Protokoll der Sitzung vom 25.05.2018

Zum Schluss kann ich nur noch einmal sagen, Geburt, Frauengesundheit, Familien und Kinder gehören zusammen und sind ein wichtiges Anliegen unserer Politik und Gesellschaft. So wie alle anderen Pflegeberufe arbeiten auch Hebammen am Limit. Damit Hebammen im Beruf bleiben, sind Arbeitgeber aufgefordert, die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld grundsätzlich zu verbessern. Wir müssen uns insbesondere auch überlegen, wie wir die Berufsrückkehr so einfach wie möglich gestalten. Deswegen können wir in diesem Bereich auch in andere Bundesländer schauen, sei es nach Bayern, sei es nach Sachsen, die dort versuchen, Hebammen mit neuen Ansätzen unter die Arme zu greifen. All das sind Vorschläge, die wir in der nächsten Zeit prüfen werden. Ich hoffe, dass uns unsere Hebammen in Thüringen weiterhin treu bleiben und letztendlich dafür sorgen, dass noch viele Kinder auf die Welt kommen und Mütter zufrieden sind. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Dr. Hartung jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, zu der Qualität des AfD-Antrags haben meine beiden Vorrednerinnen schon alles gesagt. Ich möchte mich daher kurz auf die Rede der AfD-Vertreterin beziehen und ich will das nicht mehr so ohne Weiteres durchgehen lassen, Frau Herold. Sie haben von einem Rückgang der freiberuflichen Hebam

(Abg. Meißner)

men um 14 Hebammen in einem Jahr gesprochen. Was Sie verschweigen, ist, dass im Zeitraum seit 2000 die freiberuflichen Hebammen von 200 auf 375 zugenommen haben. Das heißt, wir haben eine deutliche Erhöhung der Zahlen. Die Alterszusammensetzung der Hebammen ist ganz normal, das heißt, ein Drittel der Hebammen sind 50 Jahre und älter. Das ist die normale Verteilung, wenn ich die Berufsjahre nehme und die irgendwann in Rente gehen. Und ja, auf dem Höhepunkt der Haftpflichtversicherungskrise – ich nenne es jetzt mal so – galt der Beruf der Hebamme als nicht mehr sonderlich attraktiv. Das hat eine Delle hinterlassen, auch in der Ausbildung, und die haben wir jetzt einfach. Parallel dazu ist die Zahl der angestellten Hebammen mit 209 konstant geblieben. Wir sind nicht in einer Krise. Wir sind auf einem guten Weg, denn die Landesregierung hat sehr viel auf den Weg gebracht. Hier irgendwelche Hiobsbotschaften auszusprechen, die nicht auf Fakten basiert sind, sondern tatsächlich eine Entwicklung negieren, die wir hier erleben, das ist einfach nicht redlich. Was auch nicht redlich ist – und das lasse ich Ihnen noch weniger durchgehen als das andere –, ist, vor zwei Tagen saßen da oben die Mitarbeiter von Celenus, da haben Sie gesagt: Verlasst euch nicht auf die Gewerkschaften, eure Arbeitgeber werden euch schon angemessen entlohnen, wenn ihr nur schweigt und das hinnehmt und euch fügt und keinen Krach macht. Und jetzt sagen Sie, damit die freiberuflichen Hebammen mehr Geld bekommen, sollen wir einen Fonds auflegen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das hat sie überhaupt nicht gesagt!)

Wo sind denn Ihre Prioritäten? Sind Ihre Prioritäten bei den Mitarbeitern, die wesentlich weniger Möglichkeiten haben, für einen besseren Verdienst zu sorgen, oder sind Ihre Prioritäten ausschließlich bei den Selbstständigen? Das sollte sich jeder, der sich die AfD-Reden anhört, noch mal durch den Kopf gehen lassen. Wo sind Ihre Prioritäten: bei den Arbeitnehmern oder bei den Selbstständigen, bei den Schwächsten oder bei denen, die zumindest teilweise ihre Möglichkeiten selbst in der Hand haben? Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe AfD)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung hat jetzt Ministerin Werner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Arbeits- und Ein

