Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

elle Handlungs- und politische Gestaltungsfähigkeit wahren kann.“ Das stimmt genau. Dann lassen Sie doch diesen Worten auch Taten folgen, anstatt sich in der Öffentlichkeit immer als Befürworter der Schuldenbremse feiern zu lassen - hier ist die Stunde der Wahrheit, hier kommt es darauf an.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir haben selbst eine Schuldenbremse eingeführt.)

Ja, Herr Mohring, Sie sagen, wir haben eine Schuldenbremse. Das stimmt, Sie müssen aber, wenn Sie ehrlich sind, zugeben, dass der verschuldungsfreie Haushalt, über den wir gerade geredet haben im Dezember von 2009 - nichts mit Ihrer Schuldenbremse zu tun hat, sondern schlicht und ergreifend damit, dass wir Steuereinnahmen haben in einer Höhe, wie Sie sie nicht erwartet haben. Wie das dann in Wahrheit ist, wenn es - ich sage es jetzt mal salopp - um ein paar Millionen geht …

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was kann eine Verfassungsände- rung daran ändern?)

Sie streiten sich um 20 oder 60 Millionen, um weit weniger als ein Prozent des Haushalts bei der Bewirtschaftungsreserve - da geht es noch nicht einmal um eine Haushaltssperre, sondern um eine Bewirtschaftungsreserve -, da streiten Sie sich wie die Kesselflicker, weil Sie nicht mal mit so einem Betrag klarkommen, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Das erhöht das Vertrauen darin, was passieren wird, wenn wir weniger Steuern haben, in Richtung auf Schulden auf jeden Fall nicht. Auch Herr Pidde, meine Damen und Herren, wird zitiert, dass er das richtig findet, eine Schuldenbremse zu machen. Das ist ganz prima, also die Mehrheit wäre eigentlich fast zusammen, da fehlen noch die GRÜNEN, bei denen ich mir in der Tat nicht so ganz sicher bin, ob sie wirklich das mit dem Sparen immer so ernst meinen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie!)

Sie haben heute auch die Gelegenheit, diesen Eindruck zu widerlegen. Meine Damen und Herren, deshalb muss man leider feststellen - das werden wir dann auch erleben -, dass es in der Tat nur bei der FDP-Fraktion ein echtes Interesse in diesem Hause gibt,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

mit einer Schuldenbremse wirklich für eine generationengerechte Haushaltspolitik unabhängig von Wahlausgängen zu sorgen. Das ist nämlich auch eine Selbstfindung, die wir an dieser Stelle unternehmen würden.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit geht zu Ende.

Es gibt doch doppelte Redezeit, oder?

Nein.

Dann komme ich zum Schluss, liebe Frau Präsidentin. Ich beantrage zunächst für meine Fraktion, weil Frau Lehmann auch gesagt hat, dass wir das alles inhaltlich noch diskutieren müssen, die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss, um dort noch einmal darüber reden zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Satz, Frau Präsidentin, sei mir noch gestattet, in der vorhin erwähnten Drucksache 4/4969 heißt es in der Gesetzesvorlage unter dem Punkt C - Alternativen: „keine“. Das ist genau richtig. Es gibt zu der Schuldenbremse keine Alternative und deswegen bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Als Nächster hat sich Abgeordneter Dr. Pidde von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Freistaat Thüringen hat die mit Abstand weitreichendste Schuldenbremse aller 16 Bundesländer mit Abstand. Neben den Regelungen des Grundgesetzes, die für alle Bundesländer gelten, haben wir eine viel stringentere Lösung in der Landeshaushaltsordnung.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Dank der CDU.)

Danach dürfen nur Kredite zum Ausgleich von Einnahmeausfällen aufgenommen werden, die den Durchschnitt der kassenmäßigen Einnahmen der drei dem Jahr der Haushaltsaufstellung vorangegangenen Jahre unterschreiten. Außerdem ist eine Kreditaufnahme bei Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen möglich. Für die aufgenommenen Kredite ist die Rückführung der Schulden in einem Tilgungsplan auf fünf Jahre verbindlich festzulegen. So eine stringente Festlegung hat kein anderes Bundesland in Deutschland.

