Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Hat er jetzt ein Herz für Ausländer?)

Dann schauen Sie sich das doch mal an. Lesen Sie sich doch mal die entsprechenden Kommentare von beispielsweise deutsch-italienischen Anwaltskanzleien durch, die sich mit der Materie ausken

nen. Die stecken offensichtlich tiefer im Stoff als Sie, Herr Scherer.

Aber kommen wir zurück zum Gesetzentwurf der Landesregierung, der einen, wie gesagt, nicht wundern muss, was diese Defizite angeht. Sie werden sich sicherlich nicht wundern, dass wir dem Gesetzentwurf auch nicht zustimmen können, wenn er so zum zweiten Mal vorgelegt würde.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir bitten darum!)

Wir meinen, dass es schon schwierig ist, zu sagen, dass er bereits den Reifegrad hat, um ihn in einem Ausschuss zu debattieren. Es wäre eigentlich besser, wenn Sie ihn noch mal einpacken, noch mal demütig in sich gehen

(Heiterkeit DIE LINKE)

und vielleicht auch noch mal mit den Vertretern der Judikative sprechen, die sehr gute Vorschläge gemacht haben, insbesondere was die Stärkung des Selbstverwaltungsrechts der Justiz angeht. Vielleicht kann man dann einen brauchbareren Gesetzentwurf abliefern, als den, der jetzt vorliegt. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Möller. Als Nächste hat sich Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muss zu Beginn doch etwas zu dem letzten Redebeitrag sagen, von dem Herrn, der sich jetzt hier hinter mich stellt.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Er stärkt Ih- nen den Rücken!)

Wenn das eine Rückenstärkung sein soll, wenn die Rückenstärkung übrigens genauso aussieht wie die Rückenstärkung des Richterwahlausschusses, in dem Sie beispielhaft Ihre Mitarbeit verweigern, dann mag das irgendwie zusammenpassen.

(Beifall DIE LINKE)

Es entbehrt schon nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Herr Möller hier über den Richterwahlausschuss spricht und sich darüber beklagt, welche Mehrheiten sich darin wiederfinden, sich selber aber mit seiner Fraktion konsequent der Mitarbeit in diesem Ausschuss verweigert.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist nun mal so, dass es nicht nur Rechte für Abgeordnete gibt, sondern auch Pflichten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir meinen, eine der Pflichten beinhaltet eben auch, entsprechende Entsendungen für bestimmte Gremien vorzunehmen. Leider obliegt es nicht uns, einen Wahlvorschlag zu unterbreiten. Wir haben schon ernsthaft überlegt, dass wir Sie vorschlagen, aber Sie wollen sich verweigern, Ihnen geht es nur um Vorführung von Parlamentarismus. Der Auftritt von Herrn Möller hier war auch eher ein schlechter Showauftritt mehr.

Nun aber zum vorgelegten Gesetz: Der MDR titelt heute „Thüringer Justizminister will auf Macht verzichten“, und diese Überschrift hat tatsächlich einen sehr ernsthaften Hintergrund. Das finden wir vielleicht nicht allzu oft in der politischen Debatte, vielleicht ist Ihnen auch deshalb nichts anderes eingefallen, als unqualifiziert zu spotten, weil es ein ganz wichtiger Punkt ist und weil es ein Punkt ist, den wir uns tatsächlich als rot-rot-grüne Koalition schon im Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Da heißt es nämlich unter der Überschrift „Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz stärken“ – ich zitiere –: „Die Koalition ist sich einig, die Unabhängigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaft zu stärken. Hierzu sollen neue Regelungen der Selbstverwaltung der Judikative geprüft werden. Wir wollen die Eigenverantwortlichkeit der Justiz durch die Ausweitung eigenverantwortlicher personalund budgetrechtlicher sowie haushaltswirtschaftlicher Handlungsspielräume der Gerichte und Staatsanwaltschaften stärken. Eine unabhängige Justiz umfasst auch eine objektiv und konsequent ermittelnde Staatsanwaltschaft.“

Es findet sich noch ein zweites Zitat – das verlese ich jetzt nicht noch einmal, das hat der Minister schon bei seiner Einbringung des Gesetzes vorgetragen – zur Novellierung des Richter- und Staatsanwältegesetzes. Ich kann nur sagen: Rot-RotGrün handelt, Rot-Rot-Grün liefert und es liegt jetzt ein Gesetzentwurf auf dem Tisch. Und Herr Emde, weil Sie fragten, stützen Sie jetzt Ihren Minister oder nicht, nur weil noch weitere Punkte vorgetragen wurden, beispielhaft von Herrn Blechschmidt, der Punkte benannte, die er gern noch mit in die Anhörung bringen möchte, aber auch von Herrn Helmerich: Was haben Sie denn für ein Staatsverständnis oder was haben Sie denn auch für ein Verständnis von parlamentarischen Debatten? Der Minister selbst hat in seiner Einbringungsrede gesagt, dass sicherlich auch im parlamentarischen Verfahren noch Änderungen möglich sind und dass er offen dafür ist. Das ist ein parlamentarisches Verfahren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird eben nicht von oben nach unten verordnet, auch nicht dieses Gesetz, sondern es soll eine Anhörung stattfinden – auch ich plädiere für eine mündliche Anhörung – und natürlich werden wir die

