Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, am Weltkindertag über die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu sprechen, ist sicherlich ein willkommener Anlass, um Beteiligungsrechte zu stärken, umso mehr allerdings geht es nicht darum, Frau Kanis, ein Kinderparlament auf Landesebene einzuführen, sondern ein Gremium zu bilden, das sagt jedenfalls der Gesetzentwurf der FDP, wo wir als Vertreter der einzelnen Fraktionen für Kinder entscheiden. Das ist doch ein gewaltiger Unterschied und das ist auch die unterschiedliche Auffassung, die man zu diesem Thema haben kann,
wie man Kinder- und Jugendbeteiligung tatsächlich stärkt, nämlich repräsentativ oder unmittelbar. Das ist eine der Fragen, über die wir zu diskutieren haben im Ausschuss bzw. in den Ausschüssen.
1988 hat der Bundestag eine Kinderkommission gegründet, die sich inzwischen in der 7. Legislatur befindet und seitdem gut arbeitet. Im Jahr 2009 hat Bayern das ähnlich gemacht, ein gemeinsamer Beschluss der Fraktionen hat übrigens überfraktionell eine Kinderkommission eingesetzt. Das Interessante ist, weil das vorhin hier anklang, wozu brauche man das Ganze denn, es gäbe ja schon einen Landesjugendhilfeausschuss. Natürlich gibt es in Bayern einen Landesjugendhilfeausschuss und parallel agiert und arbeitet die Kinderkommission dort auch.
Womit hat man sich in Bayern beschäftigt bislang? Man kann das sehr plakativ nachlesen in den Berichten, in den Jahresberichten. Da wurde sich befasst mit der frühkindlichen Bildung und Verbesserung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Es ging um die Frage des Gewaltschutzes, um die Frage, wie Kinder und Anforderungen an Mobilität besser funktionieren können, Probleme, die Kinderarmut betreffen, natürlich auch die medienpolitische Debatte, viele Dinge, die Selbst- und Mitbestimmung von Kindern angingen, ebenso wie Vernachlässigung von Kindern und soziale Ausgrenzung usw. Die Liste ließe sich fortsetzen. Offenbar ist die Bayerische Kinderkommission sehr aktiv gewesen und hat viel gearbeitet. Das zeigt auch, was für ein weites Spektrum dort angelegt wurde.
Noch mal zur Konstituierung des Ganzen: Es handelt sich um eine Kinderkommission mit fünf Vertretern aus dem parlamentarischen Raum, in diesem Fall, um es ganz korrekt zu sagen, fünf Vertreterinnen, es sind nämlich allesamt Frauen in Bayern.
Ja, Herr Koppe, ich dachte, ich muss das jetzt noch einmal deutlich machen, was eigentlich in Ihrem Gesetz steht.
Ich möchte auch an dieser Stelle daran erinnern, weil es darum ging, man könne das ja alles klären im Jugendhilfeausschuss: Zumindest meine Fraktion, bei der FDP weiß ich das jetzt nicht, sie hat keinen Sitz im Landesjugendhilfeausschuss. Von daher bitte ich Sie, immer auch zu berücksichtigen, dass wir Dinge, die wir da diskutieren wollen, im Zweifel an dieser Stelle nicht gemeinsam ausgewogen debattieren können. Trotzdem gibt es jetzt kein Hurra mit wehenden Fahnen von den GRÜNEN. Das sage ich Ihnen ganz offen, weil jede gute Idee erstens immer gut durchdacht sein muss und zweitens auch ihren guten Zeitpunkt braucht. Sie können die beste politische Idee haben, wenn die Zeit dafür nicht gekommen ist, geht die sang- und
klanglos unter. Mir erschließt sich im Augenblick weder die Not noch die Form, die die FDP hier anbringt.
Im Übrigen ist Kinderschutz und alle Themen, die ich vorhin genannt habe, aus meiner Sicht ein Querschnittsthema. Ich sagte vorhin, Kinder und Mobilität war eines der Themen, mit denen sich die bayerische Kinderkommission auseinandergesetzt hat und ich persönlich denke, wenn man Kinderschutz immer mitdenkt und über Mobilitätsfragen diskutiert, dann ist man eben auch für Tempo 30 und nicht für den Slogan „Mit Vollgas ins Rathaus“.
Das geht für mich nicht zusammen. Für mich geht das ebenso nicht damit zusammen, wenn man darüber redet, wie Familien mehr Zeit miteinander verbringen können und dann sagt, übrigens beim Ladenschluss wollen wir so wenig Regulierung wie möglich, damit alle im Einzelhandel ihre Freiheit haben und Arbeitnehmerinnenrechte sind uns nicht so wichtig. Auch das wäre eine Querschnittsfrage in der Kinder- und Sozialpolitik.
