Protokoll der Sitzung vom 20.09.2012

es muss alles nach oben verlagert werden. Wir sprachen gestern über Europa, am besten entscheidet die Europäische Kommission, wann wir sonntags Ladenöffnungszeiten haben. Nein, bleiben Sie bei den kleinen Strukturen, bleiben Sie bei der Subsidiarität und verlagern Sie das nicht weg. Insofern ist der Ansatz in Ihrem Änderungsantrag sehr ideologisch und Sie schränken Sortimente ein. In vielen Punkten gehen Sie auf Tatbestände zurück, die wir längst überkommen haben. Ich will jetzt hier nicht wieder mit Freiheit für alles kommen, aber es sollte doch jedem überlassen sein, gerade demjenigen, der Einzelhandel betreibt, wann und wie er sein Geschäft öffnet, wann er selber die Möglichkeit sieht, damit Umsatz zu machen. Er sollte entscheiden können, wann er sein Personal einsetzt, seine übrigens für 7 Tage, 24 Stunden, angemieteten Flächen öffnet und wann er die Gäste dazu einlädt, seine Kunden zu sein. Wir alle können das im Internet. Damit diese Konkurrenz nicht unsere Städte leer fegt, unseren Einzelhandel an den Rand der Existenzbedrohung drängt, sind wir mit diesem Antrag ins Plenum gekommen.

Der Änderungsantrag der GRÜNEN hat uns relativ kurzfristig erreicht und landete gestern auf dem Tisch dieses Hauses. Insofern beantrage ich nochmals die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Vielen Dank. Für die CDU-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Christian Gumprecht.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden heute den Antrag, den die FDP zur Änderung des Ladenöffnungsgesetzes eingebracht hat, wie bereits in der letzten Sitzung angekündigt, ablehnen. Es war Ihnen damals sicherlich schon bewusst und ist Ihnen sicherlich auch bewusst, dass man ein halbes Jahr nach Neueinführung des Gesetzes dieses nicht noch mal ändern muss, wenn es nicht notwendig ist, und wir halten es nicht für notwendig. Wir teilen auch Ihre Meinung nicht, Herr Kemmerich, dass es niemanden gibt, der für das Gesetz spricht.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Wenige.)

Ich habe eine Reihe Stimmen gehört, die dagegensprechen. Ich habe aber auch sehr viele Stimmen gehört, die sich dafür aussprechen. Insofern sind wir immer in einer Spannung. Wir haben oftmals Gesetze, die von unterschiedlichen Interessen ge

(Abg. Kemmerich)

leitet sind. Wir müssen einen Weg suchen, der für unser Land vernünftig ist.

Ihnen geht es mit der vorgeschlagenen Änderung um die generelle Abschaffung des zweiten freien Samstags. In zahlreichen Gesprächen haben wir auch gerade mit Handelseinrichtungen darüber diskutiert. Ich will es hier noch mal klar sagen: Unser Anliegen war und ist es, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Handels mehr Zeit für ihre Familien einzuräumen. Familienfreundlichkeit ist unser Anliegen. Das ist für uns keine leere Worthülse, sondern wir wollen dies konkret auch umsetzen.

Natürlich haben wir auch damals gleich bei der Einbringung des Gesetzes darauf hingewiesen, dass man Ausnahmen vornehmen muss. Das Sozialministerium hat diese in der Rechtsverordnung vorgeschlagen, diese liegen nun zur Entscheidung im Sozialausschuss. Wir wissen auch zwischenzeitlich, dass die Klage der Höffner Möbelgesellschaft Erfurt gegen das Ladenöffnungsgesetz beim Bundesverfassungsgericht vorliegt. Die Klage bezieht sich auf unseren § 12 Abs. 3, der nach Auffassung des Klägers mit drei Artikeln im Grundgesetz nicht übereinstimmt und diese verletzt. Das Gericht wird dies prüfen; wann und zu welchem Zeitpunkt ist offen.

