Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber haben wir schon gesprochen, es ist eben das Problem da, Herr Barth, dass Sie wieder gucken müssen, wo wir es den anderen wegnehmen, wenn wir keine Schulden mehr machen können und wenn mal das Geld knapp ist und das Geld wird in den nächsten Jahren knapp sein.

Wir erleben es doch im Übrigen gerade - Frau Taubert hört gerade so interessiert zu -, was passiert, wenn nur 40 Mio. € gespart werden müssen. Ich gebe Ihnen ja recht, wir müssen 1,5 Mrd. € sparen.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir uns mindestens einem Thema verweigert haben in dieser Debatte. Ich habe es bei der ersten Lesung angesprochen, in keiner Debatte, bei der ich im Haushaltsausschuss dabei war, ist dieses Thema angesprochen worden. Wir sind uns darin einig, das wir ab 2020 das Thema, kein Verschuldungsverbot mehr bundesweit zu haben, richtig finden. Das ist, glaube ich, ein ziemlicher Konsens hier in diesem Raum, vielleicht mit einem Abstrich auf der linken Seite. Aber bis dahin sollte man wenigstens den Mut haben, die speziellen Situationen der neuen Bundesländer noch einmal wenigstens strukturell zu überdenken. Entschuldigen Sie bitte, meine Vorstellung davon heißt, wir müssen dafür sorgen, dass die Transformation unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft, unseres sozialen Sicherungssystems in die Zeiten knapper Kassen hinein auch

(Abg. Dr. Pidde)

funktionieren kann. Dazu kann es nicht nur dienen, einfach nur keine Schulden mehr zu machen. Niemand hier im Raum - und ich verstehe da immer die FDP nicht, die immer so unternehmerfreundlich ist - würde behaupten, dass man ohne Schulden zu machen in Investitionen vorwärtskommen kann. Reine Investitionen aus dem Eigenkapital heraus macht praktisch niemand, aber wenn wir uns die Frage nicht stellen wollen, weil Sie ja nur ideologisch mit dem Thema umgehen, wofür eigentlich Schulden gemacht werden dürften, wenn Sie diese Debatte verweigern, dann verweigern Sie sich auch der Transformationsbedürftigkeit dieser Gesellschaft und die haben wir noch. Wir müssen noch dafür sorgen, dass wir demnächst mit etwa 500 € pro Einwohner weniger auskommen, es können auch 1.000 € werden, mal sehen, im Verhältnis zu unseren westdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen unsere Investitionsquote drastisch nach unten senken, wir müssen die Energiewende voranbringen, damit wir in die Lage versetzt werden, hier nicht von teurem Erdöl, also in Notsituationen von außen, abhängig zu werden. Das heißt, wir müssen uns genau da krisenfest machen, wo Sie eigentlich auch hinwollen.

Genau diese Frage von rentierlichen Investitionen in das Sparen hinein, der verweigern Sie sich mit einer Vehemenz, die schon an Borniertheit grenzt. Entschuldigen Sie bitte.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn Sie das nicht tun, dann ist die Frage nicht, ob eine Schuldenbremse in der Verfassung steht oder in der Landeshaushaltsordnung, sondern ob man sie ernst meint. Entschuldigen Sie bitte, ich nehme Ihnen das nicht ab und deshalb werden wir weiterhin auch der Meinung sein, dass das, was Sie hier versuchen, nur blanker Populismus war. Wenn Sie mit uns ins Gespräch kommen wollen, müssen Sie vorher, bevor Sie Gesetzentwürfe in die Verfassung hineinschreiben wollen, mit uns reden. Das haben Sie nicht gewollt und das merkt man jetzt auch wieder. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Fraktionen gibt es jetzt keine Redeanmeldungen mehr. Für die Landesregierung Herr Staatssekretär Diedrichs, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, die Ausgangslage ist klar. Nach den Vorgaben des Grundgesetzes gilt ab dem Jahr 2020 ein strukturelles Neuverschuldungsverbot für die Länder. Ich bin daher der Meinung, dass der Vorschlag der FDP-Fraktion grund

