Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

stellungen eines bundesweiten einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn in der Mindesthöhe von 8,33 € liegen. Das ist die Wahrheit, das ist die Realität, das kann und muss man auch beklagen, das ist alles völlig richtig, aber es löst natürlich das Problem überhaupt nicht. Bei allem Respekt, liebe Kollegin Holzapfel, insbesondere bei allem Respekt bezogen auf unseren - von mir auch geschätzten, neuen Bundespräsidenten - eine Aussage in diesem Zusammenhang zu zitieren - Freiheit bedeutet auch persönliche Verantwortung -, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, bringt keinen Niedriglohnbezieher, keinen Hartz-IV-Empfänger, keinen von prekärer Beschäftigung Betroffenen auch nur einen Schritt weiter.

(Beifall SPD)

Insofern kann man, glaube ich, damit so nicht umgehen. Wenn man sich die aktuellen Zahlen des IAQ-Reports, gerade vor zwei Monaten vorgelegt im Januar 2012, also vom Institut für Arbeit und Qualifikation, anschaut, dann müssen wir schlicht zur Kenntnis nehmen, dass im Jahr 2010 23,1 Prozent der Beschäftigten für einen Niedriglohn unter 9,15 € - das ist die Niedriglohngrenze, also zwei Drittel des sogenannten Medianlohns - arbeiten, im Osten 39,1 Prozent. Jeder von uns kennt die Thüringer Zahlen, die haben wir schon mehrfach hier vorgestellt. 34 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten unter 8,50 €. Wir haben allein in Thüringen 26.000 Menschen, die Aufstockerleistungen beziehen.

Was will also meine Fraktion, was will das Wirtschaftsministerium mit dem Gesetzentwurf, den wir im Januar als Fraktion auch der Öffentlichkeit vorgestellt haben? Wir wollen einen Mindestlohn von 8,33 €. Wir wollen, dass jeder Arbeitgeber verpflichtet ist, dieses Mindestentgelt zu zahlen und wir wollen ausdrücklich die Wahrung und die Öffnung tarifvertraglicher Regelungen, aber tarifvertragliche Regelungen können auf dieser Basis oberhalb des Wertes von 8,33 € entstehen. Wir wollen die Ermittlung und die Festlegung dieses Mindestlohns, der jährlich angepasst werden soll, durch eine Mindestlohnkommission, die im Benehmen und Einvernehmen mit den Spitzenorganisationen gebildet werden soll. Diese Mindestlohnkommission soll jedes Jahr zum 31.08. einen Mindestlohn festlegen, der dann in den Folgejahren sicherlich auch wachsen muss. Es ist schon genannt worden, das will ich alles nicht wiederholen, dass es natürlich auch Bewegung seitens der CDU in den letzten Monaten gab, auch im Hinblick auf unsere Koalitionsfraktion hier im Thüringer Landtag. Es ist deutlich geworden, dass in der Fraktionsklausur unseres Koalitionspartners eine Lohnuntergrenze von 7,89 € gefordert worden ist im Januar dieses Jahres. Insofern gehört das, glaube ich, wiederum zu dem Teilbereich, wo wir uns aufeinander zubewegen. Aber es gibt, glaube ich, trotzdem noch viele Details zu klären. Diese

