Weil das so ist, fragt man sich in den betreffenden Kommunen, die sich neu gliedern wollen: Was können das für Gründe sein, die das öffentliche Wohl betreffen? Das fragen sich Bürgermeister, das fragen sich Stadträte, das fragen sich Gemeinderäte aus einem einzigen Grund, Herr Bergner, weil der Begriff „öffentliches Wohl“ gesetzlich leider nicht genau definiert ist.
Die SPD in Thüringen, lieber Herr Bergner, blockiert keine Gemeindezusammenschlüsse, die SPD in Thüringen sagt klar und deutlich und gern auch in den kommenden 22 weiteren Aktuellen Stunden, die Sie zu diesem Thema vielleicht einberufen werden,
unsere Bürgermeister und Stadträte und unsere Gemeinderäte haben lange genug gefragt und sie haben ein Recht auf Antworten, da gebe ich Ihnen recht. Ich sage das, weil ich genauso wie Sie überall vor Ort die Diskussion habe mit den Vertretern in den Gemeinden und weil es dort auch eine wachsende Verunsicherung gibt. Die eine Neugliederung, wird uns dann gesagt, die kommt ins Gesetz hinein, die andere nicht, was wollt ihr denn überhaupt im Landtag. Ich habe hier die Stellungnahme des Gemeinde- und Städtebundes zum aktuellen Neugliederungsgesetz liegen. Ich weiß gar nicht, Herr Bergner, ob Sie da mal reingeschaut haben nach Ihren Ausführungen, die ich jetzt hier vernehmen durfte. Der Gemeinde- und Städtebund hat noch mal aufgelistet - ich sage es mal vornehm -, welche verschlungenen Wege dieses Hohe Haus seit 2009 geht, wenn es um Gemeindeneugliederungen geht. Ich zitiere mal aus dem Text - Frau Präsidentin, Sie gestatten: „Nach einer Gesamtschau dieser landespolitisch veranlassten Ereignisse waren und sind für die Gemeinden und Städte in Thüringen keine verbindlichen Kriterien erkennbar, nach denen sie die Planungen über ihre kommunalen Strukturen vor Ort im Rahmen der sogenannten Freiwilligkeitsphase ausrichten konnten und künftig können.“ Und jetzt kommt das Schlagsahnehäubchen, Herr Bergner, etwas weiter unten: „Der Gemeinde- und Städtebund erachtet insofern das landespolitische Vorgehen in der sogenannten Freiwilligkeitsphase zur Neugliederung kommunaler Strukturen ohne ein tragfähiges Konzept vor dem Hintergrund des geltenden rechtlichen Rahmens als verfassungsrechtlich bedenklich.“ Das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Wenn Sie es schon dem Herrn Hey nicht glauben, dass wir endlich verbindliche Kriterien brauchen ehe wir wieder über Neugliederungen sprechen, dann glauben Sie doch bitte dem größten Interessenverband der kommunalen Familie. Nehmen Sie das ernst und reden Sie nicht von Blockade oder Entschuldigung - irgendwelchem anderen Gedöns.
Sie merken, da komme ich langsam auf Betriebstemperatur. Ich sage es deshalb noch mal ganz klar und eindeutig: Wir begrüßen freiwillige Gemeindeneugliederungen ausdrücklich, aber die Spielregeln, Herr Bergner, für diese Neugliederung, die müssen endlich feststehen, gerade weil die kommunale Familie - dafür stehe ich - gemeinsam ein Recht hat, zu erfahren, wie man denn zum Beispiel korrekt vorgehen soll bei solchen Gemeindezusammenschlüssen. Sie kennen ja den Beschluss der
Koalition vom 15. Dezember, wo solche Spielregeln schon festgelegt wurden. Sie kennen auch die in diesem Beschluss geäußerte
- langsam -, Sie kennen auch die in diesem Beschluss geäußerte bittende Aufforderung oder auffordernde Bitte, das können Sie ganz halten wie Sie wollen, diese Maßstäbe aus diesem Beschluss auch in die geltende Rechtslage einzuarbeiten. Das hat eine Mehrheit dieses Hauses beschlossen und der Landesregierung mit ins Hausaufgabenheft reingeschrieben. Wir erneuern diese Bitte an die Landesregierung gern. Es sollte jetzt - da gebe ich Ihnen durchaus recht, Herr Bergner - zügig ein dementsprechender Gesetzentwurf hier in den Landtag eingebracht werden, damit endlich Klarheit herrscht auch bei den Kolleginnen und Kollegen, die heute auf der Tribüne Platz genommen haben, bei den Gemeinden und ihren Verantwortlichen nämlich vor Ort draußen im Land, bei uns hier als Abgeordnete übrigens auch. Wir sind ja Interessenvertreter auch der Kommunen, auch da gebe ich Ihnen recht. Und nicht zum Schluss selbstverständlich auch bei Ihnen, Herr Bergner, damit wir nicht wieder in einer Aktuellen Stunde über dieses Thema reden müssen. Hier will also niemand etwas das muss ich noch mal sagen - blockieren. Hier will endlich einer mal etwas klarstellen und, ich glaube, dafür wird es auch höchste Zeit. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Hey hat ein paar Fragen aufgeworfen und Erwartungen formuliert. Eine Frage, die Sie gestellt haben, Herr Hey, Sie haben gesagt, an Sie wird die Frage herangetragen, was machen Sie hier im Landtag, weil mal ist im Gesetz was drin, mal nicht. Das ist ja klar, was zumindest Sie machen, Sie wollen die Koalition retten, und das zulasten von Gebietsstrukturen und zulasten von Maßnahmen Verwaltungs- und Funktionalreform. Das hat natürlich seine Auswirkungen, über die werden wir des Öfteren in der nächsten Zukunft diskutieren, zum Beispiel im Finanzausgleich, da werden die strukturellen Probleme mehr als deutlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die FDP hat mit dem Thema dieser Aktuellen Stunde insofern durchaus ein wichtiges Problem aufgegriffen, wenn sie das Verfahren hier kritisieren, dass näm
lich de facto das Land den Gemeinden Neugliederungsmaßnahmen selbst überlasst, also sie einlädt, solche auf den Weg zu bringen, ohne dass es Rahmenbedingungen gibt und dann immer im Einzelfall entscheidet, ob eine Neugliederungsmaßnahme dann auch durch den Gesetzgeber umgesetzt wird oder nicht.
Wo die FDP aus meiner Überzeugung und aus Überzeugung meiner Fraktion irrt, ist, dass sie ausschließlich auf Freiwilligkeit setzt und bisher die FDP sich auch nicht geäußert hat, was sie denn jetzt für ein Modell favorisiert. Meine Fraktion und meine Partei hat bereits 2005 auf einem Landesparteitag ein Diskussionspapier verabschiedet. Das wird heftigst diskutiert, aber es wird darüber diskutiert. Es ist die Einladung an alle anderen, sich selbst einzubringen.
Die beiden Parteien, die in der Hauptverantwortung stehen, in der Regierungsverantwortung in diesem Lande, die haben auch ihre Position. Da gibt es nicht eine Schnittstelle, weil die CDU im Wesentlichen sagt, es soll alles so bleiben auf gemeindlicher Ebene, auch auf Kreisebene. Die SPD sieht Reformbedarf, aber kann sich offenbar in dieser Frage nicht durchsetzen. Da hilft auch nicht der Entschließungsantrag des Landtags vom 15.12.2011, der eine Erwartungshaltung erzeugt hat, die jetzt in der Realität ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. Wie wird sie wahrgenommen? Einerseits - wir haben diesen Entschließungsantrag, daran darf ich erinnern, mitgetragen stehen in diesem Entschließungsantrag durchaus vernünftige Grundzüge für eine künftige Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsstruktur. Eines dieser Kriterien ist zum Beispiel, die städtischen Zentren nicht weiter zu schwächen. Wenn ich mir aber den vorliegenden Gesetzentwurf anschaue, da sind zumindest in zwei Artikeln erhebliche Schwächungen städtischer Zentren zu befürchten, das ist der Fall Bad Salzungen im Zusammenhang mit Immelborn und Barchfeld und das ist Arnstadt im Zusammenhang mit Wachsenburggemeinde und Ichtershausen. Wir tragen auch die Position mit, dass die Verwaltungsgemeinschaften kein Zukunftsmodell mehr darstellen, sondern ein Auslaufmodell, weil wir der Überzeugung sind, dass über die Verwaltungsgemeinschaften die entsprechende Leistungsfähigkeit nicht mehr dauerhaft gesichert werden kann. Da darf ich noch mal unsere Position erneuern, dass wir nie formuliert haben, dass durch Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform es zu einer Einsparung von Finanzmitteln kommt, denn das kann man rechnerisch nie nachweisen. Aber es erhöht sich die Leistungskraft der kommunalen Strukturen und das brauchen wir.