Und die dritte Frage, die sich damit nicht in Einklang bringen lässt für mich, ist, wie man auf der einen Seite geringe Familieneinkommen unter 4 € pro Stunde der Eltern akzeptieren kann, dies auch selbst praktiziert und dann im Zweifel sagt, Kinderrechte sind uns wichtig. Also ich denke, Kinderpolitik ist ein Querschnittsthema und an dieser Stelle ist die FDP ja zutiefst ordnungspolitisch unterwegs. Das ist, glaube ich, auch das, was Sie für gewöhnlich eigentlich nicht sind. Da muss man noch einmal überlegen, ob die Kinder das überhaupt wollen, ob der Wunsch danach überhaupt besteht. Ich würde das gerne hören wollen, dass Kinder sich auch auf diese Art und Weise im Parlament vertreten lassen wollen. Wenn das überzeugend vorgetragen wird, können wir darüber gerne sprechen.
Grundsätzlich, wie gesagt, ist diese Idee nicht schlecht. Wir haben aber mit unserem Entschließungsantrag deutlich machen wollen, dass die Frage, das beim Petitionsausschuss anzusiedeln, für uns zunächst eine formale Frage ist, sich aber logisch nicht erschließt. Deswegen sagt unser Entschließungsantrag, lassen Sie uns bitte prüfen, ob diese Kinderkommission, so sie denn eingesetzt würde, im Idealfall überfraktionell beschlossen, nicht auch an den Sozial- und Gesundheitsausschuss angebunden sein sollte.
Mit Sicherheit lässt sich das prüfen. Mit Sicherheit wäre die Landesregierung bereit, das bis zum 31. Januar 2013 zu tun. Deswegen auch unser Vorschlag, deswegen unser Entschließungsantrag. Und um - Herr Koppe, da dürften wir auch beieinander sein - gerade kleineren Fraktionen die aktive Mitarbeit dann eben zu erleichtern, sollte es diese
Kommission potenziell mal geben und die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten, sollte man auch so fair sein zu sagen, im Zweifel können diese Mitglieder natürlich auch ersetzt werden durch andere Mitglieder Ihrer Fraktion. Solche formalen Dinge kann man jetzt im Ausschuss besprechen, kann die Landesregierung prüfen. Abgesehen davon hätte es den ungemeinen großen Vorteil, nicht nur, dass Sie die Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen dann da drin sitzen hätten, sondern auch, dass die Kosten für die Arbeit der Kinderkommission ganz klar beim Ausschuss mit angesiedelt sein könnten und dieser Unterausschuss an dieser Stelle arbeitsfähig wäre.
Meine Fraktion sagt deswegen, dass der Entschließungsantrag uns genug Spielraum gibt, zu prüfen, wo genau das Ganze formalisiert werden könnte und darüber hinaus freuen wir uns auf eine gute Debatte Ihres Gesetzentwurfs im Sozialausschuss und im Petitionsausschuss. Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Siegesmund. Es liegt mir jetzt keine Redemeldung vor und augenscheinlich … Die Frau Ministerin möchte reden. Bitte, Frau Ministerin.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Frau Präsidentin, zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der FDP „Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Petitionswesen“ nehme ich wie folgt Stellung:
Kinder sind in unserer Gesellschaft besonders schwache und schutzwürdige Mitglieder. Sie können sich weder organisieren noch sonst ihre Bedürfnisse zur Geltung bringen. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, dass Eltern und die politischen Gremien ihre Interessen berücksichtigen. Dass Kinderinteressen durch die Einrichtung einer Kinderkommission besser vertreten werden könnten, kann ich mir zwar vorstellen, meines Erachtens wäre es allerdings viel sinnvoller, den Kinderinteressen dadurch Rechnung zu tragen, indem Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden. Leider steht mehr als zwei Jahrzehnte nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November 1989 und fast 18 Jahre nach ihrem Inkrafttreten in Deutschland am 5. April 1992 die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland noch immer aus. Kinder haben Rechte, daran zweifelt heute niemand mehr. Aber bei Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Rechtsprechung wird das Kindeswohl bis heute nicht ausreichend berücksichtigt. Die Interessen der Kinder und Jugendlichen spielen in Deutschland
noch immer eine Nebenrolle, von ihrer aktiven Beteiligung an den politischen Prozessen und Verwaltungsentscheidungen ganz zu schweigen. Im Grundgesetz der Bundesrepublik werden die Kinder zwar in Artikel 6 erwähnt, sie sind aber nur Regelungsgegenstand der Norm, also Objekt. Damit sind für Kinder nur von den Eltern abgeleitete Rechte einklagbar.
