Protokoll der Sitzung vom 23.02.2018

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er spielt in seiner Rede, wo ich keine Ideen und keine Inhalte sehe, wie man Sozialpolitik in Deutschland wirklich machen kann, unterschiedliche Personengruppen einfach aus, und das ist für mich wirklich demagogisch, was hier gelaufen ist.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht mit Blick auf den sogenannten Sozialpolitiker, wie wir es gerade hier erlebt haben, noch mal in die Grundsatzprogramme dieser rechts außen gelegenen Partei zu schauen. Und das hat mich schon etwas verwundert: Ich habe – mit Blick auf die erst vor wenigen Monaten durchgeführten Bundestagswahlen – nichts gelesen zur Thematik „Rente“,

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zur Schließung von Rentenlücken oder wie wir das Thema der in der DDR Geschiedenen klären. Ich frage mich: Haben Sie das erst durch unsere Anträ

ge auf Ihren Schirm bekommen? Das ist für mich ein demagogisches Handeln, was hier abläuft.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ich würde an der Stelle, werte Kolleginnen und Kollegen, doch noch mal genau unseren gemeinsamen Blick in die vorgelegten Änderungen und Anträge dieser Fraktion werfen, denn da steht genau das drin, was er gesagt hat. Er will eine Rente nur für Deutsche. Dann will er noch eine Rente vor allem für Menschen, die nicht auf Sozialleistungen angewiesen waren. Die sollen perspektivisch – und das lese man in dem Punkt 3 des Antrags – auf einen „Leistungsabstand“ gehalten werden, das heißt doch nichts anderes. Der, der in dieser Gesellschaft nicht mehr so leistungsfähig ist, egal ob das aufgrund von Arbeitslosigkeit, aufgrund von unterschiedlichsten beruflichen Perspektiven, aufgrund von größeren Krankheiten passiert ist, hat perspektivisch einen geringeren Anspruch auf Rente. Das ist Ihr Denken, nur der Leistungsfähige soll auch gut Geld und Rente bekommen. Das, Kolleginnen und Kollegen, denke ich, wird von uns gemeinsam hier abgelehnt. Das sage ich eineindeutig.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn genau das, was Sie machen, ist eine Formulierung von „Sozialschmarotzern“, die Sie in Ihrer Welt bedienen,

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Machen Sie doch schon!)

und von rechts außen. Das wollen Sie der Bevölkerung hier in Thüringen und in Deutschland perspektivisch unterjubeln. Sie wollen sich als Anwalt der kleinen Leute profilieren. Vergessen Sie es! Da müssen Sie sich erst mal auf den Weg machen und müssen gute Alternativen

(Unruhe AfD)

für ein gutes Sozialsystem auf den Weg bringen.

(Beifall DIE LINKE)

Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch zwei, drei Dinge zu unserem Rentenantrag sagen. Ich denke, die Ministerin hat in ihren Ausführungen ausführlich dargelegt, wie sich das Rentensystem in den letzten Jahrzehnten durch verschiedene Änderungen, Holpersteine, die eingebaut worden sind, entwickelt hat. Meine Kollegin Lehmann hat bereits ausführlich unseren Antrag inhaltlich noch einmal begründet, warum wir denken, dass es jetzt notwendig ist, nochmals als Thüringer Landesregierung hier Flagge zu zeigen und auch, egal wie eine Regierung in Berlin perspektivisch aussehen wird, hier noch einmal eindeutig zu sagen: Ja, es braucht endlich eine Angleichung der Renten Ost an West, es braucht endlich die Schlie

ßung der Rentenlücken, die seit 28 Jahren nicht beachtet worden sind in der Politik.

Ich zähle sie einfach mal auf, denn ganz oft wird davon gesprochen, dass die Rentenlücken geschlossen werden müssen, aber viele Leute wissen gar nicht mehr, über welche Rentenlücken wir uns da inhaltlich verständigen: Es geht um die Balletttänzerinnen und Balletttänzer der DDR, um die Bergleute in der Braunkohleveredelung, um die Pflege der Angehörigen in der DDR und um die Land- und Forstwirte. Es geht um Handwerker und andere Selbstständige sowie mithelfende Familienangehörige aus der DDR. Es geht um die Anerkennung eines zweiten Bildungswegs und von Aspiranturen. Es geht um die Anerkennung der DDR-Sozialversicherungsregelung im Ausland und für mitreisende Ehepartnerinnen und Ehepartner. Es geht um die Anerkennung der freiwilligen Beiträge, die zu DDR-Zeiten geleistet worden sind. Es geht um die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Es geht um die Ansprüche und Anwartschaften auf Alterssicherung der Angehörigen der Deutschen Reichsbahn. Es geht um die Professorinnen und Professoren neuen Rechts. Es geht um Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst. Es geht um Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, Beschäftigte in universitären und wissenschaftlichen Bereichen und Einrichtungen. Es geht um die technische Intelligenz sowie um die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitswesens der DDR. Das sind alles Personen, die seit 28 Jahren warten, dass ihre Benachteiligungen endlich geklärt werden. Wenn wir sie heute noch mal explizit in unserem Rentenantrag aufgenommen haben, denke ich, ist es gut und wichtig, an diese Personengruppen zu erinnern.

