Frau Abgeordnete, wir sind beim Tagesordnungspunkt 10, ich bitte Sie, zum Tagesordnungspunkt zu sprechen.
Wir haben den Antrag „Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften einführen“ sehr bewusst auf die Tagesordnung gesetzt.
Frauen spielen trotz einer stetig gestiegenen Verbesserung ihrer beruflichen Qualifikation sowohl bei der Besetzung von Topmanagementfunktionen als auch bei der Besetzung von Aufsichtsratspositionen bis heute eine geringe Rolle. Bei der Besetzung von Aufsichtsratspositionen in Unternehmen nimmt Deutschland im europäischen Vergleich mit 10 Prozent weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern vordergründig hinter Norwegen, Schweden und Finnland zwar einen guten vierten Platz ein, das ist aber nur damit begründet, dass gut 8 Prozent der deutschen Aufsichtsräte arbeitnehmerseitig, also durch die Gewerkschaften, in Aufsichtsräte entsandt wurden. Lediglich 2 Prozent der Aufsichtsrätinnen vertreten die Arbeitgeberseite. Wenn wir uns diesen Anteil betrachten, liegt Deutschland in Europa noch hinter Italien auf einem abgeschlagenen 13. Platz. Gelegentlich neigt auch die Thüringer Wirtschaft dazu, der Politik eine stärkere Orientierung am unternehmerischen Denken zu empfehlen. Bei der heute hier zu diskutierenden Problematik wünscht sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Wissenstransfer einmal andersherum. Die Unternehmen sollten sich mindestens ein Beispiel an Staat und Politik nehmen. Warum? Thüringen hat an der Spitze eine Ministerpräsidentin und eine Landtagspräsidentin. Leider gibt es nur zwei Ministerinnen und eine Staatssekretärin. Da gibt es noch erhebliche Potenziale.
Mehr Frauen auch in Vorständen und Aufsichtsräten wären gewiss nicht zum Schaden der Thüringer Unternehmen. Am fehlenden Interesse und an fehlender Qualifikation kann die mangelnde Repräsentanz von Frauen jedenfalls nicht liegen. Vielleicht ist es ja interessant, wir haben eben über die Hochschulausbildung und die Qualität von Mitbestimmung gesprochen, wenn wir uns die Abschlüsse anschauen, beispielsweise von BWL und Jura, da herrscht annähernd Geschlechterparität und die Abschlüsse von Frauen sind bekanntlich im Durchschnitt sogar noch etwas besser. Die Karriere in der Wirtschaft wird vielen Frauen sicherlich noch immer dadurch verstellt, dass in der Wirtschaft die Familiengründung besonders häufig zum Karriereknick wird. Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist aber nur ein Aspekt. Ich meine, wir brauchen auch einen Mentalitätswechsel - im wahrsten Sinne des Wortes - in der Wirtschaft, mitunter auch in der Politik. Die bessere Vereinbarkeit ist, wie gesagt, nur ein Aspekt. Frau Zypries hat es in einer Rede beim Deutschen Juristinnenbund 2007 einmal wie folgt beschrieben: „Noch immer besteht bei vielen die Vorstellung, Manager müssten knallharte Alphatiere ohne Gefühle sein und Frauen seien einfach zu weich fürs Business.“ Mit solchen Klischees muss endlich aufgeräumt werden.
Frauen stehen heute für eine andere Führungskultur und einen anderen Führungsstil. Sie definieren ihre Karriere häufiger weniger über eine exponierte Position als über Inhalte.
Wenn Sie mir zugehört hätten, Herr Mohring, hätten Sie gehört, dass ich genau diese Position durchaus gelobt habe. Dann können Sie es ja Ihren Kolleginnen nachmachen, wenn Sie es nicht wichtig finden zuzuhören; das fände ich sehr bedauerlich.
Frauen neigen eher dazu, sich Positionen zu suchen, in denen sie Karriere, Familie und vielfältige weitere Interessen in Einklang bringen können.
Allerdings brauchen wir den Mentalitätswechsel nicht nur mit Blick auf uns Frauen. Das ist nicht schlimm,
das ist sogar gut, das sehe ich ganz genauso. Nur leider wird das nicht anerkannt. Wir brauchen den Mentalitätswechsel auch im Hinblick auf die Aufsichtsräte selbst. Diese sollten nicht länger, meinen wir jedenfalls, die sogenannten Old-Boys-Clubs sein. Aufsichtsräte müssen effektive Kontrolleurinnen und loyale Vertreterinnen der Eigentümerinteressen sein. Ich habe jetzt bewusst mal die weibliche Form genutzt, weil im Thüringer Landtag ja sonst immer die männliche Form auch für die Frauen steht, so steht es jedenfalls in der Geschäftsordnung.
