Europa parlamentarisch stärken – Evaluierung der Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5579
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dieser Antrag ist aus sich heraus ein formeller Antrag mit folgendem Inhalt: Am 19. Mai 2011 wurde von der damaligen Präsidentin des Thüringer Landtags und der Ministerpräsidentin des Freistaats Thüringen, damals Frau Lieberknecht, eine Vereinbarung unterzeichnet, in der sich die Landesregierung verpflichtet, den Landtag umfassend über Angelegenheiten, die die Europäische Union betreffen und Einfluss auf die Landespolitik haben, zu unterrichten. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Landesregierung – und die hat sich verpflichtet – bei Entscheidungen besonders im Rahmen des Frühwarnsystems, also der Subsidiaritätskontrolle, zu verpflichten, die Beschlüsse des Landtags bei ihrem Stimmverhalten im Bundesrat zu respektieren. Daraufhin wurde auch die Geschäftsordnung des Thüringer Landtags geändert und es wurde der eigenständige Europaausschuss geschaffen, der dann diese Aufgabe als einzig beschließender Ausschuss in diesem Haus übernommen hat.
Die Vereinbarung wurde evaluiert und am 16. April 2014 mit einigen Änderungen wieder neu unterzeichnet. Diese Vereinbarung und der Beschluss des damaligen Landtags sieht vor, dass diese Vereinbarung alle vier Jahre evaluiert werden muss, überprüft werden muss und bei Bedarf Änderungen durch den Landtag beschlossen werden können bzw. natürlich mit der Landesregierung vereinbart werden. Diese vier Jahre sind um, deshalb müssen wir diesen Punkt der Evaluierung jetzt angehen.
Dieser Antrag heute hat das Ziel, sowohl die Landesregierung als auch den Europaausschuss zu beauftragen, diese Evaluierung durchzuführen. Aus diesem Grunde – weil das ein Arbeitsauftrag ist – bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Antrag. Es geht heute nicht um inhaltliche Fragen. Die inhaltliche Diskussion zu dieser Verordnung können wir dann – und so ist das auch Tradition in diesem Hohen Haus – führen, wenn sowohl der Evaluierungsbericht des Thüringer Landtags als auch der Evaluierungsbericht mit der dazugehörigen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa, Kultur und Medien erarbeitet ist. Dann haben wir die Gelegenheit zur inhaltlichen Diskussion über diese Vereinbarung.
Damit dieser Arbeitsauftrag sowohl an die Regierung als auch an den Ausschuss ausgelöst werden kann, bitte ich heute um Zustimmung zu diesem Antrag.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtigste Grundlage des heute zu behandelnden gemeinsamen Antrags ist der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon, der neben einer Vergrößerung des Einflusses des Europäischen Parlaments vor allem auch eine Stärkung der nationalen Parlamente vorsieht. Seit diesem Zeitpunkt werden die nationalen Parlamente früh über Vorschläge der Europäischen Kommission informiert und können vor allem diese Vorschläge schon sehr früh während des Gesetzgebungsverfahrens zurückweisen, wenn sie den Grundsatz der Subsidiarität verletzt sehen.
Mit der rechtzeitigen Einbeziehung der nationalen Parlamente in den jeweiligen Entscheidungsprozess konnte mithilfe des Vertrags von Lissabon das Subsidiaritätsprinzip erheblich gestärkt werden. Das ist gut so. Vor allem wurden mit dem Vertrag von Lissabon die Mitwirkungsrechte der Parlamente gestärkt und es konnte damit letztlich auch das immer wieder diskutierte Demokratiedefizit in der Europäischen Union abgebaut werden.
Als Ergebnis des Lissabon-Vertrags von 2009 wurde also den nationalen Parlamenten in Form eines Frühwarnsystems endlich ein Mechanismus zur Verfügung gestellt, um über die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips bei Legislativvorschlägen zu wachen. Parlamente erhalten damit die Möglichkeit – ich habe es bereits angedeutet –, einen Kommissionsvorschlag mehrheitlich zu blockieren.