kommenssituation der Hebammen in Thüringen zu verbessern, die Attraktivität des Hebammenberufs zu erhöhen und eine flächendeckende qualitätsund bedarfsgerechte Versorgung mit Hebammenleistungen herzustellen, ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Gerade die Sicherstellung einer flächendeckenden bedarfs- und qualitätsgerechten Versorgung mit Hebammenleistungen in Thüringen hat der Runde Tisch „Geburt und Familie“ zu seinem Arbeitsschwerpunkt erklärt. Dazu hat der Runde Tisch sehr engagiert gearbeitet, auch eine ganze Menge an Maßnahmen gemeinsam erarbeitet und auf den Weg gebracht. Das geschah – das wurde heute auch schon erwähnt – auf Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens zur Hebammenversorgung in Thüringen vom Dezember 2015. Und der Runde Tisch hat in Zusammenarbeit mit dem Hebammenlandesverband Thüringen, der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft, der Landesärztekammer Thüringen, der Landeskrankenhausgesellschaft, den gesetzlichen Krankenkassen, der Gleichstellungsbeauftragten, dem Landesfrauenrat und Vertretern aus Bildung und Wissenschaft sowie der Elternschaft entsprechende Maßnahmen auf den Weg gebracht und erarbeitet.

Frau Herold, ich muss an dieser Stelle Ihre vorgetragene Kritik am Runden Tisch wirklich zurückweisen und finde sie auch sehr ärgerlich. Das zeigt zum einen, dass Ihnen die Akteure, die dort gemeinsam sitzen und sich wirklich sehr intensiv bemühen, hier voranzukommen, dass Ihnen diese Arbeit nichts wert ist. Ich will hier noch mal darauf hinweisen. Deswegen gilt mein Dank auch wirklich den Menschen, die hier an dem Runden Tisch zusammensitzen. Es sind ja nun nicht nur die Runden Tische, an denen wir uns auch gemeinsam über die Dinge verständigen, es sind Unterarbeitsgruppen, Arbeitskreise, die zwischenzeitlich stattfinden, um auch die verschiedenen Verantwortungsbereiche zusammenzubringen. Ich habe das eigentlich, meinte ich, sehr ausführlich im Ausschuss dargestellt. Scheinbar haben Sie da nicht zugehört, denn nur so erklärt sich, wenn Sie in Ihrem Antrag formulieren, dass die Landesregierung über die Arbeit des Runden Tisches „Geburt und Familie“ und zur Situation der Hebammen in Thüringen berichten soll.

Ich habe zu den Ergebnissen des Gutachtens und der Arbeit des Runden Tisches bereits ausführlich und fortlaufend im Ausschuss berichtet. Das war in der 22. Sitzung am 22. September 2016, es war in der 26. Sitzung am 19. Januar 2017 und auch gegenüber dem Landtag. Am 18. Juli 2017 hat das Kabinett den Bericht meines Hauses zum Beschluss des Thüringer Landtags über die Ergebnisse des Runden Tisches und über die Ergebnisse zu den Beratungen im Modelprojekt „Hebammengeleiteter Kreißsaal“ zur Kenntnis genommen. Am

(Abg. Dr. Hartung)

22. August 2017 hat das Kabinett auch den Bericht meines Ministeriums zum Beschluss über die Ergebnisse der Studie und der Arbeitssituation zur Kenntnis genommen und wir haben über den aktuellen Lösungsstand zur Haftpflichtproblematik auf Bundesebene berichtet. Damit ist aus meiner Perspektive ein Großteil der im AfD-Antrag gestellten Fragen durch mein Haus bereits beantwortet worden. Ich will noch einmal auf die Drucksachen 6/ 4269 und 6/4499 verweisen.

Ich möchte aber auch zum Punkt der Haftpflichtproblematik noch einmal anmerken, dass die ACK, die Amtschefkonferenz der Gesundheitsministerkonferenz, im Mai dieses Jahres einen Beschluss gefasst hat, mit dem wir das Gesundheitsministerium auffordern, eine Evaluierung der Wirksamkeit des Sicherstellungszuschlags zum Ausgleich der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen in Auftrag zu geben und dabei auch der Frage nachzugehen, ob das derzeitige Verfahren auch geeignet ist, die steigenden Haftpflichtprämien aufzufangen. Insofern sind wir an dieser Stelle auf dem Weg.

Ich möchte aber im Zusammenhang mit dem heutigen Tagesordnungspunkt noch kurz darauf aufmerksam machen, dass in dem bereits benannten Gutachten Thüringen zunächst auch eine gute Versorgungsleistung mit Hebammenleistungen in Thüringen bescheinigt wird. Es gab in dieser Befragung auch eine Mütterbefragung, in der es darum gehen sollte, ob der Mehrheit der Thüringer Mütter eine bedarfsgerechte Hebammenversorgung zur Verfügung steht. Und rund 90 Prozent der Befragten – immerhin 1.775 Mütter – sind mit der Hebammenbetreuung weit überwiegend zufrieden. Diese weit überwiegende Zufriedenheit der Thüringer Mütter ist für mich der beste Maßstab für die Bewertung der Versorgung. Aber ich will mich auch nicht davor verschließen, zu sagen, dass wir das natürlich den Hebammen und wenigen Geburtshelfern zu verdanken haben; denen gilt natürlich der Dank, weil sie trotz zum Teil natürlich angespannter Situation eben diese Zufriedenheit der Thüringer Mütter und dann auch Väter ermöglicht haben.