sätzlich zu begrüßen ist und in die richtige Richtung zeigt. Allerdings stellen sich beim Weg hin zur Schuldenbremse doch einige Fragen. Insbesondere sollte es möglich sein, Schwankungen in der Konjunktur, die sich auf die Haushaltslage auswirken, mit antizyklischem Handeln zu begegnen. Aber gerade diese Möglichkeit sieht der Vorschlag der FDP-Fraktion nicht vor, sondern er plädiert für ein generelles und starres - Frau Abgeordnete Lehmann hat hier zu Recht bereits auf kritische Punkte hingewiesen - Neuverschuldungsverbot.

Natürlich verfolgen wir das Ziel, neue Schulden zu vermeiden. Darin sind wir uns weitgehend einig. Der Haushaltsplan 2012 hat klar diesen Kurs eingeschlagen und auf diesem Kurs und diesem Weg wollen wir auch bleiben. Laut Vorschlag der FDP sollen in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs die schwindenden Einnahmen durch Rücklagen ausgeglichen werden. Das klingt gut und richtig. Allerdings müssen diese Rücklagen erst einmal gebildet werden, und zwar in einer Phase, in der deutliche Einschnitte auf der Einnahmeseite auf uns zukommen. Die finanziellen Hilfen aus dem Solidarpakt II sind rückläufig und werden bis 2020 auf null reduziert. Auch die demographischen Effekte und die weitere Entwicklung der EU-Mittel werden zum Einnahmerückgang beitragen. Unsere Spielräume sind derzeit also sehr klein. Deshalb muss man sich auch darüber klar werden, was passiert, wenn man den Vorschlag der FDP aufgreifen würde und es vor der Bildung entsprechender Rücklagen zu einer neuen Krise kommt und die Einnahmen einbrechen. Wir müssten erstens schmerzliche Einsparungen realisieren, und zwar ohne langfristige Steuerung und Konzept.

Zweitens gäbe es eine gefährliche Einengung notwendiger finanzieller Entscheidungsspielräume und drittens einen selbstauferlegten Zwang zur prozyklischen Haushaltspolitik. Dieser Zwang zur Parallelpolitik setzt eine Flexibilität auf der Ausgabenseite voraus, die so gegenwärtig nicht vorhanden ist. Wir haben einen ausgeprägt hohen Bindungsgrad auf der Ausgabenseite in unserem Haushalt. Wir haben als Land kaum die Möglichkeit, unsere Einnahmen selbst zu bestimmen, da wir in großen Teilen von Bundeszuweisungen sowie Geldern aus dem Länderfinanzausgleich und der EU finanziert werden. Das bedeutet, dass eine Haushaltssteuerung weitgehend nur auf der Ausgabenseite möglich ist. Wir haben die Verantwortung, Schulden zu verhindern und abzubauen, wir müssen aber auch für die Rahmenbedingungen sorgen, damit der Freistaat Thüringen für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft attraktiv bleibt. Nur so kann Wachstum entstehen und können wir langfristig unsere eigene Einnahmesituation verbessern. Das heißt, dass wir auch einen Spielraum für politisches Handeln in der Zukunft erhalten müssen.

(Abg. Meyer)

Ich möchte zudem daran erinnern, dass schon heute die Eckpfeiler der Schuldenbremse im Thüringer Landesrecht verankert sind: Nach der Landeshaushaltsordnung ist die Neuaufnahme von Krediten nur zum Ausgleich konjunkturell bedingter Einnahmeverluste oder in Katastrophenfällen möglich. Festgelegt ist auch, dass ein verpflichtender, verbindlicher Tilgungsplan für diese Schulden in einem Zeitraum von fünf Jahren festzulegen ist, und daran halten wir uns. Ein Neuverschuldungsverbot ohne Konjunkturkomponente kann aus meiner Sicht nicht die richtige Lösung sein, wenngleich ich das Ziel, eine Schuldenbremse in der Thüringer Verfassung zu verankern, voll unterstütze, jedoch in einer praxisnahen Form. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Damit schließe ich die zweite Beratung der Drucksache 5/2407. Ausschussüberweisung ist nicht noch einmal beantragt worden.