Um das Subsidiaritätsprinzip zu wahren, sieht der Vertrag von Lissabon einen Kontroll- und Frühwarnmechanismus vor, mit dem nationale Parlamente Subsidiaritätsverletzungen bei Entwürfen zu Gesetzgebungsakten rügen können. Das Kontrollinstrument ist dabei dem förmlichen Gesetzgebungsverfahren vorgeschaltet – auch das ist sehr wichtig –, und im Rahmen dieses Frühwarnsystems erhalten die nationalen Parlamente ebenso die Möglichkeit, auch die Regional- und Landesparlamente, wie wir es sind, zu konsultieren.
Ganz klar, wie die anderen deutschen Bundesländer auch, nimmt Thüringen über den Bundesrat an dem sogenannten Subsidiaritätsfrühwarnsystem teil, wobei in Fällen, in denen durch eine EU-Gesetzgebungsinitiative Gesetzgebungsbefugnisse des Landes betroffen sind, die jeweilige Landesregierung nicht entgegen dem Votum des Landtags entscheiden wird oder entscheiden darf.
Liebe Kollegen, das Subsidiaritätsfrühwarnsystem ist folglich ein sehr wichtiges Instrument, dass der Freistaat Thüringen und insbesondere der Thüringer Landtag seit der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen Landesregierung und Thüringer Landtag hat. Diese Möglichkeit wird ja auch ausreichend genutzt. Ich will deutlich machen, dass eine frühzeitige und substanzielle Information des Landtags, wie sie auch seither regelmäßig von der Landesregierung praktiziert wird, eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass wir als Parlamentarier auch hier im Haus unserer durchaus seit der Finanzkrise gewachsenen Verantwortung nachkommen können. Deswegen – das will ich ausdrücklich sagen – unterstützen wir die im Antrag geforderte Evaluierung der Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung ausdrücklich und halten sie für sinnvoll und notwendig, denn letztlich ist das ein geeignetes Instrument, damit wir unserer gesamtstaatlichen Verantwortung in EU-Angelegenheiten gerecht werden können.
Die Stärkung der Mitwirkungsrechte der Länder in EU-Angelegenheiten und damit auch eine stärkere Berücksichtigung von regionalen Interessen ist ganz glasklar eine Kernforderung der Europapolitik der Union, weil es natürlich schon wichtig ist, dass wir immer wieder darauf hinweisen, dass Europa kein abstraktes Gebilde ohne Bezug zu den Menschen in den Kommunen und in den Ländern sein darf. Und weil es darum geht, die Akzeptanz und die Begeisterung für den europäischen Gedanken in der deutschen Bevölkerung zu befördern, müssen Entscheidungen der Europäischen Union, Entscheidungen der Europäischen Kommission noch mehr in der Nähe der einzelnen Bürger getroffen werden und vor allem regional spezifische Interessen noch viel stärker in den Blick genommen und berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck sind die vorhandenen Instrumente auszubauen – das sagen wir sehr klar –, mit deren Hilfe EU-Vorhaben sys
tematisch auf die entsprechenden Auswirkungen in den Ländern analysiert werden können. Wir müssen wirksame Beeinflussungsstrategien entwickeln und diese künftig natürlich dann auch in geeigneter Weise umsetzen.
Den Kern dieser eben auch vorgetragenen europapolitischen Forderungen bildet wiederum das reibungslose Zusammenwirken von EU-Instanzen, von Bund und Ländern beim angesprochenen Subsidiaritätsfrühwarnsystem mit dem Ziel, regional spezifische Interessen in Brüssel erfolgreicher vertreten und realisieren zu können. Deswegen fordern wir auch sehr klar, dass auf der Grundlage des Vertrags von Lissabon das Subsidiaritätsfrühwarnsystem dahin gehend fortgeschrieben wird, dass ihm in den Ländern bzw. in den Regionen im Zusammenspiel mit dem Bund im gesamteuropäischen Kompetenzgefüge eine bedeutendere Rolle einzuräumen ist, wozu dem Instrument des Subsidiaritätsfrühwarnsystems ein größeres Gewicht auf nationaler und europäischer Entscheidungsebene einzuräumen ist.
