Protokoll der Sitzung vom 21.02.2018

Die Debatte, den Zugang zu Drogen zu erleichtern, möchte ich gern mal in der Koalition sehen. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass unter Gesundheitspräventionsaspekten oder auch aus Sicht des Innenministeriums diese Meinung geteilt wird. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Danke schön. Als Nächster hat der Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Herr Minister Lauinger, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich bin dankbar

(Abg. Zippel)

dafür, dass im Rahmen der Aktuellen Stunde dieses wichtige Anliegen diskutiert und mir die Möglichkeit gegeben wird, die Maßnahmen darzustellen, die seit dem Beginn der Legislaturperiode in Thüringen unternommen werden, um eine moderne Drogenpolitik im Freistaat umzusetzen.

Die Regierungsparteien haben sich in ihrem Koalitionsvertrag zu einer modernen und effektiven Sucht- und Drogenpolitik bekannt, die sich an der Lebenswirklichkeit ihrer Adressatinnen und Adressaten orientiert. Ein wichtiger Gesichtspunkt dabei ist, dass sich Thüringen mit der Frage beschäftigt, ob eine Entkriminalisierung des Cannabisbesitzes und die Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung sinnvoll sein könnten. Ich habe der Debatte sehr interessiert gelauscht. Herr Zippel, wenn ich höre, dass Sie Schusswaffen und Cannabis in einen Zusammenhang bringen, dann kommt bei mir das Gefühl hoch, man hat nicht so richtig verstanden, um was es geht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Beides tötet Menschen!)

Wenn Sie tatsächlich die Legalisierung von Schusswaffen in einen Zusammenhang stellen – gerade wenn wir sehen, was in den letzten Monaten teilweise in diesem Land, aber auch in den USA durch Schusswaffenbesitz passiert ist –, wenn Sie dann diese zwei Sachen auf eine Stufe stellen, dann fehlt mir da tatsächlich ein bisschen das Verständnis dafür, dass wir das sinnvoll und in Ruhe diskutieren sollten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Der aktuell auf Bundesebene ausgehandelte Koalitionsvertrag enthält in der Drogenpolitik den Hinweis, dass man den Drogenmissbrauch weiterhin bekämpfen will. Nicht näher geht die Bundesregierung darauf ein, wie das passieren soll. Es gibt eine Kleine Anfrage, die zwei Monate alt ist, die sich auf den Gesundheitsschutz stützt und fragt, wie die Bevölkerung einer Legalisierung der Verwendung von Cannabis zu Genusszwecken gegenübersteht. Und das wird auch von Thüringer Seite weiterhin mit entsprechenden Initiativen auf Bundesebene geprüft. Dabei muss man zunächst ganz nüchtern konstatieren, dass das Strafrecht, seit es in Kraft ist, den Drogenbesitz insgesamt nicht verringert hat.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Wissen Sie das?)

Schätzungsweise konsumieren im Bundesgebiet – was aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hervorgeht – rund 1,2 Millionen Personen zwischen 18 und 24 Jahren

mindestens ein Mal im Monat Cannabis und 630.000 Personen konsumieren Cannabis im Durchschnitt häufiger als wöchentlich. Der Antrag weist deshalb darauf hin, dass aus zahlreichen Verbänden die Forderung erhoben wird, in der Drogenpolitik umzudenken. Diese Forderungen aus Verbänden sollte man sich tatsächlich in Ruhe anschauen und nicht einfach nur wegwischen mit dem Argument: Da bringen Polizeibeamte das Argument ein – das machen sie nur, um Arbeit vom Tisch zu kriegen. Ich glaube, das ist eine Sicht auf die Argumentation der Polizei, die so nicht zutrifft.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ein Polizist macht das vielleicht! Reden Sie mal mit den Ärzten!)

Vielleicht sollten Sie sich das in Ruhe anschauen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Betäubungsmittelvorschriften, die im Wesentlichen aus den 1970er-Jahren stammen, wissenschaftlich zu evaluieren und auf einen möglichen Reformbedarf zu prüfen, wurde zuletzt zum Beispiel auch in einer Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und -professoren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags gefordert. 123 deutsche Strafrechtsprofessorinnen und -professoren – das ist jetzt nicht gerade eine kleine Zahl und niemand, wo man einfach sagen soll: Was interessiert es uns, was die denken?

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Weil die auch alle Ahnung von Medizin haben, nicht wahr?)

Sie weisen zudem darauf hin, dass die schädlichen Nebenwirkungen und Folgen, die aus ihrer Sicht mit der Kriminalisierung bestimmter Drogen einhergehen, nicht zu verantworten sind. Die strafrechtliche Drogenprohibition sei gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch, sagen 123 deutsche Strafrechtsprofessoren. Der Staat gebe seine Kontrolle über Verfügbarkeit und Reinheit von Drogen auf.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ja, wie ge- sagt: Die haben keine Ahnung von Medizin!)