(Beifall CDU, SPD)

(Abg. Barth)

Meine Damen und Herren, im Haushalts- und Finanzausschuss haben wir uns darauf verständigt, eine schriftliche Anhörung durchzuführen. Wir haben diese Stellungnahmen ausgewertet und auch eine Synopse des Finanzministeriums - wofür ich mich ganz herzlich bedanke - erhalten, die einen Ländervergleich bis ins Detail durchführt. Da sehen wir, bisher gibt es kein einziges Land, das vor dem vollen Inkrafttreten der Schuldenbremse im Grundgesetz im Jahr 2020 eine weitreichendere Schuldenbremse als die im Grundgesetz vorgesehene, beschlossen hat, kein einziges Land - nur Thüringen. In Niedersachsen wird darüber diskutiert, ob man 2017 schon diesen Schritt gehen kann, aber ein Gesetz gibt es dazu noch nicht. Einige Länder haben lediglich das, was im Grundgesetz steht und sowieso für die Länder gilt, auch in ihre eigenen Verfassungen übernommen, mehr aber auch nicht. Deshalb ist die ganze Debatte, die wir hier führen, eine Scheindebatte. Wenn die FDP sagt, wir brauchen eine Schuldenbremse - wir haben die. Die Diskussion ist wie die Diskussion um ein Fahrzeug. Die FDP sagt, wir brauchen ein Fahrzeug und die einen reden vom Mercedes und die anderen vom Dreirad. Deshalb ist diese populistische Debatte eigentlich nicht wert, dass man sie führt.

Lassen Sie mich zu den Inhalten kommen. Wenn man schon so eine Schuldenbremse in die Verfassung aufnehmen will, dann muss sie Hand und Fuß haben und auch funktionieren. In der Anhörung ist uns klipp und klar dargelegt worden, dass der Gesetzentwurf der FDP vollkommen ungeeignet ist. Die FDP-Fraktion schlägt vor, nicht einmal Kredite zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen zuzulassen, obwohl wir genau wissen, dass unsere Einnahmen mal steigen und mal sinken. Das wollen Sie ausschließen. Eine konjunkturorientierte Wirtschaftspolitik wäre damit vollkommen unmöglich. Der Bund und die Länder haben sich damals bei der Föderalismusreform extra darauf geeinigt, eine solche symmetrische Konjunkturkomponente mit aufzunehmen in ihre Regelung, und das ist richtig. Die FDP verzichtet darauf vollkommen. Das würde dem Staat jegliche Handlungsfähigkeit nehmen. Deshalb ist das, was Sie hier vorschlagen und abstimmen lassen wollen, nicht lebenstauglich. Diesem Entwurf kann nicht einmal die CDU-Fraktion zustimmen,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das liegt am Koalitionspartner.)

die sich hier in der Vergangenheit vehement dafür ausgesprochen hat, so eine Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen.

Aber man muss natürlich auch, und das sage ich dem Koalitionspartner, sehen, wie so eine Schuldenbremse ausgestattet ist. Bisher war es so, Sie haben sich gebrüstet, Sie haben Jahre ohne neue Schulden gehabt bei enorm hohen Steuereinnah

men, aber in den Sondervermögen sind die Schulden weiter aufgelaufen. Vorn wird die Schuldbremse proklamiert und hinten sehen wir, wie neue Schulden in Schattenhaushalten auflaufen. Es nützt überhaupt nichts, wenn man die Mauer, die schon enorm hoch ist, noch um einen halben Meter erhöhen will, aber an der anderen Seite steht das Tor weit offen, weil es kaputt ist. Hier ist der Schwachpunkt der bisherigen Argumentation unseres Koalitionspartners. Darüber werden wir noch reden müssen.

Meine Damen und Herren, das größte Problem einer jeglichen Schuldenbremse ist aber, dass Einnahme- und Ausgabeautonomie der Bundesländer nicht zusammenpassen.

(Beifall Abg. Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Länder sind bei den Einnahmen überwiegend fremdbestimmt. Das führt letztlich dazu, dass die Haushalte regelmäßig nur über die Ausgabeseite konsolidiert werden müssen, das heißt, dass der Rotstift angesetzt werden muss. Die aktuelle Politik der Bundesregierung bietet beste Beispiele dafür. Wenn wir nur die sogenannte Mövenpick-Steuer nehmen. Da werden das Hotelgewerbe und andere systemwidrig entlastet. Den Freistaat Thüringen kostet das im Jahr 85 bis 100 Mio. €, die wir irgendwoher abdrücken müssen.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von wem war das noch mal? FDP.)

Dann gibt es genug andere Beispiele, jetzt geht es wieder um das Gesetz zum Abbau der kalten Progression. Ich bin mal gespannt, wie die Löcher wieder gestopft werden sollten, wenn das wirklich in Kraft tritt. Da hat sich ja unsere Regierung im Bundesrat enthalten und dem nicht zugestimmt. Ich hoffe, dass diese Haltung entsprechend beibehalten wird.