Ich eröffne nun in gemeinsamer Aussprache die dritte Beratung des Fünften Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen in der Drucksache 5/2407 und zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs in Drucksache 5/2408. Es gibt eine Wortmeldung aus der FDP-Fraktion. Der Abgeordnete Barth hat das Wort.

Ja, für das Verfahren kann ich nichts. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Aber für dei- ne Reden.)

Ja, für die kann ich was und deswegen müsst ihr euch das auch fertig anhören.

Das war interessant, dass wir hier jetzt eine inhaltliche Debatte führen. Ich will jetzt nicht auf alles eingehen, was gesagt worden ist, aber der Staatssekretär hat hier das eine oder andere inhaltliche Bedenken gegen den Antrag vorgebracht und gesagt, das eine oder andere würde so oder so aus diesem oder jenem Grund nicht gehen. Das mag ja alles sein. Auch Frau Lehmann hat in ihrer Rede hier dargelegt, dass es inhaltliche Bedenken gibt. Wenn ich das ganze System hier richtig verstanden habe, dann ist genau für solche inhaltlichen Debatten die Ausschussberatung erfunden.

(Beifall FDP)

Ich war in den Ausschussberatungen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich kann mich erinnern, dass wir bei fast jeder Ausschussberatung seit April oder Mai am Anfang der Debatte mit einem Gesprächsbedarf seitens der Koalition, insbesondere seitens der CDU, konfrontiert waren, der da hieß: Lasst uns

den Tagesordnungspunkt noch mal verschieben, lasst ihn uns heute von der Tagesordnung nehmen, damit wir uns in Ruhe inhaltlich Gedanken machen können, damit wir auch mit unserem Koalitionspartner reden können, damit wir eine Formulierung finden, die mehrheitsfähig ist. Eine Formulierung zu finden, die mehrheitsfähig ist, hätte dann wohl auch geheißen, dass wir inhaltliche Bedenken, wie sie der Staatssekretär und auch andere hier vorgetragen haben, dann im Ausschuss beraten hätten und möglicherweise den Antrag geändert hätten. Dazu wären im Ausschuss Änderungsanträge möglich gewesen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mich genau erinnern - dort sitzt der Vorsitzende des Ausschusses, vielleicht trügt mich meine Erinnerung -, wie viele Änderungsanträge es zu den Anträgen gegeben hat - keinen. Nicht einen einzigen Änderungsantrag haben wir in fast einem Jahr im Ausschuss irgendwo vorliegen gehabt, über den man hätte reden können.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Und wenn man am Dreirad noch so lange herum- schraubt, wird es kein Mercedes.)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb, Herr Pidde, ist auch Ihr Geschrei jetzt völlig unnötig. Das ist schlicht und ergreifend hilflos.

(Beifall FDP)

Sie haben keine inhaltlichen Argumente, das ist mir klar, aber andere haben hier welche vorgetragen und denen mache ich den Vorwurf, dass sie hier inhaltliche Argumente vorschieben, die im Ausschuss nicht diskutiert worden sind. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es ein Spielchen, was Sie hier spielen. Die einen wollen nicht, die anderen können nicht und dürfen nicht. Ich habe gestern Abend - es war ja politischer Aschermittwoch - von einem CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen den Satz gehört, Frau Kraft sei in der ganzen Republik die Einzige, die gegen eine Schuldenbremse ist. Jetzt weiß ich nicht, ob es in der CDUFraktion eine Nachrückerin dieses Namens gibt. Ich glaube aber, es war die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin gemeint. Herrn Laumann muss man heute sagen, er hat sich geirrt. Herr Mohring, Frau Lieberknecht, Frau Lehmann, die wollen die Schuldenbremse auch nicht, denn heute werden sie mit Nein stimmen, das ist ja hier angekündigt.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen sagen, auch Ihnen von der Koalition, die Bevölkerung ist Ihnen da weit voraus. In einer MDR-Umfrage haben sich über 80 Prozent der Befragten zum Ziel der Haushaltskonsolidierung bekannt, über 80 Prozent. Im Thüringen-Monitor haben sich 82 Prozent - hört zu - dafür ausgesprochen, dass wir Ausgabenkürzungen vornehmen sollen anstatt die Steuern zu erhöhen.

