Protokoll der Sitzung vom 24.05.2018

Es ist eine Debatte in der Bundesrepublik Deutschland in Gang gekommen. Da bin ich persönlich außerordentlich zufrieden darüber und finde das gut, dass aus Bayern, aus Hessen, aus Schleswig-Holstein Denkanstöße gegeben werden. In der letzten Legislatur hatten ja Linke und Grüne einen Gesetzentwurf, der seiner Zeit sicherlich sehr, sehr, sehr weit voraus war, auf den Weg gebracht.

(Beifall DIE LINKE)

Aber es zeigt, dass die Debatte, die damals angestoßen wurde, die richtige ist, und es zeigt auch, dass die Richtung, die Entwicklungsrichtung im kommunalen Abgabenrecht in diese Richtung läuft, nämlich wegzukommen von diesen speziellen Beiträgen. Das ist unser Ziel und dazu gibt es vieles zu diskutieren. Deshalb sitzt Rot-Rot-Grün gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden an einem Tisch, um hier nach einer dauerhaften, einer rechtssicheren und einer finanzierbaren Lösung zu suchen. Das wird kein Populismus sein, das wird kein einfacher Weg sein, aber wir stehen dazu, dass wir für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes hier eine Lösung finden wollen und finden müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Fragen der Rechtssicherheit, des Eintretens der Regelung, der Finanzierbarkeit auf einer guten Datenlage geklärt sind, dann werden wir im Parlament über einen sinnvollen Gesetzentwurf diskutieren können, der hier heute vorliegende Gesetzentwurf der AfD ist es nicht. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Adams. Als Nächster hat Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße zur Debatte auch den Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, Herrn Rusch, und seinen Stellvertreter Herrn Schäfer. Es zeigt, wie wichtig offenbar die Debatte nicht nur hier im Plenum, sondern auch im Land ist, nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die kommunalen Akteure.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Adams hat schon darauf verwiesen, dieser Gesetzentwurf ist die Widerspiegelung des Populismus der AfD. Ich will das nur mal untersetzen. Als wir vor zwei Jahren hier im Landtag debattiert haben, ob

wir die rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen durch eine Stichtagsregelung begrenzen, war es die AfD, die einen bedingungslosen Stichtag unter Missachtung aller verfassungsrechtlichen Vorgaben eingefordert hat. Als sich die Koalition im vergangenen Jahr entschlossen hat, eine Ermessensregelung einzuführen, war es die AfD, die eine Ermessensregelung gefordert hat unter Missachtung der Besonderheiten in Thüringen und verfassungsrechtlicher Vorgaben. Und jetzt, da die CSU im Bayerischen Landtag einen Gesetzentwurf zur gesetzlichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge vorgelegt hat, ist es wieder die AfD, die diesen Gesetzentwurf eins zu eins abgeschrieben hat, ohne die Besonderheiten in Thüringen zu berücksichtigen. Die möchte ich benennen, nicht um der AfD Nachhilfe zu geben, das ist vergebene Mühe, sondern um die Öffentlichkeit zu informieren und den Populismus der AfD auch dadurch zu entlarven.

Was Sie nicht bedacht haben, ist, dass in Bayern gegenwärtig ein Drittel der Gemeinden gar keine Straßenausbaubeiträge erhebt. Dort gibt es offenbar ein Ermessen, sonst müssten sie ja alle erheben – das können Sie der Begründung des Gesetzentwurfs, der im Bayerischen Landtag in erster Lesung war, jetzt im Innenausschuss beraten wird, entnehmen –, während in Thüringen für alle Gemeinden unabhängig von der Finanzlage eine gesetzliche Erhebungspflicht gilt, und zwar rückwirkend bis 1991 und dann auch noch in einer vorgegebenen Höhe, also das heißt unsere Kommunen bis zur Gesetzesänderung 2017 überhaupt kein Ermessen in dieser Frage hatten. Wir hatten also aus Sicht des Bürgers die schärfsten Regelungen, was die Straßenausbaubeiträge betrifft.

