Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

Lassen Sie wenigstens Ihre Leute reden, die Ahnung haben. Hier geht es einfach darum, dass man den Leuten wirklich sagen muss: Seid vorsichtig! Diese Koalition, wenn sie denn wieder zustande käme, wird das Land weiter umkrempeln, die wird den ländlichen Raum weiter schleifen

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Haben Sie mal in das Gesetz reinge- schaut?)

und die wird weiterhin Sonntagsreden halten, dass doch der ländliche Raum ein wichtiger Grundsatz ist, wir brauchen das.

(Beifall CDU)

Ich kann in die Schulen gehen, da werden die Schulen geschliffen. Ich kann in viele Dinge hineingehen. Sie machen genau das Gegenteil!

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Haben Sie überhaupt Ahnung von Kommunalpoli- tik?)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Keine Ahnung!)

Sie machen genau – was habe ich? Ich mache keine Angst, ich nenne nur die Tatsachen. Sie stellen sich hier vorne hin und tun so, als ob alle im Land das wollen. So ist es aber nicht. Sonst wären nicht 140.000 Unterschriften zustande gekommen und die Menschen auf die Straße gegangen.

(Beifall CDU, AfD)

Meine Damen und Herren, abschließend: Wir werden selbstverständlich, wie das im Innenausschuss, Herr Dittes, üblich ist, auch in der Mittagspause die Überweisung vorbereiten und wir werden selbstverständlich auch das Prozedere durchziehen. Gespannt bin ich auf Ihre Änderungsvorschläge.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir auf Ihre Vorschläge und Änderungsanträge!)

Ich habe irgendwo schon so einen Packen gesehen, das sah nicht aus wie drei Seiten, das sah nach etwas mehr aus. Wahrscheinlich wollen Sie dem Innenminister und Herrn Höhn wieder mal zeigen, wo der Hammer hängt und dort noch einiges verändern. Wir werden es begleiten und am Ende werden wir entscheiden, wo wir zustimmen und wo wir nicht zustimmen. Danke schön.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Gestal- ten Sie doch einfach mit. Das wäre mal was Neues!)

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Keine Idee, wie es gehen könnte!)

Danke schön, Herr Abgeordneter Fiedler. Als Nächster hat Abgeordneter Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag! Ich will kurz zwei Vorbemerkungen machen, gerade zur Rede von Herrn Kollegen Fiedler. Ich habe schon mit Frau Hennig-Wellsow gemeinsam Kommunalpolitik gemacht, da wusste ich noch gar nicht, wer Wolfgang Fiedler ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern hat meine Kollegin Susanne Hennig-Wellsow die Chance, vielleicht am Ende ihres politischen Wirkens auf eine noch viel längere Zeit in Kommunalpolitik und Politik für dieses Land zu schauen, als Sie die Chance haben. Man sollte da nicht aufeinander hinunterschauen.

Das Zweite, Herr Fiedler: Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie gesagt haben, dass Sie mir bei eini

gen Punkten recht geben. Ich möchte Ihnen auch an einem Punkt recht geben und Ihnen zustimmen: Wir sollten uns an dem, was unter Herrn Voß Schlechtes für die Kommunen gelaufen ist, kein Beispiel nehmen. Das machen wir auch nicht, das ist ein Versprechen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie machen es ja eben nicht. Das ist ja das Schlimme!)

Gute Politik ist die Fähigkeit, auch dazuzulernen. Auch das, Herr Fiedler, das ist aus Ihrer Rede deutlich geworden, scheint die CDU parteipolitisch zu schmerzen. Wir haben gelernt, das war nicht lustig, dafür haben wir im letzten Jahr ordentlich was einstecken müssen, aber wir haben gelernt. Dass Sie aber kritisieren, dass wir gelernt haben und heute einen neuen, einen anderen Weg gehen, mit dem wir erfolgreich sind, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, finde ich bemerkenswert. Eigentlich müssten Sie sich freuen, eigentlich könnten Sie sagen: Da haben wir was erreicht. Aber Ihnen passt das nicht, weil Sie sehen, dass wir damit Erfolg haben, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist der richtige Weg, den Rot-Rot-Grün auch weiter gehen wird.

Eigentlich wollte ich aber mit der Fußball-Weltmeisterschaft anfangen. Wir alle wissen, im Sommer war Fußball-Weltmeisterschaft, dennoch mögen sich einige nicht mehr daran erinnern wollen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist Verdrängung!)