Im Herbst vergangenen Jahres hat der Bundesrat die Bundesregierung dazu aufgerufen, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Mehr als ein halbes Jahr später erhielt die Länderkammer aber leider keinen Gesetzentwurf, sondern die Stellungnahme der Bundesjustizministerin, in der unter anderem festgestellt wurde, dass die vom Bundesrat geforderte ausdrückliche Normierung von Kinderrechten im Grundgesetz Kindern nicht mehr Rechte verschaffen würde, als ihnen jetzt schon von Verfassungs wegen zustehen. Ich habe das persönlich sehr bedauert und meine Kolleginnen und Kollegen auch, da ich den Schritt, die Kinderrechte in das Grundgesetz zu bringen, notwendig finde, um das Wohl von Minderjährigen zur Grundlage aller Gesetze, Verfahren und Gerichtsurteile zu machen. Die Aufnahme der Kinderrechte als Grundrecht in das Grundgesetz würde vor allem sehr viel stärker als bisher die Verantwortung von Staat und Eltern verdeutlichen, sich bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten gegenüber Kindern am Vorrang des Kindeswohls zu orientieren. Die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz wäre auch ein Signal für die gesamte Gesellschaft und ein Schritt von internationaler Bedeutung, da die spezielle Aufnahme der Kinderrechte in der Verfassung auch fast 20 Jahre nach Inkrafttreten der Kinderrechtskonvention eher selten ist.
Ich hielte es daher für sinnvoll, wenn die FDP die Wichtigkeit der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz auf Bundesebene transportieren und einen entsprechenden Antrag dazu formulieren könnte.
Ich schließe mich ausdrücklich dem Gesagten an, was zum Beispiel Frau Siegesmund zur Kinderkommission in Bayern gesagt hat. Ich habe mir das natürlich auch angeschaut. Das ist alles ehrenwert, das ist nicht die Frage. Alle in anderen Bundesländern werden sich auch bemühen, sich um Kinderrechte zu kümmern, das ist nicht die Frage. Aber die Frage ist schon: Was kann tatsächlich eine Unterkommission des Petitionsausschusses an der Stelle erreichen? Deswegen finde ich es auch gut, dass die Kollegen von der CDU gesagt haben, man soll das gemeinsam besprechen und auch erörtern. Auch mir liegt natürlich daran. Wenn wir uns entschließen als Parlament, an irgendeiner Stelle - ich sage das jetzt bewusst so, um das offen zu lassen uns für eine Kinderkommission oder etwas Adäquates zu entscheiden, dann müssen wir natürlich
schauen, wie bringen wir die Verbindung auch mit denen zustande, nämlich zum Beispiel über den Landesjugendhilfeausschuss, die eben auch für die Umsetzung ganz bestimmter Rechte von Kindern und Bedürfnissen verantwortlich sind, und schaffen nicht ausschließlich nur ein Gremium, das von vielen dann am Ende sogar vielleicht belastend empfunden wird. Das haben wir ja durchaus auch manchmal, manch ein Abgeordneter hat eine vielfache Belastung. Das eigentliche Ziel, nämlich Kindern zu helfen und zu ihren Rechten zu verhelfen, wird damit nicht erreicht. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Taubert. Jetzt liegt mir keine Redemeldung vor, also kommen wir zur Abstimmung.
Wir stimmen zuerst ab über den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP in der Drucksache Nummer 5/ 4914. Hier gibt es den Antrag auf Überweisung an den Petitionsausschuss. Wer sich dieser Überweisung anschließt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenenthaltungen? Auch nicht, dann ist die Überweisung angenommen.
