die Notwendigkeit der Aufklärung. Es zeigt aber auch, dass wir alle Rechtsradikales nicht tolerieren, dass wir auch im September - das haben alle Fraktionen deutlich gemacht - die NPD-Kundgebung hier vor dem Landtag nicht akzeptiert und gemeinsam dagegen protestiert haben.
Primär geht es in der Beantragung des Untersuchungsausschusses um Aufklärung, Aufklärung und nochmals Aufklärung. Es ist wichtig zu erfahren, an welcher Stelle Fehler aufgetreten sind und wie man diese für die zukünftige Arbeit unserer Behörden vermeiden kann. Dabei steht die Existenz unserer Behörden nicht infrage, ich schließe hier ausdrücklich den Verfassungsschutz mit ein. Fest steht aber, dass eine Verbesserung und vor allem auch die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Institutionen gestärkt werden muss. Ich denke, wir können hier als Parlamentarier über den Untersuchungsausschuss Hilfestellung leisten, aber auch die Fehler und Versäumnisse aufdecken und abstellen.
Mit dem beantragten Untersuchungsausschuss senden wir auch ein wichtiges Signal in die ganze Republik, dass wir diese Vorkommnisse ernst nehmen und dass wir schnellstmöglich an der Aufklärung dieser Verbrechen interessiert sind. Hier in Thüringen sind wir entschieden gegen Intoleranz, Rassismus und sind das Land, das für Weltoffenheit steht. Mit dem Untersuchungsausschuss versuchen wir, unseren Beitrag zur Aufklärung zu leisten. Es gibt eine Vielzahl von Ausschüssen auf Bundesund Länderebene, die sich mit dem Thema des Terrors der NSU beschäftigen. Auch wir in Thüringen arbeiten im Innenausschuss, Justizausschuss und in der PKK und die Landesregierung hat die Schäfer-Kommission eingesetzt, um zu zeigen, dass sie die Sache ernst nimmt und an Aufklärung schnellstmöglich interessiert ist. Vor allem der Informationsaustausch unter den Behörden und Institutionen muss erheblich verbessert werden. Ich habe
hier große Erwartungen, dass dieser Untersuchungsausschuss dazu beiträgt. In den zurückliegenden Wochen war das nicht in jedem Fall gegeben. Ich erinnere daran, dass durch die Bundesanwaltschaft uns Informationen vorenthalten wurden bzw. die Landesregierung uns diese nicht so übergeben oder übermitteln konnte, wie wir uns das vorgestellt haben, obwohl durch die Landtagsverwaltung hier ein Gutachten vorlag, was die Rechte gerade auf Information der Parlamentarier gestärkt hat. Nichtsdestotrotz - und da bin ich mir sicher wird der Ausschuss alles versuchen, um seinen verfassungsmäßigen Auftrag zu erfüllen, das heißt und da wiederhole ich mich sehr gern - Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Danke schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Ausgangspunkt dessen, warum wir heute hier diesen Untersuchungsausschuss einsetzen, ist eine bis dato nicht gekannte neonazistische Mordund Verbrechensserie in der Bundesrepublik. Diese Verbrechen haben nicht nur Thüringen erschüttert, sondern das ganze Land und, ich glaube, bei vielen auch den Glauben in die Sicherheitsbehörden. Wir haben hier in Thüringen eine ganz besondere Verantwortung zu tragen, denn diese Neonaziterrororganisation ist made in Thüringen. Hier ist ihr Ausgangsort, hier ist ihre Entstehungsgeschichte, hier hat sie ihre Wurzeln und hier liegen auch die Anfänge des Versagens der Behörden.
Es ist schon gesagt worden, ich will es aber noch einmal wiederholen. In erster Linie sind wir mit Blick auf die Opfer den Angehörigen tatsächliche und umfassende transparente Aufklärung schuldig.
