Protokoll der Sitzung vom 31.08.2018

Nein, Sie sollten jetzt mal kurz zuhören. Das Eine ist, was im Vorfeld stattfindet, wenn es einen Antrag auf einen Waffenbesitzschein gibt. Da ist mittlerweile der Punkt erreicht, der auch richtig ist, dass im Vorfeld eine Überprüfung stattfindet. Und noch mal, das hatte ich vorhin schon erwähnt: Es braucht eben Tatsachenfeststellung. Es reicht vor Gericht nicht aus zu sagen, das ist ein Reichsbürger.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nichts an- deres haben wir gesagt!)

Ach, Herr Fiedler, ich widerspreche Ihnen gerade gar nicht.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Oh, das kommt aber selten vor!)

Genau. Aber Ihrem Kollegen will ich mal erklären, wie das funktioniert, weil er ja meint, das wäre alles irgendwie total falsch, was ich hier vorn sagen würde. Nein, es braucht vorher diese Tatsachenfeststellung, dann kann man jemandem den Waffenbesitzschein untersagen. Das ist das Erste. Und das Zweite: Wenn dann die Waffen vergeben sind – und wir haben in Thüringen Reichsbürger, die im Besitz von legalen Waffen sind –, dann braucht es eben auch einen anderen Umgang und der geht unter anderem damit los, dass man mehr Kontrolle bei denjenigen durchführt, die legal im Besitz von Waffen sind. Punkt!

(Unruhe CDU)

Als Letztes, weil Sie hier sagten, dass Thüringen nichts machen würde. Es gab 2017 eine Bundesratsinitiative aus Thüringen und Hessen, in der unter anderem gefordert wurde, eine Regelüberprüfung des Waffenbesitzes durch den Verfassungsschutz vorzunehmen, um unter anderem Reichsbürgern und Neonazis die Waffen besser und schneller entziehen zu können. Diese Bundesratsinitiative aus Thüringen – Sie wollen ja, dass Thüringen nach vorn stößt und Vorreiter ist –, wurde durch die CDU-geführte Bundesregierung abgelehnt. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Möller hat sich noch zu Wort gemeldet, dann Herr Prof. Dr. Voigt. Herr Innenminister, Sie lassen die Abgeordneten vor? Vielen Dank.

Ja, es hat mich noch mal nach vorn getrieben. Herr Fiedler, wir können uns doch ganz sachlich um das Thema kümmern. Ertüchtigen Sie die Polizei, ertüchtigen Sie die Staatsanwaltschaft, verbessern Sie die Kapazität der Gerichte, verbessern Sie die Schlagkraft und auch den Weitblick des Verfassungsschutzes. Überall da haben Sie uns an der Seite. Dann wird sich das selbstverständlich gegen alle Gefahren für Ordnung und Sicherheit richten, unter anderem natürlich auch gegen Leute, die eine komische Auffassung haben, was unseren Staat oder seine Existenz angeht, und die das möglicherweise sogar gewaltsam durchsetzen, wenn es so etwas gibt. Da sind wir voll bei Ihnen.

Wogegen wir was haben, ist, wenn man Waffenbehörden, die nun wirklich die falschen Behörden dafür sind, dann auch noch mit einem falschen Auftrag versieht, nämlich eine Gesinnung zu prüfen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Haben wir doch gar nicht!)

Das ist nicht in Ordnung, zumal bei den Fällen, die jetzt hier überall zitiert werden, also Beschlagnahme von Waffen bei Reichsbürgern und auch bei den beiden Waffeneinsätzen – zumindest der letzte große Waffenfund in Sondershausen war meines Wissens ein Fall von illegalem Waffenbesitz.

Herr Möller, kommen Sie bitte zum Ende.

Genauso war es auch bei dem Fall in Sachsen-Anhalt. Kümmern Sie sich um die illegalen Waffen, damit werden die Morde begangen, damit werden die Straftaten begangen. Bei den legalen Waffen steigt die Anzahl der Waffen seit Jahren und die Anzahl der Straftaten sinkt seit Langem.

(Beifall AfD)

Nun ist die Redezeit vorbei. Herr Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, ich finde wir müssen zwei Sachen unterscheiden. Das eine – verstehen Sie mich nicht falsch, Frau König-Preuss –, ich glaube, hier geht es nicht um die prinzipielle Frage, wie Schützen oder andere mit Waffen umgehen. Ich finde, wir dürfen das auch nicht in einen Topf werfen. Die zu stigmatisieren ist falsch, sondern wir müssen das Problem benennen

(Abg. König-Preuss)

(Beifall CDU)

und das Problem lautet in dem konkreten Fall: Reichsbürger. Darum geht es im Antrag der CDUFraktion.

(Beifall CDU)

Mich hat hier, Herr Möller, Ihre erste Wortmeldung nach vorn getrieben, weil, ich meine, das wollen Sie ja, die Provokation,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nein!)

sich so hinzustellen und zu sagen, ja, ja, das sei freiheitsabschneidend, dass diejenigen dann im Besonderen behandelt würden. Dann kann ich Ihnen nur eines sagen: In diesen Tagen muss man besonders sensibel sein, wenn es um die Frage geht, wie wehrhaft wir eigentlich als Demokratie und als Staat sein wollen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ja, richtig!)

