Protokoll der Sitzung vom 01.06.2012

(Unruhe FDP)

Ich bin sehr nah bei Kollegen Mohring in der Frage der regelmäßigen Überprüfung, hätten wir darüber zu reden gehabt und das Gesetz dahin gehend geändert, Kollege Höhn, dann hätten Sie unsere Zustimmung gefunden. Das Gesetz ist nicht in der 2. Legislatur nach der Klage von Kollegin Almuth Beck geändert worden. Nein, es ist nicht geändert worden. In der 3. Legislatur ist ein Sternchen, eine Fußnote, ins Gesetz gemacht worden, dass die Aberkennung des Mandats verfassungswidrig sei, und dieses Gesetz ist wieder in Kraft gesetzt worden mit der Fußnote. Sie haben das Gesetz nicht geändert, sie haben das Gesetz erst in der 4. Legislatur - und, Kollege Höhn, Sie haben dabei mit

(Abg. Höhn)

gemacht - geändert, als der Fall der Kollegin Leukefeld vor dem Verfassungsgericht ausgeurteilt wurde, dass die Zusammenarbeit, die wissentliche Zusammenarbeit mit K1, nicht durch das Gesetz gedeckt ist. Da haben Sie das Gesetz geändert und haben „K1“ reingeschrieben. Und jetzt kommt der Punkt, warum ich hier vorgegangen bin: Es sind beide Kollegen in der Prüfung gewesen. Und jetzt kommt der Fall, Frau Präsidentin, bei dem ich für mich gestehen muss, ich müsste jetzt darüber reden, was in dem Gremium behandelt wurde. Das unterliegt aber der Geheimhaltung. Aber ich soll Stellung nehmen für meine Fraktion, mich schützend vor meine Fraktion stellen und kann nicht darauf hinweisen, dass die Ankündigung, dass wir nicht mehr weiter mitarbeiten, Frau Kollegin Leukefeld umfasste, Kollegen Kuschel umfasste und alle Mitglieder meiner Fraktion, und zwar mit der folgenden Erklärung: Wir haben ausdrücklich erklärt, dass wir die beiden Kollegen bitten, alles dem Gremium vorzutragen, was das Gremium zu wünschen vorträgt, und sich die beiden auch dem Gremium stellen. Das haben sie getan und alle Fragen, die vorgetragen worden sind, sind bearbeitet worden. Also der Eindruck ist falsch, dass wir uns aus Bequemlichkeitsgründen zurückgezogen hätten. Richtig ist, dass wir gesagt haben, alle Fragen, die auf den Tisch kommen, müssen bearbeitet werden, weil es nicht darum geht, irgendetwas zu beschönigen oder gar einen Schlussstrich zu ziehen. Als es keine Fragen mehr gab, sondern die Wertungen begannen, sind wir komplett aus dem Gremium ausgestiegen, weil wir gesagt haben, die Schlussfolgerungen und Wertungen aus den Feststellungen - die Feststellungen hat Frau Präsidentin völlig korrekt vorgetragen und da beißt die Maus keinen Faden ab. Die Feststellungen, da hatte ich einen Antrag im Gremium gestellt - und jetzt muss ich wieder gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen, die Verantwortung muss ich dann auf mich nehmen, vielleicht bin ich dann auch parlamentsunwürdig -, ich habe am Anfang den Antrag gestellt, dass die Beauftragte für die Stasi-Unterlagen dem Gremium ein Dokument vorlegt, ob zwischen der 4. Legislatur und der 5. Legislatur für beide Fälle neue Erkenntnisse vorliegen. Es ist eine ausführliche Stellungnahme erfolgt, dass nicht eine einzige neue Erkenntnis vorliegt. Da haben wir gesagt und das habe ich für meine Fraktion erklärt, dass darüber die Wähler zu entscheiden hatten. Also die Frage der Beurteilung, die Frage der Regelüberprüfung waren wir bereit auch in der 4. Legislatur gesetzlich mitzutragen. Ich finde es falsch, was Brandenburg dort angerichtet hat. Ich persönlich finde es falsch. Hätte es dort eine Regelüberprüfung gegeben, hätte manches von den Diskussionen, die da sehr quälend im Moment stattfinden, nicht stattgefunden. Deswegen haben wir uns auch an diesem Teil nicht verweigert. Wir haben auch gegen das Gesetz in der 4. Legislatur nicht geklagt. Wir haben kein Rechtsmittel einge

