Im Ergebnis dessen gilt nach wie vor: Die uns zur Verfügung stehenden landesplanerischen Instrumente sind gut und sind ausreichend. Die Steuerung durch die regionalen Planungsgemeinschaften ermöglicht es, die Interessen der Windenergienutzung mit den örtlichen Belangen und denen der Bürgerinnen und Bürger gemeindeübergreifend zu koordinieren und zu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen. Hieran wollen wir in Thüringen auch festhalten.
Lassen Sie mich zum Antrag Brandenburgs etwas sagen. Der Bundesratsantrag Brandenburgs möchte durch eine Änderung des Baugesetzbuchs die Windenergienutzung von der Privilegierung im bauplanungsrechtlichen Außenbereich ausnehmen. Damit soll eine Stärkung der gemeindlichen Planungsebene erreicht werden und damit eine stärkere Partizipation und Teilhabe der Bevölkerung. So weit so gut. Auch mit einer solchen Entprivilegierung der Windenergienutzung hat sich der Thüringer Landtag bereits mehrfach befasst und sich zu Recht dagegen ausgesprochen. Hier galt und gilt: Die Windenergie gehört in den Außenbereich, da dürften sich alle einig sein. Und es gibt gute Gründe, warum Windenergieanlagen im Außenbereich als sogenannte privilegierte Vorhaben gelten. Denn wären sie das nicht, wären sie nur auf der Grundlage einer entsprechenden Bauleitplanung der Kommunen zulässig, da das Bauen im Außenbereich sehr strikten Vorgaben unterliegt. Insofern wäre es nicht eine Verschiebung der Verantwortung an die Landesregierung, sondern in die Verantwortung der Kommunen mit all seinen Konsequenzen.
Vor diesem Hintergrund dürfte es sich bei der vermeintlichen Stärkung kommunaler Planungsebenen um ein Scheinargument handeln. Es ist mehr als zweifelhaft, dass eine Abwälzung der planerischen Steuerung der Windenergienutzung auf die Gemeinden hier zu sachgerechteren und die Akzeptanz und Teilhabe stärkenden Ergebnissen führt. In Thüringen ist die planerische Steuerung der Windenergienutzung aus diesem Grund den regionalen Planungsgemeinschaften zugewiesen. Wie viele Gemeinden in Thüringen wären denn ohne Weiteres in der Lage, gemeindliche Bauleitpläne aufzustellen, die dann den hohen Anforderungen der
Rechtsprechung an ein wirksames Plankonzept genügen? Ich habe noch sehr deutlich vor Augen, welch eine hohe Menge an Stellungnahmen zum Windenergieerlass in meinem Haus eingegangen ist. Stellen Sie sich vor, wie eine Gemeinde bei der gemeindlichen Bauleitplanung diese in angemessener Zeit bewältigen sollte! Von der im Antrag angeführten Waffengleichheit kann keine Rede sein. Es ist vielmehr zu befürchten, dass auf diese Art die planerische Steuerung der Windenergienutzung gerade eben nicht erreicht wird.
Wir als Thüringer Landesregierung stehen nach wie vor zu unseren energiepolitischen Zielen. Und ja: Ich wünsche mir auch, dass die Frage von Infraschall und Befeuerung sobald als möglich geregelt wird. Auch wenn es hier nicht um gesundheitliche Auswirkungen geht, so berichten doch immer wieder Menschen, dass er doch große Wirkung auf den Schlaf hat. Deshalb bin ich mir sicher, dass wir hier auch bald zu einer Lösung kommen müssen. Wir stehen für unsere Verantwortung für die Energiewende und wir stehen dafür, dass die planerische Steuerung der Windenergieplanung auf der Ebene der Regionalplanung erfolgt. Diese im Landesentwicklungsplan Thüringen 2025 festgelegte Verfahrensweise ist nach wie vor sachgerecht.
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Tasch, weil Sie in Ihrem Beitrag auf Bayern eingegangen sind, will ich dazu noch mal Folgendes ausführen: In der nächsten Woche wird Bundesminister Altmaier hier nach Thüringen kommen, um den SuedLink und andere zu verteidigen. Wer glaubt, dass die Zurückdrängung der Windenergieanlagen Bayerns nichts mit dem SuedLink zu tun hat, der nun durch Thüringen führen soll und in Bayern Energie bringen darf, aus dem Wind von Norden, der hat weit geirrt. Hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Und ich denke, die Thüringerinnen und Thüringer haben ein Recht darauf, auch das zu erfahren. Wir werden in der nächsten Woche auch darauf aufmerksam machen.