Ich will weiterhin anmerken, dass die von den Ländern vorgebrachten Bedenken bzw. Rügen bei der Verletzung des Subsidiaritätsprinzips auch konsequent umgesetzt werden müssen und vor allem, dass sie nicht folgenlos bleiben. Ich glaube, auch das ist durchaus in unser aller Interesse als Landespolitiker. Unter dieser Zielstellung sind die Instrumente des Frühwarnsystems zu evaluieren und entsprechend anzupassen. Ich glaube, hier werden wir Gelegenheit haben, auch eine gute und sachorientierte Debatte zu führen.
Eine stärkere Einbindung der Länder – darauf habe ich abgehoben – in die Arbeit der Europäischen Union setzt aber auch die Fortentwicklung der Europakompetenz der Landtage und vor allem der Landesverwaltungen voraus. Deswegen fordern wir als CDU auch sehr klar, dass die Vernetzung zwischen den Behörden auf Länderebene, auf Bundesebene und auf Ebene der Europäischen Union noch besser wird, dass es eine noch engere Zusammenarbeit gibt und Zusammenarbeit vor allem über Landesgrenzen hinweg ermöglicht werden kann. Um dieses Verständnis für die gemeinsame Europäische Union auch bei den Bediensteten der Landesverwaltung zu schärfen, glaube ich, ist es auch richtig, dass wir immer wieder sagen und das vor allem auch noch stärker befördern, dass der Austausch zwischen den Behörden auf den unterschiedlichen Ebenen hier auch intensiviert wird.
Neben dieser Kernforderung, die ich angesprochen habe, ist natürlich eine zweite Kernbotschaft, die wir ganz klar haben, dass Europa starke Regionen braucht. Das hängt auch sehr eng mit der Frage des Kontrollmechanismus zusammen, weil wir eben sagen, dass Bürgerinnen und Bürger sich zuallererst mit ihrer Gemeinde oder ihrer Region verbun
den fühlen und in den deutschen Bundesländern verwurzelt sind. Ich muss, glaube ich, nicht betonen, dass die Bayern besonders viel Wert darauf legen oder dass auch ein Schwabe sagt: „Ich bin zuerst Schwabe und dann Europäer“,
und die Eichsfelder sowieso. Aber auch als Thüringer insgesamt sollten wir das immer wieder betonen und tun es auch, dass wir stolz auf unser Land sind. Ich glaube, diese Identifikation, die viele Menschen mit ihrem Land, mit ihrer Region haben, dem muss auch hier entsprechend Rechnung getragen werden. Somit kommt vor allem auch den deutschen Ländern eine entscheidende Bedeutung bei der demokratischen Legitimation europäischer Politik zu, denn nur starke Regionen werden den europäischen Integrations- und Einigungsprozess von unten heraus erfolgreich befördern können. Deswegen ist unsere Forderung sehr klar: Wir wollen eine bürgernahe, beteiligungsorientierte EU-Politik, die eben auch Ländern und Kommunen in Brüssel eine starke Stimme gibt.