legt. Wir haben festgestellt, das Gesetz gilt, wir haben uns dem Gesetz unterworfen. Und die beiden Kollegen - erstaunlich, erstaunlich -, die schon in der 4. Legislatur durch das Verfahren gelaufen sind, sind auch in der 5. Legislatur wieder im selben Verfahren gelandet. Dazwischen gibt es nur einen entscheidenden Unterschied, dass der Wähler das Wort hatte. Und da, Kollege Mohring, stelle ich mich schützend vor meine Partei, vor meine Fraktion. Wir haben einen Parteitag gehabt, der war öffentlich, den Aufstellungs- und Nominierungsparteitag. Auf diesem Parteitag musste jeder, der aufgestellt wird, zu seiner politischen Biographie öffentlich Stellung nehmen. Das heißt, auch die Kollegin Leukefeld und der Kollege Kuschel oder jeder andere mussten deutlich machen, ob sie in das System involviert waren oder nicht und wie sie involviert waren. Die Akten von Frau Kollegin Leukefeld und die Akten von Herrn Kollegen Kuschel liegen seit den 90er-Jahren öffentlich vor. Kollegin Leukefeld hat dafür von Frau Neubert sogar eine Strafanzeige bekommen, dass sie ihre Akte öffentlich gemacht hat, weil sie sich dem Dialog der Bürger in Suhl und der Region stellen wollte. Da habe ich gesagt, also geht es hier um Aufarbeitung oder geht es hier um eine Waffe, die man instrumentell benutzt?

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, für mich ist jeder, der auf der Liste der LINKEN aufgestellt wurde, ein Demokrat, hat sich einer demokratischen Wahl gestellt und ist von den Wählerinnen und Wählern beauftragt, mit uns gemeinsam hier politisch mitzuwirken und deswegen ist auch Frank Kuschel für mich ein Demokrat und nicht ein Lippenbekenntnis. Es gibt so ein paar Details in der Sache, deswegen habe ich gesagt, ich stelle mich schützend vor die gesamte Fraktion und sage, es geht nicht, dass man die gleiche Nichtbearbeitung bei Frau Kollegin Leukefeld hier überhaupt nicht thematisiert, aber beim Kollegen Kuschel als strafverschärfend hier sogar noch vorträgt. Nein, es war eine gemeinsame Entscheidung, weil wir an dieser Stelle gesagt haben, die Würdigkeit oder Unwürdigkeit, in einem Parlament tätig zu sein, hat nur ein Einziger zu entscheiden - das ist der Souverän, das ist das Volk. Deswegen Aufarbeitung, Überprüfung, Kontrolle - ja, die Entscheidung und Schlussfolgerung dadurch aber nicht einer Mehrheit des Hohen Hauses überlassen, weil das politisch instrumentell ist. Das geht nicht. Das kann nicht funktionieren. Wir haben es gerade erlebt, dass wir nicht mehr über Frank Kuschel reden, sondern jetzt reden wir über Astrid Rothe-Beinlich. Das hat aber bitte mit dem Überprüfungsverfahren gar nichts zu tun und wenn wir über eine gesetzliche Veränderung reden wollen, wäre es mir lieber gewesen, Kollegin RotheBeinlich, Sie hätten das beantragt und nicht diesen Teil hier diskutiert über das Gesetz und die Systematik des Gesetzes. Das hat dann mit der Person, um die es geht, und ich finde, das darf ein Par

lament auch nicht machen, und zwar in guten und in schlechten Zeiten darf man so nicht umgehen und sagen, wir reden jetzt einmal über andere Dinge. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, glaube ich, wäre es gut, wenn wir den Punkt jetzt stehen lassen. Sie haben sich mehrheitlich so entschieden, wie Sie sich entschieden haben. Wir halten das für falsch.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Deshalb wollten wir keine Aussprache.)

Wir haben für uns klare Verhältnisse vor den Wählern geschaffen. Wir haben deutlich gemacht, welche Akten vorliegen und da will ich das Beispiel mal sagen, der Kollege Kuschel hat für mich interessanterweise in dem Anhörungsverfahren darauf hingewiesen, den Decknamen „Fritz Kaiser“, von dem immer hier so häufig die Rede ist, dass er damit zum Beispiel die Entlassungsurkunden der Bürger, die aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen worden sind, unterzeichnet hat. Also klar dokumentiert. Es wäre mir lieb gewesen, wenn das auch mal Eingang in das Prüfungsverfahren genommen hätte, dass es eben nicht Kennzeichen einer IM-Unterschrift ist, sondern einer amtlichen dienstlichen Tätigkeit.

