Protokoll der Sitzung vom 20.07.2012

Werter Herr Finanzminister, ich wollte doch Ihre Analyse nicht so einfach stehen lassen, dass in Ihrer ganzen Analyse das Verhältnis zwischen öffent

(Minister Dr. Voß)

licher Verschuldung und privatem Vermögen nicht mal erwähnt wird, sondern dass Sie das alles nur

(Beifall DIE LINKE)

dem Wechselverhältnis zwischen Banken und Staaten zuordnen und die Staaten einfach bei den Banken das Geld geliehen hätten.

(Zuruf Dr. Voß, Finanzminister: Das haben sie doch auch gemacht.)

Ja, und wer hat vorher die Steuern gesenkt? Wer will den Sozialstaat bezahlen? Wie werden die Vermögenden mit einer gerechten Steuer beteiligt, um den Sozialstaat zu finanzieren? Jetzt schieben Sie einfach den Schwarzen Peter umgekehrt herum. Erst wird neoliberal das Land umgebaut, indem man tatsächlich die Steuern senkt, den Staat verarmt, den Staat handlungsunfähig macht, ihn dann in die Schuldenkrise treibt, um dann das gleiche System wieder mit Steuergeldern zu finanzieren und die Geldblase immer weiter aufzublasen.

Jetzt sagt die FDP zynischerweise, na ja, dann machen wir den schlanken Staat. Damit bleibt die Frage: Wer kann sich einen armen Staat erlauben? Nur die, die genügend Geld haben, um sich damit wieder finanziell gesundstoßen zu können. Und an der Staatsverschuldung verdienen dann diejenigen, die vorher die Steuern gesenkt bekommen haben.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist ein absurder Vorgang, bei dem ich nur sagen kann, am Ende wird das Verhältnis zwischen Realwelt, Realwerten und Geldwelt und Geldwerten uns irgendwann den ganzen Laden um die Ohren fliegen lassen. Wir sind jetzt bei einem Verhältnis zwischen den Realwerten auf der Erde, die transferiert werden, von 1 : 15. Auf 1 $ Realwert, der gehandelt wird, kommen 15 $ Finanztransaktion im gleichen Zeitraum. Dann wundern Sie sich, was eigentlich passiert, wenn diese Finanzmasse auf einmal Realwerte sucht. Wenn Sie dann nicht mal mehr die Frage stellen und zulassen und nicht mal durchdenken wollen, wie wir im Kern des Geldwertes, im Geldverkehr wieder einen inneren Anker schaffen; da gibt es einen interessanten Vorgang, den fand Herr Schäuble in den letzten Tagen gar nicht so ganz verkehrt, nämlich die Frage einer Zwangsanleihe für Staatsanleihen für die Vermögenden. Würde auf das deutsche Geldvermögen, auf das private Geldvermögen eine 40-prozentige Staatsanleihe als Verpflichtung gezeichnet werden, wären die gesamten Staatsschulden mit einem Schlag gelöst. Das Problem ist, der Staat und die Kommunen und die Länder wären wieder handlungsfähig.

(Beifall DIE LINKE)

Aber davon lenken Sie ja ab, weil Sie im Moment sagen, es hat was mit den Banken zu tun und den Staaten, die Staaten hätten das Geld ja nicht auf

nehmen sollen. Wenn dann die Frage kommt, wer die Schule saniert, wenn die Frage kommt, wie Eltern ihre Schulgelder bezahlen sollen, oder wie die Schulen organisiert werden sollen, da wird dann einfach gesagt: Na, da huschen wir mal drüber weg. Da muss eben intelligenter gespart werden. Glauben Sie wirklich, dass die Probleme des Sozialstaats durch Sparen zu lösen sind? Und nur, um nicht falsch verstanden zu werden, die FDP hätte das ja gern: Uns geht es nicht um Geldausgeben als Selbstzweck. Wir haben die Spaßbäder in Thüringen nicht gebaut. Wir haben den Flughafen in Erfurt nicht gebaut. Wir haben die Messefinanzierung nicht gemacht. Wir haben das private Leasingmodell für diesen Landtag nicht gemacht. Das waren wir in der Tat alles nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Ramelow, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, von Herrn Barth lasse ich keine zu, weil ich sein intellektuelles Niveau nicht erreiche, und ich habe jetzt auch dem Finanzminister antworten wollen, die FDP hat ja ihren Antrag selber vorgestellt. Ich stelle nur die Frage, ob Sie wenigstens mal darüber nachdenken, wenn uns das Währungssystem um die Ohren fliegt. Und da bin ich bei Ihnen, das Schuldenmanagement muss abgebaut werden. Wir brauchen eine deutliche Reduzierung der öffentlichen Schulden. Die Frage ist nur, ob wir den Mut haben, das Thema Lastenausgleichsgesetz dann endlich mal zu Ende zu denken, das, was nach 1945 in Westdeutschland ganz normales Regelwerk war, zu einem Zeitpunkt, zu dem Herr Adenauer regiert hat. Ich will es nur mal erinnern, damals hatten wir einen Spitzensteuersatz von 90 Prozent. Heute sagen Sie, die LINKE führt den Sozialismus ein, nur wenn wir auf 53 Prozent von Herrn Kohl wieder mit dem Spitzensteuersatz zurückwollen. Das, was wir wollen, ist Schuldenabbau, indem die Vermögenden am Schuldenabbau beteiligt werden. Einer trage des anderen Last und wer mehr tragen kann, muss auch mehr an Verantwortung übernehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter Ramelow. Das Wort hat jetzt noch einmal Herr Abgeordneter Barth. Die Redezeit ist gering.