Über die persönlichen Anforderungen an Aufsichtsräte wird ja bereits seit Langem diskutiert. Die Sach- und Fachkompetenz rückt dabei immer stärker in den Vordergrund. Bei einer Befragung, die die Zeitschrift „Der Aufsichtsrat“ einmal durchgeführt hat, wird sie als wichtigstes Kriterium für die Übernahme eines Aufsichtsratsmandats genannt. Ich begrüße diese Debatte über das Anforderungsprofil und die Qualität von Aufsichtsräten sehr, denn ich bin mir ganz sicher, die Gewinner dieser Debatte werden die Frauen sein. Auch wir gehören zu den aktiven Unterstützerinnen der Initiative „FidAR - Frauen in die Aufsichtsräte“, die sicher viele von Ihnen kennen. Ziele dieser Initiative, die wir mit unserem Antrag bestärken wollen, sind: der Aufbau und die Weiterentwicklung einer Datenbank mit qualifizierten Frauen für die Aufsichtsratsmandate auch in Thüringen, denn eine solche Datenbank gibt es leider bis jetzt nicht, die Benennung von Qualitätsstandards für männliche und weibliche Aufsichtsräte und die Implementierung hinsichtlich Betriebswirtschaft, Recht, Steuern, Finanzen, Marketing, Strategie und Erfahrungen in Unternehmensleitung. Wir wollen, dass Mentoringprogramme aufgelegt werden zur Begleitung von potenziellen Aufsichtsrätinnen durch aktive Aufsichtsratsvorsitzende im Zusammenspiel mit Unternehmensleitung, und wir wollen die Einbindung in nationale und internationale Netzwerke.
Bereits 2008 hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag einen ähnlich lautenden Antrag wie den unsrigen im Bundestag eingebracht. Dazu gab es auch eine Anhörung. Die Anhörung machte deutlich, dass unsere Vorschläge für Aufsichtsräte, in Aktiengesellschaften eine Frauenquote von 40 Prozent einzuführen, bisher weder an echten Gefahren für die Wirtschaft noch an ernsten rechtlichen Bedenken scheiterte, sondern am mangelnden politischen Willen der damaligen Koalition von CDU und SPD und auch am mangelnden Interesse. Wir hoffen nun, dass jetzt von Thüringen ausgehend ein neuer Anlauf genommen wird. Vom damals als Sachverständigen geladenen norwegischen Wirtschaftsminister a.D. Ansger Gabrielsen war zu erfahren, wie er diese Regelung erfolgreich gegen massive Proteste der Wirtschaft durchgesetzt hat. Die Argumente der Wirtschaft waren die gleichen wie jetzt
in Deutschland, aber bewahrheitet hat sich keine der düsteren Prophezeiungen, wie Ansger Gabrielsen erklärte. Es gab weder Abwanderungen von Betrieben noch sonstigen Schaden für den Standort Norwegen, ganz im Gegenteil, Norwegen ist heute ganz vorn, was Frauen in Aufsichtsräten anbelangt.
So viel Mut wünschen wir uns in Thüringen und Deutschland ebenso. Diversity und Geschlechtergerechtigkeit sollen endlich auch zum Gewinn für die Thüringer und die Thüringer Wirtschaft insgesamt werden können.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Ihnen der Name Käte Strobel noch etwas sagt. Sie war die erste Sozialdemokratin in einer Bundesregierung und von ihr stammt ein bemerkenswerter Satz: „Politik sei eine viel zu ernste Sache, um sie den Männern zu überlassen.“ Ich meine, Käte Strobel hatte recht.
Aber ich möchte noch einen Schritt weitergehen. In Zukunft sollten wir den Männern auch die Aufsichtsräte nicht mehr allein überlassen. Ich hoffe dafür auf Ihre breite Unterstützung und schlage die Überweisung unseres Antrags zur Beratung an den Gleichstellungsausschuss und den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit vor. Danke schön.
Danke, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich. Als Nächste spricht zu uns Frau Abgeordnete Elke Holzapfel, CDU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Rothe-Beinlich, ich habe jetzt so das Gefühl, als hätten Sie die hier anwesenden Damen zumindest aus meiner Fraktion hier als Suppenhühner beschimpft. Ich nehme mal „beschimpft“ zurück, aber...
Ja, man kann sich so fühlen nach Ihren Ausführungen. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass ich selbst in zwei Aufsichtsräten bin, Frau Lehmann in drei Aufsichtsräten und Frau Tasch nimmt gerade Anlauf dazu.