In dem Gutachten wird uns auch bescheinigt, dass es in wenigen Regionen Versorgungsengpässe gibt, insbesondere mit der ambulanten Versorgung mit Hebammenleistungen, insbesondere wenn es um die Wochenbettbetreuung geht. In dem Gutachten wurde aber auch dargestellt, dass die stationäre Geburtshilfe flächendeckend, bedarfsgerecht und wohnortnah ist, sodass es zumindest derzeit keiner finanziellen Förderungen kleiner Geburtsstationen im ländlichen Raum bedarf.

Trotz dieser grundsätzlich positiven Bewertung haben wir uns natürlich auch mit den Kritiken beschäftigt und haben zahlreiche Beschlüsse gefasst. Ich will nur ganz kurz auf ein paar wenige Beschlüsse eingehen, aber ich bin sehr froh, dass mit dem neu

en Haushalt doch ein sehr erhöhter Ansatz im Bereich der Hebammenversorgung dem Ministerium und dem Runden Tisch damit zur Verfügung gestellt wird. Wir haben am Runden Tisch auch schon darüber diskutiert, welche Maßnahmen das sein könnten, die die Situation der Hebammen weiter verbessern können. Es sind inzwischen Vorschläge gekommen, bei denen es zum einen um die Arbeitsbedingungen von Hebammen geht, aber auch um Probleme beispielsweise in Urlaubszeiten oder auch im ländlichen Raum. Sie können also darauf gespannt sein.

Zu den Maßnahmen, die wir bisher umgesetzt haben – und Frau Herold, ich erwähne es vor allem deswegen, weil Sie die ganze Zeit sagen, es sei hier nichts passiert –: Es wurden die Ausbildungszahlen für Hebammen in schulischen und im akademischen Bereich erhöht, und zwar schon seit 2016, und es wurden nicht nur die Zahlen erhöht, sondern es wurden auch die Ausbildungsbeginne verdoppelt. Es wurde ein gemeinsames Förderprogramm zur Unterstützung der praktischen Ausbildung sowie zur Unterstützung der Weiterbildung von Praxisanleiterinnen auf den Weg gebracht. Es gibt jetzt eine landesweit nutzbare Online-Hebammenvermittlungsstelle beim Hebammenlandesverband, die wirklich schon sehr aktiv genutzt werden kann. Für alle, die in ihrem Umkreis Familien haben, die ein Kind erwarten, möchte ich noch mal auf diese Hebammenvermittlungsstelle verweisen. Dort kann man nicht nur sehr gut erfahren, welche Hebamme in der Nähe ist, welche Angebote diese macht, sondern was einem als schwangere Frau tatsächlich alles zur Verfügung steht.

Wir verbessern auch die Datenlage durch eine jährliche landesweite Erhebung von Daten zur Versorgung mit ambulanten Hebammenleistungen, in dem Fall durch die Gesundheitsämter. Nur diese Datenlage kann uns dann dazu führen, tatsächlich rechtzeitig auf Probleme zu reagieren. In nächster Zeit soll auch die Novellierung der Thüringer Verordnung zur Vergütung von Hebammenleistungen im Selbstzahlerbereich auf den Weg gebracht werden, um den im GKV-Bereich für freiberuflich tätige Hebammen mit Geburtshilfe vereinbarten Haftpflichtausgleich auch im Selbstzahlerbereich wirksam werden zu lassen.

Wie gesagt, Näheres zu den Maßnahmen kann man alles in den vorgenannten Berichten nachlesen. Zudem war auch aktuell die erreichte Umsetzung der gemeinsam vereinbarten Maßnahmen Gegenstand des Runden Tischs am 24. April 2018. Das kann man, denke ich, auch nachlesen. Zur Forderung nach einem Ausgleichsfonds zur finanziellen Entlastung freiberuflich tätiger Hebammen habe ich mich schon geäußert. Auch hier kann man die Antwort der Landesregierung in den vorgenannten Landtagsberichten nachlesen.

