Danke schön. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, doch, Herr Staatssekretär Götze für die Landesregierung, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Zielrichtung des Gesetzentwurfs, den Entstehungsprozess rechtlicher Regelungen für die Bürgerinnen und Bürger transparenter und damit nachvollziehbarer zu gestalten, wird von der Landesregierung durchaus begrüßt. Dass Interessengruppen ihr Anliegen zu Gehör bringen und ihre Wünsche und Bedenken in die politische Entscheidungsfindung einbringen, sollte nicht als ein problematisches Phänomen der heutigen Zeit, sondern als durchaus legitimer Bestandteil der Demokratie verstanden werden. Gleichwohl erfährt Lobbyismus häufig eine eher kritische Bewertung und das zu Recht. Der Kontakt, meist im Sinne von mächtigen Interessen der Wirtschaft, zu politischen Entscheidungsträgern wird oft als nicht legitim angesehen. Dies resultiert vor allem aus der Gegenüberstellung von Einzelinteressen der Lobbyisten und Gemeinwohlinteressen bzw. dem öffentlichen Interesse und der fehlenden Nachvollziehbarkeit des Umfangs der Einflussnahme auf Rechtsetzungsverfahren.
In jedem Fall ist es interessant, die tatsächliche Bandbreite des Lobbyismus auf Länderebene zu betrachten. Hilfreich ist hier ein Blick auf das aktuelle Register der Interessenvertretungen in Brandenburg mit Stand vom 13. November 2017. Hier sind insgesamt 322 Interessenverbände und sieben Organisationen vertreten, die nicht als Interessenverbände im Sinne der Geschäftsordnung des Brandenburgischen Landtags angesehen werden. Das inhaltliche Spektrum der Interessen dieser Verbände ist sehr weit. Stellvertretend möchte ich hier das Aktionsbündnis Berlin Brandenburg, die Arbeiter
wohlfahrt Bezirksverband Potsdam, den Arbeitgeberverband Nordostchemie, die Brandenburger Diabetes Gesellschaft, den Bauernbund Brandenburg, das Bündnis SüdOst gegen Fluglärm und den Demokratischen Frauenbund nennen. Ich könnte die Liste noch beliebig ergänzen, aber eines dürfte jetzt schon klar sein: Die Organisationen in dieser Liste spiegeln einzelne Interessen wider, die ganz allgemein, teilweise auch sehr konkret Sachthemen aufnehmen und bestimmte Auffassungen dazu vertreten.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das Einbringen von Interessen außerhalb politischer Parteien ist für die lebendige Demokratie wichtig. Der Staat ist zunehmend daran interessiert, seine Aufgaben im konsensualen Verfahren zu erledigen. Dies gilt nicht nur in den gesetzlich normierten Beteiligungsverfahren, zum Beispiel im Beamtenrecht oder Raumordnungsrecht. Es ist ausdrücklich gewünscht, dass sich Interessenvertreter auch außerhalb der formalisierten Beteiligungsverfahren einbringen, denn nur so werden die staatlichen Entscheidungsträger – also Exekutive und Legislative – in die Lage versetzt, die bestehenden verschiedenen Interessen im Rahmen von Rechtsetzungsverfahren einzubeziehen und im Ergebnis abwägen zu können.
Ungeachtet dieser Einschätzung muss in diesem Bereich selbstverständlich Transparenz geschaffen werden. Etwa ein Lobbyistenregister – um nichts anderes handelt es sich hier – ermöglicht einen solchen offenen Einblick in die parlamentarischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse. Hiermit können Bedenken entkräftet und es kann Fehlentwicklungen wie einseitigen Entscheidungsprozessen entgegengewirkt werden.
Gleichwohl wirft der vorgelegte Gesetzentwurf eine Reihe von rechtlichen Fragestellungen auf, die einer intensiveren Prüfung bedürfen. Herr Scherer, Sie hatten es bereits angesprochen. Die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegenüber der Landesregierung sollte noch einmal überdacht werden. Dazu gibt es, wenn man den Grundsatz des Gebots des organfreundlichen Verhaltens beachten möchte, andere Reaktionsmechanismen. Aber da wir uns hier nicht in der Schlussdebatte, sondern in der ersten Lesung befinden, ist das, worauf auch schon hingewiesen wurde, in den Ausschüssen zu diskutieren.
