Sehr geehrte Frau Präsidentin – den Amtswechsel wollte ich gerade noch miterleben, damit die Anrede dann auch passt –, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste und Besucher, das Thema „Kriminalität und Sicherheitsgefühl“ bewegt die Menschen in Deutschland und in Thüringen. Das belegen unisono alle Umfragen. Wir haben das in den letzten zwei Tagen schon debattiert. Ich will noch mal eine Zahl in Erinnerung rufen, wo wir Thüringer sozusagen Spitzenreiter sind. Wenn man die Deutschen fragt, wie die Ängste verteilt sind, dann kommt auf Platz 1 die Angst vor Terror und in Thüringen in ganz besonderem Maße. 76 Prozent der Thüringer haben Angst vor Terror.
Das liegt noch mal ein Stück weit über dem bundesweiten Wert von 72 Prozent. Innere Sicherheit ist Kernaufgabe des Staates. Sicherheit ist Teil unserer Lebensqualität und das muss ein Staat auch leisten können. Jeder hat das Recht, sich frei von Furcht und Angst überall in Thüringen bewegen zu können, ganz egal, ob am Kyffhäuser, in Oberhof oder auf dem Weihnachtsmarkt in Erfurt. Ich erwähnte bereits die Debatte von gestern zu diesem Thema. Mit unserem Antrag „Sicherheitsgefühl der Menschen stärken – Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ausbauen“ wollen wir über einen von vielen Bausteinen in der Thüringer Sicherheitsarchi
tektur reden, der unseres Erachtens verstärkt zur Anwendung kommen soll und der deutlich machen soll, dass wir der Sicherheit von Bürgern einen besonderen, einen hohen Stellenwert einräumen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, werte Gäste, 83 Prozent der Deutschen wollen, dass die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ausgeweitet wird. In Thüringen befürworten über zwei Drittel eine verstärkte Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen. Über Parteigrenzen hinweg ist die Mehrheit der Thüringer Bürger der Ansicht, dass die Videoüberwachung ausgeweitet werden soll. Unsere Bürger wissen gut, warum es notwendig ist. Die Migrationskrise und das Ansteigen der Ausländerkriminalität ebenso wie hohe Terrorgefahr, das alles sorgt für Verunsicherung. Dabei kann keine intelligente und datenschutzkonforme Videoüberwachung nur eine von mehreren Lösungen sein. Eine substanzielle Erhöhung des Personals bei unserer Polizei und sofortige Grenzschließung wären Maßnahmen, die noch wichtiger wären als der Ausbau der Videoüberwachung.
Hier weise ich noch einmal darauf hin, dass die geforderten 260 Stellen oder das, was der Innenminister Maier gestern angekündigt hat, zu wenig ist. Nein – und hier schließen wir uns der CDU an –, wir brauchen die 300 geforderten Stellen, um das auch umsetzen zu können, was in diesem Antrag gefordert wird. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Kollege Walk, als ich Ihren Antrag sah, wusste ich gleich beim Lesen der Überschrift, dass er von mir keine Zustimmung erfahren wird. Ich will Ihnen begründen, warum. Sie beantragen hier einige Maßnahmen, die Sie unter der Überschrift „Sicherheitsgefühl der Menschen stärken – Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ausbauen“ ausgeführt haben. Genau da kann ich Ihnen schon nicht mehr fol
gen. Sie sagen einerseits, das Sicherheitsgefühl in der Bundesrepublik oder auch in Thüringen sinkt. Auf der anderen Seite wollen Sie eine grundrechtsbeschränkende polizeiliche Maßnahme installieren, um das Gefühl zu stärken. Da sage ich Ihnen: Das haut nicht hin. Wir müssen auf ein Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung eine politische Antwort geben. Eine polizeiliche Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, muss eine Situationsanalyse zur Grundlage haben, die es notwendig macht, über Zweckmäßigkeit, Geeignetheit, Verhältnismäßigkeit nachzudenken. Da reicht es nicht aus, eine derartig tief in Grundrechte eingreifende Maßnahme allein mit dem Sicherheitsgefühl zu begründen. Ich will Ihnen im Laufe meines Redebeitrags begründen, warum wir das auch in der Sache nicht nachvollziehen können.
Wir haben im Januar 2017 hier bereits sehr grundsätzlich über die Sicherheitspolitik gesprochen. Darauf will ich zurückkommen. Ich habe damals gesagt: Was heißt eigentlich „Sicherheitsgefühl“? „Sicherheitsgefühl“ meint, dass der Mensch sich frei entscheiden können muss, was er tut und was er unterlässt. Er braucht für seine Entscheidung drei Kriterien. Er muss sich erstens der Risiken bewusst sein, die ihm im Alltagsleben begegnen. Er muss sich bewusst sein, welche Fähigkeiten er hat, diesen Risiken selbst zu begegnen, aus dem Weg zu gehen oder diese selbst in irgendeiner Form zu minimieren. Er muss sich auch bewusst sein, welche Schadensregulierungsmöglichkeiten seinerseits und auch seitens des Staates existieren, um dem Schadenseintritt im Prinzip zu begegnen.
Ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Was wir in den letzten Jahren in der politischen Debatte zu verzeichnen haben, ist, dass die Menschen genau dies nicht mehr frei entscheiden können, weil mit der Ausführung derartiger Anträge ihr Sicherheitsgefühl manipuliert wird. Das will ich Ihnen im Wesentlichen auch noch mal anhand der Umfragen, die Sie immer wieder zitieren, aber auch anhand der tatsächlichen Situation in Thüringen belegen. Sie wiederholen in diesem Fall zum dritten Mal im Plenum die Umfrage des Thüringen-Monitors, die Angst vor Kriminalität. Sie unterlassen es aber, eine weitere Umfrage aus dem Thüringen-Monitor zu zitieren. Erstens verweisen Sie darauf, dass drei Viertel der Thüringerinnen und Thüringer Angst haben, dass Gewalt und Kriminalität in Thüringen zunehmen. Das ist das, was Sie immer zitieren. Was Sie nicht zitieren: In derselben Umfrage sagen 78 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer, dass sie gegenwärtig in ihrer alltäglichen Situation überhaupt keine Angst haben, Opfer von Gewalt oder Kriminalität zu werden.
dass diese Sicherheit in Zukunft nicht mehr besteht. Ich glaube, da müssen wir letztlich eine politische Antwort geben und ihnen das Sicherheitsgefühl auch für die Zukunft vermitteln, dass die Maßnahmen, die wir ergreifen, tatsächlich dafür Sorge tragen, dass in Zukunft diese Sicherheit besteht. Da will ich Ihnen auch andere Umfragen deutlich auf den Weg geben. Denn drei Viertel der Menschen, so zeigen Untersuchungen von netzpolitik.org oder von YouGov, kennen überhaupt die tatsächliche Sicherheitssituation in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Das muss uns doch zu denken geben. Das muss uns doch in der Politik dazu bringen, über die tatsächliche Gefährdungssituation zu reden. In diesem Zusammenhang will ich auf einen letzten Punkt verweisen, weil Sie in Ihrem Antrag immer wieder auf die Umfragen zur Videoüberwachung und zur Zustimmung in der Öffentlichkeit hinweisen. In der Tat treffen die Werte zu, dass die Menschen sagen, Videoüberwachung ist ein tolles Moment, um Sicherheit zu verschaffen. Aber ich wünsche mir natürlich auch mehr politische Verantwortungswahrnahme bei denjenigen, die diese Umfragen machen. Wie wäre es denn, statt zu fragen: „Würden Sie der Aussage zustimmen, ich bin für eine verstärke Überwachung von öffentlichen Plätzen durch Kameras?“, diese Fragen einmal abzuändern, um deutlich zu machen, worüber die Menschen entscheiden. Dann wäre vielleicht zu formulieren: „Ich bin für eine verstärkte Überwachung von öffentlichen Plätzen durch Kameras in dem Wissen, dass damit meine persönlichen Freiheitsrechte eingeschränkt werden und die Aufzeichnung nicht davor schützt, dass mir eine Straftat widerfährt.“
Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn wir ehrlich wären in dieser Auseinandersetzung, würden wir auch andere Ergebnisse bekommen und wir würden den Menschen auch eine wirkliche Faktenlage zur Ausgangssituation ihrer Bewertung der eigenen Sicherheitslage geben.
Nun legen Sie einen Antrag vor, mit dem wir eine konkrete Maßnahme diskutieren sollen, nämlich die Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Sie rekurrieren dabei auf eine besondere Gefährdung an gefährlichen Orten, von denen wir ja polizeirechtlich einige in Thüringen haben. Sie verlangen von der Landesregierung einen Bericht, das ist Ihr gutes Recht. Aber wir haben natürlich eine Datengrundlage durch parlamentarische Anfragen zur Hand, sodass wir uns da selbst auch ein Bild machen können, parlamentarische Anfragen der Oppositionsfraktion Die Linke bis zum Jahr 2014, aber auch parlamentarische Anfragen der Fraktion Die Linke, nachdem sie Regierungsverantwortung übernommen hat. Auf Grundlage dieser Zahlen des Thüringer Innenministeriums will ich Ihnen noch zu einzelnen Schwerpunkten Ihres Antrags antworten.
Polizei“ – das ist gegenwärtig geschehen – „gegenwärtig auch, den Anger in diese Kategorie mit einzubeziehen“ – als gefährlicher Ort, und dann behaupten Sie – „da dort die Zahl der Körperverletzungen, Diebstähle, Drogendelikte und Beleidigungen in jüngster Zeit deutlich zugenommen haben.“ Das ist Ihre Behauptung, die der CDU-Fraktion. Die AfD legt sogar noch einen drauf und behauptet in einer Pressemitteilung, es gebe eine dramatische Ausländerkriminalität auf dem Erfurter Anger. Seit der Ankunft Geflüchteter – wir haben es ja gerade wieder gehört – sei Erfurt nicht mehr sicher. Wörtlich sagte der ehemalige Landtagsabgeordnete Brandner: „Ein entspannter Spaziergang auf dem Anger ist nicht mehr drin.“ Dann weiter die AfD: Afghanen würden angeblich auf dem Anger jedes Jahr gut 60 Prozent aller ausländischen Kriminellen darstellen. Unter den ausländischen Kriminellen seien besonders Syrer und Iraker vertreten.
