Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

Sie haben in der Beratung des Justiz- und Verfassungsausschusses - hier würde ich es zumindest

zwischen den Zeilen auch zur Kenntnis genommen haben - den bestehenden Reformbedarf des Thüringer UA-Gesetzes ausdrücklich eingestanden, doch Sie wollten trotzdem nichts tun. Es sei noch zu früh, man müsse noch warten oder, Kollegin Marx, in der nächsten Legislaturperiode sind wir bereit. Dabei haben wir doch mit früheren Untersuchungsausschüssen - Stichwort TSI, Domhotel, Flughafen, Fernwasser - und vor allem auch mit dem laufenden NSU-Untersuchungsausschuss die bestehenden Defizite deutlich sichtbar und offengelegt. Angesichts dieser Offenkundigkeit zeugt es von wenig Verantwortungsbewusstsein, politischem Reformwillen und Gestaltungskraft, diese Diskussion noch weiter auszusetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Oder liebäugeln die CDU und SPD damit, den notwendigen Reformbedarf oder die Reformdiskussion als Wahlkampfthema aufzuziehen? Aber das sehr wichtige und grundsätzliche Thema der wirksamen Kontrolle der Regierung durch Untersuchungsausschüsse ist zu ernst, um zu einem Wahlkampfschaulaufen missbraucht zu werden; das wollen wir ausdrücklich nicht.

Werte Kolleginnen und Kollegen, sei es die Frage der Zugänglichkeit oder der Offenlegung von Akten, sei es der sogenannte Betroffenenstatus als hohes Ermittlungshindernis, sei es das Fehlen der Möglichkeit, einen fachkundigen Ermittlungsbeauftragten zur Unterstützung der Ausschussarbeit zu benennen, in diesen und weiteren Punkten müsste das UA-Gesetz nach Ansicht der LINKEN und nicht nur der LINKEN dringend nachgebessert werden. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE hat in der schriftlichen Anhörung im Justizausschuss von den Anzuhörenden Unterstützung bekommen. In bestimmten Punkten fordern Sachverständige uns sogar auf, über unsere ursprünglichen Vorschläge noch hinauszugehen. So wies Prof. Morlok darauf hin, dass das Untersuchungsausschussgesetz des Bundestages gar keinen Betroffenenstatus kennt und er tritt nicht nur für ein kräftiges „Zurückstutzen“ des Staates ein, wie die Fraktion DIE LINKE, sondern schlägt vor, den Betroffenenstatus gänzlich aus dem Thüringer Untersuchungsausschussgesetz zu streichen. Recht hat er.

(Beifall DIE LINKE)

An diesem Beispiel wird nach Ansicht der LINKEN auch die gesamte Problematik der anhaltenden Haltung von CDU- und SPD-Koalition deutlich. Zum einen lehnen Sie sogar Regelungen ab, die es im Untersuchungsausschussgesetz des Bundestages schon lange gibt, zum anderen müssten Sie bei einer eingehenden Beschäftigung mit dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE eingestehen, ja, er ist ganz klar auf die Stärkung der Untersuchungsrechte der Abgeordneten und des Ausschusses gegenüber der Regierung ausgerichtet. Ja, der Ge

(Abg. Marx)

setzentwurf stärkt Minderheitenrechte, aber das ist zur wirksamen parlamentarischen Kontrolle notwendig. Aber das alles geschieht auf der Grundlage vernünftiger, praktikabler Vorschläge, wie sie sich anderenorts - ich habe es genannt, zum Beispiel im Bundestag - schon bewährt haben. Minderheitenrechte sind existenzielle parlamentarische Rechte.

