telt, dass in Thüringen ein rechtsradikales Ökosystem gewachsen ist, dann ist das auch für uns als Parlament natürlich immer wieder ein Anlass, hier auch deutlich zu machen, dass das in Thüringen keinen Platz hat und dass Demokratie und Weltoffenheit für uns wichtige Prinzipien sind, mit denen wir arbeiten. Wir wissen aber auch, dass die neonazistische Musikszene in Thüringen fest verankert ist. Das wissen wir auch nicht erst seit heute, sondern zum Beispiel aus Veröffentlichungen von MOBIT, die schon seit 2007 zählen, wie viele Liederabende, Rechtsrock-Konzerte und Großveranstaltungen in Thüringen stattgefunden haben. Das sind in den letzten elf Jahren weit über 300 mit einer steigenden Entwicklung. Insbesondere zwischen 2014 und 2017 ist die Zahl massiv angestiegen und hatte 2017 mit 59 Veranstaltungen ihren Höhepunkt. Nirgendwo in Deutschland werden mehr vergleichbare Konzerte oder mehr vergleichbare Veranstaltungen gezählt. Das muss auch für uns erschreckend sein, denn das bedeutet, dass im Schnitt jedes Wochenende in Thüringen ein Rechtsrock-Konzert stattfindet. Das hat auch damit zu tun, dass wir in Thüringen eine große Dichte an rechten Immobilien haben und damit immer auch ein Raum geschaffen wird, in dem eine neonazistische Eventkultur relativ offen ausgelebt werden kann, und ein Großteil der Veranstaltungen der Szene eben genau in diesen Szene-Immobilien stattfindet. Für uns als öffentliche Hand ist das deswegen ein Problem, weil wir hier kaum Möglichkeiten haben, irgendeine rechtliche Handhabe vorzunehmen.
Besonders viel Aufmerksamkeit haben – und das sicherlich auch zu Recht – die Großveranstaltungen. Auch hier haben sich die Zahlen in den letzten Jahren immer weiter entwickelt. Hildburghausen: 2015 waren es noch 1.500 Teilnehmer, 2016 schon 3.500, letztes Jahr in Themar mehr als 6.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an großen NeonaziVeranstaltungen. Jetzt ist – und das hat meine Kollegin Frau König-Preuss ja schon angedeutet – es manchmal schwer nachvollziehbar, warum eine Veranstaltung, die auf den ersten Blick nach einer kommerziellen Veranstaltung aussieht, dann eben doch unter das Versammlungsrecht fällt. Damit geht auch einher, wie schwer es ist, das Versammlungsrecht in irgendeiner Art und Weise einzuschränken. Ich bin trotzdem froh, dass sich das Innenministerium auf den schwierigen Weg gemacht hat, hier nach einer Lösung zu suchen.
Nichtsdestotrotz müssen wir darüber hinaus auch alle weiteren Möglichkeiten nutzen, dagegen vorzugehen, zum Beispiel indem die Aus- und Weiterbildung der Polizei noch stärker berücksichtigt wird, welche Rolle indizierte Lieder spielen, welche Rolle verfassungsfeindliche Symbole spielen, damit tat
sächlich Kenntnisse über rechte Netzwerke, über die rechte Szene nicht nur in Thüringen, sondern auch darüber hinaus bekannt sind.
Darüber hinaus ist aber vor allem eines wichtig – und das haben insbesondere meine Kollegen von den Grünen und von den Linken ja schon deutlich gemacht –, dass es eine Unterstützung der Zivilgesellschaft braucht, und zwar zum einen natürlich hier aus dem Parlament heraus, aber zum Schluss auch auf der Straße und eine Unterstützung des zivilen Protests. Das werden wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch in Zukunft tun. Ich bin froh, dass auch Georg Maier keinen Zweifel daran lässt, dass er den Kampf gegen rechts immer unterstützen wird
und das nicht nur aus dem Ministerium heraus tut, sondern tatsächlich auch vor Ort. Das ist alles andere als selbstverständlich.
Wichtig ist, dieses Engagement vor Ort auch zu würdigen. Ich bin deswegen froh, dass die Initiative „Kein Platz für Nazis – Themar bleibt bunt!“, die im vergangenen Jahr mit drei Nazi-Großveranstaltungen konfrontiert war, im letzten Jahr noch mit dem Thüringer Demokratiepreis ausgezeichnet wurde und diesen erhalten hat. Auch das ist natürlich für die Menschen vor Ort ein wichtiges Zeichen, dass sie in ihrem Anliegen und in ihrer Arbeit unterstützt werden. Das müssen wir weiter tun, wie gesagt, nicht nur hier im Parlament, sondern auch auf der Straße. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat sich Minister Maier zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das vergangene Jahr war in Sachen Rechtsrock ein sehr negatives Jahr für Thüringen. Es gab insgesamt vier Veranstaltungen, die als Großveranstaltungen bezeichnet werden müssen – eine in Gera und drei in Themar. Die größte war die Ihnen allen bekannte Versammlung, Rockveranstaltung oder Rechtsrock-Konzert „Rock gegen Überfremdung II“ mit mehr als 6.000 Teilnehmern.