Eine zweite Geschichte: Hier wird festgestellt, er habe berichtet über Dinge aus dem Bürgermeisteramt.

(Zwischenrufe aus der CDU- und SPD-Frak- tion)

Das kann ich Ihnen sagen, dass die Dokumente eben in Salzgitter nicht erfasst werden unter dem Namen des Bürgermeisters aus Ilmenau, sondern des Menschennamens Fritz Kaiser - amtliche Dokumente. Es hätte einfach geprüft werden müssen, ob dieser Vortrag so stimmt oder ob er nicht so stimmt. Man kann ja nicht nur so tun, als spielt das gar keine Rolle, weil, man ist sich ja einig, dass man schon verurteilt hat.

Und eine zweite Feststellung will ich schon machen. Sie stellen fest, mehrheitlich, von der Präsidentin vorgetragen,

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das macht es doch nicht besser.)

Es geht doch gar nicht um besser, Herr Kollege. Sie waren doch mit im Gremium. Es geht um die Frage, ob man wenigstens prüft, was der Delinquent als entlastendes Argument vorträgt, und dieser Teil ist im Bericht überhaupt nicht drin, also die Frage des Namens und was mit dem Namen geschehen ist und welche Dokumente ausgefertigt worden sind. Ein Punkt.

Und ein zweiter Punkt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das war für mich keine Entlastung.)

Ja, das glaube ich Ihnen ja. Deswegen sage ich ja, ich nehme zur Kenntnis, was Sie politisch mehrheitlich entschieden haben. Das ist eine politische Entscheidung, eine politisch moralische Entscheidung,

(Unruhe CDU, SPD, FDP)

aber eben keine, die sich an der Person und an den Tatbeständen orientiert. Sie glauben den Stasi-Akten mehr als demjenigen, der sich dazu stellt und sagt, ich bin bereit, darüber zu reden. Das nehme ich zur Kenntnis. Ob das was mit Aufarbeitung zu tun hat, da habe ich meine...

(Unruhe CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Legendenbil- dung.)

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Es war ohne Aussprache vereinbart.)

Ja, Legendenbildung - sehen Sie, jetzt kommen wir zu dem Problem. Der Delinquent äußert sich in einem geheimen Gremium, aber ich darf dazu nicht Stellung nehmen, weil ich zur Geheimhaltung verpflichtet bin. Das ist absurd. Dann thematisieren Sie die „Akte Kuschel“ hier komplett, dann kann der Kollege Kuschel auch selber dazu Stellung nehmen.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Das hat er doch gemacht.)

Sie übertragen es aber gesetzlich einem Gremium und wenn man dann auf Widersprüche hinweist, dann sagen Sie „Legendenbildung“. Aus der Mitte der CDU kam vorhin der Zuruf „Lippenbekenntnis“. Das ist doch absurd, Sie wollen doch gar nicht über Vergangenheit reden. Sie wollen doch nur Steine in eine Richtung werfen, damit die Schuldfrage geklärt ist.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Das ist eine Unterstellung.)

Das hilft nur überhaupt nicht, um dankbar zu sein, dass der Spuk mit der Staatssicherheit vorbei ist. Und da bin ich bei Herrn Mohring: Ganz klar, ich bin froh, dass ich heute hier reden kann. Ich bin froh, dass wir uns auseinandersetzen können, aber ich denke, wir werden es auch aushalten müssen, dass man 22 Jahre danach nicht die Dinge instrumentell benutzt.

Eine letzte Bemerkung: Frau Präsidentin, Sie haben in Ihrem Bericht darauf hingewiesen bzw. das Gremium hat das so festgestellt, dass der Abgeordnete Kuschel über Dinge in seinem Bürgermeisteramt berichtet hätte, und dann erwähnen Sie, dass das nach Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und des Datenschutzes als erschwerend gewertet wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können nicht rückwirkend den Datenschutz und die Rechtsstaatlichkeit, auf die wir heute stolz sind, für ein System anwenden, bei dem wir gemeinsam froh

sind, dass es untergegangen ist. Ich finde, so geht es nicht. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Abgeordneter Ramelow, Frau Abgeordnete Marx wollte Ihnen eine Frage stellen.

(Zuruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Nein.)

Nein. Ich sehe die Wortmeldung des Abgeordneten Gentzel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Entscheidung damals im Ältestenrat, keine Aussprache zu führen, war von großer Weisheit geprägt.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Mehr will ich dazu nicht sagen.