Details wurden gestern auch im Rahmen der Mündlichen Anfrage und vom Staatssekretär Staschewski beantworteten Frage in Bezug auf die gebildete Arbeitsgruppe schon angesprochenen. Das ist ja auch allgemein bekannt. Wir haben zwischenzeitlich heute zum dritten Mal gesessen. Es gibt einen weiteren Termin. Ich denke, es ist der richtige Weg, wenn wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE an den Ausschuss überweisen. Das bietet auch die Möglichkeit, den Ausschuss und damit das Parlament in die Diskussion der Arbeitsgruppe mit einzubeziehen. Sicher kann man auch im Rahmen dieses Ausschusses dann aus der Arbeitsgruppe berichten und dann die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Ich gebe allerdings den Antragstellern recht, sehr viel Zeit haben wir hier nicht mehr zu verlieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insofern plädiere ich auch dafür, dass wir an der Stelle zügig weiterarbeiten, damit wir zügig zu Ergebnissen kommen, denn am Ende des Tages sind nicht wir diejenigen, die betroffen sind, sondern die Niedriglohnbezieher und für die muss dringend etwas gemacht werden. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Lemb. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Frank Kuschel für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kolbe wollte mir ja nicht die Ehre geben, die Frage zu beantworten oder wenigstens die Frage zu stellen, ob er sie beantwortet hätte, ist ja jetzt nur spekulativ. Herr Kolbe, Sie haben hier das Mindestlohnniveau

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Kop- pe!)

- Koppe, Entschuldigung -, das unterschiedliche Mindestlohnniveau der einzelnen Bundesländer verglichen, aber Sie wissen schon, dass die entscheidende Betriebskennziffer das ist immer schlimm, dass Ihnen das ein glühender Sozialist erzählen muss - die Stücklohnkosten sind und nicht der Bruttolohn. Insofern haben Sie zwar recht, sind die Lohnkosten pro Stunde in der Bundesrepublik zwar fast Weltspitze, aber die Lohnstückkosten, die sind eben im unteren Drittel. Das ist übrigens die Ursache dafür, dass wir einen so hohen Exportüberschuss erwirtschaften können. Sonst wäre das undenkbar. Insofern ist es wenig hilfreich, wenn Sie hier den Stundenlohn der einzelnen Länder verglei

chen, ohne die Produktivität ins Verhältnis zu setzen. Ich bitte Sie einfach zur Versachlichung der Diskussion auf diese Zusammenhänge zu verweisen, denn, wie gesagt, Sie sollten sich diese Peinlichkeiten immer ersparen, dann da belehrt zu werden. Das mache ich auch nicht gern. Ich streite mich mit Ihnen lieber auf einer sachlichen Ebene, aber Sie haben das Niveau dieser Debatte bestimmt. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kuschel. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Bergemann für die CDUFraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen, der Kollege Lemb hat natürlich recht, wir könnten jetzt noch viele Stunden darüber diskutieren. Ich wollte noch ein paar wenige Bemerkungen machen, weil unser Kollege Korschewsky, ich sage mal vorsichtig, uns in eine Ecke stellen wollte, in der wir nicht mehr sind. Auch wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir einen Erkenntnisgewinn bekommen haben.

(Beifall CDU)

Sie haben gesagt, „inzwischen müsste dem letzten CDU-Mann klar sein“ - so ist es eben nicht. Wir haben auf dem Parteitag mit dem Beschluss, glaube ich schon, eine andere Phase eingeleitet. Dass wir die Debatte überhaupt jetzt führen, auch in einer von der Bundesregierung getragenen Koalition, da schließe ich den FDP-Partner ausschließlich ein, weil er nämlich auch mitmachen muss und auf gutem Weg ist, wie es scheint, was ich von Herrn Kubicki und von Herrn Niebel gehört habe, lässt uns ein Stück hoffen. Aber wichtig scheint mir noch einmal: Das sind keine Spielchen, sind es wirklich nicht. Dazu ist das Thema zu ernst. Sollte man auch nicht in dem Wortlaut …

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wir werden so bezeichnet.)

