Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

Das, was Sie hier niedergeschrieben haben, ist aus finanzpolitischer Sicht unseriös. Denn auch Ihre Begründung, wir haben eine gute Konjunktur, kann nicht bei jedem Ihrer Vorschläge herangezogen werden.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das sagen Sie doch immer selbst!)

Auch Ihre Zahlen zu den prognostizierten Mehreinnahmen stimmen im Übrigen wieder mal nicht.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das sind Ih- re Zahlen!)

Da hilft ein Blick – Herr Kießling – in den Einzelplan 17. Da hatte die Landesregierung beim Doppelhaushalt 2016/2017 Mehreinnahmen von 30 Millionen Euro im Jahr 2017 prognostiziert. 2018/2019 sind es dann sogar 44 bzw. 46 Millionen Euro gegenüber 2016. Sie hingegen schreiben etwas von 20 Millionen Euro.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Ja.)

Von den tatsächlichen Einnahmen 2017

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Mehr als das Doppelte!)

haben Sie kein Sterbenswörtchen geschrieben. Deshalb ignoriere ich diese Zahl großzügig.

Auch das wirkliche Problem der sogenannten Share Deals, mit denen Unternehmen die Grunderwerbsteuer umgehen, thematisieren Sie in Ihrem Gesetzentwurf wieder einmal nicht. Die Grunderwerbsteuer soll nach diesem Entwurf von 6,5 Prozentpunkten auf 5 Prozentpunkte gesenkt werden, um den Erwerb von Wohneigentum günstiger zu gestalten. Mal ganz ehrlich, Sie glauben doch nicht ernsthaft, wenn wir jetzt die Grunderwerbsteuer um 1 Prozent senken,

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: 1,5 Pro- zent!)

dass das in irgendeiner Weise Auswirkungen auf den Gesamtpreis beim Kauf einer Immobilie hat. Das wird an anderer Stelle eingepreist. Das verdienen dann andere. Vermutlich Makler oder Grundstückseigentümer oder die Hausbauer.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das müsste man auch senken!)

Damit Spekulationen ausgeschlossen werden, soll das Wohneigentum nach Ihrer Vorstellung dann aber für mindestens zehn Jahre selbst bewohnt werden müssen. Über die Verwaltungsherausforderung haben wir schon gesprochen. Ich halte sie für irrsinnig. Ich glaube, davon sollten wir tatsächlich die Finger lassen. Und ich frage mich, warum Sie denn nicht gleich gefordert haben, sie vielleicht auf 3,5 Prozent abzusenken oder ganz abzuschaffen? Das wäre dann die richtige Fördermaßnahme. Auch diese Senkung könnte nach Ihrem Verständnis von der Finanzpolitik doch bei guter Konjunktur und sprudelnden Steuereinnahmen ohne Probleme bewerkstelligt werden.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Ihre Worte!)

Warum fordern Sie nicht gleichzeitig eine Senkung der Notarkosten? Oder vielleicht der Maklergebühren? Das wäre doch auch noch ein Ansatz. Könnte man doch auch machen. Auch das sind Erwerbsnebenkosten, die einige Eigentümer als zu hoch empfinden.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Da haben Sie recht!)

Und warum beschränken Sie die Senkung der Grunderwerbsteuer nicht auf den erstmaligen Kauf einer Immobilie? Auch dadurch könnten wiederum Spekulationen ausgebremst werden. Sie sehen, es gibt wirklich vielfältige Eingriffsmöglichkeiten, die Sie alle nicht aufgreifen. Und damit wird für mich aber auch gleichzeitig deutlich, dass es Ihnen an dieser Stelle überhaupt nicht um die Lösung eines

(Abg. Kowalleck)

Problems geht. Denn Sie haben überhaupt nicht verstanden, wo das Problem auf dem Wohnungsmarkt liegt. Das hat weder was mit Migration in Gera zu tun, noch mit katholischem Glauben im Eichsfeld oder im Südoldenburgischen oder in Passau. Es liegt eben nicht bei der Grunderwerbsteuer, sondern es geht in erster Linie um bezahlbare Mietwohnungen in den Städten wie beispielsweise Erfurt, Jena oder Weimar.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, ob in den letzten Jahren der Zubau an Wohnungen oder auch an Einfamilienhäusern zurückgegangen ist, kann man den tatsächlich nicht erkennen. Gerade in den Ballungszentren ist der Grundstücksmarkt leer gefegt.