Im Kern – und das möchte ich hier zusammenfassend noch einmal betonen – sorgt erst Transparenz für Akzeptanz. Ich denke, der vorgelegte Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, nämlich die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen, der AfDFraktion und vom Abgeordneten Gentele. Danke schön. Gegenstimmen? Aus der CDU-Fraktion. Damit dennoch mit Mehrheit angenommen und an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen.
Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Herr Abgeordneter Blechschmidt hat einen Geschäftsordnungsantrag.
Danke, Herr Präsident. Ich beantrage, die Abstimmung zu der Ausschussüberweisung aus dem letzten Tagesordnungspunkt anlehnend an § 41 der Geschäftsordnung zu wiederholen. Begründung: Der adäquate Gesetzentwurf der CDU zur Problematik des fakultativen Referendums liegt dort in diesem Ausschuss, der hier in Tagesordnungspunkt 9 behandelte Gesetzentwurf zum weiteren Ausbau der direkten Demokratie auf Landesebene würde dann nur im Justizausschuss abgearbeitet. Das wäre nicht hilfreich. Nach mehrmaliger Aufforderung des Präsidenten hat es der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken nicht verstanden und hat sozusagen gepennt. Ich bitte darum, dass die Abstimmung zur Ausschussüberweisung an der Stelle wiederholt wird.
Vielen Dank, Herr Blechschmidt. Ich würde mal die Parlamentarischen Geschäftsführer ganz kurz nach vorn bitten. Ich unterbreche die Sitzung für 5 Minuten.
Gut. Wir haben jetzt das Verfahren geklärt und ich komme damit noch mal zurück zum Tagesordnungspunkt 9,
Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen (Gesetz zum weite- ren Ausbau der direkten De- mokratie auf Landesebene) Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4806 ERSTE BERATUNG
Beantragt wurde auch die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss. Ich frage jetzt: Wer dafür ist, den bitte ich um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen und des Abgeordneten Gentele. Gegenstimmen? Enthaltungen? Enthaltungen aus der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Damit mit Mehrheit so beschlossen.
Wenn wir an zwei Ausschüsse überwiesen haben, muss man die Federführung festlegen. Die beantragte Federführung soll der Innen- und Kommunalausschuss übernehmen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen und des Abgeordneten Gentele. Danke schön. Gegenstimmen? Aus der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Damit mit Mehrheit festgelegt, dass die Federführung beim Innen- und Kommunalausschuss liegt.
Damit schließe ich den wieder aufgerufenen Tagesordnungspunkt 9. TOP 10 haben wir gerade eben erledigt.
a) Gesetz zur Weiterentwicklung der Thüringer Gemeinden Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4811 ERSTE BERATUNG
b) Eckpunkte des Leitbildes und der Leitlinien für die Neugliederung der Gemeinden in Thüringen unter Berücksichtigung des Urteils des ThürVerfGH vom 9. Juni 2017 Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/4810
Mir wurde mitgeteilt, dass Frau Abgeordnete Scheerschmidt das Wort zur Begründung haben möchte. Frau Scheerschmidt, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, mit seinem Urteil vom 9. Juni 2017 hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform wegen eines Formfehlers für nichtig erklärt. Dieses Gesetz enthielt zum einen Leitlinien für die künftige Gemeindestruktur, zum anderen wurden durch das Vorschaltgesetz Änderungen in der Thüringer Kommunalordnung vorgenommen, die eine Erweiterung des Ortschafts- und Ortsteilrechts beinhalteten. Außerdem regelte das Gesetz die finanzielle Zuweisung des Landes an neugliederungswillige Gemeinden.