Damit wäre sicherlich der heutige Beitrag von mir zu Ende gewesen, wäre nicht noch mal der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht worden, der sehr umfangreich aussieht, aber im Wesentlichen uns bekannt war. Denn im Wesentlichen ist dieser Antrag, Frau Siegesmund, schon im Dezember eingebracht worden mit wesentlichen Punkten; mit zahlreichen stimmen wir nicht überein. Sie haben zwei Änderungen drin. Die eine Änderung betrifft den Punkt 5 und die zweite den Punkt 8. Dort haben Sie eine Spezifizierung vorgenommen. Im Wesentlichen entspricht diese Spezifizierung unserem Anliegen gerade der Familienfreundlichkeit. Wir halten es aber nicht für sinnvoll, eine weitere Einschränkung im Gesetz vorzunehmen. Wir halten es für sinnvoller, Einschränkungen in einer Rechtsverordnung vorzunehmen. Dies ist, glaube ich, in diesem Sinne nicht sinnvoll, deshalb werden wir auch diesen Änderungsantrag wie bereits im Dezember ablehnen. Eine weitere Einschränkung in diesem wollen wir nicht. Unser Anliegen ist und bleibt die Familienfreundlichkeit. In diesem Sinne stimmen wir heute auch entsprechend ab.

(Beifall CDU)

Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Barth? Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Kollege Gumprecht, weil Sie eben davon sprachen, dass im Gesetz eine Ermächtigung drin ist, Ausnahmen dann noch mal entsprechend zu normieren in einer Verordnung: Würden Sie mir vielleicht aus Ihrer Sicht den Begriff der Ausnahme mal definieren, also wie viel Prozent vielleicht - oder auf einer ähnlichen Basis - der gesamt Betroffenen es denn noch sind, bis wann man von einer Ausnahme reden kann?

Sicherlich gibt es die Frage, wann ist eine Ausnahme und wann ist eine Regel. Das ist sicherlich ein gleitendes Verhältnis, aber ich denke, darüber sollte man im konkreten Fall diskutieren. In diesem Sinne werden wir auch diese Ausnahmeregel beachten.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Vor Ge- richt?)

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Anja Siegesmund.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die letzte Ausschuss-Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit war denkwürdig in vielerlei Hinsicht. Ich meine das leider nicht im positiven Sinne, sondern dahin gehend, dass 15 Minuten die Tagesordnung abgeräumt wurde ohne eine inhaltliche Debatte - übrigens auch nicht zum Ladenschlussgesetz -, was ich an dieser Stelle sehr bedauere und, ich denke, viele meiner Kolleginnen auch.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weil wir gestern über Arbeitsverweigerung an verschiedenen Stellen sprachen, ich erneuere an dieser Stelle meinen Eindruck, dass manche es ernster und manche es weniger ernst mit der parlamentarischen Arbeit meinen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am gleichen Tag, als diese denkwürdige Ausschuss-Sitzung stattfand, hat hier vor dem Landtag ver.di demonstriert, und zwar mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die uns deutlich gemacht haben, was sie von der derzeitigen Regelung zum Ladenöffnungsgesetz eigentlich halten. Es ist schade, dass die FDP da offenbar nicht zugehört hat, weil sie sehr wohl vernommen haben könnte an dieser Stelle, dass zumindest die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eben nicht wollen, dass über

(Abg. Gumprecht)

sie Ihr Begriff von Freiheit hereinbricht, sondern dass sie ganz klar sagen, wir brauchen eine Regelung, um auch samstags mit unseren Familien wenigstens gelegentlich Zeit verbringen zu können. Nichtsdestotrotz liegt das FDP-Gesetz vor und in gewisser Hinsicht ist es auch richtig, dass wir noch einmal darüber diskutieren, weil schlicht und ergreifend die Art und Weise, wie die Landesregierung Ende vergangenen Jahres kurzfristig das Ladenöffnungsgesetz hier durchpeitschen wollte und das mit einer Rechtsverordnung am Ende ausfüllen wollte, nicht funktioniert und nicht trägt.

Deswegen kann ich mich durchaus anschließen, dass wir die Debatte auch noch mal brauchen. Die Rechtsverordnung sollte eigentlich Klarheit bringen, sie bringt aber vor allen Dingen diejenigen auf, die es unmittelbar betrifft - sowohl die Einzelhandelsseite als auch die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerseite. Daran sieht man, dass das Ganze schlecht gelaufen ist. Aber - und das sage ich auch ganz klar - mit einer Verschlimmbesserung machen Sie sich an dieser Stelle auch nur lächerlich. Deswegen bleiben wir auch dabei und lehnen den FDPGesetzentwurf so, wie er vorliegt, ganz klar ab. Wir bleiben dabei, was Herr Gumprecht auch richtig feststellte, dass wir als GRÜNE eine sehr klare Position haben, die Sie in dem Änderungsantrag, der Ihnen vorliegt, auch nachlesen können.