Außerdem wurde beantragt, diesen Gesetzentwurf auch an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer sich dem anschließt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der FDP, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE. Gegenstimmen kommen aus den Fraktionen der CDU und der SPD. Damit ist diese Überweisung abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag in der Drucksache 5/5005 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Hier wurde die Überweisung an den Petitionsausschuss beantragt. Wer sich dem anschließt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Danke. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Ist auch nicht der Fall. Damit ist diese Überweisung ebenfalls angenommen. Vielen Dank. Ich schließe an dieser Stelle den Tagesordnungspunkt 9 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 10
Gesetz zur Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes und zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/4925
Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das ist der Fall und damit hat Frau Ministerin Taubert das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Zweite Bericht der Thüringer Landesregierung über die Anwendung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes in Drucksache 4/5185 machte in Teilen sehr deutlich, dass es aufgrund zahlreicher erkennbarer deutlicher Benachteiligung von Frauen nach wie vor erforderlich ist, die Beschäftigungs- und Beteiligungsverhältnisse von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst differenziert und kritisch zu betrachten. Ein wesentlicher Knackpunkt ist die noch immer bestehende ungleiche Verteilung von Frauen und Männern in der Besetzung von Führungspositionen. Je höher die Funktionsebene, umso geringer ist der Frauenanteil in der Thüringer Verwaltung des Landes und der Kommunen. Diese ungleiche Verteilung hat auch Auswirkungen auf den Anteil von Frauen bei Gremienbesetzungen, da die Auswahl für eine Mitgliedschaft in Gremien im Zusammenhang mit der Ausübung von Führungspositionen steht. Vor diesem Hintergrund haben sich die Regierungsparteien in ihrer Koalitionsvereinbarung vom Oktober 2009 dahin gehend verständigt - ich zitiere: „… das Thüringer Gleichstellungsgesetz zu novellieren und insbesondere verbindliche und sanktionsbewehrte Regelungen mit dem Ziel einer deutlichen Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen aufzunehmen. Die Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben soll vorangetrieben werden.“
Meine Damen und Herren, nach einer langen Arbeits- und Diskussionsphase wurde der Gesetzentwurf nunmehr vom Kabinett beschlossen und dem Thüringer Landtag zugeleitet. Bereits im Vorfeld habe ich veranlasst, dass die derzeitigen Probleme, aber auch die Erwartungen an ein künftiges Thüringer Gleichstellungsgesetz mit den Frauen und Gleichstellungsbeauftragten, dem Landesfrauenrat und den zu beteiligenden Gewerkschaften, also mit dem DGB und dem Thüringer Beamtenbund, diskutiert wurden. Dieser Prozess hat dem Gesetzgebungsverfahren gutgetan und er hat auch das Miteinander in der Koalition gefördert. Man muss nicht immer einer Meinung sein, aber wenn wir über diese Fragen diskutieren, wenn wir versuchen, alle Seiten zu hören und lösungsorientiert vorzugehen, ist das ein gutes Zeichen für die Ernsthaftigkeit, mit der dieses Gesetz von allen Ressorts erarbeitet wurde. Selbstverständlich wurden die Stellungnahmen der anzuhörenden Verbände auf Arbeitsebene umfassend geprüft und erörtert und punktuell umgesetzt. Ich bin sehr froh darüber, dass sich die Ko
alition gerade in dieser Frage einigen konnte und dass wir durch unsere Ministerpräsidentin Frau Lieberknecht, aber auch durch die Abgeordneten des Gleichstellungsausschusses immer wieder ermutigt und unterstützt wurden. Ein solches Gesetz wirkt tiefgreifend innerhalb der Verwaltung und gerade deshalb war es natürlich auch in vielen Punkten umstritten.
Ein Ergebnis, das ich beispielhaft anführen möchte, ist die Ausgestaltung des Klagerechts nach § 21 Abs. 1. Danach ist nunmehr Rechtsschutz gegeben, wenn die Dienststelle die Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten verletzt oder einen den Bestimmungen des Thüringer Gleichstellungsgesetzes nicht entsprechenden Gleichstellungsplan aufstellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bisher geltende Gleichstellungsgesetz aus dem Jahr 1998 hatte viele Kannbestimmungen und Ausnahmeregelungen, so dass seine Wirksamkeit zwar grundsätzlich vorhanden, aber keineswegs genügend zielführend war. Hinzu kommt, dass wir es Frauen wie Männern ermöglichen wollen, Beruf und Familie so miteinander zu verbinden, dass trotz der Aufgaben und Pflichten im privaten Bereich die berufliche Karriere beider möglich wird. In diesen Aufgabenfeldern - und das ist sehr wichtig - muss der Staat vorbildlich agieren, denn Gleichberechtigung darf nicht nur in Verfassung und Gesetz stehen, sondern ist auch als gelebte Chancengleichheit in der Realität umzusetzen.