Aber wer so etwas in der Öffentlichkeit behauptet, der belügt die Öffentlichkeit, der belügt die Menschen und der verunsichert die Menschen und das ist...
Das mögen Sie nicht wahrhaben wollen. Deswegen sage ich Ihnen doch einfach mal die Zahlen, denn wir haben uns die Zahlen angeguckt. Da können Sie das jetzt durchaus mal mit dem vergleichen, was ich gerade aus der Pressemitteilung der AfD zitiert habe.
Wir haben im ersten Halbjahr 2016 auf dem Anger in Erfurt 719 Straftaten. Die Mehrheit dieser Straftaten waren Diebstahlsdelikte. Körperverletzungsdelikte, die so massiv zugenommen haben, sind 12 Prozent. Der Anteil von Drogendelikten, die nach Ansicht der CDU-Faktion so immens zugenommen haben, beträgt 1,8 Prozent, die Beleidigungen 2,5 Prozent. 71 Prozent aller Tatverdächtigen, 80 Prozent aller Tatverdächtigen bei Körperverletzungsdelikten, waren deutscher Herkunft. Das steht im eklatanten Widerspruch zu dem …
Ich danke für den Zwischenruf. Sie haben gesagt, die Syrer, die Iraker, die Afghanen, die Geflüchteten sind der größte Anteil und Sie haben die Zahl 6 Prozent genannt. Der Anteil derer Nationalitäten an den Straftaten beträgt 3,9 Prozent.
Das, was Sie mit Ihren Pressemitteilungen machen, ist Verunsicherung, ist Diskriminierung und Diskreditierung von Bevölkerungsgruppen,
und Sie verunsichern die Menschen in diesem Land, um ihre grundrechtseingreifenden Maßnahmen damit zu begründen. Das werfe ich Ihnen vor.
Dann kommen wir auch zum Antrag der CDU, die darstellt, das Ganze hat auch noch zugenommen. Ich habe Ihnen ganz bewusst die Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2016 vorgetragen. Wir haben uns natürlich dann auch den Fortgang bis zum Jahr 2017 angesehen und ich kann Ihnen sagen: Die Zahl der Straftaten im ersten Halbjahr 2017 liegt mehr als 100 Fälle niedriger, nämlich 13 Prozent niedriger, bei 596. Das heißt, das, was Sie in Ihrem Antrag behaupten, trifft als solches nicht zu, sondern das Gegenteil ist der Fall. Die Straftaten haben in diesem Bereich abgenommen.
Herr Henke, ich setze mich doch gerade mit dem, was Sie permanent öffentlich sagen, auseinander. Warten Sie doch mal ab, ob Sie, wenn ich damit fertig bin, überhaupt noch eine Frage haben oder sich trauen, hier eine zu stellen.
Ich komme im Übrigen auch noch mal auf einen weiteren Punkt Ihrer Lügen und populistischen Außendarstellungen zurück. Jetzt will ich zumindest zur Videoüberwachung auch noch mal deutlich etwas sagen: Sie suggerieren, das wäre eine Maßnahme, die Sicherheit schafft. Es gibt dafür überhaupt keine wissenschaftliche Untersuchung. Ich will mal zwei Beispiele nennen: In London gibt es 4 bis 6 Millionen – kein Mensch weiß es genau – Videokameras. Untersuchungen für London zeigen, dass es einen Bereich gibt, wo die Straftaten sich minimiert haben, nämlich die von Autodiebstählen von Parkplätzen, die videoüberwacht waren. Gewaltstraftaten im öffentlichen Raum, in U-Bahnhöfen, in U-Bahn-Bereichen sind nicht zurückgegangen und London überlegt, diese massenhafte Überwachung des öffentlichen Raums zurückzufahren. In Berlin: 15.000 Videokameras konnten nicht verhindern, dass Anis Amri vor etwa einem Jahr diesen schändlichen Terroranschlag begehen konnte.
Das Gegenteil war aber der Fall. Er hat die Öffentlichkeit über diese Videoüberwachung gesucht und hat noch den IS-Gruß in die Öffentlichkeit und an die Sicherheitsbehörden gesandt. Die Erfahrungen zeigen gerade doch auch bei der Aufarbeitung dieses Falls, dass nicht die Videokamera, nicht die Videoüberwachung versagt hat, sondern die Sicherheitsbehörden haben versagt
und die Videoüberwachung hat nicht nur keinen Beitrag geleistet, sie war auch noch Element, ISPropaganda in die Öffentlichkeit zu tragen. Das ist etwas, mit dem Sie sich nicht auseinandersetzen wollen.
Wenn wir uns über den präventiven Charakter tatsächlich mal verständigen wollen, dann sage ich Ihnen auch mal ein Beispiel, damit es anschaulich wird, über was wir überhaupt reden: In Limburg wurde jetzt vor Kurzem der Bahnhof mit 18 Videokameras ausgestattet. Das kostet eine halbe Million Euro.