Des Weiteren wurde in Thüringen bereits 1995 die Form der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge eingeführt. 125 Gemeinden in Thüringen nutzen dieses Instrument, in Bayern ist es erst unlängst eingeführt worden, sodass dort bisher noch gar keine Gemeinden diese Form der wiederkehrenden Beiträge für sich zur Anwendung gebracht haben. Diese Besonderheiten müssen wir beachten, wenn wir in Thüringen über diese Frage debattieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Blick in die Historie zeigt, vor welcher Herausforderung wir bei der Lösung dieser Frage stehen, weil wir nicht ausblenden können, dass die Straßenausbaubeiträge eben in Thüringen seit 1991 inzwischen in unterschiedlicher Tiefe kommunale Praxis sind. 1991 wurden die Straßenausbaubeiträge durch ein Artikelgesetz in Thüringen eingeführt. Da ist es gar nicht so aufgefallen, das waren viele Regelungen, die aus den alten Bundesländern übernommen wurden, ohne übrigens die Besonderheiten in Thüringen zu reflektieren. Zum Beispiel eine Besonderheit: Wir haben gegenwärtig in Thüringen 17.000 Bezieher im Bereich SGB II, das ist

(Abg. Adams)

Hartz IV, und SGB XII, Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung, die Grundstückseigentümer sind. Eine solche differenzierte Eigentümerstruktur gibt es in den alten Bundesländern nicht. Das ist anders gewachsen, weil vor 1989 in dem Territorium der neuen Bundesländer auch die Schaffung von Eigentum möglich war, ohne dass man Fiskalvermögen in Größenordnungen hatte. Und damit war schon nach relativ kurzer Zeit absehbar, dass diese Regelungen, die damals eingeführt wurden, zu Problemen vor Ort führen. Der Gesetzgeber hat seit 1995 versucht, diese Probleme durch Detailregelungen zu lösen. So wurde 1995 – darauf hatte ich schon verwiesen – die Form der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge eingeführt. Das ist übrigens ein Instrument, das durchaus in der kommunalen Praxis für eine Entschärfung der Situation vor Ort gesorgt hat. Wenn man das vergleicht, in Gemeinden, die wiederkehrende Straßenausbeiträge haben, ist die Akzeptanz meist höher als bei Gemeinden, die die einmaligen Beiträge erheben. Dann kam 2005 eine Zäsur, als das Thüringer OVG zum Fall der Gemeinde Benshausen entschieden hat, dass in Thüringen die Gemeinden kein Ermessen bei der Erhebung von Straßenausbeiträgen haben. Bis zu diesem Zeitpunkt sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass es ein Ermessen gibt. Die Fakten damals sprachen auch für dieses Ermessen, ein Drittel hatte damals noch gar keine Satzung und von den zwei Dritteln, die eine Satzung hatten, haben nur rund die Hälfte überhaupt Straßenausbaubeiträge erhoben. Das heißt, in Summe hatten nur etwa 320 Gemeinden zu dem Zeitpunkt dieses Instrument überhaupt zur Anwendung gebracht. Deshalb bestand damals die historische Chance, ein in Preußen 1894 entwickeltes Finanzsystem auslaufen zu lassen, weil es für das 21. Jahrhundert sicherlich nicht mehr geeignet ist. Die Linke hat damals sofort einen Gesetzentwurf eingebracht, der ist an der absoluten Mehrheit der CDU gescheitert. Im Gegenteil: Die CDU hat das Gesetz weiter verschärft, nämlich 2011, in Umsetzung dieser Entscheidung des OVGs zu Benshausen wurde in das Gesetz aufgenommen, dass jede Gemeinde eine Satzung haben muss und rückwirkend die Beiträge bis 1991 erheben muss, und das noch in einer vorgeschriebenen Höhe. Seitdem sind die verschärften Regelungen zum Teil mit rechtsaufsichtlichen Maßnahmen dann durchgesetzt, weil bis 2015 jede Gemeinde dann eine entsprechende Satzung haben musste.

Dann kam 2013 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kommunalabgabengesetz in Bayern, was die Rückwirkungen betraf. Daraufhin hatten wir als Linke wieder einen Gesetzentwurf eingebracht und die damalige Koalition aus CDU und SPD auch einen im April 2014, also wenige Wochen oder Monate vor der Landtagswahl und vor dem Regierungswechsel. Da sind die Regelungen nochmal verschärft worden, insbesondere

was die Rückwirkung betrifft. Es wurde verfügt, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, was die Rückwirkung und die Begrenzung betrifft, erst ab 2021 in Thüringen zur Wirkung kommen sollen und bis dahin die unbegrenzte Rückwirkung bis 1991 gilt. Das war die Situation, die wir als Rot-Rot-Grün vorgefunden haben. Wir haben in der Koalition diskutiert und im Koalitionsvertrag einige Punkte vereinbart und haben dann 2017 eine Ermessensregelung getroffen, die nicht im Koalitionsvertrag stand und die weit über das hinausgeht, was wir vereinbart haben. Da gilt insbesondere mein Dank der SPD, weil sie von ihren Positionen sowohl den Grünen als auch den Linken entgegengekommen ist. Das war sicherlich keine einfache Debatte. Jetzt haben wir diese Ermessenssituation.