Ich frage mich außerdem: Wer kontrolliert eigentlich, dass der Käufer in den nächsten zehn Jahren diese Immobilie auch tatsächlich selbst bewohnt? Wie haben Sie sich das praktisch vorgestellt? Wollen Sie jedes Mal jemanden durch die Wohngebiete schicken und schauen: Wohnen die da immer noch, ist da vielleicht jemand anderes eingezogen? Vielleicht sind die Kinder ausgezogen, dafür die Großeltern rein, hm ja, es sind nicht mehr die gleichen. Also das wird spannend. Das sieht so ein bisschen nach Überwachung hoch drei aus. Und damit hätte ich doch schon meine Schwierigkeiten.

(Unruhe AfD)

Sie sind doch ansonsten immer und immer wieder diejenigen, die nach dem schlanken Staat rufen. Und jetzt sollen wir plötzlich für 1,5 Prozent einen Verwaltungsapparat aufbauen, bei einem Fachkräftemangel, wo ich nicht mal weiß, wo wir diese zukünftigen Verwaltungsangestellten herbekommen sollen. Also Entschuldigung, aber meiner Meinung nach wird das nicht funktionieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Im Gegensatz zu Ihrer Argumentation sind die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer direkte Investitionen in die Thüringer Familien- und Bildungspolitik. Denn damit finanzieren wir beispielsweise das kostenfreie Kindergartenjahr, Schulsanierungen, mehr Lehrer an den Schulen. Es geht auch in die innere Sicherheit und wir setzen damit das um, was eine verantwortungsbewusste Landesregierung zu tun pflegt. Wir investieren die Steuergelder der Thüringer Steuerzahler in die Zukunft – nämlich an dieser Stelle tatsächlich in unsere Familien und Kinder, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Immobilie kaufen, eine Wohnung kaufen oder gar zur Miete wohnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Im Umkehrschluss bedeutet Ihre Forderung: Sie wollen das kostenfreie Kindergartenjahr wieder

rückgängig machen, die Migrationsbeauftragte wollen Sie ohnehin abschaffen, das habe ich gestern auch zur Kenntnis genommen. Und ich habe mich gefragt: Ich glaube, dass in Gera so wenig Kinder geboren werden, hängt damit zusammen, es gibt zu wenig Störche in der Stadt. Das ist in den Landkreisen drum herum nämlich anders.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das passt zu Ihnen! Märchen erzählen!)

Das ist aber keine Politik für Familien, sondern gegen die Familien und wir von Bündnis 90/Die Grünen werden diesen Antrag sicherlich nicht mittragen und auch sicherlich nicht an einen Ausschuss verweisen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Huster von der Fraktion Die Linke das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grunderwerbsteuer ist die einzig relevante Landessteuer, die wir selbst regeln können. Das Aufkommen betrug 2017 144 Millionen Euro. In der Debatte wurde es schon erwähnt, dass in der Vergangenheit nicht nur eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer zum 01.01.2017 vollzogen wurde – von 5 auf 6,5 Prozent –, sondern dass es schon vorher, nämlich zum Jahr 2011, eine Erhöhung von 3,5 auf 5,0 Prozent gab. Schon damals haben die Kritiker – es war damals die FDP-Fraktion hier im Thüringer Landtag – die Befürchtung artikuliert, dass mit dieser Erhöhung der Grunderwerbsteuer das Immobiliengeschäft in Thüringen zum Erliegen kommt, dass es keine Familie mehr geben könne, die sich nach dieser Steuererhöhung noch um Wohneigentum bemühen würde. Die Annahmen damals waren genauso falsch, wie sie heute falsch vorgetragen werden. Tatsächlich ist in den letzten Jahren die Zahl der Fälle im Wesentlichen konstant geblieben, das Aufkommen in Thüringen allerdings trotz dieser Erhöhung stetig gestiegen.

Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren hat nicht allein Thüringen die Grunderwerbsteuer erhöht, sondern den Steuersatz von 6,5 Prozent haben mittlerweile sechs Bundesländer. Es gibt mehrere Bundesländer, die haben 6,0 Prozent, aber viele Bundesländer haben auch von niedrigeren Steuersätzen auf 5,0 Prozent erhöht.

