Ich sage Ihnen ganz deutlich, eine konzertierte Aktion maßgeblicher Geheimdienste der Bundesrepublik und er hat es nicht gewusst oder will es nicht gewusst haben oder ist der Meinung, es ist nicht relevant - alle diese Aspekte sind untragbar und erfordern konsequentes Handeln, Herr Innenminister.
Und die nächste Frage, die ich mir stelle: Was ist denn jetzt im Lichte dieser Erkenntnisse, die wir neu seit dieser Woche gewonnen haben, mit der Aussage des Zielfahnders? Herr Schäfer konnte wohl dem in seinem Bericht keine Bedeutung beimessen, denn ihm lagen ja vorsortierte Akte vor. Und Sie, Herr Geibert, entschuldigen Sie, erdreisten sich, dem Parlament zu unterstellen, es könne keine Akten lesen.
in einem als Non-Paper deklarierten BND-Bericht vom 01.12.2011 auf, der dann auch noch zurückgezogen wurde. Er hat aber auch nicht im Ansatz den Inhalt, den wir in der Presse dazu zur Kenntnis nehmen durften, und zwar in der überregionalen Presse. An dieser Stelle sei mir ganz deutlich auch ein Dank an die sogenannte vierte Gewalt gestattet. Ohne die akribische Arbeit, ohne das hartnäckige Hinterfragen von vielen Journalisten in Thüringen und Deutschland wären wir in unserem Erkenntnisstand möglicherweise noch lange nicht so weit, wie wir heute sind.
Aber ist denn das Ihre Taktik, Herr Geibert, die Verantwortung so auf die sich wirklich redlich mühenden Abgeordneten abzuwälzen? Wollen Sie von der Verantwortung von heute noch handelnden Personen in Ihrem Hause möglicherweise ablenken?
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer trägt sie insgesamt, die Verantwortung, Herr Minister Geibert?)
in der Schnittstelle zwischen Innenministerium und Verfassungsschutz? Ich sage Ihnen, die Geduld des Parlaments ist aufgebraucht, wir lassen uns das nicht mehr länger gefallen, meine Damen und Herren.
Information an das Parlament und an die dafür installierten Gremien ist eine Bringschuld des Verfassungsschutzes
und es ist die einzige Legitimation, meine Damen und Herren, für einen Geheimdienst in einer Demokratie. Wird diese unterlaufen oder wird sie ignoriert, entfällt die Existenzberechtigung für den Verfassungsschutz. Das sollte man sich immer vor Augen halten.
Wir schauen sehr genau darauf, meine Damen und Herren - das kann ich Ihnen versprechen -, welche Schritte dazu in der nächsten Zeit unternommen werden.
Aber ich will an dieser Stelle auch auf keinen Fall die ebenso wichtige und notwendige Übernahme von fachlicher, aber nicht zuletzt auch politischer Verantwortung von führenden Amtsträgern in den 90er-Jahren unterschlagen.
Was sich da im Schäfer- und im sogenannten Gasser-Bericht über das Wirken von Innenminister und Verfassungsschutzpräsident aus dieser Zeit offenbart hat, das übersteigt offen gestanden mein Vorstellungsvermögen. In einer Mischung aus Arroganz und Pseudowissenschaftlichkeit wurden bewährte Abläufe und Regularien im Geheimdienst geradezu ad absurdum geführt, das war einfach abenteuerlich und auch dilettantisch.
Und das, obwohl das Amt ohnehin, wie wir jetzt gelernt haben, durch jahrelange Kompetenzquerelen und Eitelkeiten nur bedingt einsatzfähig war. Da hätte ich mir schon bei der Zeugenbefragung im Untersuchungsausschuss mehr Demut vor den Opfern und mehr Einsicht in die eigenen Unzulänglichkeiten gewünscht, meine Damen und Herren.
Man kann von Otto Schily und Günther Beckstein halten, was man möchte, aber sie haben Größe gezeigt in ähnlichen Situationen und sich entschuldigt. Das macht niemanden wieder lebendig, aber Überheblichkeit ist mit Sicherheit die falscheste aller Reaktionen.
