Protokoll der Sitzung vom 23.03.2012

Meine Damen und Herren, deswegen sagen wir ganz klar, wir brauchen dieses Instrumentarium. In Thüringen wird es nicht angewendet, ich will es noch einmal wiederholen. In Thüringen ist es nicht angewendet worden und ansonsten lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall CDU)

Danke. Für die Fraktion der FDP hat Abgeordneter Dirk Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der FDP-Fraktion zum Einsatz von Lausch- und Spähsoftware durch Thüringer Behörden sieht vor, dass in Thüringen auf den Einsatz des sogenannten Staatstrojaners verzichtet werden soll.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass der Staatstrojaner in der bayrischen Form nicht in Thüringen zum Einsatz gekommen ist, haben wir eher dem Zufall zu verdanken und eben nicht der erwünschten Skepsis der Behörden

(Beifall DIE LINKE, FDP)

gegenüber seiner verfassungsrechtlich zulässigen Anwendbarkeit.

Meine Damen und Herren, wie uns berichtet wurde, war der Einsatz in Thüringen zweimal vorgesehen, ist aber „leider“ auch zweimal gescheitert, das erste Mal aufgrund technischer und das zweite Mal aufgrund personeller Engpässe. Es ist somit schwer verständlich, wenn man in Thüringen davon ausgeht, dass man den Staatstrojaner zur Aufklärung von Straftaten braucht, obwohl er bisher nie eingesetzt worden ist. Wir sind der Auffassung, dass sich die Politik und die Sicherheitsbehörden nicht über Gesetze hinwegsetzen dürfen.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Bei den Überlegungen zum Einsatz des Trojaners sollte zudem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 einbezogen werden. Welches Verständnis, meine Damen und Herren, haben wir im Hohen Haus von einem Rechtsstaat, in dem der Staat sich nicht selbst an seine eigenen Gesetze hält?

(Beifall DIE LINKE)

Der politische Wille bzw. das Ansinnen, und sei es begrüßenswert oder nicht, kann nicht die Rechtfertigung eines Eingriffs in bestehende Rechte sein.

(Beifall DIE LINKE, FDP)

Die Bürger brauchen Vertrauen in die Strafverfolgung, die zu den wichtigsten Staatsaufgaben zählt. Aber wie können Bürger Vertrauen haben, wenn wir uns am Recht vorbeibewegen? Jeglicher Vertrauensverlust schadet letztlich dem Staat, unserer Demokratie und damit unserem Freistaat Thüringen.

(Beifall FDP)

Es ist schon abenteuerlich, wie die Politik und die Sicherheitsbehörden mit einem so wichtigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Onlinedurchsuchung umgehen. Das Bundesverfassungsgericht, meine Damen und Herren, hat in seiner Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass die Zulässigkeit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung darauf beschränkt ist, dass ausschließlich Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang erfasst werden. Alle anderen Möglichkeiten, ob gewollt oder nicht, müssen bei solchen Maßnahmen ausgeschlossen sein.

(Beifall FDP)

Dass der Staatstrojaner weit hinter den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zurückbleibt, hat uns der Chaos Computer Club anschaulich präsentiert und auch an dieser Stelle von unserer Seite herzlichen Dank.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weiterhin wurde uns auch bescheinigt, dass die Strafprozessordnung, und hier insbesondere der § 100 a, nicht als rechtliche Grundlage für den Einsatz des Staatstrojaners herangezogen werden kann. Es liegt jetzt, meine Damen und Herren, in unserer Verantwortung, die Landesregierung aufzufordern, zukünftig auf den Einsatz eines Trojaners zu verzichten, bis ein Verfahren entwickelt wurde, das den rechtlichen Grundlagen entspricht. Insofern, Frau Kollegin König, geht Ihre Argumentation nach hinten los, denn es bestünde jetzt zumindest erst einmal die Möglichkeit, das zu stoppen.

Wir können heute, meine Damen und Herren, etwas dafür tun, dass die Bürger unserem Rechtsstaat weiterhin vertrauen können und dass sich die Strafverfolgungsbehörden an Recht und Gesetz halten. Es gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, einen wichtigen Grundsatz: Nicht der Staat gesteht den Bürgern Freiheitsrechte zu, sondern die Bürger gewähren dem Staat die Einschränkung ihrer Freiheitsrechte. So herum wird ein Schuh daraus.

(Beifall FDP)

Die Einschränkungen erfolgen über Parlamente und somit auch durch gewählte Parlamentarier. Also sind wir Parlamentarier in der Verantwortung,

(Abg. Fiedler)

auch für die Freiheitsrechte der Bürger einzustehen. Dieser Antrag, meine Damen und Herren, ist eine Chance dazu. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Danke. Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordneter Heiko Gentzel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist das mit dem Staatstrojaner nicht in Ordnung. Beschrieben wie er funktioniert, das wurde hier bereits. Die Botschaft des Tages ist nur, die Thüringer Polizei verfügt über eine solche Software nicht. Darum geht es hier im Kern.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dennoch setzt Thüringen das ein.)