Im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft gab es ganz wunderbare Filme, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Thema „Fußball“, begeisternd. Mir hat einer ganz besonders gefallen, den ich schon vor Jahren einmal gesehen habe: Das ist der Film „FC Venus“. Ich weiß nicht, wer diesen Film kennt. Die Frauen einer Kreisligamannschaft, die Frauen der Männer, die dort in der Kreisliga spielen, fordern die Männer heraus, um etwas auszuhandeln, und sagen: Wenn wir gegen euch im Fußball gewinnen, dann werden wir etwas in unseren Beziehungen neu formen. Sie wollen nämlich nicht mehr jeden Sonntag auf dem Fußballplatz stehen müssen. Die große Frage ist: Können Frauen das schaffen? So stellt der Film die Frage. Es gelingt nur, weil sich die Frauen in einer sehr kreativen Form auf den Weg machen und sich zusammentun. Über alle Widersprüche, die sie untereinander haben, tun sie sich zusammen, haben sehr pfiffige Ideen, um ihren Kreis zu erweitern, die Mannschaft voll zu bekommen. Das ist die wirklich witzige Geschichte, die hier erzählt wird. Warum erzähle ich das in dieser Debatte? Weil ich sagen möchte, was alle wissen: Wenn man große Heraus

(Abg. Fiedler)

forderungen hat, muss man sich zusammentun. Wenn man sich zusammentut, kann man sogar die größten Herausforderungen bestehen. Das ist Ziel dieses Gesetzes. Die großen Herausforderungen für unsere Thüringer Kommunen – im urbanen Bereich und im ländlichen Bereich, ganz gleich – sind doch Digitalisierung, der demografische Wandel und die nächste Welle unserer Infrastrukturerhaltung. In den 90er-Jahren haben wir sehr viel Neues bauen können mit sehr viel Hilfe aus den alten Bundesländern. Diese Hilfe wird es in den nächsten Jahren in dieser Form so nicht geben können und wir müssen die einmal geschaffene Infrastruktur erhalten. Oder unser kulturelles Erbe, das wir im ländlichen Raum, in unseren Städten haben. Wir haben eine Theaterdichte, um die man uns beneiden müsste. Oft wird das aber in Kommunen als Belastung empfunden. Man kann eine solche Dichte, ein solch kulturelles Erbe nur als Herausforderung sehen, es zu erhalten. Dazu muss man sich zusammentun. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der Geist dieses Gesetzes: Tut euch zusammen, dann schafft Ihr mehr! Das muss auch hier das Ziel des politischen Handelns des Thüringer Landtags sein.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

263 Gemeinden – Kollegin Scheerschmidt hat es schon gesagt – machen sich auf den Weg. Dahinter stehen eine halbe Million Thüringerinnen und Thüringer, die sich zusammentun, um große Herausforderungen auf den Weg zu bringen. Ich finde, das ist nicht kritisierbar, das ist nur unterstützbar. Dazu rufe ich auf, diese Interessen, diese Bemühungen in unseren Gemeinden, die sich auf den Weg gemacht haben, zu unterstützen.

Mir ist in der Debatte, die wir schon länger über dieses zweite Neugliederungsgesetz führen, aufgefallen, dass das Thema „Bürgerbeteiligung“ einen immer größeren Raum einnimmt – die Frage, wann wird angesetzt, wie wird angesetzt, welche Mechanismen sind eigentlich die richtigen, um Bürgerbeteiligung konstruktiv zu wenden. Deshalb ist es für mich ein sehr gutes Zeichen, dass uns als Abgeordnete der rot-rot-grünen Koalition manchmal Bürgermeister und Gemeinderäte kontaktieren und sagen: Wir würden gerne schneller vorwärtskommen, als wir im Augenblick mit unseren Partnern in anderen Gemeinden vorwärtskommen. Oder manchmal kontaktieren uns Bürger, die sagen: der Gemeinderat ist uns ein bisschen zu schnell. Diese beiden Pole zusammenzukriegen – manchmal ist es auch andersherum –, das muss das Ziel gut angesetzter Bürgerbeteiligung sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Instrumente von Bürgerbeteiligung, die wir alle haben, die wir alle kennen, frühzeitig, konstruktiv und vor allen Dingen

konsequent einsetzen. Wir müssen lernen, in unseren Kommunen – ob es kleine oder große sind – Bürgerbeteiligung an den Anfang zu setzen, Bürgerbeteiligung zur Zielerreichung, nicht zum Verhindern von Zielen, nicht am Ende, wenn es zeitlich gar keinen Sinn mehr macht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe das mit Bedauern gesehen, dass es in manchen Orten – zum Beispiel beim ersten Neugliederungsgesetz – Bürgerbeteiligung ganz zum Schluss gegeben hat, die dann erst fragen wollten: Wollen wir eine Bürgerbeteiligung einführen? Das hat nicht zum Erfolg geführt, zumindest nicht zu dem Erfolg, dass alle gesagt haben: Bürgerbeteiligung ist eine gute, wichtige Sache. Wir müssen lernen, Bürgerbeteiligung konstruktiv zum Erreichen von Zielen, Bürgerbeteiligung frühzeitig als gemeinschaftsbildendes Element zu bringen und Bürgerbeteiligung nicht nur allein als letzten Sicherungssplint zu sehen. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn uns das gelingt, diese Bilder zu schaffen, wird es auch zu einer starken Bürgerbeteiligung in unserem Land kommen.