Aus Sicht meiner Fraktion gehört zu einer lebenstauglichen Schuldenbremse auf Landesebene auch ein Sicherungsmechanismus vor einer Politik, die die Einnahmeseite der Länder über Steuersenkungen ruiniert. Nur damit kann man verhindern, dass sich die einen im Bund feiern lassen als die Guten und die anderen in den Ländern die Drecksarbeit mit Ausgabenkürzungen machen müssen.

Meine Damen und Herren, wir werden die Entwicklung in den anderen Bundesländern aufmerksam verfolgen. Bisher hat Thüringen die schärfste Regelung zur Schuldenbegrenzung überhaupt von allen 16 Bundesländern. Wir sind natürlich für Haushalte ohne neue Schulden. Wir wollen, dass die Schuldenbremse, die wir haben, eingehalten wird. Sie funktionierte auch, wir haben das gesehen für das Jahr 2012. Darüber hinaus sehen wir im Moment

keinen Handlungsbedarf. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Carsten Meyer das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ja schön, wenn man am Anfang einer Plenarsitzung mit den großen Dingen anfängt und wenn dann Herr Barth gleich die menschliche Natur heranzieht, um zu begründen, warum populistische Anträge seiner Fraktion richtig sind, umso besser. Da kommt man wenigstens auf Betriebstemperatur.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will zu den Ausführungen über Herrn Hume etc. nur eine Bemerkung machen, Herr Barth: Natürlich muss die menschliche Natur gezähmt werden, dafür sind wir in Gesellschaften organisiert. Wenn wir das nicht bräuchten, wären wir heute nicht hier. Aber zu glauben, dass nur, weil das Sparen unpopulär ist, man etwas tun muss - das Abgeben, Herr Barth, ist noch unpopulärer. Das übersehen Sie immer gerne.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Daran zu arbeiten, seitens der FDP Gerechtigkeit beim Abgeben zu organisieren, nicht nur beim Verbrauchen - und wir hätten uns eine Debatte heute hier ersparen können -, das wollen Sie aber nicht. Ich kann feststellen, dass ich relativ viele Versatzstücke meiner Vorrednerinnen und Vorredner benutzen kann. Frau Lehmann hat die letzten fünf Sätze, die sie gesagt hat, völlig zu Recht gesagt wohlgemerkt die letzten fünf, die davor nicht so. Herr Pidde hatte in wesentlichen Teilen auch recht. Ich kann auch den Positionen der LINKEN über die Frage, nämlich wofür das Geld eigentlich ausgegeben werden soll, sehr viel abgewinnen. Nur bei der FDP, da merkt man, dass es tatsächlich darum geht - und das ist ja auch manchmal notwendig in so einem Plenarsaal -, Ideologie zu diskutieren. Das ist ja nicht schlimm.

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FDP: Sie ma- chen das nicht.)

Doch wir tun das manchmal auch, ich wollte das nur beschreiben, ich wollte das gar nicht kritisieren, Herr Recknagel. Der Entwurf, den die FDP hier vorgelegt hat, das habe ich bereits bei der ersten Lesung gesagt, ist unflexibel und interessanterweise, finde ich, kommt zum Ausdruck, dass da komi

scherweise eine Partei, die eigentlich ja die Freiheit des Individuums fordert, staatsfixiert ist. Die FDP glaubt daran, dass man mit Recht und Gesetz die Natur des Menschen einhegen kann. Wenn das so wäre, würden wir im Paradies leben. Leider ist dem nicht so. Sie glauben daran, dass, wenn wir uns hier alle nur zu zwei Dritteln ganz prima durch so ein Gesetz binden lassen, ist das viel besser, als wenn die Fraktion, die neben Ihnen sitzt, die absolute Mehrheit hat und es nicht fertigbekommt, 16 Mrd. € Schulden nicht aufzuhäufen im Verhältnis zu ihren Kollegen in anderen Ländern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, die mussten nur die menschliche Natur von CDU-Abgeordneten bändigen, ein sehr harmloser Menschenschlag, der eigentlich genau das möchte, was Sie auch wollen, das ist Ihnen nicht gelungen. Aber Sie wollen mit zwei Dritteln auch nur solche unsicheren Kantonisten wie die SPD und gar nicht zu reden von der LINKEN dazu bringen, dass sie Schulden nicht mehr machen. Das widerspricht dem Problem, dass diese Menschen sehr verschieden sind und verschiedene Prioritäten haben. Da Sie nichts abgeben wollen von dem, was Ihre Klientel hat und Ihre Klientel hat sehr viel mehr in den letzten Jahren bekommen, als alle anderen hier in diesem Raum für ihre Klientel in Anspruch nehmen konnten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)