Leistungskraft der kommunalen Strukturen, das will ich an zwei Beispielen - die habe ich schon öfter thematisiert - noch mal verdeutlichen. Ein Kriterium für Leistungsfähigkeit ist die wirtschaftliche Betäti
gung von Kommunen. Das geht erst ab einer gewissen Größe. Ab 10.000 Einwohnern etwa können kommunale Unternehmen tatsächlich dann im Wettbewerb bestehen und zum Beispiel nicht nur Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnehmen, sondern auch Erträge für den Haushalt erwirtschaften. Wir haben 600 Gemeinden unter 1.000 Einwohner; mit zwei Gemeindearbeitern kann ich keine wirtschaftliche Betätigung realisieren. Das Zweite ist das Personal in den Verwaltungen. Aufgrund der erhöhten Anforderungen an die Verwaltungstätigkeit brauche ich hochspezialisiertes Personal. Das bekomme ich aber erst in einer Verwaltung hin mit 20 Beschäftigten plus. Wir haben aber die meisten kommunalen Verwaltungen mit weniger als 20 Beschäftigten. Das sind Allroundkönner, die können in jedem Gebiet etwas machen, können aber die hoch komplizierten Aufgaben im Einzelfall nicht bewältigen. Und wenn man Politik aus Sicht des Bürgers heraus macht, hat der Bürger einen Anspruch auf eine leistungsfähige Verwaltung. Deshalb müssen wir also auch darüber nachdenken.
Herr Hey, abschließend: Was machen Sie denn nun, wenn die Landesregierung nicht Ihrem Ansinnen entspricht und einen Gesetzentwurf einbringt? Ist das dann das Ende der Koalition oder retten Sie sich durch?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde, die die FDP hier aufgerufen hat, das Thema „Freiwillige Gemeindeneugliederungen nicht blockieren!“, da habe ich nicht verstanden, wen Sie damit gemeint haben, wer hier blockiert.
Nein, wir sind noch nicht beim Blockieren, wir sind in der Diskussion, das muss man fairerweise sagen.
Alles, was Sie - Herr Kuschel, hören Sie doch mal zu - jetzt aufgeführt haben, Herr Bergner, ist ja noch in Bewegung, ist ja noch nicht abgeschlossen, noch nicht entschieden. Im November wird das Gesetz eingebracht. Jetzt läuft aber im Moment die Anhörung, das wissen Sie. Da muss ich sagen, wenn man dieses Gesetz auf den Weg bringt, bedarf es natürlich auch der Sorgfältigkeit. Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass die Freiwilligkeit das einzig Richtige ist, was wir machen,
und dass die Strukturen, die sich letztendlich in den zurückliegenden Jahren, seit 1993, der letzten Gebietsreform, entwickelt haben zu Verwaltungsgemeinschaften, erfüllenden Gemeinden oder Ähnliches, dass die sich gefunden haben und dass diese vorhandenen Strukturen selber entscheiden müssen oder die Bürger und die Gemeinderäte in den vorhandenen Strukturen selber entscheiden müssen, was für sie zukünftig gut ist.
Davon weichen wir auch nicht ab, das muss ich ganz klar sagen, weil nämlich nur dort das bewertet und auch richtig entschieden werden kann.
Natürlich muss der Gesetzgeber darauf achten, dass das auch eine gewisse Balance hat. Das ist so. Aber in den meisten Fällen haben wir bisher die Sache auch mitgetragen, wenn das von unten, von der Basis, von den Gemeindräten auch mit so gefordert und entschieden wurde. Es gab aber auch die Fälle, die Sie angeführt haben, dass aus formellen Gründen da noch keine Entscheidung getroffen werden kann, weil nicht einheitliche Beschlüsse vorgelegt wurden. Auch das gab es ja. Und da muss man natürlich nachbessern können, das wird ja auch gemacht. Dann wird das natürlich wieder mit ins Verfahren genommen. Es ist ja nicht so, dass man das abgebügelt hat und jetzt hängen die Leute in der Luft. Nein, es geht weiter, die Entscheidung ist nur noch nicht in allen Fällen getroffen worden.
Was der Herr Kuschel alles vorgebracht hat, das kennen wir ja, das wird ja immer gebetsmühlenartig vorgetragen.
Es wird deswegen nicht besser dadurch, Herr Ramelow, es wird aber nicht besser dadurch - wenn ich das höre, dass die freiwilligen Zusammenschlüsse die Zentren schwächen. Der Herr Ku
dass man hier sitzt und nimmt den Zirkel, oder vom roten Tisch oder rot-grünen Tisch, dann nehme ich den Zirkel und dann sage ich, was richtig oder was falsch ist, was gut oder was schlecht ist.
So geht die Welt nicht, Herr Kuschel, das muss ich ganz klar sagen. Ich sehe auch keine Schwächung, wenn sich aus Verwaltungsgemeinschaften Einheitsgemeinden bilden. Oder zum Beispiel, was Sie immer gern haben, Ichtershausen, Wachsenburggemeinden - wo schwächen wir denn die Stadt Arnstadt?