Protokoll der Sitzung vom 31.08.2018

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Sehr richtig, sehr gut!)

Die Rechtspopulisten und Rechtspopulistinnen begründen ihre Forderungen also mit einem Skandal, einem Skandal, der, wie die Bundesregierung inzwischen selbst auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag mitteilte, keiner ist,

(Beifall DIE LINKE)

zumindest nicht in dem von Seehofer, AfD und Co. propagierten Sinne.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, etwa 32.500 Fehlentscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge mussten im Jahr 2017 korrigiert werden, aber eben von Gerichten und zugunsten von Geflüchteten, meine Damen und Herren. Hinzu kommen etwa 4.500 Fälle im Jahr 2017, in denen das BAMF selbst die eigenen Entscheidungen im Sinne der Betroffenen korrigiert hat. In Widerrufsverfahren, wie sie die AfD jetzt für jedes einzelne Verfahren nach Ablauf der drei Jahre fordert, wurden im

ersten Halbjahr 2018 von 43.298 überprüften positiven Entscheidungen des BAMF 99,3 Prozent bestätigt. Solche anlasslosen Widerrufsverfahren gibt es übrigens nur in der BRD und in Österreich, das vor einigen Jahren dem Beispiel der Bundesrepublik gefolgt ist und sie ebenfalls eingeführt hat.

Bei der Überprüfung von Anerkennungen durch die BAMF-Außenstelle in Bremen ergaben sich nach einer Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs der Bundesregierung Stephan Mayer Mitte Juli bislang vier – in Worten: vier – Widerrufe und 13 – in Worten: dreizehn – Rücknahmen bei mittlerweile, also im Juli, 490 abschließend geprüften Vorgängen. Inzwischen sind Angaben aus einem internen Prüfbericht bekannt geworden. Bei rund 18.300 überprüften positiven Asylbescheiden – seit 2000 wurde überprüft – sind gerade einmal 165 grobe Verstöße gegen Vorgaben entdeckt worden. Wie viel Prozent das sind, können Sie selber ausrechnen, sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 0,9!)

Frau Rothe-Beinlich hat es ausgerechnet.

Dass das aber grobe Verstöße gegen Vorgaben sind, bedeutet noch lange nicht, dass die Bescheide anders ausgefallen wären, nämlich negativ erlassen worden wären, wenn die Vorgaben, zum Beispiel die Durchführung einer Sicherheitsprüfung, beachtet worden wären.

Der eigentliche Skandal, meine Damen und Herren, ist doch, dass Gerichte im Jahr 2017 32.000 negative Asylbescheide des BAMF korrigieren mussten und dass AfD, Seehofer und Co. das Asylrecht immer noch weiter aushöhlen wollen. Der eigentliche Skandal ist, dass die systemischen Mängel im BAMF nicht beseitigt werden, Mängel im System, die die Asylsuchenden ausbaden müssen, beispielsweise dass immer noch etwa 10 Prozent der Bescheide in Entscheidungszentren verfasst werden, dass also Menschen entscheiden, die die Asylsuchenden in der Anhörung überhaupt nicht selbst erlebt und kennengelernt haben, Menschen, die die Aktenlage kennen und nicht den Menschen, der Asyl beantragt. Ein Hauptbestandteil des Skandals ist, dass nur positive Bescheide überprüft werden und nicht negative Bescheide überprüft und korrigiert werden, die Asylanträge abgelehnt haben, obwohl bekannt ist, dass aufgrund der systemischen Mängel und auch politischer Vorgaben im BAMF immer wieder Fehler passieren, oft nach unzureichenden Anhörungen mit pauschalen, häufig überhaupt nicht zur antragstellenden Person und ihrer Fluchtgeschichte passenden Begründungen, die als wahllos in den Bescheid kopierte Textbausteine erkennbar sind.

Zusammenfassend: Wofür die Linke sich einsetzt, sind faire Asylverfahren, Entscheidungen, die nach ausführlicher Anhörung von den Anhörenden getroffen werden unter Abwägung aller aktuellen Entscheidungsgründe und ohne Misstrauen gegenüber den Asylsuchenden. Wofür die Linke steht, ist ein rechtsstaatliches Verfahren, in dem für Geflüchtete ausreichend Rechtsmittel und auch die Zeit, diese geltend zu machen, zur Verfügung stehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für faire Verfahren steht die Linke, in denen jeder Einzelfall zählt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete RotheBeinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, beginnen wir doch mal mit dem ehemaligen Oberleutnant Franco A., der hier soeben von Herrn Henke von der AfD zitiert wurde. Was wollte denn Franco A., als er sich als syrischer Flüchtling ausgab? Franco A. ist ein Rechtsextremer, der gemeinsam mit seinen Gesinnungsgenossen rechtsextreme Anschläge begehen und diese dann Geflüchteten unterschieben wollte, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Das war das Ziel, dafür war er im Übrigen angeklagt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Woher weiß ich denn das? – Das weiß jede und jeder, der oder die das nachlesen möchte.

(Unruhe AfD)

Die „Tagesschau“ beispielsweise hat darüber berichtet. Das ist für Sie natürlich wieder Lügenpresse. Die Rufe kennen wir ja aus Ihren Reihen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die gucken „Russia Today“!)