Was für die Länder zutrifft, das trifft dann letztlich auch für die Kommunen zu und wir alle – viele von uns sind auch in der Kommunalpolitik verwurzelt – nehmen natürlich immer wieder zur Kenntnis, dass es zu Regelungen kommt, womit Handlungsspielräume der Kommunen durch die europäische Ebene eingeengt werden. Deswegen mahnen wir natürlich an, dass es kommunalfreundliche Regelungen zur Inhousevergabe, zur interkommunalen Zusammenarbeit gibt, aber dass auch für die Bereiche Wasserversorgung und Rettungswesen die Ausnahmeregelungen fortzusetzen und auszubauen sind. Denn uns allen ist natürlich klar, dass die Kommunen in Thüringen, aber nicht nur in Thüringen, sondern in den Ländern insgesamt auf hohem Niveau einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten. Das gilt für die Bereiche Kreislaufwirtschaft, Trinkwasserversorgung, Abwasseraufbereitung, öffentlicher Nahverkehr – ich muss das nicht alles aufzählen –, aber vor allem auch im Bereich der Finanzdienstleistungen, wenn wir an unsere Sparkassen und Genossenschaftsbanken denken. All diese Bereiche funktionieren nur mit starker Kommunalwirtschaft. Deswegen verlangen wir in der Tat von den europäischen Institutionen, dass sie das auch bei der Entscheidungsfindung immer wieder klar berücksichtigen und dass das Subsidiaritätsprinzip in Europa vor allem auch mit Blick auf Deutschland heißt, dass das Recht auf kommunale Selbstverwaltung beachtet wird. Deswegen fordern wir ein, dies im Prozess der EU-Rechtsetzung von Anfang an zu gewährleisten und auch die kommunalen Spitzenverbände hier entsprechend eng einzubinden.
Dann will ich – drittens – sagen, dass wir über die Mitwirkungsrechte hinaus natürlich auch immer wieder deutlich unterstreichen müssen und das auch tun, dass die jeweils aktuelle EU-Kohäsionspolitik von uns natürlich beeinflusst und für Thüringen nachhaltig genutzt werden muss und dass Thüringen, wie wir alle wissen, von der bisherigen europäischen Kohäsionspolitik enorm profitiert hat, branchenübergreifend von der EU-Förderpolitik profitiert hat, was dazu beigetragen hat, dass es in Thüringen wirklich Wachstumsförderung gegeben hat, Förderung im Bereich von Forschung, aber auch andere Bereiche könnte man nennen. Deswegen ist es, glaube ich, eine Binsenweisheit, dass für die erfolgreiche Entwicklung Thüringens auch künftig die Fördermöglichkeiten und Förderinstrumente im Bereich der EU-Kohäsionspolitik wichtig sind und wir sie langfristig auch sichern müssen, um im Bereich der Agrarpolitik Thüringen und den ländlichen Raum entsprechend voranzubringen.
Deswegen sagen wir auch sehr klar: Im Rahmen der Ausgestaltung der EU-Förderperiode ab 2020 fordern wir Sicherheit und Verlässlichkeit für die zukünftige europäische Kohäsionspolitik durch maßgeschneiderte Maßnahmen und vor allem einen langfristigen, effektiven und effizienten Mitteleinsatz, der den spezifischen regionalen Herausforderungen der Länder auch gerecht wird.
Nun will ich abschließend sagen, dass das natürlich – bei aller Mitwirkung und bei allen Mitbestimmungsrechten, die wir im Sinne des Subsidiaritätsprinzips auch für Deutschland, im Besonderen für die deutschen Länder sichern wollen – nichts ist, wenn wir nicht einen soliden und verantwortungsgerechten haushalts- und finanzpolitischen Ordnungsrahmen in Europa haben. Deswegen will ich für unsere Fraktion schon noch mal deutlich sagen, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten auch als CDU-Landtagsfraktion unsere parlamentarischen Mitwirkungsrechte hier nutzen werden, um bei der Weiterentwicklung der europäischen Institutionen darauf hinzuwirken, dass die Europäische Union kein Umverteilungsprojekt wird, sondern dass sie vor allem Friedensprojekt und vor allem Wertegemeinschaft ist. Das immer zuerst: Wertegemeinschaft zuerst – und nicht zuerst Umverteilungsprojekt oder gar Transferunion. Deswegen drängen wir darauf, dass es bei der Weiterentwicklung der europäischen Architektur – wenn wir über Finanz- und Währungspolitik reden – nicht dazu kommt, dass Schulden vergemeinschaftet werden oder dass es gar institutionelle Verselbstständigungen ohne parlamentarische Verantwortlichkeit in diesem Bereich gibt.
