Protokoll der Sitzung vom 24.02.2012

Worum es also tatsächlich geht, ist, darüber in Ruhe zu sprechen, wo Medikamentengaben sinnvoll sind und wo nicht. Wir müssen aus diesen hohen Zahlen, die uns bekannt sind, tatsächlich die richtigen Konsequenzen ziehen. Deswegen rufen wir mit unserem Antrag auch die Landesregierung auf, Lösungsvorschläge zu machen, mehr Transparenz herzustellen, eben bessere Dokumentationen und Datensätze zu beschaffen und auch Änderungen bei den Vorgaben zum Medikamenteneinsatz tatsächlich zu besprechen und einzufordern.

Ich sagte es schon - und das ist eines der Kernprobleme: Wir haben die falsche Tierhaltung, die die Tiere im Zweifel systemisch krank macht. Wenn einzelne Tiere erkranken, läuft es im Augenblick so, dass im Zweifel aufgrund der Ansteckungsgefahr die anderen 10.000 Tiere, die an der gleichen Stelle gehalten werden, eben präventiv auch Antibiotika bekommen. Da muss ich Ihnen auch gar nicht näher erläutern, warum das der falsche Ansatz ist. Der richtige Ansatz wäre, Prävention insofern zu betreiben, dass diese einzelnen Tiere nicht überfordert werden durch nicht artgerechte Tierhaltung, sondern dass man sich überlegt, wo wir uns Vorbild nehmen wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vorbilder gibt es in der Tat, da brauchen Sie sich nur die EU-Öko-Verordnung anzuschauen. So kann es gehen. Natürlich - und das gehört zur Wahrheit dazu - wäre die Konsequenz, dass nicht mehr so viele Tiere gehalten werden können. Dann komme ich zu unserer Verantwortung. Das Problem würde dann nicht bestehen, wenn wir bewusster Fleisch konsumieren würden. Auch hier möchte ich Frau Taubert ausdrücklich zustimmen, dass wir an dieser Stelle einfach unsere eigenen Gewohnheiten hinterfragen sollten, da gibt es ja auch gute Ideen, da komme ich gleich noch mal darauf zu sprechen.

Ein Punkt der mir besonders wichtig ist, ist die Erfassung des Antibiotika-Einsatzes. Wir haben Statistiken in verschiedenen Ländern - NRW wurde hier zitiert -, aber gerade bei Mastgeflügel gibt es nach wie vor viele Ausnahmeregelungen, so dass auch die Frage der Datenerhebungen beim Antibiotikaeinsatz umgangen werden kann. Hier müssen wir auch - das ist auch etwas, was in der Debatte im Sozial- und im Landwirtschaftsausschuss besprochen werden kann - schnellstmöglich umsteuern.

Ein anderes Mittel ist, Verbraucher- und Verbraucherinnenaufklärung, deswegen auch unsere Idee

(Abg. Kummer)

mit der Kampagne. Wir würden uns hier freuen, wenn tatsächlich eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur bewussten Reduzierung des Fleischkonsums im Sinne der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zustande kommt. Das ist keine GRÜNE Erfindung, auch wenn manche jetzt schon Sorgenfalten im Gesicht haben, ich sehe das von hier. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat sich das sehr wohl überlegt, was sie empfiehlt. Wenig Fleisch hat Vorteile, das ist tatsächlich so. Nicht nur, dass es deutlich günstiger wäre, weil schlicht viele Krankheiten gar nicht mehr so intensiv auftreten würden, die Herz und Kreislauf und andere Dinge betreffen. Nicht für umsonst - das kennen Sie alle, das hängt nicht nur in Schulen aus, sondern auch bei Kinderärzten und so weiter - fünfmal täglich Obst, das hat alles seine Gründe, nämlich sich bewusst zu ernähren, auch in diesem Zusammenhang zu sehen.

Der zweite Punkt, den die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, ist, dass wir uns bewusst machen sollten, was wir da eigentlich auch konsumieren. Wenn Sie sich vor Augen halten, dass für 1 kg Rindfleisch 15.000 Liter Wasser und 15.000 kg Futter verbraucht werden, dann finde ich, sollte man mal darüber nachdenken, was bewusster Konsum von Rindfleisch tatsächlich heißt. Weniger Fleisch bedeutet natürlich nicht nur Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Wasser, Boden, Luft und Klimaschutz, es bedeutet auf der anderen Seite natürlich auch gesunde Ernährung.

