Protokoll der Sitzung vom 24.02.2012

Keine Zustimmung zu Steuersenkungen im Bundesrat Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/4043

Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, am 30.04.2010 hat der Landtag einen Beschluss gefasst mit dem Namen „Handlungsschritte für die Zukunft Thüringens“ in der Drucksache 5/902. Unter Punkt II.7 heißt es wörtlich, ich zitiere: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, „durch aktives Handeln im Bundesrat dazu beizutragen, dass die finanzielle Situation des Landes und der Kommunen verbessert und nicht durch weitere Steuersenkungen zulasten von Land und Kommunen verschärft wird.“ Dieser fast zwei Jahre alte Beschluss war allgemein gehalten. Jetzt haben wir einen konkreten Anlass, nämlich die geplante Steuersenkung der Bundesregierung und die Behand

lung im Bundesrat. Mit unserem Antrag wollen wir den Beschluss von 2010 updaten auf einen aktuellen Vorgang und damit der Landesregierung die Erwartung des Parlaments in diesem konkreten Fall mit auf den Weg nach Berlin geben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete Keller, für die Begründung. Die Landesregierung hat angekündigt, von der Möglichkeit eines Sofortberichts keinen Gebrauch zu machen. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst das Wort dem Abgeordneten Huster von der Fraktion DIE LINKE.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist nicht üblich.)

Das ist so üblich.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Anschluss an das, was Frau Keller eingebracht hat, kann ich ergänzen, dass DIE LINKE ja bekanntlich der Auffassung ist, dass die Landesregierung zuallererst dafür sorgen muss, dass die Einnahmebasis der Länder nicht weiter geschwächt wird.

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

Sie kennen die Rahmenbedingungen für unser Bundesland. Die Abschmelzung des Solidarpakts, EU-Förderung und der demographische Faktor sind Probleme für sich genommen genug, da müssen die Steuereinnahmen nicht auch noch vorsätzlich geschrumpft werden. Auf der anderen Seite ist die Beseitigung der kalten Progression in Ordnung, genauso wie die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen in Ordnung ist. Was fehlt, ist eine vernünftige Gegenfinanzierung, die auch noch die Attribute solidarisch und gerecht verträgt. Dies könnte beispielsweise durch eine Anhebung des Spitzensteuersatzes geschehen.

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

Bei der Befassung im Bundesrat vorab wurde ja in einem Entschließungsantrag von fünf Bundesländern dieses thematisiert. Die dem Entschließungsantrag zugrunde liegenden Annahmen sind aber insgesamt zu wenig geeignet. Schon nominal bei 6 Mrd. € Kosten und nur bei 5 Mrd. € Mehreinnahmen verbliebe immer noch ein Minus von 1 Mrd. € für die öffentlichen Kassen. So gesehen käme auch für so einen Entschließungsantrag, sofern er dann zur Befassung der Landesregierung im Bundesrat führen würde, eine Zustimmung nach dem, was wir hier im Landtag beschlossen haben, auch nicht infrage.

(Staatssekretär Rieder)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Steuerkonzept der LINKEN sieht sogar noch höhere Entlastungen im unteren Bereich des Einkommensteuertarifs vor, aber es wird eben vollständig gegenfinanziert, indem die Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht erst bei Einkommen von mehr als 100.000 € greifen soll, sondern schon bei 65.000 €.

Meine Damen und Herren, wenn die Bundesregierung das Steuerkonzept der LINKEN zur Grundlage ihrer Überlegungen bei der Einkommensteuer nehmen würde, also nicht nur teilweise sondern ganz, dann könnte die Entlastung der unteren Einkommen sogar noch höher ausfallen, und die öffentlichen Einnahmen würden trotzdem nicht geschröpft werden. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Kowalleck von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat schon einführend gesagt, dass sich der heutige Antrag umfassend mit dem Steuerrecht beschäftigt und auch mit den unterschiedlichen Einstellungen und Überzeugungen dazu. Das gegenwärtige Steuerrecht ist unübersichtlich und kompliziert. Die Vielfalt der deutschen Steuergesetzgebung ist dafür der beste Beweis und wir haben hier an dieser Stelle im Hohen Hause auch schon verschiedentlich über eine Reform der deutschen Steuergesetzgebung diskutiert. Ich erinnere hier nur an das Thema der Mehrwertsteuersätze. Hier gab es auch eine entsprechende Initiative des Landes Thüringen und hier - davon bin ich überzeugt und das hatte ich auch damals gesagt - müssen wir unbedingt reformieren, weil diese Unterschiede, die da vorherrschen, von den Menschen gar nicht mehr verstanden werden. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist wesentlicher Inhalt der Steuergerechtigkeit. Aus diesem Grund müssen Privilegien, Bevorzugungen und Ausnahmetatbestände im Steuerrecht abgebaut und das deutsche Einkommensteuerrecht weiter vereinfacht werden.