Meine Damen und Herren, uns als LINKE-Fraktion ist auch bewusst, dass man über Details von Regelungen sicherlich noch hätte debattieren können, aber die vorliegenden Vorschläge generell abzulehnen, sich damit sogar gegen Regelungen aus dem Bundestag zu stellen, zeugt doch von einem sehr verengten politischen Blickwinkel, um es mal ganz höflich auszudrücken. Prof. Morlok schreibt: „Unter den Bedingungen eines parlamentarischen Regierungssystems wird die Kontrolle sich oft auf Handeln der Regierung beziehen, wobei diese im Normalfall mit der Unterstützung der sie tragenden Parlamentsmehrheit rechnen kann. Wirksame Kontrolle muss deswegen als Minderheitenrecht ausgestaltet sein.“ Weiter heißt es in der Stellungnahme auch: „Die Besonderheit eines Untersuchungsausschusses gegenüber der sonstigen parlamentarischen Kontrolle liegt darin, dass das Parlament über einen Untersuchungsausschuss ein Recht zur Selbstinformation erhält, Informationen also ohne Filterung durch die Landesregierung oder sonstige Stellen erhalten kann.“ Ich sage deutlich nicht nur „kann“, sondern „muss“. Es ist daher nicht überraschend, dass Prof. Morlok den Änderungsvorschlag der LINKEN befürwortet, dass bei einem sogenannten Minderheitenuntersuchungsausschuss der Untersuchungsauftrag nur mit Zustimmung der ursprünglichen Einreicher verändert werden kann und darf. Auch die Stellungnahme aus dem Bundesministerium des Inneren unterstützt den Vorschlag und verweist auf die Parallelen des Untersuchungsausschussgesetzes des Bundestages und merkt sogar noch positiv an, dass der Änderungsvorschlag der LINKEN detaillierter ist. Die LINKEN würden in ihrer Argumentation, meine Damen und Herren, vom Bundesministerium des Inneren unterstützt. Ich weiß nicht, ob ich stolz oder nachdenklich werden soll.

Meine Damen und Herren, ebenso wenig überrascht, dass Prof. Morlok den Vorschlag der LINKEN aufgreift, durch die Änderung des § 14 des Untersuchungsausschussgesetzes zukünftig in den Untersuchungsausschüssen direkt ein Zugriffsrecht auf die Akten bei den öffentlichen Stellen einzuräumen. Die Landesregierung als „Zwischenbote“ oder gegebenenfalls „Filterstelle“ würde zukünftig entfallen. Morlok unterstützt auch die Änderungsvorschläge hinsichtlich der Präzisierung der Verweigerungsrechte der Landesregierung bzw. der Exekutive bei der Herausgabe der Akten bzw. der Unterlagen. Wie notwendig dies aktuell ist, zeigt die Vorgehensweise im Blick auf die durch Thüringen an den

Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages geschickten Unterlagen, die jetzt womöglich durch eine „Ämterkommission“ vorsortiert werden sollen. Wo leben wir denn eigentlich?