Wir haben schon eine Republik gehabt, die nicht wehrhaft gewesen ist, sondern, wo sogar Verfassungsfeinde von dem Staat beschützt wurden, bis sie am Ende diesen Staat abgeschafft haben. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Der CDU-Antrag zielt darauf ab, dass diese Verfassung und dass dieser Staat wehrhaft ist.

(Beifall CDU)

Ich kann Ihnen nur sagen: Die Entschlossenheit dieses Staates auch gegenüber diesen Feinden, sich der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gegenüber nicht neutral zu verhalten, sondern einen Standpunkt zu vertreten, hat nun bei Weitem nichts mit dem Historikerstreit zu tun, was ich – offen gestanden – eine Unverschämtheit an sich finde, das in dem Kontext zu zitieren

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD)

nein –, weil das natürlich eine kleine perfide Fußnote von Ihnen gewesen ist, um wieder einmal so ein bisschen Ihre kleine Ideologie da hineinzuschmuggeln. Das mal zu benennen, finde ich offen gestanden, ist hier wichtig.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben ein ganz klares Verfassungsrecht. Das – auch ausgelegt durch das Bundesverfassungsgericht – sagt ganz eindeutig, dass Artikel 5, die freie Meinungsäußerung, und Artikel 2, das persönliche Entfaltungsrecht des Einzelnen, vieles abdeckt. Aber es ist auch eingeschränkt – jeder Verfassungsrechtler weiß das auch. Es ist dann eingeschränkt, wenn die freiheitliche demokratische Grundordnung bedroht ist. Bei den Reichsbürgern geht es sogar noch einen Ticken weiter. Sie akzeptieren ja nicht mal das, was wir als freiheitliche demokratische Grundordnung verstehen. Insofern ist der CDU-Antrag eben genau dagegen gewendet.

(Beifall CDU, SPD)

Herr Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Sie dürfen gleich, ich führe noch aus und dann dürfen Sie eine Frage stellen. – Deswegen gibt es auch einen Prüfmaßstab dafür. Dieser Prüfmaßstab lautet eben Rechtstreue. Sie stellen sich immer hier so hin als den letzten Lordsiegelbewahrer von Rechtstreue und Verfassung in Deutschland. Aber wenn Sie zum ersten Mal dazu befragt werden, wie Sie mit Reichsbürgern umgehen, stellen Sie sich hierhin und versuchen das zu relativieren. Das ist das, was mich eigentlich hier nach vorn getrieben hat, weil es eben die Doppelzüngigkeit offenlegt, mit der Sie immer wieder agieren. Und die Rechtstreue ist sogar Maßstab bei der Prüfung, ob jemand Waffen tragen darf oder eben nicht.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

Auch das ist klar im Waffengesetz geregelt. Es steht in § 45 Abs. 2 Waffengesetz: Der Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen ist dann zu vollziehen, wenn der Verdacht der Verfolgung oder Unterstützung von Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung besteht. – Das ist der Antrag der CDU-Fraktion, deswegen wollen wir das, weil wir sagen: Wenn eindeutig Leute identifiziert sind als Reichsbürger, die diesen Staat ablehnen und diesen Staat bekämpfen, dürfen sie keine Waffen tragen. Und das ist unser Prüfmaßstab, belegt durch das VG Cottbus, belegt durch das VG Gera. Und daran sehen Sie, dass wir nicht nur in der Interpretation unserer eigenen Fraktion, sondern auch durch die Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland gedeckt sind. Sie sollten sich hinter so was stellen und nicht mit kleinen Winkelzügen dagegen agieren. Das ist das falsche Versprechen von Rechtstreue, das Sie immer versuchen zu geben, und wir müssen da dagegenstehen.

Jetzt können Sie Ihre Frage stellen.

(Beifall CDU, DIE LINKE; Abg. Gentele, frak- tionslos)

Ihre Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Möller.

Herr Prof. Voigt, ich habe eben zum Erstaunen von Ihnen vernommen, dass der Staat nicht neutral sein muss. Dann frage ich mich: Welche Gesinnung darf es denn sein? Woran unterscheidet sich denn dann

(Abg. Prof. Dr. Voigt)

der Rechtsstaat vom Gesinnungsstaat? Das könnten Sie mir vielleicht noch mal genauer erklären.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Es gibt eine Verfassung! Grundgesetz lesen!)

Ja, das ist ganz simpel. Wir haben eine freiheitlichdemokratische Grundordnung. Ich kann Ihnen sogar die Bundesverfassungsgerichtsurteile dazu nachher zur Verfügung stellen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Der muss nicht neutral sein?)

Nein, noch mal: Sie haben individuelle Grundrechte und die individuellen Grundrechte in Deutschland enden dort, wo sie entweder einer anderen Person schaden oder diesem Staat an sich schaden. Bis dahin können Sie alles sagen und denken, was Sie wollen. Aber wenn Sie einer einzelnen Person oder dem Staat an sich Schaden zufügen wollen, dann wehrt sich der Staat dagegen. Das ist wehrhafte Demokratie, das ist das, was die Väter des Grundgesetzes gedacht haben, das ist das, was das Bundesverfassungsgericht interpretiert, und das ist das, wofür wir als CDU-Fraktion stehen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Weitere Wortmeldungen? Bitte schön, Herr Abgeordneter Fiedler.