Eine Steuer mit maßvollen Steuersätzen droht an der ständig wachsenden Leistungserwartung gegenüber dem Staat zu scheitern. Wir haben die verschiedenen Diskussionen der Lobbyverbände, das ist klar, und, wie ich eingangs auch erwähnt habe, auch die unterschiedlichen Vorstellungen der einzelnen Parteien und Gruppierungen.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE zeigt gerade in der Begründung die unterschiedlichen Vorstellungen, die auch hier im Hohen Hause in Bezug auf

ein gerechtes Steuersystem bestehen. Zum vorliegenden Antrag muss zunächst festgestellt werden, dass es im Bundesrat keine Mehrheit zu den Steuersenkungsplänen der Bundesregierung gab. Thüringen hat sich in der Februar-Sitzung enthalten. Im Bundestag wird die dritte Lesung erfolgen und danach wird sich wiederum der Bundesrat damit beschäftigen.

Im Antrag erwähnen Sie ein nach Ihrer Auffassung ungerechtes Steuersystem und die Steuersenkungspolitik der Bundesregierungen Schröder und Merkel. Ich muss sagen, wir dürfen an dieser Stelle nicht vergessen, dass es gerade bestimmte Entscheidungen auch in Sachen Steuerrecht waren unter der Führung von Angela Merkel, die uns hier doch hervorragend durch den Sturm der Finanzkrise gebracht haben. Das muss an dieser Stelle anerkannt werden. Das wird international anerkannt und natürlich auch national. Hier sollten wir die Augen nicht vor den Tatsachen verschließen.

Herr Huster hatte die kalte Progression angesprochen. Es ist nachvollziehbar, diese abfedern zu wollen und somit eine indirekte Steuererhöhung zu verhindern bzw. abzuschwächen. Es soll verhindert werden, dass Lohnerhöhungen zum Inflationsausgleich sich durch höhere Steuersätze nicht rentieren. Das hilft dann auch den kleineren und mittleren Einkommen. In Ihrer Vorlage wird auch erwähnt, dass insgesamt um die 6 Mrd. € als Entlastung für den Steuerzahler erfolgen sollen nach dem Willen der Bundesregierung. Hier muss gesagt werden, dass ein Großteil dieser Mindereinnahmen, die es sind, durch Umschichtungen selbst gedeckt und damit die Einnahmeausfälle der Länder kompensiert werden müssen, wenn das so käme. Unter Berücksichtigung der Verschuldung von Bund und Freistaat sind Steuersenkungen zum jetzigen Zeitpunkt durchaus problematisch, da gebe ich Ihnen, was das angeht, recht. Ich verweise hierbei noch mal auf die Koalitionsvereinbarung. Hier haben wir festgeschrieben, dass Steuerveränderungen, die in dieser Legislaturperiode zulasten des Landeshaushalts gehen, im Bundesrat nicht zugestimmt werden soll. In Ihrem Antrag erwähnen Sie den Entschließungsantrag von CDU und SPD. Hier sind wir der Meinung, dieser Entschließungsantrag besteht, den haben Sie in Ihrem Antrag im Begründungstext erwähnt, der braucht keine Erneuerung. Wir müssen uns aber trotzdem auf jeden Fall der Diskussion stellen, die sogenannte kalte Progression abzumildern. Dies könnte durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags teilweise erreicht werden, zum anderen kommt eine Erhöhung des Grundfreibetrags in erster Linie den Bürgern mit niedrigem Einkommen zugute. Im Ergebnis ist es deshalb sinnvoll, diesen Grundfreibetrag anzuheben und zu schauen, ob weitere Privilegien, Bevorzugungen und Ausnahmetatbestände im Steuerrecht dafür abgebaut werden können.