Warum ist das so? Natürlich liegt Thüringen im Herzen Deutschlands und es ist von der Infrastruktur her so gut angebunden, dass auch das ein Argument dafür ist, warum diese Konzerte hier bei uns stattfinden. Aber es ist auch leider so, dass hier, insbesondere in Südthüringen, ein rechtsradikales
Ökosystem entstanden ist. Rechtsradikale kaufen Gasthäuser, betreiben diese relativ erfolgreich und schaffen es tatsächlich, dass auch Normalbürgerinnen und -bürger hingehen und Schnitzel für 8,88 Euro essen und sich darüber keine Gedanken machen. Sie schaffen es, Liederabende zu veranstalten, die auch wiederum das Deckmäntelchen des Bürgerlichen haben, und sie schaffen es, bei einer Landratswahl zu kandidieren und 16 Prozent der Stimmen zu gewinnen. Das ist das, was das eigentliche Problem ist und was letztendlich anzugehen ist. Diese Versammlungen haben eine nicht zu unterschätzende Mobilisierungskraft im rechtsradikalen Lager. Diese Musik bindet die Rechtsradikalen und führt dazu, dass – wie soll ich sagen – auch tatsächlich Erfolge erzielt werden können, Jugendliche für diese Ideologie zu interessieren. Das findet auch dadurch statt, dass, wenn man sich das anschaut, auf diesen Rechtsrockkonzerten hier auch Merchandising stattfindet. Es werden T-Shirts verkauft – unglaublich! –, T-Shirts für Paare mit „Adolf“ und „Eva“ und der „88“ hinten drauf. Das sind alles Dinge, die natürlich unsäglich sind, die aber stattfinden, weil sie immer noch irgendwie auf der Grundlage bestehender Gesetze erlaubt sind.
Im Grunde verfolgen die Rechtsradikalen drei Ziele, wie gesagt: die Vernetzung, den Transfer ihrer Ideologie, auch über Musik. Das tut mir persönlich sehr weh, dass Rockmusik zum Ideologietransfer genutzt wird. Aber es ist natürlich auch die Finanzierung der Strukturen, die da gewachsen sind, das Thema. Und dann wird das ein System, das sehr schnell aus sich herauswächst. Es ist ein Geschäftsmodell daraus geworden. Man kann richtig viel Geld verdienen, weil letztendlich auch hohe Eintrittsbeiträge genommen werden, und das verleiht dem Ganzen diese hohe Dynamik. Deswegen ist es so brandgefährlich und deshalb habe ich mir das von Anfang an auf die Fahne geschrieben, dagegen hart vorzugehen.
Was tun die Thüringer Behörden dagegen? Wir müssen selbstverständlich im Rahmen von Recht und Gesetz handeln. Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte hat hier auf der Grundlage des Grundrechts der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 Grundgesetz maßgebend dazu beigetragen, die rechtlichen Rahmenbedingungen abzustecken. Dieses Gebiet ist weitgehend ausgeurteilt. Es gibt nur noch wenige Facetten, die da noch eine Rolle spielen, aber auch die müssen noch ausgelotet werden. Die Gerichte entscheiden immer nach dem Grundsatz: im Zweifel für die Versammlungsfreiheit. Es steht mir nicht an, das zu kritisieren, aber das führt natürlich letztendlich dazu, dass diese Versammlungen leider immer wieder trotz Verboten dann auch genehmigt werden. Das ist genau das,
was ich im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern immer wieder feststelle, nämlich dass das ein unglaubliches Störgefühl bei den Menschen auslöst, die uns fragen: Wie kann das denn sein, dass so etwas stattfindet, warum kann man das nicht verbieten? Es bleibt jetzt noch abzuwarten, ob das, was noch auszuloten ist, also auch insbesondere dieser kommerzielle Charakter dieser Veranstaltungen, in der Rechtsprechung noch mal eine Rolle spielt. Ich erhoffe mir das sehr. Natürlich ist mit jedem Verbot, das vor Gericht gekippt wird, wieder ein Triumph für die Veranstalter verbunden. Das sollte uns aber nicht davor zurückschrecken lassen, es auf dem Rechtsweg immer weiter zu versuchen.
Die Versammlungsbehörden werden mit Unterstützung des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales gemeinsam mit den betroffenen Ressorts der Landesregierung, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, auch in Zukunft alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um solche rechtsextremistischen Versammlungen/Veranstaltungen zu beauflagen, zu beschränken, im Falle der Unfriedlichkeit gegebenenfalls auch zu verbieten und aufzulösen. Das Landratsamt Hildburghausen hat jetzt in einem ganz aktuellen Fall für ein für Juni angemeldetes Konzert wiederum ein Verbot ausgesprochen, diesmal auf Basis naturschutzrechtlicher Regelungen. Es bleibt abzuwarten, ob das zum Erfolg führt. Wir werden auf jeden Fall zusammen mit dem Umweltministerium unseren Beitrag dazu leisten, dass wir vor Gericht gut argumentieren können. Das ist das eine, die Beratung vonseiten der Landesregierung und anderer beteiligter Behörden, unter anderem des Landesverwaltungsamts. Der zweite Punkt wird mehr Polizei vor Ort sein, um deutlich zu machen, dass wir zukünftig noch besser als in der Vergangenheit in der Lage sind, gegen Rechtsbrüche vorzugehen.