Im Ergebnis gelangt die Resolution zu der Einschätzung, dass es notwendig sei, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik unvoreingenommen wissenschaftlich zu überprüfen. Als Kriminalwissenschaftlerinnen und Kriminalwissenschaftler würden sie sich in besonderem Maße für die Einhaltung strafrechtstheoretischer Prinzipien und für die Zurückhaltung des Staates in der Anwendung der Ultima Ratio gesellschaftlicher Steuerung einsetzen. Ferner werden der unverhältnismäßig hohe Ermittlungsaufwand und die Ungleichheit der Verfolgungspraxis in den Bundesländern kritisiert. Diese Initiative von 123 Professoren wird von bedeutsamen Vereinigungen und Verbänden, die alle mit dem Thema befasst sind – zum Beispiel Strafvertei

(Minister Lauinger)

digervereinigungen, der Neuen Richter Vereinigung e.V., der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin e. V., der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, dem Bund Deutscher Kriminalbeamter und sogar der Deutschen Polizeigewerkschaft – unterstützt. Gerade die Deutsche Polizeigewerkschaft ist nun wirklich nicht dafür bekannt, dass sie leichtfertig für Entkriminalisierung eintritt.

Wenn sich so viele Institutionen diesem Thema zuwenden, sollte man sich vielleicht tatsächlich sehr intensiv mit den Argumenten befassen. Von daher begrüße ich es ausdrücklich, dass auf der morgigen Tagesordnung des Deutschen Bundestages die erste Beratung des von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen eingebrachten Entwurfs eines Cannabiskontrollgesetzes – vielleicht vergegenwärtigen Sie sich den Begriff eines Cannabiskontrollgesetzes – steht.

Bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode im Bund habe ich diesen Gesetzentwurf, der Cannabis aus den strafrechtlichen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes herausnehmen soll, unterstützt. Es bleiben hier zunächst die weiteren Beratungen, insbesondere in den Fachausschüssen, abzuwarten. Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass Thüringen gemeinsam mit der Freien Hansestadt Bremen im Sommer des vergangenen Jahres einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vorzunehmen. Es sollte eine Rechtsgrundlage für die Abgabe ärztlich nicht verschriebener Gebrauchsmengen von Cannabis an Erwachsene im Rahmen wissenschaftlich begleiteter und kontrollierter Versuchsprojekte geschaffen werden.

In seiner Begründung betont der Antrag, dass auch Erfahrungen und Erkenntnisse, die sich durch Modellprojekte im Bundesgebiet ergeben könnten, eine wesentliche empirische Säule einer erstmals wissenschaftlich fundierten Überarbeitung des Betäubungsmittelgesetzes darstellen könnten und insoweit die Arbeit einer zukünftig einzurichtenden Enquetekommission des Deutschen Bundestages sinnvoll ergänzen würden. Es bestehe daher Anlass, die Cannabisgesetzgebung zu überdenken und den vielfältigen Initiativen – ich habe es eben genannt – auf Landes- und kommunaler Ebene auch tatsächlich Rechnung zu tragen. Diese Initiative hat in der letzten Legislaturperiode im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Dass das Thema aber weiterhin aktuell ist, sehen Sie auch daran, dass es nicht nur einen Antrag von den Grünen und Linken am Donnerstag gibt, sondern auch einen Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Cannabis-Modellprojekte ermöglichen“. Gleichzeitig ziehen wir in Erwägung, diese Thematik auf der Justizministerkonferenz, die dieses Jahr in Thüringen stattfindet, im Juni auf die Tagesordnung zu setzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben diesen Aktivitäten auf Bundesebene möchte ich – auch das ist schon in der Debatte passiert – darauf hinweisen, dass in Thüringen in enger Abstimmung mit der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft die Rundverfügung des Thüringer Generalstaatsanwalts zu den Hinweisen für die Anwendung von § 31 a BtMG bei dem Eigenverbrauch von Cannabisprodukten unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 aktualisiert und der Grenzwert für den Eigenverbrauch in geringer Menge ab dem 1. Januar 2017 auf 10 Gramm angehoben wurde. Dadurch wurden die Handlungsspielräume der staatsanwaltschaftlichen Praxis, was ihre Möglichkeiten anbelangt, von weiteren Strafverfolgungen abzusehen, beträchtlich erweitert. Es bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten, ob und in welchem Umfang künftig Ressourcen durch den Wegfall der Strafverfolgung entstehen. Dass freie Kapazitäten, wie es der Antrag auch formuliert, für den Ausbau der Suchtberatungshilfelandschaft genutzt werden sollten, wäre auch aus meiner Sicht grundsätzlich wünschenswert. Allerdings sind wir uns entsprechend der Vereinbarung der Regierungsparteien im Koalitionsvertrag auch einig darin – und das will ich zum Schluss mit aller Deutlichkeit betonen –, dass die Debatte um Cannabis nicht bedeutet, dass wir nicht mit aller Konsequenz den Handel mit harten Drogen konsequent unterbinden müssen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit diesen Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den vierten Teil

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Vereinbarung des Koalitionsvertrags endlich umsetzen – Azubi-Ticket einführen statt kostenlosem ÖPNV für alle“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5330

Als Erste hat Abgeordnete Muhsal für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin ja jetzt doch ganz froh, dass wir uns nicht mehr über das Kiffen der Grünen unterhalten müssen, sondern zu einem Thema

(Minister Lauinger)

kommen können, was alle Thüringer betrifft, nämlich dem Azubi-Ticket.