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, der anzuhörende Prof. Brenner - bisher nicht als glühender Linker bekannt - unterstützt grundsätzlich den Vorschlag der LINKEN-Fraktion zur Einführung des Ermittlungsbeauftragten im Thüringer Untersuchungsausschussgesetz - dort als neuen § 9 a -, auch wenn er Details noch für diskussionswürdig hält. Der anzuhörende Dr. Glauben, Verfasser eines Standardwerkes zum Untersuchungsausschussrecht, befürwortet ebenfalls die Einführung der Möglichkeit, einen Ermittlungsbeauftragten beizuziehen. Zu einer solchen Diskussion über die Details der Ausgestaltung wäre die Fraktion DIE LINKE auf jeden Fall bereit gewesen, nicht nur mit Blick auf einen neuen § 9 a. Auch in der Vergangenheit schon hat die Fraktion DIE LINKE im Ergebnis von Anhörungen Änderungsanträge zu eigenen Gesetzentwürfen gestellt. Doch die Mehrheit des Hauses, die CDU-SPD-Koalition, hat eine sachlich inhaltliche Diskussion oder Veränderung des UA-Gesetzes zum jetzigen Zeitpunkt leider unmissverständlich deutlich abgelehnt.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Prof. Brenner sieht auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der Untersuchungsausschuss in Zukunft bei Sitzungen zur Auswertung der Beweiserhebung und zur Beratung über sein weiteres Vorgehen darüber die Entscheidungsbefugnis erhält, ob er Vertretern der Landesregierung die Teilnahme an der Sitzung gestatten will oder nicht. Es scheint zumindest kein verfassungsrechtlich bedenkliches Problem zu sein, das zu lösen wäre. Auch Prof. Morlok befürwortet die Einführung eines solchen neuen „Einladungsrechts“ des Untersuchungsausschusses. Damit wird die Position der Fraktion DIE LINKE gestützt, dass ein Untersuchungsausschuss von einem von möglicher Einflussnahme der Landesregierung freien Meinungs- und Entscheidungsspielraum Gebrauch machen kann. Ich möchte die zustimmenden Voten zu Vorschlägen der Fraktion DIE LINKE in ihrem Gesetzentwurf zur Reform des UA-Gesetzes nicht alle einzeln weiter aufzählen. So könnte man die Liste z.B. fortsetzen mit der Befürwortung der Reform zum gerichtlichen Rechtsschutz für den Fall, dass sich der Untersuchungsausschuss bzw. die Ausschussminderheit in seinen bzw. ihren Rechten beschnitten sieht. Selbst bei dem kontroversen Diskussionspunkt, ob neu beschlossene bzw. verkündete Regelungen auf einen laufenden Untersuchungsausschuss anwendbar wären, sieht der Anzuhörende Prof. Morlok keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht hinsichtlich eines etwaigen Vertrauensschutzes, und bejaht damit die sofortige Anwendbarkeit. Gerade mit Blick auf die Reformpunkte wird deutlich, dass

hier noch einzelne konkrete Anekdoten aus bisherigen U-Ausschüssen anzusprechen wären, die den Novellierungsbedarf unterstreichen würden. Dieser Bedarf wird von der CDU-SPD-Koalition ausdrücklich hier nicht gesehen. Nach alldem bleibt mit Blick auf die offensichtlich doch grundsätzliche Verweigerungshaltung die Frage: Auf was warten Sie, meine Damen und Herren der Landtagsmehrheit?

