Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

3. Für wie viele Thüringer Kulturdenkmale wurde seit der Einführung dieses Satzes in das Thüringer Denkmalschutzgesetz am 14. April 2004 die Erlaubnis für einen Abriss aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit erteilt? (Es wird um eine Auflistung in Jahresscheiben gebeten.)

4. Hat die Landesregierung die Möglichkeit der Einführung einer Vollzugsrichtlinie zur konkretisierenden und die Interessen von Denkmal- und Eigentumsschutz abwägenden Auslegung geprüft und gedenkt die Landesregierung, eine am Vorbild Bayerns orientierte und den Vorgaben des BVerfG genügende Auslegungsrichtlinie für die Prüfung der Zumutbarkeit im Erlaubnisverfahren nach § 13 ThürDSchG zu erlassen?

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Prof. Deufel.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Adams und Schubert wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung ist über die Anhängigkeit des Streitverfahrens informiert. Die Landesregierung hat beide Positionen geprüft und festgestellt, dass die durch die Obere Denkmalschutzbehörde getroffene Festlegung richtig ist. Vergleichbare Fälle sind der Landesregierung nicht bekannt.

Zu Frage 2: Der § 7 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Denkmalschutzgesetzes ist nicht als denkmalunfreundlich zu bezeichnen und ja, er entspricht dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.

Zu Frage 3: Eine statistische Erhebung hierzu liegt der Landesregierung nicht vor.

Zu Frage 4: Einer „Richtlinie“ für die Anwendung des § 7 Abs. 1 des Thüringer Denkmalschutzgesetzes bedarf es nicht, da im Gesetz bereits eine ausführliche Regelung vorhanden ist. Bayern hingegen hat keine der Norm des § 7 Abs. 1 vergleichbare Regelung in sein Denkmalschutzgesetz aufgenommen.

Gibt es dazu Nachfragen? Das ist der Fall.

Die Antwort erstaunt mich zunächst. Ich habe zwei Nachfragen, die ich gleich zusammen stellen würde.

Zunächst zu Punkt 3, da sagen Sie, eine Statistik haben Sie nicht. Ich muss jetzt mal fragen: Das Land hat keinen Überblick darüber, wo in Thüringen wann welche Denkmale abgerissen werden, die man dann auch aus dem Verzeichnis der Denkmale streichen müsste? Das kann ich nicht glauben. Ich möchte da noch mal nachfragen, ob das Land Thüringen tatsächlich keinen Überblick über abgerissene Denkmale und den Grund für ihre Abrissgenehmigung hat.

Zweitens: Sie sagen, dass wir so eine Auslegungsrichtlinie wie in Bayern nicht bräuchten. Ist Ihnen bewusst, dass in Erfurt in den letzten Jahren ein Bauhausdenkmal, nämlich eines von zwei in Deutschland noch bestehenden Schwimmbädern aus der Zeit des Bauhauses, abgerissen wurde, weil man die Kosten für die Sanierung oder einen

Neubau in der Größenordnung um die 100.000 € nicht aufbringen wollte und man sich darauf bezogen hat, dass das OVG sagt, nach der Thüringer Regelung muss die Abrissgenehmigung erteilt werden, wenn es auch nur 1 € Unterschied gibt. Würden Sie mir nicht zustimmen, dass damit jedes Kulturdenkmal in Thüringen zum Abriss preisgegeben ist, wenn es nur der Besitzer beantragen würde?

Ich fange mit der letzten Frage an: Ich würde Ihnen da nicht zustimmen; dem widerspricht auch die konkrete Erfahrung. Das darf ich hier außerhalb der Tagesordnung als Besitzer eines Einzeldenkmals, der dieses aufwendig saniert hat, auch sehr konkret aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Die Regelung ist tatsächlich so detailliert im Thüringer Denkmalschutzgesetz, dass wir nicht davon ausgehen, dass wir flächendeckend Denkmale deswegen abgerissen bekommen.

Ich komme jetzt auf Ihre Nachfrage zu Frage 3 zurück: Es gibt tatsächlich keine Statistik hierzu. Das ist auch deswegen nicht zu erwarten, weil diese Entscheidungen ja nicht regelhaft im Widerspruchsverfahren die obere Denkmalbehörde erreichen müssen. Ich werde mich, das würde ich anbieten, bemühen, dass mein Haus auf dem Wege der Nachfrage bei entsprechend nachgeordneten Behörden versucht, diese Zahlen zusammenzutragen. Ich kann Ihnen eine systematische statistische Aufstellung nicht versprechen.

Es gibt dazu eine weitere Nachfrage. Herr Abgeordneter Kuschel.