Der Freistaat Thüringen hat sich zur Aufgabe in seiner Landesverfassung bekannt, er geht sogar in diesem Punkt über das Grundgesetz hinaus, indem er das Grundrecht auf Gleichheit bereits in Artikel 2 der Thüringer Verfassung normiert. So heißt es in Artikel 2 Abs. 2 der Thüringer Landesverfassung ich zitiere: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens … zu fördern und zu sichern.“ Selbstverständlich gilt dieses Verfassungsgebot immer in Verbindung mit Artikel 33 des Grundgesetzes, der die fachliche Leistung, Eignung und Befähigung in den Vordergrund rückt, wenn es um Personalfragen des öffentlichen Dienstes geht.
Mir ist es wichtig, darauf zu verweisen, dass es bei diesem Vorhaben um Verfassungsrecht von höchstem Rang geht. Deshalb bedanke ich mich sowohl bei allen Ministerien als auch den sonstigen Mitwirkenden, die diesen Arbeitsprozess begleitet haben. Ich will insbesondere unsere Gleichstellungsbeauftragte Frau Arenhövel nennen. Auch alle kritischen Hinweise waren wichtig, denn es handelt sich insgesamt um eine komplexe Gesetzesmaterie, die in der öffentlichen Verwaltung umzusetzen ist.
Was sind nun die neu gefassten Schwerpunkte im Gesetz? Zum einen haben wir festgelegt, dass bei Privatisierung und Ausgliederung sicherzustellen ist, dass die tatsächliche Gleichstellung gewährleistet bleibt. Ganz besonders wichtig für uns ist natürlich, dass wir in Führungspositionen, die wir genau definiert haben, auch eine Geschlechterquote für das unterrepräsentierte Geschlecht in Höhe von 40 Prozent definiert haben. Der Gleichstellungsplan wird ein eher hartes Instrument und ist mehrstufig sanktionsbewehrt bis hin zu seiner Einklagbarkeit. Mit einer folgenden Statistikverordnung soll die Landesregierung jederzeit auf der Basis von kohärenten Daten auskunftsfähig sein und die fortlaufende Kontrolle sicherstellen. Die paritätische Gremienbesetzung wird zur Sollvorschrift. Ausnahmen sind nur noch bei Wahlverfahren zulässig. Die Wahl der Gleichstellungsbeauftragten in den Dienststellen erfolgt durch alle, auch männliche Bedienstete. Damit ist Thüringen allen anderen Bundesländern und dem Bund voraus.
Wir haben geregelt, dass in großen Dienststellen eine Entlastungsstaffel vorgesehen ist. Das heißt, ab einer Bedienstetenzahl von 400, 800 und 1.200 werden die Gleichstellungsbeauftragten mit einem Stellenanteil von 0,5 bis hin zu 1,0 Vollbeschäftigteneinheiten für die Wahrnehmung von Gleichstellungsaufgaben entlastet. Eine Entlastung hierfür ist nur im gegenseitigen Einvernehmen zulässig. Um für diese Standarderhöhung einen Ausgleich zu schaffen, wird der Gleichstellungsbericht nach § 14 künftig alle sechs Jahre erstellt werden beginnend ab der nächsten Legislaturperiode. Die Gleichstellungspläne werden alle sechs Jahre neu erstellt sowie alle drei Jahre angepasst. Dies entlastet die Personalverwaltungen in hohem Maße, baut Bürokratie ab und gibt auch einer effizienten Arbeit mit den jeweiligen Gleichstellungsbeauftragten deutlich mehr Gewicht. Aus dem bisherigen Beanstandungsrecht wird ein Einspruchsrecht. Zugleich wird ein Klagerecht für die Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten eingeführt, um mit dem gerichtlichen Rechtsschutz auch dem notwendigen Druck bzw. Nachdruck, freundlich gesagt, auf die Dienststellen bei Versäumnissen und Verstößen begegnen zu können. Die kommunalen Standards werden bei den kleinen Gemeinden unter 20.000 Einwohner abgesenkt. Das heißt, erst bei einer Dienststellengröße von mindestens 50 Bediensteten in den Gemeinden sind kommunale Gleichstellungsbeauftragte zu wählen. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Gemeinden bis 20.000 Einwohner wirken zudem nur noch intern in ihrer Dienststelle. Bisher war das auch außerhalb. Die kommunalen Standards in Gemeinden ab 20.000 Einwohner und in den Landkreisen werden dagegen gestärkt durch die Anhebung des Stellenanteils zur Entlastung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten von bisher 0,5 VbE auf mindestens 0,75 VbE. Eine Abweichung ist auch hier nur
im gegenseitigen Einvernehmen möglich. Neu ist auch die Normierung der Beauftragten für die Gleichstellung von Mann und Frau sowie die geschlechtergerechte Ausgestaltung von Sprache und Haushalt.