Aber ich sage auch, diese unbedingte Transparenz müssen wir auch deswegen herstellen, weil das Thema von ungeheurer öffentlicher Bedeutung ist. Ich denke, wir müssen den Fragen und den Zweifeln, die in der Bevölkerung herrschen, Antworten geben; nicht nur Antworten darauf, wie dies alles geschehen konnte, sondern vor allem auch Antworten auf die Frage, welche Konsequenzen wir ziehen für die Zukunft. Auch dafür ist der Untersuchungsausschuss Ort.
Denn wir brauchen nicht nur eine andere Behandlung des Themas Neonazismus durch die Sicherheitsbehörden, wir brauchen ein anderes gesellschaftliches Klima, wir brauchen eine andere Ächtung von rassistischen Einstellungen und Handlungen und wir müssen tatsächliche Maßnahmen ergreifen, wie wir Menschen gegen die todbringende Ideologie des Neonazismus immunisieren.
Wir übernehmen als Parlament mit dem Untersuchungsausschuss die Verantwortung für die Kontrolle. Wir haben - und das haben wir begrüßt durch die Landesregierung selbst eine Kommission eingesetzt bekommen, die Schäfer-Kommission. Diese ist aber - das muss man deutlich sagen - im Rahmen der Exekutive eingesetzt worden und sie kann nicht unsere Kontrollfunktion des Parlaments ersetzen. Es gibt Fragen zur Schäfer-Kommission, die wir auch stellen müssen. Die Befugnisse sind begrenzt, sie arbeitet im Verborgenen. Der Bericht wird zuerst der Landesregierung, dann der Generalbundesanwaltschaft und dann eventuell, auch vielleicht mit Auslassungen, dem Parlament vorgelegt. Was dann noch übrig bleibt, lesen wir wahrscheinlich in der „Thüringer Allgemeinen“.
Vorher, das kann auch sein. Deswegen ist es sehr positiv, dass wir uns im Antrag zum Untersuchungsausschuss sehr weit gefasst haben, dass wir keine zeitliche Begrenzung vornehmen, keine behördliche Begrenzung, keine räumliche Begrenzung und dass wir alle in Rede stehenden Fragen nicht nur in Thüringen diskutieren, sondern auch die Verantwortung der Bundesbehörden, die Verantwortung der anderen Länder dort klären wollen. Es ist gut, dass Einigkeit zwischen den Fraktionen erreicht wurde. Ich hoffe, dass diese Einigkeit sich auch in der tatsächlichen Arbeit des Untersuchungsausschusses fortsetzen wird, dass wir dort zu keinem Hickhack kommen, zu keinem Wettrennen, wer am schnellsten den schärfsten Antrag stellt oder Ähnliches.
Aber - ich habe es auch an jeder Stelle gesagt - wir haben Zweifel, die zum einen genährt sind aus unseren Erfahrungen in Untersuchungsausschüssen. Wir werden ja auch noch im Rahmen dieser Plenartagung unseren Novellierungsvorschlag zum Untersuchungsausschussgesetz diskutieren.
Wenn dieser schnell beschlossen würde, dann würden die Befugnisse tatsächlich auch für diesen arbeitenden Untersuchungsausschuss gelten.
Wir haben Zweifel, was die Möglichkeiten des Untersuchungsausschusses angeht, insbesondere dahin gehend, ob alle notwendigen Akten vorgelegt werden, ob nicht Akten vernichtet sind mittlerweile oder Aktenbestandteile vernichtet sind, ob Zeugen, die damals Verantwortung getragen haben, tatsächlich eine Aussagegenehmigung erhalten, sich frei äußern können oder von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werden, weil sie sich selbst belasten könnten. Wir haben Sorge, dass die Informationsverweigerung, die wir im Innen- und Justizausschuss erfahren haben, sich fortsetzen wird. Herr Kellner hat gerade darauf hingewiesen, welcher Blockadehaltung wir insbesondere durch den Generalbundesanwalt, aber auch vermittelt durch den Innenminister dort ausgesetzt sind. Wenn Akten aus Thüringer Aktenbeständen an den Generalbundesanwalt abgegeben wurden, wissen wir nicht, ob der Untersuchungsausschuss diese vorgelegt bekommen wird. Wenn mittlerweile Thüringer Beamte dem BKA unterstellt sind und dienstrechtlich nicht mehr dem Thüringer Innenministerium, wissen wir nicht, ob eine Aussagegenehmigung seitens des BKA erfolgen wird.