Der Gemeinde- und Städtebund macht in den ersten Gesprächen darauf aufmerksam, dass jetzt nicht abzusehen ist, wie die Gemeinden ab 01.01.2019 mit dieser Ermessensregelung – ab dann können sie völlig verzichten – umgehen werden, wie sich vor allen Dingen der Dialog vor Ort entscheidet. Ich bin ein großer Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung. Dazu gehört natürlich ein Ermessen. In vielen Bereichen müssen Kommunen ein Ermessen ausüben. Wir hatten gestern erst eine Aktuelle Stunde zu Kindertagesstättengebühren. Da haben die Kommunen auch die Verantwortung, ein Ermessen auszuüben. Da gibt es keine Vorgaben, wie hoch Kindertagesstättengebühren sein dürfen. Bis zur Kostendeckung ist theoretisch alles möglich. Im Gesetz gibt es keine Deckelung. Oder bei Friedhofsgebühren oder Eintrittspreisen für das Schwimmbad, überall haben Gemeinden ein Ermessen beim Hebesatz der Grund- und Gewerbesteuer und das ist geübte Praxis. Bei Straßenausbaubeiträgen werden aber Probleme erkannt und das nehmen wir zunächst zur Kenntnis. Deshalb bin ich auch der Koalition dankbar, insbesondere wieder der SPD, dass wir jetzt wieder Gespräche führen, unter welchen Voraussetzungen wir möglicherweise eine Entwicklung nachvollziehen, die jetzt in Bayern ansteht, die aber, woran ich erinnern darf, in Baden-Württemberg seit 1997 gilt. 1997 hat Baden-Württemberg die Straßenausbaubeiträge abgeschafft und Berlin hat sie 2012 abgeschafft – nur der Vollständigkeit halber: 2006 haben Linke und SPD sie eingeführt und 2012 haben CDU und SPD sie wieder abgeschafft; übrigens weil man festgestellt hat, dass der Verwaltungsaufwand zur Beitreibung der Beiträge viel höher ist als der Erlös; eine Entwicklung, mit der uns auch einige Gemeinden in Thüringen konfrontieren. Diese sagen, wenn man den gesamten Verwaltungsaufwand berücksichtigt, dann sind die Einnahmen für den Haushalt zumindest überschaubar. Herr Fiedler hat gesagt, man wüsste nicht, um welche Summen es geht. Das Landesamt für Statistik kann Zahlen liefern, die zumindest ein Indiz geben. Die sagen, rund 23 Millionen pro Jahr in einer Größe Ausbaubeiträge und

Erschließungsbeiträge nach Baugesetzbuch. Über die Erschließungsbeiträge nach Baugesetzbuch diskutiert niemand hier in diesem Haus, auch wir als Linke nicht, denn das ist erst mal Bundesrecht und wir halten es auch für zulässig, dass, wenn jemand ein Grundstück erstmalig bebaut, dann ein Erschließungsbeitrag fällig wird. Wir haben ermittelt, ungefähr zwei Drittel der Einnahmen entfallen auf Ausbaubeiträge, ein Drittel auf Erschließungsbeiträge nach Baugesetzbuch, und so kommen wir auf diese 15 Millionen Euro. Das hat sich seit 1992 auf 400 Millionen Euro summiert, das sind Zahlen, die jeder nachvollziehen kann.