Ja, dann habe ich es falsch verstanden, weil das ist mir zu ernst in der ganzen Sache und ich glaube auch, wir müssen noch einmal sehen, ein bisschen Zeit braucht man. Der Kollege Lemb hat ja gerade noch einmal gesagt, dass wir auch in der Koalition in Thüringen auf gutem Wege sind. Es gibt die Staatskanzleiarbeitsgruppe, ich denke mal, da wird man auch ein Ergebnis hinbringen, aber es geht nicht in 3 Minuten. Ich weiß nicht, ob das Ergebnis heute schon da ist von der Arbeitsgruppe des Bundestages, die ja die Vorbereitungen trifft für einen entsprechenden Gesetzentwurf, der eingebracht werden muss. Die wird heute oder morgen ihre Arbeiten abgeschlossen haben, so dass da auch

(Abg. Lemb)

überhaupt keine Langeweile aufkommt oder dass Zeitverzögerung aufkommt. So wichtige Fragen wie zum Beispiel die europarechtlichen Konsequenzen bei einer allgemeinen Lohnuntergrenze müssen bedacht werden. Wir müssen, was auch wichtig ist, das weiß auch Bodo Ramelow ganz genau, Tarifoffenheit bei Nachwirkungen von Tarifverträgen, ganz schwieriges Thema an der Stelle, wie wird das geregelt, da bin ich nämlich überhaupt nicht bei der Wirtschaft, die sagt, wir müssen 24 Monate Nachlaufzeit haben. Das konterkariert dann auch Mindestlohngesetzgebung, wenn wir das so aushandeln. Das sind Fragen, auch Vereinbarungen nach Tarifvertragsgesetz zur Allgemeinverbindlichkeit, solche Dinge müssen vorher klar sein. Schlichtungsverfahren, wenn sich die beiden Siebenergruppen auf welcher Seite auch nicht verständigen, das kann man nicht von heute auf morgen machen. Es soll ja auch etwas Vernünftiges rauskommen dabei. Deshalb bitte ich auch darum, dass wir da ein bisschen sachlich bleiben. Unsere Klausur in Volkenroda, die hat gesagt, wir wollen die Tarifpartner ermuntern, 7,89 € das war der von den Tarifpartnern festgelegte Westlohn in der Zeitarbeit, den als Grundmaßstab zu nehmen, um da auch dieses Ost-West-Gefälle endlich mal aus dem Rennen zu bringen, was auch unsäglich ist, nach wie vor unsäglich ist.

(Beifall CDU)

Wenn man über 8,33 € redet, wie in Ihrem Antrag, das wird im Ausschuss diskutiert, da ist ja erst mal gut, dass man an der Stelle weiterredet, aber mit 8,33 € liegt man eigentlich, wenn man eine Zahl nennt, auch weit drunter. 9,15 € - das bedeutet für die Menschen, nach 45 Arbeitsjahren liegen sie mit diesem Lohn in der Rente unter der staatlichen Grundsicherung.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Richtig!)

Dann muss man sehen, wo wir uns überhaupt bewegen. Deshalb bin ich da überhaupt kein Freund von Zahlen jetzt, weil das auch für die Länder sehr, sehr unterschiedlich ist. Europa ist genannt worden. Darüber habe ich auch meine Meinung. Von den 20 EU-Mitgliedstaaten liegen 15 unter 4 €. Da hat Kollege Kuschel ja die Produktivität noch einmal richtigerweise in Spiel gebracht, aber das bedeutet in Bulgarien 80 Cent, ob die davon gut leben können, bezweifle ich auch. Ich sage mal, solide Arbeit in den Arbeitsgruppen, in Thüringen sind wir da auf einem vernünftigem Wege, das glaube ich schon, aber der Bund ist hier in der Vorhand und wird es, glaube ich, auch regeln, denn allen ist wohl klar, das brauche ich nicht zu wiederholen. Ob das eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze ist oder ein Mindestlohn, das ist mir eigentlich völlig egal, wie das heißt am Ende, aber die Menschen müssen von dem, wo sie 8 Stunden arbeiten, leben können,