Ich will noch mal darauf hinweisen, dass die Finanzpolitiker von CDU und CSU erst Anfang April noch mal ganz klar dieses Bekenntnis für die Einheit von Haftung und Kontrolle deutlich gemacht haben, dass die Budgethoheit bei den nationalen
Parlamenten liegt und auch umfassend ausgeübt werden muss und dass es eben immer wieder auch darauf hinzuweisen gilt, dass Stabilität und Solidität wichtig sind, wenn wir über die Frage der finanzpolitischen Gesamtarchitektur in Europa reden. Deswegen sagen wir auch eindeutig in der Frage, wenn wir über Europa reden, dass es keine Aufweichung von Stabilitätskriterien in irgendeiner Art und Weise geben darf. Auch das ist ein klares Bekenntnis und das müssen wir, finde ich, auch deutlich machen.
Ich möchte jetzt nicht zum ganz großen Rundumschlag ausholen, aber wenn wir sehen, was auch aus französischer Initiative heraus auf dem Tisch liegt, dann müssen wir schon deutlich hinterfragen: Sind es zunächst erst mal Vorschläge, die vielleicht vor allem Frankreich nutzen und weniger Europa und Deutschland? Deswegen auch ganz klar: Eine solche Frage eines europäischen Finanzministers darf es eben nicht geben, damit nicht die Fiskalhoheit der deutschen Parlamente und des Deutschen Bundestags insgesamt ausgehebelt wird. Deswegen auch noch mal dieses klare Bekenntnis von den Finanzpolitikern aller Unionsfraktionen in Deutschland mit Blick auf die Frage solider und stabiler Finanzpolitik in Europa.
Ich glaube, wir haben mit dem Antrag eine gute Grundlage, um im Ausschuss gemeinsam darüber zu reden, wie wir die Mitwirkungsrechte dieses Hauses tatsächlich weiter stärken können, weil – ich will es noch mal wiederholen – es ganz wichtig ist, dass Europa von unten gestärkt wird, dass Europa auch von den untersten Ebenen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips kontrolliert wird, dass wir mitwirken können. Deswegen ist es gut, dass wir über diese Dinge sprechen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, liebe Gäste auf der Tribüne, die in der 5. Legislaturperiode neu gefasste Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union von 2014 sieht vor, dass diese Vereinbarung auf der Grundlage von Erfahrungsberichten überprüft werden soll. Diese Überprüfung ist Gegenstand des vorliegenden Antrags, den die CDU gemeinsam mit den Fraktionen von Rot-Rot-Grün hier eingebracht hat. Mit ihm sollen Landesregierung und Landtag bzw. der Europaausschuss aufgefordert werden, jene Erfahrungsberichte vorzulegen.
in Angelegenheiten der Europäischen Union. Das betrifft zum einen alle möglichen EU-politischen und EU-rechtlichen Gegenstände, die für den Freistaat Thüringen bedeutsam sind oder sein sollen – also etwa die Unterrichtung des Landtags über sogenannte Grün- und Weißbücher der EU-Kommission. Das betrifft zum anderen den Bereich des sogenannten Subsidiaritätsfrühwarnsystems, durch das der Landtag – vermittelt über Bundesrat und Landesregierung – in die Rechtssetzungsakte der EU eingebunden wird, nämlich dort, wo Thüringer Gesetzgebungsbefugnisse oder Landesinteressen von der EU-Rechtssetzung berührt sind oder sein könnten. Die Vereinbarung, die eine Novelle einer entsprechenden Vereinbarung von 2011 ist, enthält also die Regularien des EU-politischen Zusammenspiels zwischen Legislative und Exekutive im Feld der EU-Politik. Diese Zusammenarbeit hat sich im Laufe der Jahre eingespielt und zu einer gewissen Zunahme EU-politischer Themen in der Thüringer Landespolitik geführt. In der laufenden Legislaturperiode beispielsweise gab es eine langwierige parlamentarische Diskussion über die sogenannte Europapolitische Strategie des Freistaats Thüringen oder die gegenwärtige Diskussion über das Weißbuch der EU-Kommission über die Zukunft der EU sowie die dazugehörigen sogenannten Reflexionspapiere der Kommission.