Lassen Sie mich jetzt mal auf Ihre Ausführungen antworten. Als ich mich mit Ihrem Antrag befasst habe, wurde ich an meine Zeit im Bundestag erinnert. Aus diesen Tagen ist mir ja bekannt, dass im Plenum abgelehnte Anträge - Sie sprachen davon, hier ist er vom 04.03.2009 Ihrer Bundestagsfraktion -, weiterlaufen, um sie auf Landesebene in anderer Verpackung zu verkaufen. Erstens ist das Ihr legitimes Recht. Zweitens - und jetzt können Sie ganz erstaunt sein - finden Sie mich, bezogen auf die grundsätzliche Zielrichtung des Antrags, an Ihrer Seite,
Wir wissen alle, wir können nicht länger zusehen, dass hoch kompetente Frauen von der Karriereleiter fliegen, wenn sie sich eine bestimmte Zeit der Kindererziehung widmen. Schweden hat mit einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft, verbunden mit der gesetzlichen Vorgabe, im Jahresbericht den Frauenanteil in den Führungsgremien offenzulegen, gute Erfahrungen gemacht. Dort sind heute 23 Frauen in den Aufsichtsräten. Der in Europa, und da haben Sie recht, noch einzigartige Weg Norwegens mit einer streng verbindlichen Quote oder die gesetzlichen Regelungen in Spanien und in absehbarer Zeit auch in Frankreich sind interessant und müssen auch sorgfältig geprüft werden.
Es ist aber zu bezweifeln, ob die dortige Praxis angesichts der unterschiedlichen Strukturen in den Unternehmensführungen auf deutsche Verhältnisse übertragbar wäre - auch das muss geprüft werden.
Für Deutschland brauchen wir einen Stufenplan, im ersten Schritt eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft mit klaren und verbindlichen Regeln nach dem Beispiel Schwedens, mit einer im Handelsgesetzbuch zu verankernden Berichtspflicht der Unternehmen über den Stand der Frauen und ihre Positionen. Weitere mögliche Schritte müssen auf Basis der internationalen Erfahrungen mit Wirtschaft und Gewerkschaften erörtert werden.
Wenn Sie skeptisch sind in Bezug auf die Selbstverpflichtung der Wirtschaft, dann gebe ich Ihnen nur bedingt recht. Aber wir als Abgeordnete, schauen wir mal, wer kommt denn zu uns in unsere Büros, unter
anderem auch Wirtschaftsverbände, Handwerksunternehmen usw., und da sehe ich es auch immer als meine Pflicht an zu fragen, hört mal, ihr wollt meine Beziehungen, ihr wollt die Verbindung zur Regierung, ihr wollt dieses und jenes, jetzt frage ich euch mal, wie viele Frauen beschäftigt ihr und in welchen Positionen beschäftigt ihr die Frauen. Das sollten wir uns vielleicht auch mal auf die Agenda schreiben.
Am 20. Januar 2010, also noch ganz frisch, hat der Petitionsausschuss des Bundestages eine gesetzliche Frauenquote von 50 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen abgelehnt. Das Anliegen, mehr Spitzenfunktionen in der Wirtschaft mit Frauen zu besetzen, sei zwar wichtig, eine gesetzliche Regelung sei jedoch nicht zweckmäßig und zudem - und jetzt kommt es - nach Europarecht unzulässig. So weit die Begründung des Petitionsausschusses. Jedoch unabhängig von der Ablehnung beschloss der Ausschuss - und jetzt kommt wieder etwas Positives -, die Eingabe unter anderem dem Frauenministerium - ich sage verkürzt „Frauenministerium“ - und dem Justizministerium als Material zu überweisen. Damit soll sichergestellt werden, dass der Vorschlag in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen einbezogen wird. Das ist doch schon mal sehr positiv.
Meine Damen und Herren, alle, die wir hier sitzen, haben das Ziel, in unseren Programmen hoch qualifizierte Frauen auf Topebenen großer Wirtschaftsunternehmen zu etablieren. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der GRÜNEN-Fraktion, wenn ein entsprechender Gesetzentwurf über einen Stufenplan im Bundesrat vorliegt, dann ist unsere Landesregierung gefragt. Ich bin ganz sicher, dass CDU und SPD eine Gleichstellung von Frau und Mann in Führungspositionen auf jeden Fall unterstützen werden. Ein bisschen Geduld ist angebracht, um Fehler und Fallstricke zu vermeiden. Kurzfristiges Handeln und schnell gestrickte Gesetze landen schnell beim Bundesverfassungsgericht und schaden dem Anliegen genauso wie unserer Zunft.