Ich glaube, wir sollten im politischen Raum nicht reden, sondern handeln, wenn wir Gemeinden zusammenbringen sollen, und wir sollten parteipolitische Ideologien vor der Tür lassen. Deshalb ist es mir sehr wichtig, auf die Rede von Kollegen Fiedler noch einmal einzugehen. Wer nur ein politisches Ziel hat, nämlich Angst zu schüren vor etwas, das keiner tun will, aber das man glaubt, gut kommunizieren zu können – zum Beispiel das permanente Ausrufen, dass dem ländlichen Raum in Thüringen Böses geschehen soll, mit Worten wie „Der ländliche Raum wird geschreddert.“, man muss sich doch die Frage stellen, was versteht die CDU unter diesem Ausruf, was will Kollege Fiedler damit bewirken, den Menschen zu sagen, euer Lebensraum, der soll geschreddert werden –, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist wenig konstruktiv. Dann hilft es auch nicht, den Menschen Mut zu machen, ihre Belange selbst in die Hand zu nehmen. Es hilft nicht, gute Arbeit im Gemeinderat voranzubringen, wenn jemand durchs Land läuft und sagt: Euch passiert zwar gerade gar nichts, aber ich sage euch, man will euch etwas Böses tun. Das ist Angstmacherei und das ist etwas, was sich in dieser Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, unter konstruktiven Politikern verbieten sollte.

Genauso, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es mit der Angst vor einer gesetzlichen Phase. Ich weiß nicht, ob Sie eine gesetzliche Phase durchführen wollen. Ich kann nur für meine Partei und meine Fraktion sprechen und ich kann Ihnen sagen: Wir haben kein Interesse an einer gesetzlichen Phase, weil wir im letzten Jahr Verantwortung hatten. Ich werde damit auch immer auf meine Koa

litionspartner zugehen und dafür werben zu sehen, wie weit wir mit einer freiwilligen Phase gekommen sind. Denn am Ende dieses Gesetzentwurfs werden wir zusammen mit dem ersten Neugliederungsgesetz mehr als ein Drittel der Thüringer in neuen Gemeindeformationen haben – in größeren, in leistungsfähigeren Gemeindeformationen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer nicht sieht, dass das der erfolgreichere Weg ist, der – das darf man, glaube ich, sagen – ist politisch schräg gewickelt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber richtig witzig wird es bei Herrn Kollegen Fiedler, wenn er uns vorwirft, dass wir uns bei der Hälfte der hier anzugehenden Neugliederungen nicht an unser eigenes Leitbild halten würden. Sie werfen uns das nicht vor, Sie sagen nicht: Wunderbar, dass Sie das nicht machen! Sie sagen nicht: Gut, dass ihr gelernt habt, sondern Sie sagen: Ihr haltet euch gar nicht dran. Ja, Herr Fiedler, wollen Sie den Änderungsantrag einbringen, dass die Kommunen rausfliegen, die sich nicht daran halten?

Kollege Kuschel hat es doch sehr deutlich erklärt: Dieses Gesetz ist ein Ermöglichungsgesetz. Dieses Gesetz ermöglicht den Gemeinden, die sagen, dass sie zusammengehen wollen, zusammenzugehen. Und wenn es kleine Kommunen oder einzelne Kommunen gibt, die in der ehemaligen VG, die nun zu einer Landgemeinde werden kann, sagen, dass sie diesen Weg noch nicht mitgehen wollen, und man bleibt damit unter dem Leitbild, dann wollen wir ermöglichen, dass die Kommunen sich auf den Weg machen und zusammen üben und zusammen zeigen, dass es gemeinsam besser geht, in der Hoffnung, dass die anderen das auch erkennen, oder in der Hoffnung, dass die anderen sagen: Nein, mit denen wollen wir nicht zusammengehen, aber in eine andere Richtung. Dann soll es auch gut sein. Es ist doch geradezu fantastisch, dass Rot-Rot-Grün gesehen und gelernt hat, dass die harte Regel 6.000 – 5.999 geht nicht, 6.001 geht – nicht vernünftig ist. Im Übrigen hatten wir das immer klar gesagt, dass wir so hart nicht herangehen werden, und jetzt zeigen wir das auch. Jetzt unterstreichen wir, dass wir flexibel an Einzelfalllösungen in jedem einzelnen, genauen Fall interessiert sind. Und die CDU kritisiert das. Was für ein Wahnsinn! Das darf man wirklich mal sagen: Was für ein Wahnsinn, was für ein Abweg, auf dem wir hier sind!

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann nur zu einem aufrufen: Lasst uns der Gemeinschaft Bestes suchen, hier im Thüringer Landtag – in den Gemeinden bin ich mir sicher, dass man das auch gesucht hat, obwohl es immer schwierige Debatten sind –, und lasst uns Elemente

der Bürgerbeteiligung, der Information, der Transparenz frühzeitig ansetzen und auch das als Leitspruch über unsere Anhörungen der Kommunen stellen, die wir jetzt auf den Weg bringen werden. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird dieses zweite Neugliederungsgesetz ein Erfolg werden – für Thüringen und für jede einzelne Gemeinde. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe noch weitere Wortmeldungen von Abgeordneten. Herr Abgeordneter Kuschel bitte für die Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, zwischenzeitlich, während der Debatte, haben sich die Tribünen gefüllt. Ich begrüße insbesondere die Schüler aus der Regelschule Schloßvippach – viel Spaß hier bei uns!