Herr Kießling, dann ist es wirklich perfide, wenn Sie die Flüchtlingsausgaben in einen Zusammenhang …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das waren Sie doch!)

(Abg. Müller)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das waren Sie!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: 2015 – das können Sie im Internet nachlesen!)

… wenn Sie die Flüchtlingsausgaben aus dem Jahr 2015 folgende mit der Erhöhung der Grunderwerbsteuer in Bezug bringen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie haben ein schlechtes Gedächtnis, Herr Huster!)

Nein. Ich habe ja nichts gegen Zwischenrufe, aber geben Sie mir die Möglichkeit, dass ich meinen Gedanken erläutere, und dann können wir Ihr Argument mit dem Argument gewichten, das ich hier vorzutragen versuche.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein Ausgangspunkt ist die Analyse des Thüringer Rechnungshofs aus dem Jahr 2010 und die Frage: Was wird mit den Landeshaushalten im Jahr 2020 passieren, wenn der Solidarpakt II ausläuft, wenn wir eine neue EU-Förderperiode haben und wenn der demografische Faktor in Thüringen ab 2010 beständig druckerhöhend auf die Einnahmen des Freistaats Thüringen wirkt. In diesem Sondergutachten, das der Rechnungshof damals im Jahr 2010 den Landtagsabgeordneten zugeleitet hat, war die Rede davon, dass sowohl die Ausgaben als auch die Einnahmen nach Möglichkeit so anzupassen sind, dass wir im Jahr 2020 pro Jahr mit circa 1,5 bis 2 Milliarden Euro weniger Einnahmen klarkommen werden müssen. So waren damals die Prognosen. Damit stand die Aufforderung an die Landespolitik, nicht nur alle Ausgaben zu überprüfen, sondern natürlich auch alle Einnahmemöglichkeiten danach zu prüfen, ob sie angemessen erhöht werden können. In diesem Haus gab es – trotz ganz anderer parteipolitischer Konstellation – am Ende einen Konsens darüber, dass zum Jahr 2011 die Grunderwerbsteuer mit erhöht werden sollte, weil Thüringen mit Blick auf das Jahr 2020 sonst gar nicht mehr in der Lage sein könnte – so war damals die Annahme –, seine Ausgaben zu erfüllen. Für diesen Gesetzentwurf 2011 fand sich damals nach kontroverser Debatte eine Mehrheit, sowohl in der damaligen Koalition aus CDU und SPD als auch auf den Oppositionsbänken Bündnis 90/Die Grünen und die Linke, die diesen Weg gegangen sind. Sie können mir glauben, dass nicht jede Bemerkung, die wir damals als Zuschrift bekommen haben, wirklich freundlich war. Trotzdem hat man das gemacht, durch alle Kontroverse hindurch.

Insofern, Herr Kießling, war das damals der Bezug; es ging damals um die Frage: Wie kann Thüringen im Jahr 2020 haushalts- und finanzpolitisch noch handlungsfähig sein? In diesem Kontext ist aus meiner Sicht auch die Erhöhung aus dem Jahr 2017 zu sehen. Wir müssen uns nämlich im Umkehrschluss fragen, wenn wir heute über sprudeln

de Steuereinnahmen reden, ob sich grundsätzlich an dieser Ausgangslage etwas verändert hat. Ich würde vielleicht dazu ein geteiltes Urteil ziehen. Einerseits ja, grundsätzlich hat sich verändert, dass gegenüber damals die Landeshaushalte grundsätzlich wieder politisch gestaltbar sind. Das ist eine ganz andere Ausgangslage, als wir sie im Jahr 2010 vorgefunden haben. Und ich würde aber die Frage auch mit Nein beantworten, weil Thüringen – das haben wir auch debattiert – nach wie vor Nehmerland im Länderfinanzausgleich ist und – ich komme zum Ausgangspunkt zurück – die Grunderwerbsteuer die einzig relevante Steuer ist, die wir selbst regeln können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern bleibe ich dabei, Herr Kießling, ich weise das ganz deutlich zurück, dass Sie hier einen Bezug herstellen und sagen: Weil die Flüchtlingskrise Ausgaben verursacht hat, musste in Thüringen die Grunderwerbsteuer erhöht werden. Das ist Ihre perfide Politik, diese Zusammenhänge herzustellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil: Die Flüchtlingsausgaben sinken signifikant.