Ich finde das richtig, dass man auch mal über den Bund schimpft und über andere Bundesländer, aber ich habe manchmal das Gefühl, da findet so eine Vermischung statt und das ist alles schlecht. Aber wenn wir jetzt mal auf das schauen, was wir hier beraten, geht es um die Frage: Hat die Thüringer Polizei so eine Software oder hat die Thüringer Polizei eine solche Software angewendet? Beides ist mit Nein zu beantworten. Das ist das Ergebnis der Sitzung des Innenausschusses und das ist das Ergebnis einer Prüfung - hat auch bisher jeder vermieden zu sagen - des Landesbeauftragten für Datenschutz. Ich verweise auf die Vorlage 5/2245. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen, ich hatte so ein bisschen bei Ihrer Rede, Herr Bergner, das Gefühl, Sie bedauern das. Sie bedauern das aus diesem einzigen Grund, warum Sie jetzt nicht „Skandal“ rufen können, denn Ihr ganzer Antrag war so aufgemacht,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Das ist ja nun wirklich ganz, ganz tief...)

es ist auch ein Skandal in Thüringen passiert und darüber muss man jetzt reden. Ich habe, ehrlich gesagt, auch damals schon die Ausschussüberweisung nicht verstanden, weil es ganz klar die Aussage gab, es gibt diese Software nicht. Diese Software ist auch im Rahmen von Amtshilfe hier in Thüringen nicht angewendet worden. Das ist in Ordnung so und das muss auch so bleiben.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zufällig.)

Das sind jetzt wirklich richtige Unterstellungen mit diesem „zufällig“, weil der Zorn schon groß zu sein scheint, dass es diesen Skandal in Thüringen nicht gibt. Dann fängt man eben mit solchen Unterstellungen an, dass das eigentlich nur zufällig so pas

siert ist. Es ist nicht so. Das wissen Sie auch aus der Ausschuss-Sitzung.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: War das gar nicht vorgesehen?)

Natürlich, wenn man diese Software nicht anschafft, ist das ein Plan. Wenn man diese Software nicht anschafft, heißt das, man will sie nicht benutzen.

(Beifall SPD)

Wenn man sie im Rahmen der Amtshilfe nicht benutzt, dann ist das ein Plan. Dann können Sie doch nicht sagen, das ist Zufall, dass die nicht angeschafft worden ist.

Herr Abgeordneter Gentzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

Bitte schön, Herr Abgeordneter Adams.

Herr Kollege Gentzel, würden Sie dem Plenum bitte sagen, ob aus irgendeinem Geschäftsbereich der Thüringer Landesregierung ein Erlass, ein Beschluss oder Ähnliches ergangen ist und ein Amtshilfeersuchen an Bayern gestellt wurde? Können Sie dazu etwas sagen?

Ich kann Ihnen sagen, dass ich den Sinn dieser Frage nicht verstehe, weil...

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie wollen nicht...)

Nein, lassen Sie mich doch mal ausreden und dann sagen Sie hinterher, dass ich keine Ahnung habe. Das ist Ihr gutes Recht. Aber es bedarf nicht eines solchen Erlasses und es bedarf auch nicht eines solchen Antrags. Wenn wir schon Nägel mit Köpfen machen wollen, es geht um das Polizeiaufgabengesetz, was wir hier besprechen. Es ist nicht die Frage, ob es einen Erlass gibt oder Ähnliches, sondern es gibt die Frage, ob das Polizeiaufgabengesetz und dafür scheint sich keiner zu interessieren, wie das ordnungspolitisch eigentlich wirklich gehändelt wird - an dieser Stelle novelliert werden muss. Da brauchen wir keine Erlasse, dann brauchen wir nichts, weil das im Aufgabengesetz geregelt ist.

(Abg. Bergner)

Herr Abgeordneter Gentzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten König?

Gleich, ich will nur noch den letzten Satz sagen, dann bin ich nämlich fertig. Dass wir dieses Polizeiaufgabengesetz novellieren wollen, steht im Koalitionsvertrag. Ich sage deutlich, wir brauchen die Quellen-TKÜ für unsere Sicherheitsbehörden, aber der Rahmen muss verdammt eng sein, das will ich ganz deutlich sagen. Da sehe ich bei unserem Polizeiaufgabengesetz für meine Fraktion wirklich auch Nachbesserungsbedarf an dieser Stelle. Aber ich bitte Sie, lassen Sie uns nicht über Erlasse oder über Anträge reden. Entweder wir gehen an das Polizeiaufgabengesetz oder wir lassen die Diskussion vollkommen, weil das alles nicht zielführend ist. Danke.

(Beifall SPD)