Wir haben auch einen sehr kritischen Eindruck in den letzten Tagen gewinnen können mit Blick auf das, was in Sachsen an Aufklärungsverweigerung betrieben wird, dass es Teile der politisch Verantwortlichen gibt, die damals für die Sicherheitsbehörden und das Versagen Schuld und Verantwortung trugen, dass es mittlerweile weniger um Aufklärung geht als vielmehr mehr um Staatsräson.
Diese Anzeichen sind da und die müssen wir ernst nehmen und wir werden tatsächlich auch dem Anspruch dieses Untersuchungsausschusses und dem anderer, z.B. im Bund, nur gerecht werden, wenn alle Untersuchungsausschüsse mit den gleichen Befugnissen, mit der gleichen Zielstellung und mit dem gleichen Willen arbeiten. Wenn das in Bundesländern blockiert wird oder gerade im Bund, dann werden wir hier in Thüringen nicht all das ausgleichen können.
Ich will auch sagen, dass mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses unsere Kritik an den Verfahren im Innen- und im Justizausschuss nicht still werden wird. Wir sagen, die Kontrollfunktion des Parlaments kann sich nicht allein auf einen Untersuchungsausschuss beziehen. Wir haben auch Rechte als Parlamentarier in den Fachausschüssen und diese Rechte werden wir nicht aufgeben. Wir haben Kontroll- und Informationsrechte und da werden wir hartnäckig bleiben, notfalls auch eine juristische Klärung herbeiführen müssen, dass auch in
Wir erwarten - Frau Marx hat ja dieses Thema auch angesprochen -, dass das Parlament mit den Mitteln des Untersuchungsausschuss umfassende Öffentlichkeit herstellt. Angesichts der Tragweite der Mordserie und der in Rede stehenden Verbindung der Sicherheitsbehörden erkenne ich nur wenig schützenswerte Güter, die nicht öffentlich diskutiert werden sollten. Ich erwarte auch von einem Untersuchungsausschuss, dass er aus keinerlei parteipolitischem Kalkül politische oder behördliche Verantwortungsträger, egal aus welchem Zeitraum, schont.
Denn zuletzt müssen wir auch diese Frage klären: Wer trägt für all das politisch und behördlich die Verantwortung? Das wird dann möglicherweise zum Teil eine schmerzhafte Erfahrung für diesen Untersuchungsausschuss sein. Wir dürfen uns nicht der Frage verwehren, ob es auch eine Schuld im Sinne des Strafrechts gibt, also ob nicht möglicherweise Strafvereitelung, Beihilfe oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch behördliches Handeln oder Nichthandeln im Raum steht. Frau Marx hat vorhin auf das Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden in der Bevölkerung hingewiesen und, ich glaube, die Hoffnung formuliert, dass man diesem jetzt begegnen könnte. Ich finde dieses Misstrauen nicht schlimm, sondern Ausdruck einer hohen Reflexions- und Kritikfähigkeit bei unseren Bürgern. Das ist ja eigentlich das, was wir wollen. Ich hoffe auch, dass die Abgeordneten an diesen Untersuchungsausschuss mit einem hohen Maß an produktivem Misstrauen herangehen, damit wir immer wieder nachhaken, nachfragen und möglicherweise auch, was den Gegenstand angeht, nachjustieren, damit wir alle Hindernisse ausräumen, immer wieder das Öffentlichkeitsund Transparenzgebot hochhalten, jeglicher Verdunklung entgegenwirken. Das sind wir dann tatsächlich nicht nur der Aufklärung, sondern auch den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Parlament muss an der Spitze der Aufklärung dieser rechtsterroristischen Zelle stehen, deshalb heute der fraktionsübergreifende Antrag zum Untersuchungsausschuss. Er ist die einzig logische Konsequenz dessen, was wir in den vergangenen Wochen immer wieder gefordert haben, nämlich lückenlose Aufklärung. Das betrifft uns Parlamentarier ganz zentral. Das betrifft uns. Wir stehen in der Verantwortung für die vielen Opfer, für nicht nur zehn, sondern beinahe 200 Opfer, die in den vergangenen Jahren rechtsterroristischen Untaten zum Opfer gefallen sind.