Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Herr Abgeordneter Kellner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kuschel?

Natürlich, Herrn Kuschel höre ich doch immer gern.

Herr Kuschel setzt das Zwiegespräch fort, bitte.

Danke, Herr Präsident. Herr Kellner, Ihre Argumentation ist ja, wenn ich sie mal vereinfache, so: Je kleiner umso besser. Jetzt erklären Sie mal: Wenn eine Gemeinde eine VG verlässt, wird die kleiner, dann müsste sie doch besser werden. Ihre Argumentation ist doch unlogisch, oder?

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: So ein Quatsch!)

Herr Kuschel! Das ist typisch Herr Kuschel, der letztendlich das hören will, was er hören möchte, und dreht das dann genau um. Ich habe nicht gesagt: je kleiner desto besser. Ich habe gesagt, dass die Größe nicht entscheidend ist und es genügend Beispiele gibt, dass große Einheiten nicht die Leistungsfähigkeit haben.

(Beifall CDU)

Aber das zeichnet Sie ja aus, nicht nur Sie, Herr Kuschel, Ihr Lehrmeister sitzt ja genau vor Ihnen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Herr Dittes kann das ja wirklich sehr gut, dass er alles umdreht und alles, was man gesagt hat, ins Gegenteil verkehrt.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Wir lassen das so stehen!)

Aber da werden Sie bei uns keinen Erfolg haben. Die Tatsachen sprechen letztendlich für unsere Auffassung.

Ich bleibe dabei: Die doppelte Mehrheit abzuschaffen, bringt Unsicherheit und schwächt letztendlich auch die Kommunen, die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Ich weiß nicht, ob man überhaupt eine Vorstellung hat, was eine Verwaltungsgemeinschaft alles macht. Da sitzt nicht nur jemand am Schreibtisch, der Bescheide erlässt. Die machen auch gemeinsame Projekte. Ich habe das bis 2009 machen dürfen: Tourismusprojekte entwickelt, Wegebau – 14 Kilometer Radwege gebaut, B-Plan entwickelt, wir haben Flächennutzungspläne entwickelt, alles

unter dem Schirm der VG. Das hätte eine einzelne Gemeinde nicht gekonnt.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die Landgemeinde!)

Definitiv nicht. Das gehört doch auch zur Tatsache. Wir können doch nicht so tun, als wenn die Verwaltungsgemeinschaft völlig überflüssig wäre und die Gemeinden würden darunter leiden und würden gegeißelt und müssten einen Haufen Geld bezahlen. Das ist doch Unfug, meine Damen und Herren. Wenn man sich mit der Materie befasst, ist eine Verwaltungsgemeinschaft viel mehr, kann es sein. Es gibt natürlich auch Beispiele, wo es nicht so funktioniert. Aber ich hatte ja eingangs erwähnt, das gibt es auch bei Gemeinden, wenn sie sich zusammengeschlossen haben. Auch große Städte haben genauso ihre Probleme. An dieser Stelle – das muss ich deutlich sagen – greift Ihr Vorschlag nicht, den Sie immer propagieren, dass Sie die kommunale Selbstverwaltung stärken wollen.

Noch ein Beispiel, wo man das jetzt deutlich merkt, sind diese vier VGs, die jetzt in das Neugliederungsgesetz kommen. Zum Beispiel bei Hundeshagen und Lindenberg/Eichsfeld sind die Gemeinden dagegen, dass man rausgeht. Aus gutem Grund, weil es eine erhebliche Verzahnung zwischen den Gemeinden gibt. Das geht über Kreditbelastungen, das geht letztendlich auch über Zweckvereinbarungen und Projekte, die sie selber machen. Da kann es doch nicht sein, dass eine Gemeinde einfach sagt, ich verabschiede mich. Und da sind wir bei der Rosinenpickerei.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt keine einzelne Gemeinde!)

Da gibt es eine Solidargemeinschaft, man hat sich zusammengefügt,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Der Gesetzgeber!)

um solidarisch miteinander etwas zu entwickeln. Das hat man auf den Weg gebracht. Jetzt gefällt es einer nicht mehr und die sagt: Jetzt gehe ich woanders hin, mir egal, was mit den anderen passiert. Das kann doch nicht unser Ziel hier in diesem Hause sein, dass man letztendlich sowas unterstützt,

(Beifall CDU)

dass Gemeinden, wie sie das gern möchten, verlassen, ohne dass letztendlich die anderen die Chance haben, etwas dagegen zu sagen. Deswegen ist diese doppelte Mehrheit sehr bewusst eingeführt worden, mit Bedacht eingeführt worden, damit man von beiden Seiten einen größtmöglichen Einfluss hat. Es gibt auch Beispiele, wo Gemeinden ausgetreten sind, nachdem die doppelte Mehrheit vorhanden war, da hat nichts dagegen gesprochen. Es ist ja nicht so, dass keiner mehr raus kam, aber

man muss letztendlich auch das Solidarprinzip mit betrachten. Deswegen lehnen wir das ab. Auch der Gemeinde- und Städtebund hat in seiner Stellungnahme deutlich gesagt, was er von dieser Abschaffung hält.