Letztendlich ist das immer eine Abwägung des Polizeiführers vor Ort. Er muss entscheiden, ob er seine Polizistinnen und Polizisten in eine Lage hineinschickt, die Gefahr für Leib und Leben bedeutet. Deswegen kann ich heute und hier nicht versprechen, dass es letztendlich dazu kommt, dass die Polizei immer einschreiten kann, aber die Voraussetzungen, dass sie das tun kann, werde ich verbessern mit ausreichend Polizei vor Ort.
Was wir den Handelnden auf kommunaler Ebene jetzt noch anbieten, ist, dass wir einen Handlungsleitfaden für die kommunalen Entscheidungsträger entwickelt und ins Netz gestellt haben, damit auch
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seien Sie versichert, dass mein Ministerium alles dafür tun wird, dagegen vorzugehen, wie ich das eben auch skizziert habe.
Aber den dritten und letzten Punkt können wir allein nicht leisten, da brauchen wir Sie, die Zivilgesellschaft. Wir müssen Flagge zeigen, wir müssen vor Ort sein, damit wir gegen diese Bestrebungen gemeinsam vorgehen. Dann – da bin ich zuversichtlich – wird es auch Erfolg haben. Vielen Dank.
d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Landtagswahlen im November 2019 und Haushaltspolitik ohne politische Legitimation?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5594
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach Zeitungsberichten plant die rot-rotgrüne Landesregierung, bis September oder Oktober 2019 einen Landeshaushalt für das Jahr 2020 zu verabschieden und die Wahlen für den 7. Thüringer Landtag am 10. November 2019 abzuhalten. Beides widerspricht wohlbegründeten parlamentarischen und demokratischen Gepflogenheiten. Mit einem Landeshaushalt für 2020 versucht die rot-rotgrüne Landesregierung ein Haushaltsjahr zu prägen, für das sie keinen Wählerauftrag hat und erst recht keine politische Legitimation.
Ein frühzeitiger Wahltermin gibt die Möglichkeit, den Landeshaushalt durch ein neues und vom Bürger legitimiertes Parlament zu verabschieden. Die Landesregierung kann sich natürlich in einem bestimmten Rahmen bewegen, wenn sie mit der Aufstellung des Haushalts beginnt. Eine Verabschiedung noch in der alten Legislaturperiode wäre allerdings eine Anmaßung.
Dieses Vorhaben würde mangelnden Respekt vor der Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger und dem gesamten Parlament bedeuten. Die parlamentarische Arbeit unterliegt bekanntlich der Diskontinuität; Gesetzentwürfe, die nicht verabschiedet wurden in der alten Legislaturperiode, landen im Papierkorb.
Deshalb muss auch ein neu gewähltes Parlament die Möglichkeit haben, mit einer neuen Regierung über einen Landeshaushalt zu diskutieren, zumal die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass Ministerien und Ausschüsse einen anderen Zuschnitt haben könnten. Die Verabschiedung eines Nachtragshaushalts ist dabei keine Option und erst recht keine Lösung. Die rot-rot-grüne Koalitionsregierung sollte keine haushaltspolitischen Weichen für eine Zeit stellen, für die sie gar kein Mandat vom Thüringer Wähler hat. Denn gerade der Landeshaushalt zeigt die Schwerpunkte einer Landesregierung auf. Es gibt keinerlei Notwendigkeit für ein solches Handeln, wenn die Bürger den Landtag wie üblich im Sommer wählen können. Das gibt ausreichend Zeit, um den Haushalt für das Jahr 2020 rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Es setzt allerdings voraus, dass Rot-Rot-Grün die demokratischen Gepflogenheiten und die Verfassung respektiert.
Der vorgeschlagene November-Wahltermin ist weder im Interesse der Thüringerinnen noch Thüringer noch der Wille des Verfassungsgebers.
Ich weise an dieser Stelle bewusst auf die Thüringer Verfassung hin. Aus Artikel 50 Abs. 1 der Thüringer Verfassung ergibt sich unter anderem eben dieser Wille des Verfassungsgebers. Das sind Wahlen im Sommer oder Frühherbst. Die Änderung ist für die Wahlen 2009 in die Landesverfassung eingefügt worden, um damals und zukünftig Wahlen in diesem Zeitraum zu ermöglichen. Ein Grund war offensichtlich eine höhere Wahlbeteiligung. Das ist ja gerade ein Thema, das alle angeht und uns auch am Herzen liegen sollte.
Liebe Koalitionsfraktionen, gerade diesen Willen des Verfassungsgebers sollten Sie an dieser Stelle respektieren.