Richtig ist die Debatte, dass man, wenn es keine Straßenausbaubeiträge mehr gibt, nicht weiß, wie hoch dann die Investitionsbedarfe sind, wie sie sich entwickeln. Dann könnten Bürgerinnen und Bürger durchaus von der Gemeinde fordern, jetzt soll meine Straße auch schnell gemacht werden, ich werde nicht mehr an den Kosten beteiligt, also macht mal. Deswegen ist das schwer zu prognostizieren. Meine Wahrnehmung ist aber, dass Gemeinden sehr verantwortungsbewusst auch ohne Straßenausbaubeiträge entscheiden würden, wie Infrastruktur zu unterhalten ist und ob es um Werterhaltung oder grundhaften Ausbau geht. Diese Debatten sind für Kommunen nicht neu. Bisher waren die Straßenausbaubeiträge tatsächlich nicht immer vorrangiges Kriterium für die Entscheidung, sie waren ein Kriterium, aber nicht vorrangig. Vielmehr war das Kriterium, ob die Gemeinde die Eigenanteile für den Straßenausbau zur Verfügung stellen konnte, und manchmal sind sie eben in die Unterhaltung gegangen, weil das aus dem Verwaltungshaushalt finanzierbar ist und der Druck im Verwaltungshaushalt manchmal nicht so groß ist wie der Druck im Vermögenshaushalt. Das ist eher das Spannungsfeld, das ich persönlich wahrgenommen habe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Fiedler hat hier gesagt, keiner hätte eine Lösung. Eine Lösung ist schwierig, das stimmt. Aber dass es keine Lösung gibt oder keiner ein Modell hat, ist an der kommunalen Praxis insbesondere auch anderer Bundesländer nicht nachvollziehbar. Ich darf noch mal sagen: Baden-Württemberg und Berlin haben sie ganz abgeschafft. Über viele Jahre gibt es schon in Sachsen, im Saarland und in Niedersachsen ein bedingungsloses Ermessen. Wir haben ja in Thüringen ein Ermessen, das an zwei Voraussetzungen gekoppelt ist. Dort gibt es gar keine Bedingungen. Schleswig-Holstein hat es jetzt zum 4. Januar 2018 eingeführt. In Niedersachsen, wo das seit 2008 ist, erhebt inzwischen ein Drittel der Gemeinden keine Beiträge mehr, macht also von diesem Ermessen Gebrauch. Zahlen aus dem Saarland liegen nicht vor, dort gilt das Ermessen auch nur für die Fahrbahnen, nicht für die Nebenanlagen, deshalb ist das schwierig vergleichbar. In Hessen und in Brandenburg wird jetzt über eine

Regelung diskutiert, die der in Schleswig-Holstein und Niedersachsen ähnlich ist oder in Thüringen, und, wie gesagt, in Bayern geht es um die gesetzliche Abschaffung. Dort hat man übrigens ermittelt, die Kommunen haben durchschnittlich 61 Millionen Euro eingenommen, als Ausgleichsbeiträge werden dort jetzt 100 Millionen Euro stehen, zumindest im Gesetzentwurf, die Anhörung läuft ja. Wenn ich das mal von den Einwohnern und Flächen auf Thüringen herunterprojiziere, sind wir mit unseren 15 Millionen Euro überhaupt nicht weit weg von der Realität, sondern das passt sich ungefähr in die bayerischen Verhältnisse, was die Größenordnung ist, ein. Das heißt, Daten haben wir eigentlich. Wir müssen eine Entscheidung treffen. Wir wissen, es ist keine Entscheidung für ein laufendes Haushaltsjahr, sondern eine dauerhafte Entscheidung. Unstrittig ist: Die Gemeinden haben einen Erstattungsanspruch. In welcher Höhe, das muss man diskutieren. Ich werde nicht müde, darauf zu verweisen: Die Gemeinden sparen natürlich auch etwas Aufwand. In welcher Größenordnung, muss man untersuchen, ich prognostiziere zwischen 3 und 5 Millionen im Jahr, wenn dieses System nicht mehr in Anwendung gebracht werden muss. Dabei berechne ich natürlich die Personalkosten ein, denn 80 bis 85 Prozent des Verwaltungsaufwands sind Personalkosten. Ich weiß, das Landesverwaltungsamt vertritt eine andere Auffassung. Die meinen, das Personal in den kommunalen Behörden ist ohnehin da, deswegen darf man es bei der Bewertung nicht einbeziehen. Das halte ich für eine nicht tragbare Auffassung, denn Personal kann dann andere Aufgaben erfüllen. Insofern – also wenn keine Straßenausbaubeiträge mehr erhoben werden – muss man auch die Personalkosten einberechnen dürfen.