Danke, Frau Präsidentin, ich brauche auch nicht viel. Ich will Herrn Kollegen Ramelow nur genau auf

(Abg. Ramelow)

den letzten Punkt noch mal ansprechen und sagen, 90 Prozent Spitzensteuersatz gab es auch in der DDR. Das Ergebnis waren lauter Reiche. Das Land hat geblüht, es gab einen Flughafen in Erfurt, es gab jede Menge Spaßbäder und lauter glückliche Menschen, die nichts weiter wollten als hierbleiben.

(Beifall FDP)

Das ist das Ergebnis von 90 Prozent Spitzensteuersatz. Danke.

(Zwischenruf Dr. Voß, Finanzminister: Das haben wir doch gemacht.)

(Beifall FDP)

(Unruhe DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich habe jetzt keinen Wunsch mehr auf Rede aus den Reihen der Abgeordneten. Herr Minister, sehe ich, dass Sie noch mal reden wollen? Ja, ich sehe das. Bitte, Herr Minister.

Also, Herr Ramelow, ein paar Sachen kann man so nicht stehenlassen. Ich meine, jeder hat sein Weltbild und Sie haben hier Ihres ausgebreitet. Sie können einfach nicht leugnen, dass immer noch die Staatsschulden und die Kredite, die aufgenommen werden, durch Parlamente beschlossen werden. Es ist einfach nicht richtig, dass die Leute so bedrängt sind von äußeren Einflüssen, dass sie nicht anders handeln können.

Zu Ihrem Lastenausgleich will ich Ihnen mal Folgendes sagen: Der Lastenausgleich ist ein Mittel gewesen zwischen denen, die ihr Eigentum durch die Flucht verloren haben, und jenen, die im Westen waren und eben keinen Vermögensverlust hatten.

(Unruhe DIE LINKE)

Da hat es über 20, 30 Jahre eine Abgabe gegeben, um die Flüchtlinge aus dem Osten für den Vermögensverlust zu entschädigen. Das ist Lastenausgleich.

(Beifall CDU, FDP)

Jetzt frage ich mal, wo ist hier die Situation?

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Und wenn der Euro platzt?)

Das ist doch überhaupt nicht vergleichbar, was Sie sagen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Und wenn das Geld flüchtet?)

Nein, es ist einfach nicht vergleichbar. Man kann sich natürlich die Ursachen und Wirkungen irgend

wie so zurechtdichten, wie sie einem nun gerade passen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wie Sie es gemacht haben, die Bank ist nicht schuld, der Staat ist schuld.)

Ich habe Ihnen ja gesagt, es gibt eine Wechselwirkung, aber wenn Sie - ich will doch gar nicht über Banken sprechen - sich von Banken abhängig machen, wenn Sie sich überschulden, dann sind Sie abhängig davon. Aber niemand zwingt Sie doch dazu, oder?

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wir müssen doch dauernd die Schutzschirme aufbauen.)

Ich will jetzt nicht philosophieren. Wissen Sie, wie es zum Zusammenbruch der Banken kam, wissen Sie das? Die Ursache ist eine Beleihungsgrenze für Immobilien, die durch die Clinton-Regierung beschlossen worden ist.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall FDP)

Wir haben in Deutschland eine Beleihungsgrenze von 60 Prozent, in Amerika hat man die auf 100 Prozent hoch gesetzt und man hat nur den Eigentumswert für die Kreditbedienung genommen. Wenn die Werte sinken, war auf einmal eine Überschuldung gegeben und das ist der Grund, warum das reihenweise zusammengebrochen ist

(Beifall FDP)

und das ist bei uns gelandet.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Wieso zahlt der Staat das?)

Es ist die Politik gewesen, die den Sparkassen gesagt hat, ihr müsst jedem einen Kredit geben, und zwar mit einer Beleihungsgrenze von 100 Prozent. Das ist die Ursache, warum die Krise zu uns gekommen ist.