Wir schlagen Ihnen diverse Dinge darin vor, die am Ende darauf hinauslaufen, dass es für beide Seiten Sicherheit gibt, weil ich der festen Überzeugung bin, das Problem an dieser Stelle, wo die erste Klage auftritt, auszusitzen, hilft uns nicht weiter. Fehler müssen eingestanden werden, Probleme gelöst werden, Politik muss lernfähig sein - das gehört an dieser Stelle dazu, und das Gesetz wurde schlecht gemacht, noch mal an dieser Stelle.

Das von der FDP ist aber nicht besser, keineswegs, im Gegenteil. Das FDP-Gesetz ist ein Einzelhandelsgesetz und vergisst an dieser Stelle völlig die Arbeitnehmerinnenseite und Arbeitnehmerseite. Sie warfen uns gerade vor, wir würden da ideologisch agieren, aber Ihr Gesetz spricht eine sehr deutliche Sprache. Wenn Herr Barth diesen Sommer sich auf Tour begeben hat und dann im Interview sagt - ich lese Ihre Interviews immer sehr aufmerksam, Herr Barth,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das lohnt sich auch.)

ich zitiere Sie: Bei meiner Sommertour habe ich gelernt, „dass Öffnungszeiten bis spät abends in den Supermärkten mehr Probleme mit der Sicherheit bringen als Umsätze.“

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Da kann mal jemand sehen, dass Politik lernfähig ist.)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schade, dass Sie das jetzt nicht hören konnten, jedenfalls hat Herr Barth eine wichtige Erkenntnis für die FDP-Fraktion formuliert. Nur passt die Erkenntnis, die Herr Barth formuliert hat, leider nicht mit Ihrem Gesetzentwurf zusammen, weil er sich offenbar eben doch nur mit der Arbeitgeberseite und dem Einzelhandel unterhalten hat und nicht mit Betriebsräten, so wie wir das gemacht haben, nicht mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, um die es tatsächlich geht. Deswegen kommt auch diese Lyrik zustande, die Sie verbreiten. Herr Kemmerich, Sie haben das noch mal deutlich unterstrichen, ich weiß nicht, wo der liberale Leitgedanke herkommt, dass Menschen, Familien mit Kindern und alle, die in den Innenstädten oder darüber hinaus leben, am Wochenende nur glücklich sind, wenn sie einkaufen können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist denn das für ein Weltbild? Innenstädte sind doch wohl bitte mehr als geöffnete Läden.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das hat doch kein Mensch gesagt, Sie wollen doch den Leuten nur vorschreiben …)

Es gibt in den Innenstädten kulturelle Angebote, man kann sich mit Familien auf Spielplätzen tummeln, man kann in Parks gehen, man kann sich treffen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

man kann ein Eis essen, meinethalben auch Kaffee trinken.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Leben ist mehr als Konsum.)

Aber bei Ihnen geht es wirklich immer nur um die Frage Manna, Manna, Manna. Das strahlt auch Ihr Gesetz aus und das funktioniert aber nicht. Jetzt komme ich mal zum Thema, wie Sie das unterstützen könnten. Wenn die FDP will, dass mehr Geld ausgegeben wird, müssten Sie die Partei sein, die mit wehenden Fahnen hier durch das Plenum rennt und sagt, wir brauchen dringend einen Mindestlohn, denn das stärkt die Kaufkraft.

(Beifall DIE LINKE)

Meines Wissens ist die FDP die Partei, die das unter anderem ablehnt, und da sehen Sie, dass das nicht funktioniert.

(Unruhe FDP)

Im Übrigen, wenn die Öffnungszeiten länger angelegt sind, haben die Leute trotzdem nicht mehr Geld in der Tasche.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die FDP das eines Tages verstanden hat, dann geht es der liberalen Idee auch wieder besser.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Das ist doch so banal wie irgendwas, schauen Sie mal ins Internet.)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist die banale Wahr- heit.)

In den Internethandel?

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Ja.)