Es gab auch in Thüringen Vorschläge für Alternativen, die im Übrigen auch von den Bürgerinitiativen selbst entwickelt wurden. Das ist ja besonders wertvoll, weil man dann davon ausgehen kann, dass sie auf eine hohe Akzeptanz stoßen. Ich erinnere stichpunktartig an dieses Projekt „Infrastrukturabgabe“. Um das mal zu verweisen, das beinhaltete, dass pro Bürger 7,50 Euro im Jahr gezahlt werden. Das wäre der Ausgleich gewesen für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Da haben alle Beteiligten der Bürgerinitiativen gesagt, das ist eine Belastung, über die kann man reden. Das ist dann hier im Parlament gescheitert. Es gab einen Antrag auf ein Volksbegehren, das ist durch die Landesregierung beklagt worden. Das Verfassungsgericht hat auch gesagt, das Volk darf das nicht machen, Abgaben festlegen, aber der Landtag kann es natürlich machen. Das haben wir hier gemacht und es ist ein bisschen an der rechtlichen Debatte gescheitert, ob diese Infrastrukturabgabe nun eine steuerrechtsähnliche Abgabe ist, denn dann wäre es Bundesrecht, dann hätten wir nicht die Kompetenz, oder eine aufgaben- oder aufwandsbezogene Abgabe, dann hätten wir als Landtag eine Regelungskompe

tenz gehabt. Die Alternativen gab es. Ich darf noch mal darauf hinweisen, das ist von den Vertretern der Bürgerinitiativen mitgetragen worden. Das war eine andere Herangehensweise, als die der CDU 2004, als sie am 1. Mai in der Vereinsbrauerei Apolda einfach mal beschlossen hat: Wir schaffen die Wasserbeiträge ab, machen Privilegierungstatbestände beim Abwasser. Das hat zu einer Befriedung beigetragen, aber zu einem hohen Preis zum Schluss von 1,5 Milliarden. Das ist in erster Linie ein Programm für Banken. Da hätte es andere Alternativen gegeben, auch die sind damals diskutiert worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was die Finanzierung des Straßenbaus betrifft, müssen wir uns sowieso neu aufstellen, weil wir ab 2020 als Land allein dafür zuständig sind. Dann laufen die Übergangsregelungen der Föderalismusreform 2007 – Lübecker Konvent – aus, bis 2019 bekommen wir Entflechtungsmittel für den Straßenbau, Hochschulbau, Städte- und Wohnungsbau und ab 2020 ist das in alleiniger Verantwortung des Landes. Dann brauchen wir auch keine bundesrechtlichen Vorgaben mehr zu berücksichtigen. Dann können wir selbst entscheiden. Wir erhalten etwas höhere Anteile an der Umsatzsteuer, aber müssen auch selbst entscheiden. Das heißt, schon wieder eine Debatte zum Landeshaushalt 2020, diese Frage der Förderung des kommunalen Straßenbaus müssen wir neu entscheiden. Zurzeit ist es ja so, dass der Bund uns zum Beispiel untersagt, Anliegerstraßen zu fördern, die dürfen nicht gefördert werden, es dürfen nur Hauptverkehrsstraßen und Erschließungsstraßen gefördert werden. Das können wir 2020 – wenn wir es wollen – anders entscheiden und können damit natürlich auf den vorhandenen Investitionsstau, der da besteht, durchaus reagieren.

Wir haben eine spannende Debatte, wir müssen eine ganze Reihe von Fragen klären. Neben der Finanzierungsfrage ist tatsächlich die Stichtagsfrage die große Herausforderung. Das ist aber klar, wenn ich ein System fast 30 Jahre laufen lasse, dann muss ich mich damit beschäftigen. Eine Rückabwicklung der letzten 30 Jahre halte ich persönlich für völlig ausgeschlossen, das ist nicht leistbar. Aber von einer Regelung, die für die Zukunft gilt, profitieren alle, auch die, die schon mal Straßenausbaubeiträge bezahlt haben. Denn auch wenn es „einmalige Beiträge“ heißt – nach 20 oder 30 Jahren, wenn eine Erneuerung erfolgen muss, wird ein Beitrag erneut fällig. Damit würden von einer gesetzlichen Neuregelung alle profitieren, manche natürlich mit einer zeitlichen Verzögerung. Man darf da nicht in Jahren denken, manchmal muss man im Generationenzyklus denken. Das ist leider in dem Bereich so.