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass die Regelungen im Denkmalschutzgesetz in der Praxis völlig ins Leere laufen, wenn auch aufgrund der gegenwärtigen Rechtsprechung wirtschaftliche Aspekte bei der Nutzung der Gebäude die denkmalschutzrechtlichen Regelungen überlagern, wie z.B. im Fall des Bauhausgebäudes Milchhof Arnstadt, wo das Land tatenlos zuschaut, dass eines der wenigen Gebäude der sogenannten Hamburger Linie dem Verfall preisgegeben wird, und hilflos tut, während ein Parksünder in diesem Land mit aller Staatsmacht verfolgt wird bis zur Erzwingungshaft, und dort lässt das Land zu, dass Baukultur vernichtet wird. Können Sie das mal erklären? Müssen wir da nicht irgendwie was machen als Gesetzgeber, können Sie uns da eine Empfehlung geben?

Herr Abgeordneter Kuschel, ich habe bei der Beantwortung der letzten Nachfrage davon abgesehen, mich auf Sie zu beziehen und die Befürchtung auszusprechen, dass, wenn wir die Regelungen hier wesentlich verschärfen würden und die Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange im Denkmalschutz hintanstellen würden, ich möglicherweise Nachfragen aus Ihrer Richtung erwarten müsste, die den Besitzern solcher Objekte die erheblichen Kosten dieser unwirtschaftlichen Sanierung aufbürden würden. Ich will als jemand, dem der Denkmalschutz ein hohes persönliches Anliegen und auch eine fachliche Verpflichtung im Rahmen meiner Zuständigkeit in meinem Hause ist, einfach festhalten, dass es mitnichten denkmalunfreundlich ist, wenn ich Bedingungen herstelle, Denkmalschutz in der Bevölkerung und bei den Besitzern von Denkmalen akzeptabel zu halten. Dazu gehört es auch, dass ich Notlagen anerkenne, unter denen unter spezifischen Bedingungen auch Denkmäler geopfert werden müssen, wenn sie wirtschaftlich nicht zu erhalten sind. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sich die in Thüringen mit Sicherheit außerordentlich denkmalfreundliche und auf die Erhaltung hin ausgerichtete Praxis überhaupt in der Bevölkerung akzeptabel halten kann.

Frau Abgeordnete Wolf, signalisieren Sie, dass Sie eine Frage stellen möchten? Eine ist noch übrig, das geht. Bitte.

Ich habe die Frage des Abgeordneten Adams auch anders verstanden. Er fragte nicht nach einer Statistik über abgerissene Häuser, sondern vielmehr nach einer Übersicht über abgerissene Häuser und dementsprechend natürlich über die aktuelle Denkmalliste. Existiert denn eine aktuelle Übersicht, was im Land wirklich noch als Denkmal existent ist und was in dem Zusammenhang dann abgerissen wurde?

Die Thüringer Denkmalliste ist sicher vorhanden. Das ist auch klar, sie ist auch einsehbar. Ich kann ihr aber nicht entnehmen, was abgerissen wird. Ich hab deswegen auch dem Abgeordneten Adams zugesagt, dass ich mein Haus bitten werde, eine entsprechende Zusammenstellung auf der Grundlage spezifischer Nachfragen bei den Denkmalbehörden zu erstellen.

Damit ist das Fragepotenzial zu dieser Anfrage insgesamt erschöpft - rein quantitativ. Ich rufe als Nächstes die Anfrage von Frau Abgeordneten Renner, Fraktion DIE LINKE, in Drucksache 5/294 auf.

Verantwortung der Thüringer Polizei im Umgang mit Rechtsextremismus stärken

In Beantwortung der gleichnamigen Kleinen Anfrage in Drucksache 5/201 vom 10. Dezember 2009 teilte die Landesregierung mit, dass es nach den Mitteilungen der Behörden und Einrichtungen der Thüringer Polizei in den Jahren 2000 bis einschließlich 2009 ausschließlich im Jahr 2009 und ausschließlich im Bereich der Polizeidirektion Gotha ein Ermittlungsverfahren gegen einen Bediensteten der Thüringer Polizei gegeben habe, das sich auf Vorkommnisse mit rechtsextremem Hintergrund bezieht. Weiterhin wurde mitgeteilt, dass der Disziplinarvorgesetzte des Autors eines Artikels im "Polizeispiegel" (Heft 10, Oktober 2009, Thüringen, S. 5 f.) angewiesen wurde, in eigener Zuständigkeit ein Disziplinarverfahren gegen den Polizeibeamten einzuleiten.

Am 11. Dezember 2009 konnte der Lokalausgabe der „Thüringer Allgemeinen“ Sömmerda entnommen werden, dass der Leiter der Polizeiinspektion Sömmerda in erster Instanz u.a. wegen Geheimnisverrats verurteilt worden sei, weil dieser Informationen über eine bevorstehende Razzia gegen die rechtsextreme Szene verbreitet habe. In dem Artikel wird darüber hinaus die Ansicht des Ordnungsamtsleiters wiedergegeben, wonach der Leiter der Polizeiinspektion laut anonymer Mitteilungen "Kontakt" in die rechtsextreme Szene pflege und in Sömmerda "bislang keine rechten Straftaten aufgeklärt worden" seien.