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss auch Schluss sein damit, dass sehenden Auges weggeschaut wird. Deswegen möchte ich mich auch ausdrücklich bedanken, dass wir es geschafft haben, hier im Parlament diesen fraktionsübergreifenden Antrag zusammen zu tragen, zusammen zu entwickeln und jetzt auch zusammen einzubringen. Es geht hier nicht um Streit oder um Schuldzuweisungen. Es geht um das Ausrufezeichen, das wir als Parlamentarier setzen müssen, dass wir uns an die Spitze der Aufklärung stellen wollen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, durch das Zulassen dieser NSU-Mordserie haben, so viel lässt sich schon heute sagen, einfach viel zu viele Menschen ihr Vertrauen in Behörden verloren. Es haben in Sachsen, in Hessen, im Bund und auch in Thüringen viele staatliche Behörden Schuld auf sich geladen und es geht darum, dass wir daran mitarbeiten, dies aufzuarbeiten. Das ist unser Auftrag.
Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir den Menschen erklären, warum so viele Behörden über viele Jahre lang offenbar nicht gut gearbeitet haben, versagt haben. Der Verfassungsschutz hat über ein Jahrzehnt lang nicht erkannt, dass eine Migranten hassende Neonazibande mindestens zehn Menschen ermordet hat.
Von justiziellen Behörden gesuchte Rechtsextremisten konnten einfach so mit Gleichgesinnten auf Demonstrationen mitmarschieren, das wurde toleriert. Auf vielen Neonazikonzerten stand diese Neonazibande herum und staatliche Behörden standen daneben und konnten nicht zugreifen, auch das ist passiert. Deswegen haben viele Menschen Fragezeichen und haben einen Vertrauensverlust erlitten. Deswegen ist der Eindruck, dass Verfassungs
schutz, Justiz, Polizei, LKA, viele Behörden parallel unsere Demokratie nicht geschützt haben. Das ist ihre zentrale Aufgabe. Weil das so ist, müssen wir uns dieser Aufklärung stellen, müssen wir uns an die Spitze dieser Aufklärung stellen, wie so etwas passieren konnte.
Wir tun das heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, hier nicht ohne Grund in einem fraktionsübergreifenden Antrag. Die Ministerpräsidentin hatte im November eine transparente und umfassende Aufklärung gefordert. Dazu gehört auch, dass wir als Parlamentarier jetzt die Verantwortung übernehmen. Wir haben bislang seitens der Exekutive vor allen Dingen gesehen, wie Verantwortung auch delegiert werden kann. Wir als Parlamentarier sollten das nicht tun. Wir sollten nicht delegieren. Was meine ich damit? Es wurde seitens der Ministerpräsidentin natürlich an die zuständigen Minister delegiert, aufzuarbeiten, die zuständigen Minister haben an Herrn Schäfer delegiert, aufzuarbeiten. Das ist die eine Seite. Aber was eben nicht reicht, ist, dass wir darauf warten, dass aufgearbeitet wird. Wir müssen hier aktiv werden, deswegen dieser Untersuchungsausschuss. Verstecken und Wegducken geht nicht, das ist unser Auftrag.