Wir, meine Damen und Herren der Koalition, sind zu einer Reformdiskussion des Thüringer Untersuchungsausschussgesetzes und dessen damit verbundener Modernisierung weiterhin bereit. In diesem Sinne beantrage ich die Rücküberweisung des Gesetzentwurfs zur weiteren Beratung an den Justiz- und Verfassungsausschuss. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Meyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde jetzt nicht in die Einzelheiten des Gesetzentwurfs eintauchen. Ich fühle mich dazu weder berufen noch befugt und auch nicht in der Lage und halte es schon gar nicht vom Zeitpunkt her für sinnvoll. Ich will eine politische Bewertung versuchen und die ist schon ein wenig merkwürdig. Ich meine, man kann doch erwarten, dass eine Oppositionspartei am deutlichsten merkt, ob Untersuchungsausschüsse mit ihrem Gesetz funktionieren oder auch nicht. Unbestritten hat DIE LINKE die größte Erfahrung, was das Thema angeht, aus der Opposition heraus mit dem Untersuchungsausschussgesetz arbeiten zu müssen. Insofern, ganz neutral gesprochen, wundert es mich überhaupt nicht, dass aus dieser Fraktion heraus dieser Änderungsbedarf kommt. Nun kann man sicherlich seitens der Koalitionsfraktionen die Ansicht vertreten, das machen die nur, um uns zu ärgern. Man kann es auch etwas freundlicher formulieren, aber darauf läuft es letztendlich hinaus, in Ihrer Haltung. Das aber wird in Ihren Reden nicht deutlich. Die Reden, selbst von Herrn Scherer, wenn man sie aufmerksam hört, heißen, na ja, für so ganz hundertprozentig optimal halten wir unser Gesetz nicht, wir finden es zwar im Prinzip ganz schön, hat ja auch lange genug gehalten, aber eigentlich könnten wir was dran ändern - das ist bei Frau Marx sogar noch ein bisschen weitergehend gewesen -, trotzdem tun wir nichts. Da gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Keine Zeit oder politisch keine Lust. Letzteres dürfte wohl zutreffen, denn Zeit haben Sie jede Menge, denn Sie sind ja arbeitsfähig, wie ich gehört habe.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Also wollen Sie nicht. Warum Sie jetzt nicht wollen, das verstehe ich politisch ehrlich gesagt nicht. Viele von den Einzelheiten, die jetzt auch gerade noch einmal von Herrn Blechschmidt genannt worden sind, wären wahrscheinlich relativ konsensual diskutierfähig gewesen, wenn Sie gewollt hätten, aber Sie wollten nicht. Was mich daran politisch wundert, ist, man muss es ja nun nicht beschreien und als Regierungskoalition auch nicht wollen, aber der nächste Untersuchungsausschuss wird kommen. Dann wird wieder dasselbe schlechte Argument kommen, der läuft jetzt gerade, da machen wir jetzt mal nichts. Frau Marx, da warten wir wieder zwei Jahre, bis wir irgendetwas tun. Jetzt wäre die Gelegenheit gewesen, gerade bei dem Untersuchungsausschuss und seinem Thema, was in diesem Hohen Haus alle bis zur Ministerpräsidentin hin mit brutalst möglicher Offenheit behandelt wissen wollen, auch das Gesetz entsprechend im Konsens zu diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn der nächste Untersuchungsausschuss im Dissens arbeitet und wir dann wieder feststellen, dass es einige „Kleinigkeiten“ gibt, die geändert werden müssten, wird das nicht möglich sein. Warum das gerade beim Untersuchungsausschussgesetz nicht funktioniert, dass auch die Koalition, obwohl sie weiß, wir könnten daran Einzelheiten ändern, nicht wenigstens einen Alternativentwurf vorlegt und sagt, Ihr habt da wieder irgendwelche linken Ideen, die wir nicht gut finden, aber wir haben auch ein paar schlaue Ideen und deshalb machen wir etwas, warum Sie das nicht getan haben, das ist politisch meiner Ansicht nach zu kritisieren. Das habe ich hiermit getan. Wir unterstützen die Rücküberweisung an den Ausschuss, denn es gibt zu diskutieren, das ist deutlich geworden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, so dass ich die Aussprache schließen kann.

Es ist zunächst sowohl von der Fraktion DIE LINKE als auch von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Rücküberweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE an den Justiz- und Verfassungsausschuss beantragt worden. Deshalb stelle ich jetzt die Frage: Wer stimmt dieser Rücküberweisung des Gesetzentwurfs an den Justiz- und Verfassungsausschuss zu, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das ist Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Gegenstimmen? Die Gegenstimmen kommen aus

(Abg. Blechschmidt)

den Fraktionen der CDU und SPD. Damit ist das Begehren auf Rücküberweisung abgewiesen.

Wir kommen jetzt direkt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/3895 in zweiter Beratung. Ich frage: Wer möchte diesem Gesetzentwurf zustimmen? Es ist die Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf? Das ist Ablehnung von der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU. Wer enthält sich der Stimme? Die Fraktion der FDP enthält sich der Stimme. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und die heutige Sitzung.

Ich erinnere noch einmal an den parlamentarischen Abend des MDR. Ansonsten wünsche ich Ihnen noch einen ganz netten Abend und einen guten Nachhauseweg. Wir sehen uns morgen 9.00 Uhr in alter Frische hier wieder.

Ende: 18.10 Uhr