Ich frage die Landesregierung:

1. Aus welchem Grund wurde das obengenannte Ermittlungs- und eingeleitete Strafverfahren in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 54 nicht genannt?

2. Ist davon auszugehen, dass neben dem genannten Strafverfahren noch weitere Ermittlungs- und Disziplinarverfahren durch die Landesregierung bzw. durch Behörden und Einrichtungen der Thüringer Polizei nicht genannt wurden und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Wirksamkeit polizeilicher Tätigkeit im Hinblick auf rechtsextremistische Straftaten in Sömmerda und welche Schlussfolgerungen werden daraus gezogen?

4. Ist das Disziplinarverfahren gegen den Autor des genannten Artikels im "Polizeispiegel" zwischenzeitlich eingeleitet und welche Ergebnisse liegen bereits vor?

Darauf antwortet der Innenminister.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Renner beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Das Ermittlungs- bzw. Strafverfahren gegen den ehemaligen Leiter der Polizeiinspektion Sömmerda wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen und einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353 b Strafgesetzbuch wurde in der Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage 54 nicht genannt, weil es nicht von der Fragestellung umfasst war. Dort wurde nach Disziplinar- und/oder Ermittlungsverfahren gefragt, die sich auf Vorkommisse mit rechtsextremem Hintergrund beziehen. Ein solcher ist hier nicht erkennbar.

Zu Frage 2: Das Thüringer Innenministerium hat in der Antwort auf Frage 1 der Kleinen Anfrage 54 darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft keine gesonderte Statistik im Sinne der Fragestellung nach eingeleiteten Ermittlungsverfahren führt. Ferner wurde dort ausgeführt, dass eine Beantwortung der Frage insofern nur nach Durchsicht sämtlicher Verfahrensakten möglich wäre. Schließlich wurde auf das Entfernungsgebot nach § 78 Abs. 2 Thüringer Disziplinargesetz hingewiesen. Hiernach sind die in einer Personalakte enthaltenen Vorgänge und Eintragungen über die Disziplinarmaßnahme nach Eintritt des Verwertungsverbots von Amts wegen zu entfernen und zu vernichten.

Zu Frage 3: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus stellt seit Jahren einen Schwerpunkt der Tätigkeit der Thüringer Landesregierung und der Thüringer Polizei dar. In Sömmerda ist es gelungen, die Anzahl der Straftaten auf relativ geringem Niveau zu halten. In den letzten fünf Jahren wurden in Sömmerda insgesamt 45 rechtsextremistische Delikte registriert, darunter ein Gewaltdelikt. Überwiegend wurden Propagandadelikte festgestellt. Die Aufklärungsquote bewegt sich etwa auf Landesdurchschnitt und entspricht der Aufklärungsquote vergleichbarer Städte in Thüringen. Innerhalb Thüringens besitzt die rechtsextremistische Szene Sömmerdas keine Bedeutung. Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass die Bearbeitungszuständigkeit für rechtsextremistische Delikte in der Kriminalpolizei

inspektion Erfurt und nicht in der Polizeiinspektion Sömmerda liegt. Der in der Mündlichen Anfrage suggerierte Vorwurf, der Leiter der PI Sömmerda pflege Kontakte in die rechte Szene und deswegen seien in Sömmerda bislang keine rechten Straftaten aufgeklärt worden, kann also schon aus Zuständigkeitsgründen nicht zutreffen.

Zu Frage 4: Gegen den Autor des genannten Artikels im „Polizeispiegel“, Heft 10, Oktober 2009, Seite 5 ff. wurde mit Disziplinarverfügung der Polizeidirektion Nordhausen vom 29. Dezember 2009 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das Ergebnis der Ermittlungen des bestellten Ermittlungsführers bleibt abzuwarten.

Es gibt dazu Nachfragen. Frau Abgeordnete Renner, bitte.

Herr Minister, ich hätte eine einzige Nachfrage: Könnten Sie zu Ihren allgemeinen Ausführungen zur Aufklärungsquote vielleicht noch eine konkrete Zahl anfügen? Das war mir zu abstrakt, um die Frage 3 wirklich qualitativ als beantwortet anzusehen.

Frau Abgeordnete Renner, ich habe im Rahmen der polizeilichen Kriminalstatistik diese Aufklärungsquote schon einmal mitgeteilt. Ich habe sie jetzt hier nicht zur Hand, kann das aber gern nachreichen.

Es gibt keine weiteren Nachfragen. Ich schließe jetzt nicht nur diese vierte Frage ab, sondern die Fragestunde für heute und damit die heutige Plenarsitzung. Sie sind darauf hingewiesen worden einmal in der Einladung und zweitens vorhin noch einmal von mir, dass spätestens 18.00 Uhr heute Schluss ist. Die anderen Fragen folgen dann fortlaufend morgen nach den Wahlen. Ich wünsche einen guten Abend.

E n d e d e r S i t z u n g: 17.59 Uhr