Was wir nicht wollen, jetzt kommt gleich wieder der Oberlehrer-Vorwurf vermutlich, ist, dass wir jetzt alle auf Fleisch verzichten. Wir wollen auch nicht als GRÜNE unsere Gesellschaft zu Vegetariern umerziehen oder irgendwelche anderen Dinge. Aber weniger Fleisch heißt zum einen, dass es den Tieren, die artgerecht hoffentlich gehalten werden, besser geht, auf der anderen Seite wir uns gesünder ernähren und zum Dritten uns ganz bewusst machen, was Maßhalten heißt - alles zu seiner Zeit. Da gibt es auch Initiativen, vielleicht hat der eine oder die andere von Ihnen schon mal was vom Veggiday gehört, an dem man bewusst einmal pro Woche auf Fleisch verzichtet, schlicht und ergreifend, weil zu viel davon ungesund ist. Da gibt es gute Kampagnen, an die sich Thüringen hoffentlich auch anschließen kann. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist Fastenzeit, ich faste auf Fleisch, vielleicht der eine oder andere von Ihnen auch

(Beifall CDU, FDP)

und die weitere Debatte zu allem, was unseren Antrag betrifft, führen wir hoffentlich in den beiden genannten Ausschüssen mit der nötigen Fachlichkeit und vielleicht auch mit viel Interesse von Frau Tasch, die sich hier schon in die Debatte einbringen will, und Herrn Primas weiter.

Vielen herzlichen Dank, Frau Siegesmund. Das Wort hat jetzt allerdings zunächst Abgeordnete Franka Hitzing für die FDP-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde mich als Erstes, liebe Frau Siegesmund, den Vorrednern und dem Ansinnen anschließen, dass wir im Ausschuss über dieses Thema reden, weil das Thema AntibiotikaEinsatz durchaus wichtig ist und es ist auch diskussionswert und ich möchte aber trotzdem nur in einem Satz anmerken, dass gerade jetzt am 10. Januar dieses Jahres durch die Bundesministerin sehr viel veranlasst worden ist, also die Bundesregierung hat das Thema schon erkannt.

(Beifall FDP)

Es gibt viele Maßnahmen, die erwähnt werden müssen, die sich genau mit diesem Thema beschäftigen. Trotzdem, Sie sagten, Sie möchten darüber reden und ich will auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass ich das nicht tun will, und deshalb werden wir uns dem anschließen. Ich hätte mir bei manchen Anträgen gewünscht, dass sie so tolerant unseren Anträgen gegenüber auch sind und mich nicht von Anfang an belehren, dass alles Quatsch ist, weil auch dahinter ein guter Gedanke steckte.

(Beifall FDP)

Ich komme nur zu den letzten zwei Punkten, das sind die Punkte 5 und 6 Ihres Antrags, in dem Sie erstens - Sie haben das eben noch mal erwähnt darauf verweisen, dass wir eine Kampagne starten sollten, die den Leuten klarmacht, Fleischessen sollte man reduzieren, aus welchen Gründen auch immer. Es gibt natürlich den berechtigten Ansatz von mündigen Bürgern dieses Landes, die sagen, ich esse erstens, was ich will, und zweitens entscheide ich auch, was für mich gesund ist.

(Beifall FDP)

Der Mensch ist im Grunde genommen kein reiner, ich glaube, von der Evolution her kann man schon behaupten, dass der Mensch kein Gemüseesser und kein Vegetarier ist. Das sind wir nicht und so haben wir uns auch entwickelt. Die Menschheit hat sich entwickelt mit Fleischkonsum.

(Unruhe im Hause)

Frau Abgeordnete Hitzing - wenn wir etwas ruhiger sein können -, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Siegesmund?

(Abg. Siegesmund)

Mit Ihrer Erlaubnis am Ende?

Sie würde gern am Ende eine Frage zulassen.

Vielleicht hat sich dann das eine oder andere schon erledigt. Ich weiß auch, dass Sie darauf hinwollen, dass es einfach nur darum geht, den Konsum zu reduzieren. Aber ich möchte es einfach noch einmal gesagt haben. Sie wissen sicherlich auch sehr genau, dass gerade im Bereich der Schulen sehr viel dafür getan wird, Kindern gesundes Frühstück nahezubringen und ihnen zu erklären, wie man sich gesund ernähren kann. Extreme Ernährungsvarianten sind nach meinem Dafürhalten grundsätzlich nicht die, die gesundheitsfördernd sind.