Es gibt keine weiteren Redemeldungen mehr. Wir kommen dann zur Abstimmung. Ausschussüberweisung wurde nicht beantragt, deswegen stimmen wir direkt über den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/6353 ab. Wer diesem Antrag folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU-Fraktion und der AfDFraktion. Wer ist gegen diesen Antrag? Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen. Der Antrag ist damit mit Mehrheit abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Oh, es gab 1 Stimmenthaltung, Entschuldigung! 1 Stimmenthaltung des fraktionslosen Abgeordneten Krumpe. Die nehmen wir dann auch mit ins Protokoll auf zum Tagesordnungspunkt 20 a.
Überprüfung von Todesfällen rechter Gewalt in Thüringen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6361
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Ja, Abgeordneter Schaft von der Fraktion Die Linke erhält das Wort.
Werte Kolleginnen und Kollegen und auch die verbliebenen Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, als rot-rot-grüne Koalitionsfraktionen haben wir den Antrag „Überprüfung von Todesfällen rechter Gewalt in Thüringen“ vorgelegt. Die Frage nach dem Warum beantwortet sich relativ schnell, wenn man einmal einen Blick auf die Zahlen wirft, die auch aus dem Antrag hervorgehen. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen/Akteure sprechen von – oder haben auch recherchiert – einer vermuteten Anzahl von Todesfällen durch rechte Gewalt von 193 Personen seit dem Jahr 1990, während staatlich allerdings nur 83 anerkannt sind. Wenn wir den Blick nach Thüringen lenken, zeigt sich eine ähnliche Diskrepanz. So wird von staatlicher Seite auch hier die Zahl der Opfer niedriger beziffert, während in Thüringen lediglich ein Opfer offiziell anerkannt wird, sprechen Opferberatungsstellen von acht Todesfällen durch rechte Gewalt seit dem Jahr 1990.
Anlass dieses Antrags ist auch die Entscheidung im Mai 2018 in Berlin. Dort stufte die Polizei sechs Todesfälle nachträglich als rechtsmotiviert ein. Das war die Folge einer wissenschaftlich unabhängigen Untersuchung durch das Moses Mendelssohn Zentrum in Berlin, und auch Brandenburg folgte diesem Beispiel. Zudem ist dieser Antrag aber auch am Ende eine Konsequenz aus der Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses, denn hier ist deutlich geworden, welche Gefahr hier im Nichtanerkennen oder Nichterkennen rechter Tatmotive und einer Relativierung des Ausmaßes rechter Gewalt liegt.
Und auch in der Enquetekommission „Rassismus und Diskriminierung“ hat das Deutsche Institut für Menschenrechte Bezug nehmend auf die ECRI – also Europäische Kommission gegen Rassismus
und Intoleranz – eine Empfehlung ausgesprochen, eine solche Maßnahme durchzuführen. Das sind die Zahlen und das sind die Empfehlungen, denen wir folgen. Aber wir sind es auch darüber hinaus am Ende den Opfern sowie den Angehörigen und Hinterbliebenen schuldig, dass diese Fälle noch mal neu aufgerollt werden und wissenschaftlich unabhängig überprüft werden, damit hier noch mal nachgeprüft wird, ob nicht tatsächlich auch eine nachträgliche Anerkennung als Opfer rechter Gewalt vorliegt. Das sind wir den Hinterbliebenen schuldig. Vielen Dank.
Ich eröffne die Beratung und gebe als erster Rednerin Abgeordneter Lehmann von der SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Frau Präsidentin, am Abend des 16. Juni 2012 dringen zwei Brüder, 17 und 23 Jahre, sowie ein 19-Jähriger in Suhl im Plattenbauviertel Nord in die Wohnung des 59-jährigen Klaus-Peter Kühn ein. Sie fordern von dem alkoholkranken Arbeitslosen Geld, um Schnaps zu kaufen. Kühn gibt ihnen 2 Euro und sagt, mehr habe er nicht. Als die Täter in der Wohnung weitere 25 Euro finden, beginnen sie, den Mann zu quälen. Mit Fäusten und Füßen, einem Stuhl, einem Fernseher, einer schweren Tischplatte dreschen sie auf ihn ein. Zwischenzeitlich verlassen sie die Wohnung, um Alkohol kaufen zu können, nehmen Schlüssel, Portemonnaie und Mobiltelefon des Opfers mit. Nach ihrer Rückkehr gehen die Misshandlungen weiter. Sie schlagen erneut auf ihn ein, urinieren auf den Schwerverletzten, stecken einen glühenden Zigarettenstummel in sein Nasenloch. Dieser Bericht geht noch viel weiter als das, was ich jetzt vorgelesen habe. Er ist Teil einer viel beachteten Langzeitstudie, die der Tagesspiegel veröffentlicht hat, und es ist einer der Fälle, die aktuell nicht in der Liste staatlich anerkannter Todesopfer rechter Gewalt aufgeführt werden, und das, obwohl die Täter angeben, am 20. April – also am Geburtstag Hitlers – immer etwas zu feiern zu haben, obwohl sie bekannt waren für Hakenkreuzschmierereien, auch dafür schon verurteilt waren.