anständig leben können und dafür müssen wir alle gemeinsam streiten. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Bergemann. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Es hat sich aber noch Herr Staatssekretär Staschewski zu Wort gemeldet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, erst einmal danke ich ausdrücklich Gustav Bergemann für dieses Schlusswort jetzt eben. Ich glaube wirklich, dass wir alle zusammen helfen müssen, dass jeder, der arbeitet, von seiner Hände Arbeit auch leben kann, anständig leben kann, deshalb sind wir auch für gute Löhne, für gute Arbeit, da wollen wir gemeinsam kämpfen und ich gebe Ihnen, Herr Bergemann, ausdrücklich recht, es hat sich viel bewegt auch bei Ihnen, in Ihrer Partei. Es hat sich viel bewegt, das haben wir auch gemerkt in den letzten Wochen und Monaten im Miteinander. Mir geht es noch nicht weit genug. Es gibt immer noch Unterschiede. Es gibt da ganz klare Unterschiede, aber eines, Herr Korschewsky, kann ich nicht gelten lassen. Sie haben gute Zitate unseres Ministers immer gebracht, das ist auch richtig, was er gesagt hat, ich glaube, dem kann man auch voll zustimmen, aber Sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir dann auch nicht liefern, weil wir haben ja auch geliefert, und zwar da, wo wir als Ministerium eigenständig handeln können, haben wir angefangen beim Vergabegesetz entsprechende Regelungen eingeführt, wir haben die ESF-Richtlinie, beim Lohnkostenzuschuss eine Untergrenze von 8,33 €. Wir haben bei der Leiharbeit Grenzen gesetzt und so weiter und so fort. Also alles da, wo wir handeln konnten, haben wir bereits gehandelt und jetzt geht es weiter und wir haben tatsächlich im Dezember angekündigt, wir wollen ab Januar entsprechend einsteigen in diesen Prozess und der Prozess läuft.

Heute saß erst die Arbeitsgruppe wieder zusammen mit den Abgeordneten, die hier heute auch vertreten sind, und mit den Ministern, Herr Carius war auch dabei, Minister Machnig, Frau Walsmann und andere, und sie sind, glaube ich, weiter einen großen Schritt vorangekommen. Ich bin übrigens sehr zuversichtlich, dass wir da liefern können im Mai, und ich bin auch zuversichtlich, dass wir hier für Thüringen eine gute Entwicklung nehmen können. Ich denke, dieser Antrag, der auch überwiesen werden soll, soweit ich das jetzt verstanden habe, an den Ausschuss, macht auch Sinn, dass wir uns da weiter unterhalten, dass wir uns über Details unterhalten. Vielleicht gelingt es uns, den einen oder anderen auch noch zu überzeugen.

(Abg. Bergemann)

Frau Holzapfel hat heute sehr stark angefangen in ihrer Rede. Da habe ich mal kurz die Luft angehalten, als sie gesagt hat, dass es wichtig ist, dass wir entsprechende Untergrenzen und Lohnniveau halten können. Das habe ich von Ihnen von diesem Platz aus so noch nicht gehört. Das war schon ein neuer Zungenschlag, den Sie hier reingebracht haben. Ich mache mir da schon große Hoffnungen, dass wir jetzt in dieser Koalition und auch mithilfe des größten Teils der Opposition, das muss ich ja so sagen, das ist ja wirklich die überwältigende Mehrheit, die offensichtlich daran arbeiten will, bessere Lohnsituationen für unsere Frauen und Männer hier in Thüringen zu bekommen, dass wir da auf einem gut Weg sind. Ich bitte um konstruktives Miteinander. Von unserer Seite können Sie sich darauf verlassen, wir werden weiter dafür arbeiten, dass wir einen anständigen Mindestlohn - oder wie wir es auch immer nennen wollen - hinbekommen in Thüringen.

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es wurde aber Ausschussüberweisung der Drucksache 5/4181 an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit beantragt. Wer diesem Antrag auf Ausschussüberweisung folgen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? Das sind die Stimmen der FDP-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Antrag mit großer Mehrheit an den Ausschuss überwiesen worden.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und darf damit auch das Plenum für heute beenden. Wir sehen uns alle wieder im nächsten Plenum im Mai.

Ende: 18.29 Uhr