(Beifall FDP)

Eine ausgewogene Ernährung ist meines Erachtens der Schlüssel zum Erfolg. Aber da können Sie durchaus eine andere Meinung haben. Ich glaube aber nicht, dass sich eine restriktive Kampagne durchsetzen wird.

Zum Punkt 6, der Veggiday, den Sie in behördenverantworteten Kantinen gern einführen möchten pro Woche, da möchte ich Ihnen entgegenhalten, wenn man sich diese Kantine hier ansieht, es ist tatsächlich täglich möglich, hier Salat zu essen, Obst zu essen oder vegetarisch zu essen, das kann man, das kann man frei entscheiden. Ich entscheide das für mich auch. Aber es gibt tatsächlich Menschen, die lieben es, auch ein Stück Fleisch zu essen, und das auch Montag und auch Freitag und egal an welchem Tag.

(Beifall CDU, FDP)

Ich appelliere da einfach an Ihre Großzügigkeit, dass man das der Intelligenz der Menschen überlassen sollte, zu entscheiden, wann und wann nicht.

(Beifall CDU, FDP)

Also restriktiv einen Tag einzuführen, das scheint mir wirklich ein bisschen weit hergeholt. Ich will auch keine Diktatur, wenn es ums Essen geht, ich will sie nicht, wenn es um die Bildung geht, und ich will überhaupt keine Diktatur mehr. Da sind gerade BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer mit Vorreiter gewesen. Also lassen Sie den Leuten ihre Intelligenz, selbst zu entscheiden.

(Beifall CDU, FDP)

Letzter Satz: Ich habe da in den Reihen gehört bei den Kollegen - Herr Primas sprach ja schon und hat Sie außerordentlich gelobt für Ihren Antrag, und den ersten Teil finde ich auch gut und diskutierens

wert. Aber als Sie über diesen Veggiday gesprochen haben und dieses Einschränken, da sollte ich mit auf den Weg geben, an der Stelle zieht er das Lob ausdrücklich zurück. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Frau Hitzing, Sie hatten der Abgeordneten Siegesmund noch die Antwort auf eine Frage versprochen.

Frau Hitzing, ich möchte jetzt gar nicht auf die Frage der Evolution usw. eingehen, aber ist Ihnen bekannt, dass, wenn weltweit der Fleischkonsum überall genauso hoch wäre wie in der Bundesrepublik, es überhaupt nicht möglich wäre, so viele Tiere zu halten, weil schlicht weder die Anbaumöglichkeiten für das Futter noch die ganzen Kosten - ich sagte Ihnen vorhin, die Ressourcen, die verbraucht werden, Wasser usw. - nicht existieren? Ist Ihnen das bekannt?

Ich halte Ihnen entgegen: Ist Ihnen bekannt, dass, wenn überall so viel Vita Cola getrunken würde wie in Deutschland oder Coca Cola getrunken würde wie in Deutschland eventuell die Zuckerproduktion nicht ausreichen würde?

(Beifall CDU, FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Hitzing. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Dr. Thomas Hartung für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich danke für den Sofortbericht, ich danke auch ausdrücklich für Ihren Antrag. Ich halte ihn für wichtig, ich halte ihn auch für gut. Ich finde, die Diskussion in den zuständigen Ausschüssen wird auch sicher fruchtbringend sein. Aber ich möchte mit einer Sache, Frau Siegesmund, Ihnen gleich helfen. Es ist nicht so, dass das leichtfertiger Antibiotikaeinsatz ist. Dieser Antibiotikaeinsatz ist systemimmanent. Das heißt, es wird keine Massentierhaltung ohne systematischen Antibiotikaeinsatz geben. Das ist nun mal so.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Geben kön- nen.)