(Ministerin Werner)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich denke, Sie können an den Ausführungen sehen, dass das Thema der Hebammenversorgung ein wichtiges Thema für die Landesregierung ist. Ich glaube, wir haben gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen, aber auch den Mitgliedern der CDU-Fraktion hier einiges auf den Weg gebracht. Ich bedanke mich für Ihre wirklich tatkräftige und wichtige Unterstützung in dem Bereich. Wir werden das Thema natürlich weiter im Blick behalten und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe die Beratung und wir kommen zur Abstimmung. Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit beantragt worden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. War das eine Stimme aus der CDU-Fraktion? Nein. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Stimmenthaltungen? Das kann ich nicht erkennen. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/5654. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind die Koalitionsfraktionen und die CDU-Fraktion. Stimmenthaltungen? Das kann ich nicht erkennen. Damit ist der Antrag abgelehnt und ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17

Entwicklung eines Modells der vertraulichen Spurensicherung nach Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt für Thüringen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5670

Die Fraktionen haben angekündigt, dass Abgeordnete Stange, Fraktion Die Linke, die Einbringung übernimmt.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Antrag in der Drucksache 6/5670 zum Thema „Entwicklung eines Modells der vertraulichen Spurensicherung nach Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt“ ist ein Antrag der Koalitionsfraktionen.

Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung sind immer noch ein Tabuthema. Denn öffentlich über das Erlebte zu sprechen, ist für Betroffene mit erneuten Verletzungen verbunden: Verletzungen durch Schuldzuweisung, sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort, trugen die falsche Kleidung oder haben sich falsch verhalten; Verletzungen durch das Absprechen von der erfahrenen Tat, zum Beispiel wenn gesagt wird, dass das Benennen der Vergewaltigung oder der sexualisierten Gewalt nur Rache, Lüge oder Rufmord sei; Verletzung durch den Vorwurf, die betroffenen Personen hätten aus sexuellen Handlungen Vorteile für sich ziehen wollen und es sich dann doch anders überlegt. Mit alldem und noch viel mehr Anschuldigungen, Herabwürdigungen und Stigmatisierungen begegnet unsere Gesellschaft den Betroffenen, zuallermeist Frauen.

Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt sind keine Ausnahme, sondern tief verankert. So stellt eine Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte aus dem Jahr 2014 fest, dass jede dritte Frau seit dem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hat. In Thüringen haben nach Angaben des Innenministeriums 302 Frauen im Jahr 2017 mit diesem Thema zu tun gehabt. Angesichts der dargestellten gesellschaftlichen Situation muss leider auch festgestellt werden, dass die Dunkelziffer noch viel, viel höher zu sein scheint.

Was ist zu tun? In Thüringen haben wir mit den Frauenhäusern, den Frauenzentren und auch mit den Interventionsstellen zum Glück eine hohe Anzahl von Beratungsstellen, die den Frauen niederschwellig zur Verfügung stehen. Die Betroffenen können sich also dorthin wenden. Wo wir allerdings nachbessern müssen – und dies erreichen wir nur mit dem vorliegenden Antrag –, ist die Möglichkeit der vertraulichen Spurensicherung nach Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt. Dies ist ein wichtiger Baustein, um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden. Denn die psychische Belastung aufgrund der erlebten Tat und der besonderen Verletzung bedarf eines besonderen Angebots für die Betroffenen. Bei einer vertraulichen Spurensicherung werden die Spuren rechtssicher ärztlich dokumentiert. Wenn nicht direkt eine Anzeige erstattet wird, so können die betroffenen Frauen doch zu einem späteren Zeitpunkt genau auf diese gesicherten Spuren zurückgreifen.

Wir wissen, für die betroffenen Frauen ist es besonders wichtig, Zeit zu haben, um sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen. Das Traumata muss abgearbeitet und die möglichen Schuldgefühle oder die Scham, die sich eingestellt haben, müssen verarbeitet werden. Danach kommen sehr viele Frauen zu dem Entschluss, eine Strafanzeige zu stellen. Denn auch wenn die Frage der Anzeige im unmittelbaren Nachgang der erlebten Tat nicht immer im Mittelpunkt der Gedanken der Betroffenen steht, kann sie dann mit einigem Abstand danach

(Ministerin Werner)

natürlich in den Fokus rücken. Dann ermöglichen die vertraulich gesicherten Spuren auch eine Anzeige im Nachgang.