Das Zweite, was ich eingangs sagen will, ist, ich würde den Begriff „Delinquenten“ nie gebrauchen und ich lehne diesen Begriff eindeutig ab. Wir haben uns in dieser Kommission unterhalten über den Abgeordneten Kuschel und die Abgeordnete Leukefeld und nicht über Delinquenten. Ich weiß nicht, ob Sie das nicht nachvollziehen können, Herr Ramelow, oder nicht wollen, das ist nicht angenehm. Das Urteil, das Sie eben gefällt haben, wird mir und meinen Kollegen in dieser Gruppe nicht gerecht.

(Beifall CDU, SPD)

Wir haben erstens, nicht wie Herr Kuschel gesagt hat, formal entschieden, sondern das war auch eine emotionale Entscheidung und es hat emotionale Diskussionen dort gegeben. Zweitens, es war alles andere als eine politische Entscheidung, die wir dort getroffen haben.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Das dokumentiert sich daran, dass zum Beispiel die Vertreter meiner Fraktion eben nicht einheitlich abgestimmt haben. Wir haben zu bestimmten Fragen unterschiedliche Auffassungen gehabt und wir haben die gegenseitig respektiert. Ich will eindeutig sagen, es gab auch diese unterschiedlichen Abstimmungen zu diesen Fällen in dieser Gruppe und ich habe hohen Respekt vor der Entscheidung derjenigen, die sich in dem einen oder anderen Fall anders entschieden haben als ich. Dieses in der Art und Weise so zu beschreiben, wie Sie das eben getan haben, ist für mich persönlich eine Unverschämtheit.

(Beifall CDU, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde es richtig, wie Herr Barth diese Verfahren formuliert

hat. Es ist eine Pflicht, die wir zu erfüllen haben an dieser Stelle. Dieser Pflicht haben wir uns zu stellen und diese Pflicht ist eben nicht nur angenehm. Es macht keinen Spaß, diese Unterlagen zu lesen und dann für den einen oder anderen wahrscheinlich erst dann zu verstehen, was er dort eigentlich zu tun hat. Das ist nicht einfach, aber es ist unsere Pflicht.

Ich will ausdrücklich auch etwas zu diesem Begriff „parlamentsunwürdig“ sagen. Heute würde ich das anders formulieren, aber dieses Gesetz ist in einer ganz anderen Zeit entstanden. Wer sich nicht zurückversetzen kann in diese Zeit, kann diesen Begriff nicht verstehen. Dieser Begriff steht für mich für den Druck, den dieses Parlament aushalten musste, zwischen den noch frischen Forderungen, ich will das mal so nennen, von der Straße, diese gingen damals bis dahin „Stasi in den Steinbruch“ und dem Bemühen dieses Parlaments, eine andere Art und Weise der Aufarbeitung zu finden.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Ist das denn noch zeitgemäß?)

Wir haben da auch geirrt in diesem Parlament, das ist doch auch verfassungsrechtlich klargestellt, in der Art und Weise, wie wir das wollten. Aber ich bin dagegen, diesen Begriff zu bereinigen, weil er ein Stück für die Irrungen und die Wirrungen, aber auch für den Willen dieses Parlaments steht. Ich glaube, gerade bei so einer Thematik kann man sich nicht 15 Jahre später in einem weichen Büro, umgeben von Verfassungsjuristen, allein über diesen Begriff unterhalten. Dieser Begriff ist für mich mittlerweile ein historischer Begriff mit all seinen Irrungen und Wirrungen, die darin stehen. Ich glaube, es steht dem Parlament gut, bei alldem, was Sie auch richtig gesagt haben über diesen Begriff, zu diesem Begriff „parlamentsunwürdig“ zu stehen, weil er für dieses Parlament mit seinem Willen steht, aufzuarbeiten, worüber wir lange diskutieren können, was man überhaupt nicht aufarbeiten kann. Danke schön.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Ich sehe den Abgeordneten Fiedler. Bitte, Herr Abgeordneter Fiedler.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich teile die Einschätzung, man hätte das Ganze ohne Aussprache machen sollen. Aber nun hat es sich so entwickelt, wie es sich entwickelt hat. Ich stimme ausdrücklich meinen Vorrednern, Fraktionsvorsitzenden der FDP, CDU und SPD zu. Nicht, weil man unbedingt noch etwas beifügen muss, bin ich hier vorgegangen, sondern ich möchte noch mal darauf verweisen, ich war Mitglied der