Wir lehnen den Antrag der AfD ab, weil er die Thüringer Besonderheit überhaupt nicht reflektiert, weil

er das, was verfassungsrechtlich und politisch mit den regionalen Spitzenverbänden debattiert wurde, völlig ausblendet. Wir führen Gespräche und im Ergebnis der Gespräche müssen wir verantwortungsbewusst in der Koalition und dann hier im Hohen Haus über die Zukunft der Straßenausbaubeiträge entscheiden. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Henke das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, wie wichtig die Debatte ist, sehen wir anhand der Redebeiträge der Koalitionsfraktionen und der CDU. Die Bürger im Land draußen machen Druck, die Parteien sehen sich genötigt, hier tätig zu werden, und es war dringend nötig,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Immerhin!)

diesen Antrag, diesen Gesetzentwurf hier ins Parlament einzubringen.

(Beifall AfD)

Es lag nicht an uns. Wir haben es gemacht, wir haben ein Gesprächsangebot auf den Tisch gelegt, aber Sie wollten mit uns nicht reden und das werden Sie wahrscheinlich auch in Zukunft nicht machen, weil Sie ideologisch die falsche Brille aufhaben.

(Beifall AfD)

Sie wollen ganz einfach nicht, dass das Etikett „AfD“ auf irgendeinem Antrag oder Gesetzentwurf hier im Landtag steht. Die Diskussion, die wir hier führen, zeigt doch ganz eindeutig: Sie wollen mit uns nicht reden, und wenn wir noch so gute Anträge und Gesetze hier einbringen.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Nennen Sie mir mal ein Beispiel, wann Sie einen guten Antrag hatten!)

Sie wollen es nicht, auch wenn es noch so dringend nötig wäre, in diesem Land tätig zu werden. Ich habe die Befürchtung, dass wir über diesen Gesetzentwurf oder das, was Sie einbringen wollen, worüber Sie mit dem Gemeinde- und Städtebund, dem Landkreistag reden wollen, so lange rausgezögert wird, dass es erst zur nächsten Wahlperiode überhaupt zu irgendwas kommt, und da haben wir eine andere Regierung. Das steht für mich fest und da können Sie reden, wie Sie wollen. Sie haben im Koalitionsvertrag stehen gehabt: Straßenausbaubeiträge abschaffen. Sie haben es nicht gemacht!

(Abg. Kuschel)

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist gelogen!)

Nein, das ist nicht gelogen. Sie sind draußen rumgezogen, wie es der Herr Fiedler gesagt hat, mit Ihrem Mobil und haben allen Leuten, vor allen Dingen Herrn Kleindienst, Bürgerallianz gegen überhöhte Gebühren und Abgaben, versprochen, in die Hand versprochen: Straßenausbaubeiträge werden abgeschafft. Sie selbst scheitern an sich und schieben uns nur vor, indem Sie uns Populismus vorwerfen und viele andere Sachen, die ich gar nicht hier weiter nennen will. Sie behindern die Arbeit hier im Parlament und machen keine Politik für die Bürger, indem Sie einfach blockieren,

(Beifall AfD)

und das auf ideologische Art und Weise. Es ist ganz einfach so. Ich war damals in Hermsdorf dabei, als wir uns mit dem Verein getroffen haben, als Sie gesagt haben: Die SPD ist schuld, die blockiert uns immer. Und wenn ich heute so durch den Landtag gehe und höre, was Sie so alles sagen, wenn Sie mit Herrn Adams reden auf dem Flur und sagen: „Ja, ihr müsst die SPD überzeugen, die müssen endlich mal Punkte machen, die müssen aus den Puschen kommen, wir dürfen das Feld der AfD nicht überlassen!“, weiß ich doch, wo die Reise hingeht. Hier geht es nicht um die Bürger, hier geht es nur um Sie.

(Beifall AfD)

Ich muss ganz eindeutig sagen: Die Bürger in diesem Land müssen auch irgendwann mal entlastet werden. Wir haben Steuereinnahmen in nie gekannter Höhe. Wir stellen uns hierher und reden 15, 20, 30 Millionen Euro und geben Hunderte Millionen Euro für irgendeine Gebietsreform aus. Das kann doch nicht Sinn und Zweck in diesem Land sein. Entlasten Sie endlich mal die Bürger in diesem Land!

(Beifall AfD)

Das muss doch mal das Ziel sein. Mir steht es bis hier, mich jedes Mal von Ihnen als Populist und sonst was beschimpfen zu lassen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Wieso beschimpfen?)

Ich bin hier angetreten für die Bürger in diesem Land und gewählt.

(Beifall AfD)