Die Zahlen über die Opfer rechter Gewalt schwanken, das hat mein Kollege Schaft eben schon ausgeführt. Die Bundesregierung spricht offiziell von 23 Todesopfern seit der Wiedervereinigung. Zivilgesellschaftliche Akteure sprechen von bundesweit 193 Fällen. Der Tagesspiegel hat in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden Justizberatungsstellen für Opfer rechter Gewalt und Angehörige be
fragt, was bereits dazu geführt hat, dass in mehreren Bundesländern – unter anderem in Berlin und Brandenburg – auch Fälle überprüft wurden, die zunächst nicht als politisch eingestuft wurden und jetzt offiziell anerkannt sind. In Thüringen ist bisher nur ein Fall anerkannt, der sich am 15. Januar 1993 zugetragen hat. Unsere Thüringer Opferberatungsstelle ezra geht von mindestens sieben weiteren Fällen aus. Der Grund für die Diskrepanz ist, dass die Motivation bei Ermittlungen häufig übersehen wird, vor allem dann, wenn es sich bei den Motiven um rechte Gewaltlegitimation, um ein Feindbilddenken oder rassistischen und sozialdarwinistisch motivierten Hass handelt.
Wir fordern in unserem Antrag daher auf, eine wissenschaftliche Überprüfung durch ein externes Forschungsinstitut nach dem Vorbild in Berlin und Brandenburg vorzunehmen. Diese Überprüfung hat zum Beispiel in Brandenburg dazu geführt, dass die Zahl staatlich anerkannter Todesopfer durch rechte Gewalt von neun auf 18 korrigiert wurde. Es ist damit quasi auch eine Grundlage für eine politische und gesellschaftliche Aufarbeitung dieser Fälle. Das ist notwendig, weil der Freistaat damit ein Verantwortungsbewusstsein zeigt für die Opfer rassistischer und rechtsmotivierter Gewalt und für deren Hinterbliebene. Es ist ein weiterer Schritt dazu, dass Tatmotive durch Ermittlungs- und Justizbehörden künftig besser eingeordnet werden. Der Abschlussbericht des Mendelssohn Instituts hat gezeigt, in Untersuchungen, die in Brandenburg durchgeführt wurden, dass Behörden den rechten und rassistischen Kontext von Instanz zu Instanz politisieren können.
Hierzu ein kurzes Zitat aus dem Bericht: Wurden von der Polizei noch mögliche rechte oder rassistische Bezüge, wie zum Beispiel die Einbindung der Täter in rechten Strukturen, aufgeführt, fanden sich in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft nur noch selten Hinweise auf eine politische Motivation. Die Urteile der Justiz ignorierten diese zumeist völlig. Daran wird deutlich, wie notwendig diese Thematisierung von Rassismus und Neonazismus in Strafprozessen ist, wie sie oft auch nur durch Nebenklagevertretungen eingebracht wird.
Das ist aus unserer Sicht wichtig, weil sich aus der staatlichen Anerkennung zum Beispiel Ansprüche für die Hinterbliebenen ergeben, zum Beispiel Härteleistungen für Opfer rechtsextremer Gewalt beim Bund. Es gibt aber vor allem auch Klarheit über das Ausmaß rechter Gewalt. Aber vor allem sind wir es den Opfern schuldig und auch der Rechtsstaatlichkeit in diesem Land. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Überprüfung von Todesfällen rechter Gewalt, der heute hier im Plenum vorliegt, hat uns ja in der letzten Legislatur schon ähnlich erreicht. Darauf werde ich dann kurz eingehen, aber ich möchte vorwegschicken, dass grundsätzlich jedes Opfer eines Gewaltverbrechens beklagenswert ist. Besonders verachtenswert ist natürlich ein Gewaltverbrechen, das politisch motiviert ist. Nicht zuletzt der NSU-Untersuchungsausschuss bzw. die Opfer des NSU haben gezeigt, mit welcher Dramatik das einhergehen kann, wenn man nicht rechtzeitig erkennt, worum es sich handelt, obwohl – auch das muss ich dazu sagen – gerade in Bayern Innenminister Beckstein sehr frühzeitig darauf hingewiesen hat, ob es sich nicht um eine rechtsmotivierte Straftat handeln könnte, und dementsprechend auch Personal eingesetzt hat. Über 200 Beamte waren damals im Einsatz, um dieses zu klären, leider, wie wir heute wissen, ohne Erfolg.