Aber machen Sie es sich einfach mal klar: Das war der Hintergrund und das ist das Perfide, dass sich ein Nazi als Flüchtling ausgeben wollte, um Stimmung gegen Geflüchtete zu machen. Das müssen Sie sich hier auch sagen lassen. Die AfD versucht also einmal mehr, mit dem vorliegenden Antrag die im Frühjahr 2018 bekannt gewordenen Vorfälle in der Bremer Außenstelle des BAMF zu nutzen, um damit die aktuelle Verwaltungspraxis in Thüringen zu kompromittieren und das Asylrecht zu schärfen. Das ist übrigens eine spannende Frage, was die

Bremer Außenstelle direkt mit Thüringer Landespolitik zu tun hat. Aber das ist ja bei vielen Anträgen der AfD so, dass sie eigentlich keinen Bezug zu Thüringen haben.

Diesen Antrag werden wir selbstverständlich ganz klar ablehnen und ich will Ihnen auch sagen warum.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus unserer Sicht besteht überhaupt kein Anlass, an der Rechtmäßigkeit der Asylverfahren zu zweifeln, schon gar nicht in Thüringen. Ich muss auch noch mal ein paar Zahlen wiederholen, die meine Kollegin Sabine Berninger eben schon einmal vorgetragen hat, weil Wiederholung ja bekanntlich eine gute Variante ist, um es vielleicht dann doch irgendwann zu verstehen. Nachdem zeitweise von mehr als 1.200 Betrugsfällen mit Bezug zum BAMF in Bremen ausgegangen wurde, stellte sich – Jetzt hören Sie mir gut zu! – nach ausführlichen Überprüfungen heraus, dass die überwiegende Mehrheit der Bescheide völlig korrekt ausgestellt wurde.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Wer hat denn überprüft?)

Von 18.315 positiven Bescheiden – nur weil Ihnen das Ergebnis nicht passt, müssen Sie ja jetzt nicht rumjaulen, also mal ganz ernsthaft – wurden letztlich 165 Fälle – und Frau Berninger hat vorhin gefragt, es sind genau 0,9 Prozent – bemängelt.

(Unruhe AfD)

Jetzt stellen Sie sich das mal in einer normalen Firma oder bei irgendeiner anderen Stelle vor. Es ist nicht einmal 1 Prozent der Bescheide, die einen Fehler enthalten haben. Ebenso ergab eine bundesweite Prüfung, dass von mehr als 43.000 abgeschlossenen Prüfverfahren nur 307 inklusive Bremen damit endeten, dass das BAMF den betroffenen Flüchtlingen den bereits gewährten Schutzstatus wieder entzog. Ich kann Ihnen versichern, es gibt sehr viel mehr Bescheide, die fehlerhaft sind, die zunächst für die Betroffenen ein sehr viel größeres Problem bedeuten, weil sie nämlich den Schutzstatus nicht gewähren, obwohl er ihnen zusteht, was sich dann bei der Überprüfung wieder herausstellt. Einmal mehr versucht die AfD also, massiv Stimmung zu machen. Bei näherem Hinschauen löst sich jedoch vieles in Luftnummern auf.

Auch den zwei formulierten Forderungen der AfD erteilen wir eine klare Absage.

(Beifall DIE LINKE)

Die Begründung – eigentlich ist es gar nicht notwendig –: Dass die kommunalen Ausländerbehörden vor Ablauf einer Aufenthaltserlaubnis beim Bundesamt nachfragen sollen, ob ein Widerrufsoder Rücknahmeverfahren zur positiven Asylentscheidung eingeleitet wurde, ist völlig entbehrlich.

(Abg. Berninger)

Das BAMF muss nämlich sowieso spätestens nach drei Jahren prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Entscheidung vorliegen. Weitere Maßnahmen halten wir für schlichtweg nicht notwendig. Aber womit sollten Sie auch Stimmung machen, wenn nicht gegen Geflüchtete – nicht, Herr Möller? Ist halt relativ schlicht Ihre Basis, auf der Sie agieren.

(Unruhe AfD)

Hass und Hetze werden jedenfalls dauerhaft nicht zum Erfolg führen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die zweite Forderung der AfD ist mehr als überflüssig, denn eine Einzelfallprüfung der zuständigen Behörden findet bereits jetzt bei der Verlängerung der Asylentscheidung statt. Vielleicht hätte sich die AfD ein wenig mehr mit der aktuellen Verwaltungspraxis auseinandersetzen sollen, anstatt hier mit unsinnigen Forderungen und plumper Stimmungsmache die wertvolle Parlamentszeit im Landtag zu verschwenden. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Möller das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Unsere Hoffnung, die mit diesem Antrag verbunden war, war nicht, dass wir jetzt mal alle kräftig über Flüchtlinge hetzen, denn gegen echte Flüchtlinge haben wir ja nichts, sondern wir wollen den Missbrauch beenden, der sich offenkundig durch die laxe Verwaltungspraxis, insbesondere beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie missbrauchen das Parlament!)

eingeschlichen hat.

(Beifall AfD)

Sie können jetzt hier natürlich mit Ihrer Statistik operieren, aber die Fälle sind doch alle bekannt. Die Fälle sind alle bekannt und die machen den Missbrauch und die massiven Fehler in der Verwaltung offensichtlich. Der Asylbewerber Franco ist schon genannt worden,

(Unruhe DIE LINKE)

der sich übrigens nach den letzten Meldungen auch in der etablierten Presse keineswegs für An

schlagspläne verantworten musste. Der hat zwar einiges auf dem Kerbholz, aber das nicht. Was Sie hier also verbreiten, Frau Kollegin Rothe-Beinlich, das sind leider Fake News, anders kann man es nicht bezeichnen. Schauen Sie nach! Zum Beispiel in „Welt“-Online vom 04.09.2017 – googeln Sie mal einfach „Franco A. keine Anschlagspläne“ – haben Sie es sofort gefunden, erster Treffer.