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben, werte Kolleginnen und Kollegen, bereits vorhin darauf abgezielt, dass eine große Gruppe, die immer noch auf einen Ausgleich wartet, die in der DDR geschiedenen Frauen sind. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass erst vor wenigen Wochen ein paar Vertreterinnen bei ihr im Ministerium waren und sich genau noch mal über diese Situation mit ihr unterhalten haben. Wenn wir heute hier gemeinsam – jetzt gucke ich wirklich noch mal in die Runde und werbe dafür – den Antrag der Koalitionsfraktionen auf den Weg bringen, um in dieser Problematik auf eine Lösung hinzuarbeiten, dann haben die Frauen endlich einen großen Hoffnungsschimmer, den sie viele, viele Jahre nicht hatten. Darum werbe ich noch mal ausdrücklich.

Lassen Sie mich noch zwei, drei Dinge sagen, die uns als Linke sehr, sehr wichtig sind. Wir haben das Thema „Rente“ in den unterschiedlichen Legislaturperioden hier immer und immer wieder angesprochen, in der Opposition, aber auch jetzt in Regierungsverantwortung. Wir haben es auch in Berlin

im Bundestag gemacht. Wir wissen, wir sind an manchen Stellen unterschiedlicher Auffassung. Wir wissen auch, dass es da noch gemeinsamen Diskussionsbedarf gibt. Aber in einem sind wir uns einig, eines ist uns allen, glaube ich, sehr, sehr wichtig: Es braucht eine Mindestsicherung im Alter, die jenseits der heutigen Grundsicherung ist und die auch nicht von dem Vermögen, die die Personen auf dem Konto haben, abhängig gemacht wird.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen eine einkommensunabhängige Mindestsicherung, und die, sagen wir als Linke, sollte weit über 1.050 Euro liegen.

(Beifall DIE LINKE)

Werte Kolleginnen und Kollegen, um auch perspektivisch keine weiteren Ungleichheiten zu produzieren, ist es meiner Meinung nach sehr, sehr wichtig, dass wir das Thema der Mütterrente, auch so, wie es jetzt in einem eventuell zu verabschiedenden Koalitionsvertrag aufgenommen wurde, noch mal genauer anschauen. Für mich ist es nicht hinnehmbar, warum perspektivisch Mütter, die vor 1992 ihre Kinder geboren haben, erst ab dem dritten Kind einen Rentenpunkt bekommen. Ich frage mich: Warum bekommen nicht auch diejenigen Mütter oder manchmal auch die Väter bereits den zusätzlichen Punkt für das erste und zweite Kind?

(Beifall DIE LINKE)

Das ist schon wieder eine Diskriminierung, die jetzt in diesem Koalitionsvertrag formuliert worden ist. Mit der können wir als Linke weiß Gott nicht mitgehen.

Lassen Sie mich noch einen vorletzten Punkt sagen: Wer wirklich will, dass es keine Altersdiskriminierung und Altersarmut gibt, der muss sich auf den Weg machen und muss das Rentenniveau von heute 48 Prozent perspektivisch wieder auf 53 Prozent hochschrauben. Nur dann ist gesichert, dass es keine Altersarmut gibt.

Als letzten Punkt will ich noch sagen, bevor ich noch mal für unseren gemeinsamen Antrag hier werbe: Wenn wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger perspektivisch eine gute Rente bekommen, dann brauchen wir einen guten Mindestlohn, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und ein Mindestlohn muss mindestens – so ist unsere Auffassung – bei 12 Euro in der Stunde liegen. Nur dann können sich die, die in Arbeit sind, auch um gute Renten in der Zukunft kümmern. Dann haben sie auch die Möglichkeit, etwas für private Altersvorsorge zu tun. Nur dann! Und das habe ich von der rechts außen sitzenden Fraktion nicht gehört. Da wird Mindestlohn abgelehnt, und das ist für

mich noch mal ein Punkt, warum wir gemeinsam als demokratische Fraktionen heute hier ein gutes Signal geben sollten. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Abgeordnete Stange. Als Nächste hat Abgeordnete Pfefferlein, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! Vielen Dank, Frau Stange, für die einführenden Worte. Sie werden es verstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ich auf diese populistische Hetzrede nicht noch mal eingehen werde.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich danke Ministerin Werner ausführlich für ihren Bericht zu diesem Thema.

Es wurde jetzt auch schon viel gesagt, aber nichtsdestotrotz: Die Koalition bringt heute diesen Antrag zur Rentengerechtigkeit auf Bundesebene ein. Es ist nun mal ein Bundesthema und wir haben es hier auch schon oft besprochen. Ich glaube, es ist aber gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, noch mal ein Signal nach Berlin zu senden, um den Entscheiderinnen und Entscheidern ein paar Hinweise und Beschlüsse aus Thüringen mit auf den Weg zu geben.