(Abg. Huster)

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch mal ganz konkret werden. Sie können das in der Zeitung „Finanztest“ Nr. 2/2012 nachlesen. Da ist auf Seite 57 ein Artikel mit „Etwas mehr steuerfrei“ benannt. Hier gibt es direkte Beispiele, wo man nachvollziehen kann, inwieweit werden die Bürger entlastet durch dieses Vorhaben der Bundesregierung. Darüber muss man ganz einfach diskutieren. Das wird draußen gemacht, denn es ist vielleicht zu einfach zu sagen, wir wollen das eine nicht, aber irgendwo ist es angemessen, dann trotzdem auf diese kalte Progression einzugehen. Ich möchte an dieser Stelle nur noch mal ein konkretes Beispiel nennen. Das Einkommen eines Arbeitnehmers steigt um 3 Prozent von 20.000 € auf 20.600 € im Jahr. Seine Steuerlast steigt aber stärker als sein Einkommen, zurzeit um 6 Prozent. Er muss 162 € mehr Einkommensteuer zahlen als vor der Gehaltserhöhung. Nach der Tarifänderung im Jahr 2013 würde die Steuerlast bei derselben Erhöhung gegenüber der Steuer 2012 nur um 4,4 Prozent steigen, 2014 nur um 1,7 Prozent. Wir haben hier noch mal ausgeführt in dieser Ausgabe von Finanztest, dass nach dem derzeitigen Gesetzentwurf der Bundesregierung Spitzenverdiener von der Entlastung weniger profitieren. Mein Appell ist einfach noch mal, ganz ehrlich wirklich zu sagen, wir vergleichen das, setzen uns mit den Tatsachen auseinander und bereden dieses ganz ehrlich. Aber ich muss sagen, die Faktenlage im Bundesrat besteht und der gemeinsame Entschließungsantrag besteht auch. Aus diesen Gründen, denke ich, haben wir dazu schon alles genannt.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Recknagel von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, DIE LINKE versucht mit diesem Antrag ihre Politik der Ausbeutung der Leistungsträger fortzusetzen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Sie fordern immer wieder gern Gerechtigkeit

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Ja, genau.)

und in Wirklichkeit verschärfen Sie die Ungerechtigkeit.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Mir kommen die Tränen!)

(Beifall FDP)

Sie haben eben schon genau das Thema richtig erfasst, die kalte Progression. Dann behaupten Sie doch tatsächlich, das würde im Wesentlichen die

hohen Einkommen entlasten. Sie zeigen ein weiteres Mal, dass Sie das deutsche Steuerrecht nicht verstehen und dass Sie insbesondere nicht verstehen, welche Wirkung das auf die Bürger dieses Landes hat.

(Beifall FDP)

Nach dem Grundgesetz sollen die Deutschen nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Nach dem Grundgesetz verpflichtet Eigen- tum!)

Sie gehen darüber hinaus, Sie besteuern Inflation. Aber das hat bei Ihnen Methode, Inflation frisst schließlich die Schulden auf, die Sie aufhäufen, und Inflation erhöht nebenbei auch noch die Steuereinnahmen, weil Sie den Arbeitnehmern dieses Landes die Entlastung vorenthalten.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Herr Recknagel, haben Sie die Rede mit Ihrer Büt- tenrede verwechselt?)

Sie haben in Ihrem Punkt 2 geschrieben, die Landesregierung möge doch die finanziellen Auswirkungen der Umsetzung der Vorgabe aus Artikel 109 Grundgesetz darstellen.

(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Wir sind des Lesens mächtig.)

Ich kann Ihnen die Auswirkungen sagen. Im Wesentlichen erspart das Land Zinsen, wenn es weniger Schulden macht.

(Beifall FDP)

Dass Ihnen das nicht passt, weiß ich. Ihnen geht es auch nicht darum, was in der Zukunft unsere Kinder und Enkel zu zahlen haben, sondern Ihnen geht es nur um den momentanen Vorteil und das momentane Geschrei.

(Beifall DIE LINKE)

Da können Sie noch so laut werden, falsch bleibt es weiterhin. Falsch ist es auch, dass in Deutschland etwa Vermögen privilegiert wäre. Am Schlimmsten war es in der Zeit, die Gott sei Dank hinter uns liegt. Da haben Sie mit Vermögen ganz andere Dinge angestellt zum Schaden der Deutschen, zum Schaden der Thüringer.

(Beifall FDP)

Sie haben dieses Land ruiniert und diese Politik versuchen Sie heute auf andere Weise fortzusetzen.