Werte Kolleginnen und Kollegen, bundesweit gibt es verschiedene Modelle der vertraulichen Spurensicherung, deren Unterschiede über die Fristen der Lagerung bis zur Anwendung des Systems der vertraulichen Zuordnung reichen. Um ein passendes Modell für Thüringen zu entwickeln, müssen relevante Akteurinnen vor Ort mit einbezogen werden. Zum einen sehen wir da das für Gesundheit und Frauen zuständige Ministerium sowie die weiteren Ministerien, die mit diesem Thema berührt sind. Aber zum anderen ist es für Rot-Rot-Grün auch sehr wichtig, dass die Frauenhäuser, die Interventionsstellen und die Koordinierungsstellen für LSBTIQ-Arbeit in Thüringen mit einbezogen werden. Auch Vertreterinnen der Gerichtshilfe und der Rechtsmedizin sollten und müssen ihre Expertise mit einfließen lassen.

Ziel des Antrags ist es, zum Ende der 6. Legislatur ein Konzept sowie eine darauf aufbauende Maßnahme vorzulegen. Den Koalitionsfraktionen ist es ein Anliegen, im Modell die spezifischen Besonderheiten bei der Inanspruchnahme durch Menschen mit Behinderungen und LSBTIQ-Personen ausreichend zu berücksichtigen. Außerdem geht es darum, dass die Höhe der notwendigen finanziellen Mittel für das Thüringer Modell der vertraulichen Spurensicherung in diesem Prozess ermittelt werden soll.

Der Antrag ist für uns eine dringende Notwendigkeit, um in diesem Bereich die medizinische Versorgung von Betroffenen zu verbessern, da der unmittelbare Entscheidungsdruck aufgefangen wird und die ärztliche Untersuchung und Hilfe somit auch gewährleistet wird. Wir bitten darum, den Antrag gleich nach der Diskussion abstimmen zu lassen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Beratung und als erste Rednerin hat Abgeordnete Holzapfel, Fraktion der CDU, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sexuelle Gewalt ist wie kein anderer Deliktbereich mit Scham und Angst besetzt. Deshalb fällt es vielen Opfern schwer, diese Taten anzuzeigen. Anzeigen werden oft gar nicht oder oft spät gestellt. Viele Betroffene sind unmittelbar nach der Tat traumatisiert und daher nicht in der Lage, eine Entscheidung für oder gegen eine Anzeige zu treffen. Viele bleiben, weil sie befürchten, dass eine andere

Person über ihren Kopf hinweg eine Anzeige erstattet, medizinisch unversorgt und nehmen keine Hilfe in Anspruch. Hierdurch wird eine zeitnahe erforderliche Spurensicherung unmöglich. Bei Strafanzeigen, die erst später gestellt werden, kommt es bei einem Prozess mangels objektiver Beweismittel zu Problemen in der Beweisführung. Durch die anonyme Spurensicherung wird jedem Opfer eines sexuellen Übergriffs oder einer Vergewaltigung die Möglichkeit gegeben … Andererseits wird die Konfrontation mit dem traumatischen Erlebnis durch das Ermittlungsverfahren auf einen Zeitpunkt verschoben, zu dem es sich hierzu physisch wie psychisch in der Lage sieht. Die Hoffnung dabei ist, dass sich Opfer nach einer anonymen Behandlung einfacher entscheiden können, auf Grundlage der gesicherten Beweise Anzeige zu erstatten. Damit wird dem Selbstbestimmungsrecht von Vergewaltigungsopfern über den Umgang mit traumatischen und die Intimsphäre betreffenden Ereignissen der erforderliche Vorrang eingeräumt.

Zahlreiche Bundesländer haben in den letzten Jahren Angebote der vertraulichen Spurensicherung etabliert. Trotzdem existiert bislang kein auf einheitliche Standards beruhendes, bundesweit etabliertes Konzept für die Versorgung nach einem sexuellen Übergriff, wenn keine polizeiliche Anzeige erstattet wird. Aber auch in diesem Fall ist es notwendig, die erhobenen Befunde und Daten fachgerecht, das heißt beweisverwertbar und in anonymisierter Form, zu sichern und mindestens bis zum Zeitpunkt der Verjährung entsprechend zu lagern. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Schulung der Ärzte in der Durchführung der Spurensicherung und im sensiblen Umgang mit den Opfern sowie eine Bekanntmachung des Angebots durch die Landesregierung. Aus diesem Grund befürworten wir die Initiative der Koalitionsfraktionen mit dem vorliegenden Antrag grundsätzlich und möchten diesen gern im zuständigen Fachausschuss sowie in den Ausschüssen für Soziales, Arbeit und Gesundheit, im Justizausschuss und im Innenausschuss – aber federführend im Gleichstellungsausschuss – weiterbehandeln. Er ist einfach zu wichtig. Danke.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordnete Diana Lehmann das Wort.