Der parlamentarische Alltag ist dagegen eher von den Frühwarndokumenten im Rahmen der erwähnten Subsidiaritätsprüfung geprägt. In diesem Papier werden konkrete Rechtssetzungsvorschläge der EU-Kommission bekannt gegeben oder – besser gesagt – bekannt gemacht. Der Landtag ist dann innerhalb einer sehr kurzen Frist gehalten, zu diesen Vorhaben Stellung zu beziehen und gegebenenfalls Einspruch zu erheben, um das einmal so zu nennen. Die Landesregierung verpflichtet sich wiederum in der Vereinbarung, die Stellungnahmen und Einsprüche in ihren Entscheidungen im Bundesrat zu berücksichtigen und den Landtag über die Thüringer EU-politische Position im Bundesrat zu informieren. Das ein wenig komplizierte Prozedere lässt schon erahnen, dass diese Materie für die Thüringer EU-Politik eine Sache von Eingeweihten für Eingeweihte ist, also Esoterik, eine im Übrigen höchst aufwendige Sache, die dem Ganzen schließlich den Charakter eines Glasperlenspiels vermittelt. Unter einem Glasperlenspiel versteht man ja meist eine am Ende fruchtlose Selbstbeschäftigung mit irgendwelchen Dingen. Mindestens mit Blick auf die Befassung von Regierung und Parlament mit den EU-Subsidiaritätsdokumenten kann man dieses Bild vom Glasperlenspiel sicher verwenden.
Warum, fragt man sich. Das Verfahren suggeriert eine Mitsprache und Mitwirkung des Thüringer Landtags an der Entscheidung der EU. Das wird dann nach außen als Beitrag zur Demokratisierung
der EU und als Wahrnehmung der sogenannten Integrationsverantwortung des Parlaments, also der Mitverantwortung des Landtags für eine gelingende EU-Integration verkauft. In formaler Hinsicht ist da auch etwas dran; in der Praxis allerdings muss man doch feststellen, dass die Stellungnahmen oder gar Subsidiaritätsrügen des Landtags de facto keinen Einfluss auf den Inhalt der von der EU erlassenen Vorschriften haben.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Weil Sie nicht verstanden ha- ben, was Subsidiarität bedeutet! Das muss man ja der AfD immer erklären!)
Das ist auch für Leute leicht nachvollziehbar, die sich mit den EU-rechtlichen Regularien nicht auskennen, was wohl für die allermeisten Bürger gelten dürfte. Denn was heißt es, wenn Thüringen aufgrund eines Votums des Landtags, also hier des Europaausschusses, gegen einen Rechtssetzungsvorschlag der EU eine Rüge erhebt, wenn Thüringen also behauptet, dass die EU ohne rechtliche Grundlagen oder Kompetenz in die Befugnisse des Freistaats eingreift? Nun, dann wird das zwar der Brüsseler Behörde zur Kenntnis gegeben und Thüringen nimmt im Bundesrat entsprechend Stellung, aber schon im Bundesrat ist Thüringen nur eines von 16 Bundesländern. Mit anderen Worten sehen die Thüringer Stellungnahmen und Einwände dem Schicksal entgegen, schließlich in dem Geflecht des Mehrebenensystems der EU und der Nationalstaaten zu verpuffen. Am Ende handelt es sich in einem erheblichen Umfang um Placebopolitik, und das muss man den Leuten auch mal sagen,
anstatt ihnen mit aufgeblasenen Begriffen wie „Integrationsverantwortung“ und „Subsidiaritätskontrolle“ EU-politischen Sand in die Augen zu streuen und zu suggerieren, dass hier an der Herstellung demokratischer Legitimität der EU gearbeitet wird.