(Beifall CDU)

Es erzeugt natürlich auch kein Vertrauen in die kommunale Familie. Man sieht ja, wie viele freiwillige Zusammenschlüsse sich auf den Weg gemacht haben. Jetzt wird gerade gesagt, eine ganze Menge ist es, wir hatten fast 300. Trotz doppelter Mehrheit und allem, was wir letztendlich im Gesetz hatten, haben sich fast 300 Gemeinden in der letzten Legislatur auf den Weg gemacht, um sich neu zu gründen bzw. neu zu gliedern.

Jetzt wird als großer Erfolg gefeiert: 13 Neugliederungen sind im Gesetz aufgenommen worden, davon vier VGs, die mehr als umstritten sind, weil die doppelte Mehrheit eben nicht vorhanden ist. Trotzdem sind sie ins Gesetz aufgenommen worden. Ich denke, das wird noch für Gesprächsstoff sorgen.

(Beifall CDU)

Daran sieht man auch, dass es die Gemeinden nicht akzeptieren, dass man so mit ihnen verfährt. Das ist keine verlässliche Politik an dieser Stelle und es schafft auch kein Vertrauen. Das Wichtigste für uns ist, die Gemeinden und die Bürger mitzunehmen, damit sie nachvollziehen können, warum dieser Schritt getan wird. Dieser ist im Moment nicht schlüssig, aus unserer Sicht auch überflüssig.

(Beifall CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was noch in Ihrem Gesetzentwurf enthalten ist, ist, dass auch kreisübergreifend Neugliederungen stattfinden dürfen. Das beste Beispiel hierfür ist: Katzhütte will nach Großbreitenbach,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Gute Entscheidung!)

gestern Suhl und Gehlberg – alle vom Ilm-Kreis nach Suhl

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Schmiedefeld geht auch nach Suhl!)

oder nach Großbreitenbach in den Ilm-Kreis, Katzhütte.

(Zwischenruf Höhn, Staatssekretär: Es gibt noch mehr!)

Das sind Entwicklungen, die genau das verursachen, was wir letztendlich verhindern wollten, nämlich, dass da eine Zersplitterung stattfindet – auch das schafft wieder Unsicherheit.

(Beifall AfD)

Bisher war es immer so, dass die Kreise entscheiden mussten und konnten, ob sie der Gemeinde den Wechsel erlauben oder nicht.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Auch der Gesetzgeber entscheidet das, Herr Kell- ner!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Auch der Gesetzgeber entscheidet das, Herr Kell- ner!)

Der Gesetzgeber hat immer das letzte Wort, aber wir haben natürlich bewusst diese Strukturen so belassen, weil sie nämlich stabil sind.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Weil man sich nicht mehr anhören kann, was Sie hier erzählen!)

Und wenn wir jetzt fordern, ihr könnt machen, was ihr wollt – ich sage es jetzt mal so salopp – und ihr kriegt auch noch unsere Unterstützung, egal ob das Sinn macht oder nicht. Katzhütte muss man sich ansehen, Herr Kuschel kennt das ja, er war auch vor Ort gewesen, was da unten bei den Bürgern passiert. Da muss man sich schon mal fragen, was will man eigentlich: Will man Unsicherheit schaffen? Will man letztendlich Strukturen, die sich über 20 Jahre bewährt haben – ich rede nicht nur von Katzhütte –, wirklich schwächen? Sie reden von Weiterentwicklung, da müssen wir schauen, was Weiterentwicklung draußen bei den Bürgern verursacht. Die sehen das nicht als Weiterentwicklung, die sehen das letztendlich auch ein Stück weit als Zerstörung, wenn nämlich einzelne Gemeinden ermutigt werden, diese Schritte zu gehen.

Dann haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf noch die Aufwandsentschädigung der ehrenamtlichen Bürgermeister, die dann Ortsteilbürgermeister werden. Da muss ich Ihnen sagen: Das Signal, das Sie damit setzen wollen, ist sehr durchsichtig – nach dem Motto, wir geben den Ortsteilbürgermeistern viel Geld, dann machen die schon mit.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Wir entschädigen ihr Engagement, Herr Kellner!)

Wir geben ihnen Geld.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das ist eine Frechheit gegenüber den ehrenamt- lichen Bürgermeistern!)

Sie begründen das mit einer zusätzlichen Belastung nach der Neugliederung.

(Unruhe DIE LINKE)