Ich komme kurz darauf zurück, was ich eingangs gesagt habe: Wir hatten das Thema auch schon in der letzten Legislaturperiode. Hier wurde schon gefordert, dass entsprechende Altfälle aus den Jahren 1990 bis 2011 überprüft werden sollen. Der damalige Innenminister, Herr Geibert, hatte dazu im Plenum im Jahr 2014 ausgeführt, dass eine Überprüfung der Altfälle zwischen 1990 und 2011 stattfinde und diese Überprüfung noch im Jahr 2014 abgeschlossen wird. Dann waren drei Monate später Wahlen und seitdem haben wir nichts mehr gehört. Das wäre sicherlich nicht schlecht gewesen, es wäre der erste Schritt, wenn uns das Innenministerium mal darüber informiert hätte, was die Prüfung ergeben hat.
Nun sollen durch Landtagsbeschluss weitere Opfer auf rechtsextreme Einordnung hin überprüft werden. In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1995 aus der letzten Legislatur wurde auf den Kriterienkatalog des BKA, auf die Einordnung der Straftaten hingewiesen. Dort wurde ausgeführt und ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin aus der Information zum polizeilichen Definitionssystem politisch motivierter Kriminalität: „Der politisch motivierten Kriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn [...] Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person gerichtet sind, wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äu
ßeren Erscheinungsbilds, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status [...].“
Das ist die Definition. Ich denke, die Eingruppierung und die Aufzählung sind sehr umfangreich, und ich finde auch, das ist richtig so und wir sollten letztendlich auch zukünftig bei dieser Definition bleiben.
Was aber den Antrag anbelangt, so wird in diesem Antrag gefordert, dass die Überprüfung nicht mehr staatlichen Stellen überlassen ist, sondern es soll hier eine Kommission eingesetzt werden aus Wissenschaftlern – was ich ja noch nachvollziehen kann, wenn Wissenschaftler sich damit beschäftigen. Aber es geht ja noch weiter, auch zivilgesellschaftliche Gruppen und Fachjournalisten sollen einbezogen werden. Ich tue mich damit schwer, wenn diese Gruppen zusammengestellt werden, die sicherlich alle damit beschäftigt sind und das mehr oder weniger aus unterschiedlichen Blickpunkten betrachtet wird. Aber ich habe doch große Bedenken, dass das der richtige Weg ist, weil das letztendlich nichts anderes als, ja man kann schon sagen, einen Offenbarungseid gegenüber der Landesregierung darstellt, weil für mich nach wie vor erst mal die Landesregierung, die Justiz und die Polizei dafür zuständig sind. Die Arbeit des Innenministeriums, des Justizministeriums wird damit nicht besser dargestellt, sondern man hat den Eindruck, dass sie nicht über genügend Expertise verfügen und diese Expertise von anderer Seite bekommen müssen. Ich halte das nach wie vor für problematisch. Wenn von den zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sicherlich ihren großen Anteil haben, finde ich es ja gut, wenn es um solche Straftaten geht oder andere Delikte, wenn dann Informationen kommen, wenn Hinweise gegeben werden; ich meine, das erwarte ich letztendlich auch, wenn jemand Hinweise und Informationen hat, dass er die an die entsprechenden Stellen Justiz und Polizei weitergibt. Gleiches muss ich zu den Medien sagen, die aus meiner Sicht an der Stelle auch sehr viel geleistet haben, nicht zuletzt auch aus dem Blickpunkt eines Untersuchungsausschusses. Aber auch da muss ich sagen, es ist nicht ihre Aufgabe zu untersuchen, aber aufzudecken bzw. zu begleiten und entsprechend wichtige Hinweise zum Sachverhalt auch der Justiz und der Polizei zur Verfügung zu stellen. Ich denke, das ist der bessere Weg, als wenn ich eine Gruppe einrichte, die neben der Polizei und neben der Justiz an diesen Fällen mitwirkt. An dieser Stelle, denke ich, sind wir gut beraten, wenn wir es auch bei der Gewaltenteilung lassen und das in eine Hand begeben, bevor mehrere Meinungen, mehrere Gruppen an einem Fall arbeiten, noch dazu, wo die Zuständigkeit aus meiner Sicht nicht gegeben ist – was sie aber nicht entbindet, dass sie Informationen, wenn sie diese haben, auch weiterleiten und mit zur Aufklärung beitragen. Das ist auf jeden Fall zu begrüßen. Wir ha
ben in den zurückliegenden Jahren schon festgestellt, dass es da entsprechend Hinweise auch von außen gegeben hat, die die Polizei oder Justiz dann auf die richtige Spur geführt haben.