(Staatssekretär Diedrichs)

(Beifall FDP)

Nur 11 Prozent waren übrigens für Steuererhöhungen, das sind noch nicht mal alle Wähler der LINKEN, meine sehr verehrten Damen und Herren. Neue Schulden aufnehmen wollten 8 Prozent und über 60 Prozent sagen, Schuldenbremse in die Verfassung. In der Bevölkerung gibt es die Zweidrittelmehrheit, die Sie hier nicht zustande bringen, längst, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: 3 Prozent für die FDP.)

Das zeigt, dass die Thüringer Bevölkerung verstanden hat, was Sie nicht machen wollen oder nicht machen können, nämlich dass wir mit der Schuldenmacherei aufhören und uns selbst beschränken müssen. Das zeigt im Übrigen auch das Spendenkonto. Fast 40.000 € sind darauf eingegangen. Natürlich retten wir mit dem Geld nicht den Haushalt, das war auch nicht das Anliegen. Aber jede Einzahlung auf dieses Konto, meine Damen und Herren, ist ein Appell an uns, unserer Verantwortung endlich gerecht zu werden, denn es ist unsere Verantwortung, in die Zukunft zu denken. Da helfen uns auch die rückwärts gewandten Diskussionen, die die GRÜNEN hier führen, nicht, wo die Schulden herkommen.

(Beifall FDP)

Es gibt viele gute Gründe für einen großen Teil dieser Schulden und es gibt viele gute Gründe gegen einen Teil dieser Schulden, die da in der Vergangenheit gemacht worden sind. Aber jetzt sind sie da und wir müssen nach vorn schauen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, aber aus Fehlern müssen wir auch mal lernen, Herr Barth.)

Deswegen sage ich, es geht hier nicht um eine Schuldfrage. Sie sind die Einzigen, die in diesem Land noch nie Verantwortung getragen haben, das merkt man auch.

(Beifall FDP)

Wir müssen nach vorn schauen, deswegen ist es wichtig, dass wir uns selbst beschränken und endlich hergehen und die Appelle auch aus der Bevölkerung ernst nehmen, diese Umfragen ernst nehmen und das ernst nehmen, was auf dem Regierungsentwurf aus 2009 schon mal stand zum Thema Schuldenbremse, nämlich - Alternativen: keine. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Wenn ich es richtig gesehen habe, gibt es eine weitere Wortmeldung. Für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Mohring.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Uwe Barth, ich will das noch mal fürs Protokoll festhalten, die kleine liberale FDP-Fraktion hier in diesem Thüringer Landtag muss uns Christdemokraten nicht darüber belehren, wie wichtig eine Schuldenbremse in der Verfassung dieses Freistaats Thüringen ist.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Anschei- nend doch.)

Darüber müssen Sie uns nicht belehren, weil schon in der letzten Wahlperiode wir diejenigen waren, die mit unserer Mehrheit in diesem Thüringer Landtag da war die FDP außen vor, weil die Wähler ihr nicht genügend Mandate erteilt haben, damit sie hier vertreten sein kann - die Landeshaushaltsordnung geändert und auf Dauer festgeschrieben haben, weil auch einfache gesetzliche Regelungen auf Dauer angelegt sind, dass eine Schuldenbremse für den Haushaltsgesetzgeber gilt. Wir haben sie so formuliert, dass sie erstmalig ihre Wirkung zum 01.01.2012 entfaltet hat und deswegen hat genau jetzt die Koalition von CDU und SPD einen Haushalt vorgelegt, der mit der Wirkung der Schuldenbremse, die wir in der letzten Wahlperiode in der Landeshaushaltsordnung verankert haben, jetzt Haushalte ohne neue Schulden vorlegen können und unsere Thüringer Schuldenbremse einhalten können.