Meine Damen und Herren, welche Konsequenzen sind nun aus unserer Sicht aus diesen ersten Erkenntnissen zu ziehen? Ich bin mir mit meiner Fraktion darüber einig und mein Kollege Gentzel hat das hier an dieser Stelle auch schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es zum grundlegenden Umbau des Landesamtes für Verfassungsschutz kommen muss. Wir lassen uns dabei ausdrücklich alle Optionen offen, in welche Richtung sich das entwickeln wird. Wie genau das aussehen wird,
kann man wirklich erst dann sagen, wenn alle Erkenntnisse auf dem Tisch liegen. Diese Vorgehensweise unterscheidet uns als Sozialdemokraten deutlich von so mancher aus meiner Sicht populistischen Forderung nach Abschaffung des Landesamtes, denn wir Sozialdemokraten sind immer der Auffassung gewesen und bleiben dabei, Demokratie muss selbstverständlich wehrhaft bleiben und das war schon immer unsere Maxime, meine Damen und Herren.
Es müssen aber auch die Kontrollen und Beteiligungsrechte des Parlaments gestärkt werden. Deshalb ist es richtig, dass die beiden Koalitionsfraktionen einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes hier eingebracht haben.
In diesem Zusammenhang soll die Weiterleitung von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes an die Strafverfolgungsbehörden neu geregelt werden. Damit besteht nunmehr bei sogenannten Staatsschutzdelikten eine Verpflichtung der Informationsübermittlung. Eine solche Regelung hat uns im Übrigen auch Herr Schäfer in seinem Bericht empfohlen. Um Rechtsextremismus und rechtsextreme Bestrebungen zu bekämpfen, hat meine Fraktion schon im März dieses Jahres einen ersten Aktionsplan unter dem Titel „Was zu tun ist - rechten Alltagsterror bekämpfen, Thüringen als weltoffenes Land gestalten“ vorgelegt. Darin fordern wir unter anderem, dass sich Thüringen für das Ende der Kriminalisierung des Engagements gegen Rechts, zum Beispiel durch die Abschaffung der sogenannten Extremismusklausel einsetzt.
Weiterhin wollen wir das Engagement gegen Rechts vor Ort ausbauen und die entsprechenden Förderprogramme weiterentwickeln.
Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, was nach unserer Auffassung für die weitere Arbeit im Untersuchungsausschuss im Mittelpunkt stehen muss: Eine Aufklärung ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit oder Koalitionen oder sonstige frühere Affinitäten, eine Aufklärung ohne Rücksicht auf ideologische Grabenkämpfe, da schaue ich mal ganz vorsichtig in Richtung der Fraktion DIE LINKE, und eine Aufklärung ohne so manches formalrechtliche Scheingefecht, da schaue ich mal ganz vorsichtig in Richtung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dass der Ausschuss diese Aufklärung leisten wird, meine Damen und Herren, davon bin ich fest überzeugt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eines betonen: Garant dafür ist auch die engagierte Arbeit der Ausschussvorsitzenden Dorothea Marx, bei der ich
Ich nehme sie ausdrücklich in Schutz vor so manchem interessengeleiteten Vorwurf ihre Arbeit im Ausschuss betreffend. Ich bin froh, eine solch engagierte Kämpferin für das Recht und die Aufklärung an der Spitze dieses Gremiums zu haben.
Genauso bin ich froh, dass im Ausschuss der Wille der Abgeordneten sehr, sehr deutlich dokumentiert wird, diese Aufklärung zu betreiben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Thüringen ist in aller Munde, aber leider nicht so, wie wir uns das alle wünschen. Thüringer Heimatschutz, Jenaer Trio und noch so manche andere Termini, denen wir uns stellen müssen, auf die wir gut und gerne auch verzichten könnten, beschäftigen uns in den letzten Monaten sehr. Ich appelliere an uns alle, an alle Entscheidungsträger, an alle Verantwortungsträger in diesem Freistaat, fügen wir nicht noch ein weiteres unrühmliches Kapitel mit einer möglicherweise missglückten Aufklärung hinzu.
Die Schäfer-Kommission, das Vorgehen der Ministerpräsidentin, das gemeinsame Wirken des Parlaments - all das waren erste richtige Schritte, aber dabei darf es nicht bleiben, wir haben eine Verpflichtung.
Danke schön, Herr Abgeordneter. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Dirk Adams.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, als Letzter in einer so intensiven Debatte hat man das Problem, dass vieles schon gesagt wurde, viele Aspekte besprochen sind. Es hat aber auch die Chance, auf die Vorredner einzugehen. Das will ich am Anfang kurz machen.
Sehr geehrter Herr Höhn, nur zwei Aspekte zu Ihrer Rede: Erstens, vielen Dank, und zweitens, vielen Dank für die Worte wider die Verharmlosung.