Besonders problematisch finde ich auch Punkt II.2. Hier steht, der Landtag soll die Landesregierung bitten, explizit zwei Fälle zu untersuchen und in einem Fall – einem scheinbar schon beurteilten – schwere Körperverletzung auch als Todesursache festzustellen.
Auch das ist aus meiner Sicht ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und davor möchte ich auf jeden Fall warnen.
Ich bin auf den Beitrag der Landesregierung gespannt, wie die Landesregierung diesen Antrag bewertet. Ich denke, das ist aus Sicht der Landesregierung schwierig nachzuvollziehen, dass ihre Arbeit letztendlich noch mal überprüft wird. Ich gehe immer davon aus, dass wirklich mit bestem Wissen, Gewissen und auch mit den entsprechenden Möglichkeiten und Know-how daran gearbeitet wurde und ermittelt wurde, dass die Delikte, die hier festgestellt und geahndet wurden, dann auch zutreffend sind. Deswegen bin ich sehr gespannt, wie das die Landesregierung wertet.
Ich könnte auch sagen, dass in dem Antrag ein gewisses Misstrauen gegenüber den Ermittlungsbehörden zu erkennen ist. Ich habe das nicht, das muss ich ganz klar sagen. Ich habe nach wie vor Vertrauen in den Rechtsstaat, in die Gewaltenteilung und auch in die Arbeit der Justiz und Polizei. Sicherlich ist das eine oder andere nicht so gut gelaufen, das sind alles Menschen, das muss ich auch sagen. Es werden Fehler gemacht. Wenn sie dann erkannt werden, ist es gut, dann wird das auch korrigiert. Es ist nun mal so, dass da, wo Menschen arbeiten, auch Fehler gemacht werden. Aber letztendlich gleich die Justiz und Polizei an der Stelle infrage zu stellen, dass sie die Gewaltkriminalität – bzw. ob da ein rechtsextremer Hintergrund im Spiel war – unter Umständen nicht richtig bewertet haben, das halte ich doch für sehr gewagt. Aus diesem Grund können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek an seinem mobilen Blumenstand in Nürnberg von Rechtsterroristen erschossen. Şimşek erlag zwei Tage danach seinen schweren Verletzungen. Nach dem Mord fanden wie überall Ermittlungen statt. Die Ermittler überprüften das nähere Umfeld, sie beschuldigten Familienangehörige, wobei sie diese mit erfundenen Geschichten konfrontierten. Sie versuchten, den Mordfall mit der Verwicklung in Drogengeschäfte zu erklären. Wie auch bei den vielen anderen Todesopfern des NSU erkannten die Ermittlerinnen und Ermittler an dieser Stelle nicht, dass es sich dabei um rassistisch motivierte Taten handelte und dass diese Menschen von Neonazis getötet worden sind.
Das bringt mich auch gleich zu dem, was Herr Kellner heute hier gesagt hat: Das Vertrauen in den Rechtsstaat haben einige in diesem Land verloren. Das haben nämlich unter anderem die Angehörigen der NSU-Opfer verloren, weil man dort eben nicht erkannt hat, was das Tatmotiv war, weil man dort die Angehörigen verdächtigt hat und weil man dort der rechtsstaatlichen Aufklärung nicht gerecht geworden ist. Die Erkenntnis aus dem NSU-Komplex ist eben, dieses rechtsstaatliche Vertrauen für diese Menschen wiederherzustellen. Deswegen ist es folgerichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir uns mit den Todesfällen, die wir hier in diesem Antrag genannt haben, noch einmal explizit auseinandersetzen und diese auf einen extrem rechten oder rassistischen Hintergrund hin überprüfen.