(Abg. Möller)

Ergebnisse dieser Anhörung dann abwägen und prüfen, ob und welche Punkte gegebenenfalls im Gesetz noch aufgenommen werden. Das ist ein völlig normales Verfahren. Genau das unterscheidet uns übrigens von Staatsformen, die eben nicht demokratisch sind und wo einfach durchdirigiert wird. Das ist auch gut so, dass wir wissen, wie Macht und Verantwortung geteilt werden.

Auch ich möchte aber selbstverständlich auf die Punkte eingehen, die der Richterbund, vorgetragen durch Herrn Pröbstel, unlängst in den Zeitungen dargelegt hat, weil es natürlich wichtig ist, auf Hauptvorwürfe einzugehen. So heißt ein Vorwurf beispielsweise, der Justizminister würde nur dem Schein nach sein Letztentscheidungsrecht abgeben. Richtig ist, dass der Justizminister in Zukunft keine Personalentscheidungen bei Beförderungen mehr gegen den Willen der Richter treffen kann, vielmehr müssen sich beide Seiten einigen. Wir meinen, das ist auch gut so. Das Letztentscheidungsrecht darf aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht bei einer Vertretung liegen, sondern muss der Landesregierung oder einem ihrer Vertreter zustehen. Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Artikel 98 Abs. 4 Grundgesetz und Artikel 89 Abs. 2 Satz 1 Thüringer Verfassung ist es jedoch nicht ausgeschlossen, die Umsetzung der beabsichtigten Maßnahme im Falle der Nichteignung an eine Zustimmung des Richterwahlausschusses zu binden – in dem man dann natürlich auch mitarbeiten muss, muss ich an dieser Stelle noch einmal sagen. Bei Nichteinigung über eine Beförderung zwischen Justizminister und dem Präsidialrat wird in Zukunft der Richterwahlausschuss beteiligt. Das Beteiligungsverfahren ist in § 63 Richter- und Staatsanwältegesetz geregelt. Die vorgeschlagene Regelung und das damit verbundene konsensorientierte Verfahren bei Beförderungen zwischen Justizminister, Präsidialrat und Richterwahlausschuss wird also den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht und schafft faktisch das Letztentscheidungsrecht des Justizministers ab. Damit stärkt Rot-Rot-Grün die Unabhängigkeit der Justiz sehr deutlich. Das war und ist unser Ziel, und das wollen wir gern auch zur Debatte in der Anhörung stellen.

Ein zweiter Vorwurf lautet, dass die Angleichung im Bereich der Mitbestimmungsrechte im Verhältnis zu anderen Beamten weiterhin unzureichend sei. Ich will das jetzt nicht ganz umfänglich ausführen, ich will aber ganz deutlich sagen, dass wir durchaus sehen, dass der Gesetzentwurf eine deutliche Weiterentwicklung bei den Mitbestimmungsrechten der Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte mit sich bringt. Wir haben aber auch registriert, dass der Richterbund hier noch ein, zwei Schritte weitergehen will und genau hier – das hat Herr Blechschmidt hier schon ausgeführt, Herr Helmerich auch noch einmal – machen wir deutlich, dass

wir diese im Rahmen der Anhörung natürlich im Ausschuss entsprechend abwägen, zur Kenntnis nehmen, diskutieren werden, Nachfragen stellen und Anregungen grundsätzlich offen gegenüberstehen. Das heißt, wir sehen hier durchaus noch Potenziale für Veränderungen nach mehr Mitbestimmung.

Zum Dritten äußert der Richterbund, dass die Forderung nach Aufnahme von Beurteilungskriterien ins Gesetz nicht erfüllt würde. Ich kann dazu nur sagen, erstmals wird mit dem Gesetzentwurf eine gesetzliche Grundlage für das Beurteilungswesen überhaupt geschaffen. Es differenziert nämlich zwischen Regelbeurteilungen und Anlassbeurteilungen, unter anderem zur Beurteilung vor der Lebenszeiternennung, und es orientiert sich damit am üblichen Beurteilungswesen von Beamtinnen und Beamten. Die Idee der Einführung von Beurteilungsgremien nach dem Vorbild Österreichs, wie sie hier auch ins Gespräch gebracht wurden, finden wir durchaus spannend. Auch das können wir unserer Auffassung nach gern und intensiv im Anhörungsprozess debattieren.