Wir brauchen ein gutes und sicheres Rentenkonzept, welches auch immer wieder diskutiert und nachgesteuert werden muss. Vor allem der demografische Wandel stellt uns Politiker immer wieder vor die Herausforderung, uns über die Versorgung in Rentenzeiten und damit auch über die Finanzierung dieser jeweiligen Zahlung Gedanken zu machen. Ein gutes und sicheres Rentenkonzept muss auch alle Generationen im Blick haben – die, die jetzt Renten bekommen, und die, die die Renten erwirtschaften. In den neuen Bundesländern kommen noch weitere Stellschrauben bzw. Probleme hinzu, die die Angst vor Armut im Rentenalter besonders in den Fokus rücken.

Ich will Ihnen ganz klar sagen: Das darf nicht sein und das kann nicht sein, dass Menschen im Alter so wenig versorgt sind, dass sie auf Zusatzleistungen angewiesen sind, wenn sie ihr ganzes Erwerbsleben gearbeitet haben. Die besondere Situation von Menschen aus den neuen Bundesländern mit zum Teil häufig wechselnden Erwerbsbiografien schlägt dabei besonders zu Buche. Aber auch sie müssen in das gesamtdeutsche Rentensystem eingepasst werden.

Hinzu kommt außerdem, dass Männer aktuell bei der Alterssicherung doppelt so viel Alterssicherung wie Frauen bekommen. Hauptgründe für diese Kluft sind, dass Frauen häufiger als Männer nicht berufstätig waren, wegen der Familienarbeit mehr in Teilzeit arbeiten, häufiger ihre Erwerbsarbeit unterbrechen und im Schnitt weniger verdienen als Männer. Aus einer in Düsseldorf veröffentlichten Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts geht hervor, dass die gesetzliche Rente für Männer durchschnittlich 1.154 Euro und für Frauen durchschnittlich 634 Euro im Monat beträgt. Noch größer ist der prozentuale Abstand laut Studie bei Betriebsrenten in der Privatwirtschaft mit 240 Euro für Frauen und 593 Euro für Männer. Auch geht daraus hervor, dass etwa nur 7 Prozent der Rentnerinnen, aber 26 Prozent der Rentner überhaupt eigene Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung haben. Aus der privaten Altersvorsorge bekommen derzeit 5 Prozent der Männer und 2 Prozent der Frauen Geld; Frauen im Schnitt 311 Euro, Männer 485 Euro. Auch das sind wichtige Gründe, die gesetzliche Rente zu stärken, denn viele Frauen hätten keine oder nur niedrige Einkünfte aus der betrieblichen und privaten Altersvorsorge.

Wir finden, dass mehr als 25 Jahre nach der friedlichen Revolution die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West längst überfällig ist. Dies wird bei der Rentenauszahlung immer noch besonders deutlich. Aus unserer Sicht ist die Diskussion zur Angleichung der Renten in Ost- und Westdeutschland noch nicht abgeschlossen. Sicherlich war die Überleitung der Alterssicherungssysteme der DDR in das bundeseinheitliche Rentensystem Anfang der 90er-Jahre eine sehr komplexe Aufgabe. Aber es gibt zahlreiche Menschen, die das Rentenüberleitungsgesetz einschließlich des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes als Geringschätzung ihrer Lebensleistung empfinden. Die müssen und wollen wir mit diesem Antrag anheben, auch wenn uns natürlich der gesamte Komplex bewusst ist. Selbstverständlich braucht es neben der Rentendiskussion auch eine gemeinsame Anstrengung, die Löhne und Entgelte in Ostdeutschland an das Westniveau anzugleichen. Hier spielen Wirtschaft, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und natürlich auch die Diskussion um den Mindestlohn eine wichtige Rolle. Aber ich glaube, wir sind da auch alle sehr bemüht, dass das besser wird.

Aus all diesen Gründen bitten wir die Landesregierung, auf Bundesebene zu folgenden Punkten aktiv zu werden:

Erstens: Die Angleichung der Renten von Ost zu West soll erreicht werden, damit ein deutschlandweit einheitliches Rentenrecht gilt. Dabei soll die Höherwertung der Beiträge vor dem Hintergrund, Altersarmut zu vermeiden, erhalten bleiben.

(Abg. Stange)

Zweitens: Es soll gewährleistet werden, dass Überführungslücken in die Rentenüberleitung bei bestimmten Personen und Berufsgruppen in Ostdeutschland geschlossen werden.

Drittens: Es soll eine steuerfinanzierte Angleichung der sogenannten Mütterrente in Ost und West und die gleiche Anrechnung der Kindererziehungszeiten auch für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, geben.

Viertens: In der DDR geschiedene Frauen sollen eine angemessene Rente erhalten.

Fünftens: Eine Sonderbeteiligung der ostdeutschen Länder an den Ausgaben des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes soll entfallen.

Sechstens: Die Rente soll zu einer steuer- und beitragsfinanzierten Leistung ausgebaut und das Rentenniveau unter Beachtung der Beitragssätze stabilisiert werden, um Altersarmut zu vermeiden und ein Altern in Würde zu gewährleisten.