(Beifall AfD)

Allerdings gibt es da auch eine traurige Wahrheit direkt zu verkünden: Das Azubi-Ticket wird in dieser Legislatur nicht kommen. Wieder zeigt sich: Was die Vertreter aller drei Koalitionsfraktionen immer wieder vollmundig und öffentlichkeitswirksam behaupten, das ist die eine Sache, was sie tatsächlich durchsetzen, ist eine ganz andere.

(Beifall AfD)

Zu behaupten, Ihnen sei die Einführung eines Azubi-Tickets wichtig, ist einfach, aber die tatsächliche Umsetzung übersteigt ganz offenbar Ihr Wollen und Können. Dass Ihnen das vollmundige Schwatzen und Ankündigen wichtig ist, aber nicht das Umsetzen, das zeigt schon Ihr im Januar 2016 gefasster Beschluss im Landtag. Dort findet man überwiegend Floskeln. Zu lesen ist nicht etwa, dass die Landesregierung zügig eine Schüler- und Auszubildenden-Fahrkarte einführen wird. Zu lesen ist, dass die Landesregierung – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis – „zeitnah ein Konzept zur schrittweisen Einführung eines vergünstigten, langfristig thüringenweit einheitlichen Schüler- und Auszubildenden-Tickets“ entwickeln und dem Landtag vorlegen wird. Und selbst nur dieses Konzept vorzulegen, ist der Landesregierung bis heute nicht gelungen. Ich erinnere daran, das war 2016, vor zwei Jahren. Das Wort „zeitnah“ bekommt unter Rot-Rot-Grün eine ganz neue Bedeutung.

(Beifall AfD)

Hieß es noch im Koalitionsvertrag, die Koalition strebt die Einführung eines kostengünstigen AzubiTickets für den öffentlichen Nahverkehr an, so können wir heute sagen: Dieses Streben fand ein schnelles Ende.

Zusammenfassend: Sie sind Ankündigungsweltmeister, aber Umsetzungsnieten.

Nachdem seit Juni 2016 dann auch nichts passiert war, hat meine Fraktion im Januar 2017 gefordert, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und die Schülerund Auszubildenden-Fahrkarte möglichst schnell einzuführen. Aber dass es damit allen anderen Fraktionen – außer jener der AfD – nicht so ernst ist, hat sich dann schon dadurch gezeigt, dass alle Abgeordneten des Landtags in namentlicher Abstimmung gegen unseren Antrag, also gegen die schnelle Einführung eines AuszubildendenTickets gestimmt haben. Dann ist es auch nur konsequent und folgerichtig, dass dank der Mehrheit in diesem Haus gegen die AfD bis heute nichts in dieser Angelegenheit geschehen ist. Dass Sie in einem solchen Maß untätig bleiben, ist den Thüringer Auszubildenden, aber auch den Unternehmen durch nichts mehr zu vermitteln.

(Beifall AfD)

Uns als AfD-Fraktion ist es ein Anliegen, die Rahmenbedingungen für Ausbildungsberufe zu verbessern, das haben wir hier in unseren Anträgen immer wieder deutlich gemacht. Dazu gehört zweifellos eine vernünftige und kostengünstige Fahrkarte, die eben deutlich mehr umfassen muss als den Weg vom Wohnort zur Berufsschule, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Landesregierung bemüht ist, das Berufsschulnetz zu straffen, wie sie das so schön beschönigend nennt, de facto also die Berufsschulen zu schließen. Dadurch verlängern sich die Fahrtwege und das macht die Aufnahme einer Berufsausbildung weiterhin unattraktiver.

Die Aufnahme eines Studiums hingegen auf der anderen Seite ist nicht nur fälschlicherweise mit einem höheren sozialen Status und einer höheren sozialen Anerkennung verbunden, sondern auch damit, ein kostengünstiges Semesterticket zur Verfügung gestellt zu bekommen, mit dem es sich bequem zu jeder Zeit in alle Winkel Thüringens fahren lässt. Mit dieser Ungleichbehandlung muss Schluss sein.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Ich fasse es nicht!)

Die Ankündigung von Staatssekretär Sühl, die Einführung eines thüringenweiten Azubi-Tickets sei derzeit schlicht nicht möglich, da Thüringen über keinen einheitlichen Verkehrsverbund verfügt, ist schlichtweg auch so nicht hinnehmbar. Wir haben daran begründete Zweifel, da vonseiten der SPDFraktion verlautbart wurde, die Einführung scheitere an der Zurverfügungstellung finanzieller Mittel. Das klingt natürlich nicht so schön, ist dem Wähler nicht zu vermitteln, also erzählen Sie dann eben was zu den organisatorischen Problemen, die Sie nicht in den Griff kriegen.

(Beifall AfD)