Mein vorläufiges Fazit zu dieser Einbringung lautet: Die vom Thüringer Richterbund erhobenen Vorwürfe lassen sich aus unserer Sicht so nicht bestätigen. Der vom Justizminister und vom Kabinett vorgelegte Gesetzentwurf entspricht den Vorgaben und Vereinbarungen des Koalitionsvertrags – ich hatte eingangs daraus zitiert.

Dass der Richterbund darüber hinaus Anregungen und Wünsche hat, ist vollkommen nachvollziehbar – ich habe es schon gesagt. Als Interessenverband ist es übrigens auch völlig legitim, Maximalforderungen aufzustellen. Es sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Politischen ja selten damit endet, dass Maximalforderungen umgesetzt werden, sondern dass Kompromisse den demokratischen Regelfall darstellen. Insoweit wollen wir im parlamentarischen Verfahren weiter an einer guten Lösung arbeiten. Ich bin Herrn Scherer da für seinen sachlichen Beitrag sehr dankbar.

Im Bereich der Mitbestimmungsrechte – auch das habe ich schon erwähnt –, dem zentralen Anliegen des Richterbunds, scheint es nach unserem Dafürhalten durchaus noch Spielraum zu geben. Insgesamt bedeutet der vorgelegte Gesetzentwurf aber eine deutliche Verbesserung für die Richterinnen, Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Vergleich zum Status quo, den der Richterbund auch nicht für erhaltenswert erachtet. Hervorzuheben ist dabei die Abschaffung des Letztentscheidungsrechts des Justizministers bei Beförderungen zugunsten eines konsensorientierten Verfahrens unter Beteiligung des Präsidialrats und des Richterwahlausschusses.

Es ist aus unserer Sicht daher ein guter Gesetzentwurf, der im Wege der Anhörung im Ausschuss

noch besser werden kann. Am Ende wird das neue Richter- und Staatsanwältegesetz die Eigenverantwortlichkeit der Justiz deutlich stärken. Nicht zuletzt werden erstmals besondere Regelungen für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte geschaffen, womit ihrer besonderen Rolle Rechnung getragen wird, unter anderem durch die Schaffung eines eigenen Staatsanwältewahlausschusses. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und beantrage die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Dann schließe ich damit die Aussprache und wir kommen zur beantragten Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind Stimmen aus allen Fraktionen. Gegenstimmen sehe ich nicht, Enthaltungen auch nicht. Damit einstimmig an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen.

Wir treten damit in die Mittagspause ein und nehmen die Sitzung dann um Viertel vor zwei wieder auf. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Vier- tel vor zwei: Ist das jetzt etwas anderes als drei viertel zwei?)

Drei viertel zwei – ich wollte einfach nur, dass jeder versteht, was ich sage.

Meine Damen und Herren, wir setzen die Plenartagung fort. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18

Fragestunde

Ich rufe die Mündlichen Anfragen auf und bitte die Abgeordneten, ihre Fragen vorzutragen.

Die erste Anfrage hat Frau Abgeordnete Meißner, Fraktion der CDU, in Drucksache 6/5386.

Geplante Richtlinie zur Förderung der sozialen Beratung und Betreuung von anerkannten Flüchtlingen in Thüringen

Eine Förderung qualifizierter migrationsspezifischer sozialer Beratung und Betreuung für anerkannte Flüchtlinge ist dringend erforderlich und die angedachte Richtlinie, die vom Thüringer Ministerium für

Migration, Justiz und Verbraucherschutz mit Stand vom 2. Februar 2018 im Entwurf nach meinem Kenntnisstand den Thüringer Landräten vorliegt, generell zu begrüßen. Es besteht schon lange akuter Handlungsbedarf, da sich mit dem Übergang der Flüchtlinge ins Jobcenter die Problemsituation dramatisch verstärkt. Ein eigenständiges Handeln der Flüchtlinge hinsichtlich Wohnungs- und Arbeitssuche ist aufgrund von Sprachbarrieren und komplizierten Verwaltungsregularien ohne Sozialberatung unmöglich.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wann tritt diese Förderrichtlinie in Kraft?

2. Kann das aufwendige Antragsverfahren vereinfacht werden, indem eine Pauschalbereitstellung der Mittel an die Landkreise erfolgt?

3. Sind in der statistischen Anteilsberechnung für die Landkreise auch Geflüchtete nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz und deren Familienangehörige mit einbezogen, welche auch im Besitz eines Aufenthaltstitels sind?

4. Wie plant die Landesregierung die Problematik, dass das Land den Kommunen die Kosten teilweise nur für Einzelarbeitsplätze des Wachpersonals erstattet und damit dessen Schutz nach § 3a Arbeitsstättenverordnung nicht gewährleistet wird, zu lösen?