Mit dem nun eingebrachten Gesetzentwurf beabsichtigt die Regierungskoalition, verlässliche Rahmenbedingungen für die Gemeinden zu schaffen, die sich bereits auf den Weg gemacht und freiwillige Zusammenschlüsse vorbereitet haben oder diese nach wie vor anstreben. Im letzten Koalitionsausschuss haben wir uns deshalb dazu entschieden, dass wir die im Vorschaltgesetz geregelten erweiterten Ortsteil- und Ortschaftsrechte wieder in die Kommunalordnung aufnehmen. Außerdem wird die freiwillige Bildung neuer Gemeinden durch die Streichung der doppelten Mehrheit zum Verlassen von Verwaltungsgemeinschaften erleichtert. Zudem bekräftigen wir unsere Absicht, freiwillige Gemeindezusammenschlüsse finanziell zu fördern. Hierzu werden wir Strukturbegleithilfen bis zu einer Höhe von 4 Millionen Euro vorsehen. Zudem verdoppeln wir die Fusionsprämie auf 200 Euro pro Einwohner und werden für extrem verschuldete Gemeinden eine besondere Entschuldungshilfe auf den Weg bringen. Durch den gleichzeitig eingebrachten Antrag in der Drucksache 6/4810 bekräftigt die Regierungskoalition zugleich, dass sie am bisherigen Leitbild für die Gemeindegebietsreform, insbesondere den Einwohnergrenzen auf Basis der Bevölkerungsvorausberechnung für das Jahr 2035, und der Stärkung der zentralörtlichen Strukturen nach wie vor festhält. Danke schön.
Ich eröffne die gemeinsame Beratung. Als Erster erhält Abgeordneter Kellner für die CDU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, uns beschäftigt wieder einmal die Gebietsreform. Der vorliegende Gesetzentwurf und auch der Antrag der Fraktionen erscheinen so ein bisschen wie der letzte Versuch,
Jedenfalls drängt sich doch der Gedanke sehr auf. Was in den zurückliegenden Monaten stattgefunden hat, hat gezeigt,
dass man nicht unbedingt von einer Geradlinigkeit sprechen kann. Es war doch mehr die Flucht, die hier getrieben hat. Ich weiß nur noch nicht, vor wem man im Zusammenhang mit der Gebietsreform geflohen ist. War es vor der Partei, vor den Wählern oder war es ganz einfach vor der Realität? Was in den letzten Monaten hier abgeliefert wurde – da ist der Lauf eines Hasen ein Musterbeispiel für Geradlinigkeit. Der Zickzackkurs, den Sie hier hingelegt haben, ist kaum zu übertreffen. Heute kommen Sie mit dem neuen Gesetzentwurf bzw. mit dem Antrag, um zu retten, was noch zu retten ist. Dabei müssen Sie aber bedenken – das hat man gerade bei der Einbringung gehört –, man denkt gar nicht darüber nach, etwas zu ändern, sondern man will das Alte wieder aufgreifen, will es jetzt im Prinzip vergolden und die Gemeinden dazu bringen, sich auf den Weg zu machen.
Dabei vergisst man aber, dass man an den Grundsätzen nach wie vor festhält und der Bürger die Grundsätze nach wie vor abgelehnt hat. Das sind zum Beispiel die übergroßen Kreise, die gemacht werden sollten.
Ich will nur daran erinnern, was letztendlich auf den Weg gebracht wurde und dass aber inhaltlich nichts groß verändert wurde.
Man hat die Verwaltungsgemeinschaften, die man jetzt natürlich mit Geld unterstützen will, damit sie sich zu einer neuen Form finden. Da haben sich viele auf den Weg gemacht. Aber das größte Problem bei der ganzen Geschichte, das Sie hier nach wie vor ignoriert haben, ist die Einwohnergröße. Sie interessiert letztendlich nur die Einwohnergröße und nicht, wie die Struktur danach aussieht. 6.000 Einwohner, bezogen auf 2035, das sind 7.500 Einwohner, die man im Moment haben muss. Da passt die Struktur nicht. Das hat man nun mehr oder weniger festgestellt, aber nichtsdestotrotz hält man daran fest. Man versucht jetzt, das den Leuten
Es ändert nichts daran, dass die Struktur so, wie sie vorhanden ist, in der Form nicht umgebaut werden kann. Deswegen können wir auch diesen Antrag so nicht nachvollziehen. Vielleicht werden wir in der Diskussion dann im Ausschuss noch eine Lösung finden, aber im Moment sieht es nur so aus, als will man letztendlich die alte Gebietsreform durch die Hintertür hereinbringen.
Die Freiwilligkeit ist eine gute Sache. Diese haben wir auch immer unterstützt. In der letzten Legislatur haben sich 200 Gemeinden neu gefunden, die sich zu Einheitsgemeinden umformiert haben, Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden umgegründet haben.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie haben ein landesplanerisches, raumordneri- sches Chaos hinterlassen!)