Wird keinen geben können, na ja klar. Weil, es ist natürlich völlig klar, wenn wir Tausende von Tieren einer Art zusammenpferchen, ich nehme jetzt mal

den Begriff, die unter normalen natürlichen Bedingungen niemals in diesen Konstellationen auftreten würde, dann ist es natürlich so, dass sich Krankheiten schneller verbreiten und dann ist es natürlich so, dass man neben den kranken Tieren auch die gesunden Tiere behandelt, damit nicht der ganze Viehbestand stirbt. Gleichzeitig ist es so, dass bei der industriellen, im Volksmund auch Massentierhaltung genannt, es natürlich so ist, dass Käfige, gerade enge Käfige dazu führen, dass Tiere schwärende Wunden haben, dass da Verletzungen auftreten usw. Diese Verletzungen werden mit Antibiotika behandelt, was eine schlechte Therapie ist. Beim Menschen würde man das so nicht machen. Aber es ist einfach die einfachste und ist die billigste Therapie und deswegen wird das angewandt und das lässt sich auch nachweisen.

Es gibt Zahlen - Sie hatten Zahlen, glaube ich, aus NRW zitiert, es gibt Zahlen aus Niedersachsen -, danach werden Puten und Hühner zu 90 Prozent während ihrer Aufzucht mit Antibiotika gefüttert. Bei Mastschweinen sind es 77 Prozent, bei Jungrindern sind es 80 Prozent und bei Mastkälbern sogar 100 Prozent der Kälber, die mit Antibiotika aufgezogen werden. Das ist etwas, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Das ist systemimmanent. Das heißt, wenn wir das nicht wollen, müssen wir die industrielle Tierhaltung insgesamt infrage stellen. Ich möchte ja nicht mal sagen, was das für das Tier bedeutet, was das für die Gesundheit bedeutet.

Ich möchte mal die Folgen grob aufzeichnen. Die multiresistenten Keime - die haben uns hier in diesem Haus schon ein paar Mal beschäftigt in unterschiedlichen Anträgen - stammen zu einem erheblichen Teil aus der Massentierhaltung. Gerade vor zwei/drei Tagen ging ein Artikel aus dem US-Fachmagazin „mBio“ durch die Ärztekreise, in denen erstmals wirklich nachgewiesen wurde der Entstehungsweg eines dieser besonders gefährlichen Keime. Der ist ohne Antibiotikaresistenzen vom Menschen auf Tiere in Tierproduktionsstellen übertragen worden. Dort ging er durch den Hexenkessel einer evolutionären Brutstätte und ist als multiresistenter Keim praktisch zurückgekommen. Das ist nicht nur eine Vermutung, das lässt sich beweisen. In unserer Normalbevölkerung sind 25 Prozent der Menschen mit MRSA besiedelt, bei den Tierhaltern, bei den Schweinehaltern sind es 85 Prozent, die MRSA-besiedelt sind. Bei den Veterinärmedizinern sind es immer noch 45 Prozent. Auch bei den Menschen, die Verwandte von Schweinehaltern sind, die selber gar keinen Kontakt zu Tieren haben, haben Sie eine deutlich erhöhte Rate von MRSA-Besiedlung. Das heißt, es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Massentierhaltung, zwischen Antibiotikaeinsätzen in der Massentierhaltung und Verbreitung multiresistenter Keime. Das ist nicht einfach so dahergeholt, das hat auch eine volks

wirtschaftliche Komponente. Allein für Staphylococcus aureus, also das, was ich gerade MRSA, also das heißt ja Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, allein für diesen Keim nimmt die EU an, dass es europaweit 170.000 MRSA-Infektionen im Jahr gibt in Kliniken. Daraus kommen 5.000 Todesfälle. Diese 170.000 Infektionen mit den Todesfällen führen zu mehr als 1 Mio. zusätzlicher Behandlungstage und schädigen die jeweiligen Gesundheitssysteme jedes Jahr um rund 380 Mio. €, 380 Mio. € durch multiresistente Keime aus der Tierzucht. Das ist eine Zahl, die sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Ich persönlich bin der Überzeugung, es ist sehr wohl wichtig, dass wir uns den Umgang mit Fleisch noch mal genau überlegen, es genau auf den Prüfstand stellen. Ich bin der Überzeugung, dass wir uns entscheiden müssen, wollen wir billiges Fleisch, was uns später teuer zu stehen kommt, oder wollen wir irgendwann umdenken und vielleicht etwas weniger Fleisch konsumieren und hier und da auf eine Massentierzuchtanlage verzichten? Vielen Dank.

(Beifall SPD)