Protokoll der Sitzung vom 09.11.2018

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Krumpe das Wort.

Werte Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordnete, um es gleich mal vorwegzunehmen: Umweltpolitik ist

(Abg. Becker)

wichtig und auch die Pflege kulturhistorischer Erinnerungen ist wichtig,

(Beifall AfD)

aber gute Politik muss eben auch gut gemacht sein. Das vorliegende Gesetz ist eben nicht gut gemacht und auch nicht überzeugend.

(Beifall CDU, AfD)

Als eher technisch denkender Mensch mit gewisser Affinität zu räumlichen Daten und Analysen will ich mal anders an die Debatte herangehen. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz können nationale Naturmonumente ausgewiesen werden, wenn die Ausweisungsgründe aus § 24 Abs. 4 Satz 1 und 2 kumulativ vorliegen. Das heißt, ich ziehe auf einer Karte entlang des ehemaligen Grenzstreifens einen gelben Strich, und zwar dort, wo das wissenschaftlich, naturgeschichtlich oder landeskundliche Kriterium erfüllt ist, und ich unterbreche meinen Strich an den Stellen, wo das Kriterium nicht erfüllt ist.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Genau!)

(Beifall AfD)

Genauso verfahre ich mit dem zweiten Strich, den ich mit blauer Farbe auf die Karte zeichne, und zwar nur dort, wo das Kriterium Seltenheit, Eigenart oder Schönheit erfüllt ist. An den Stellen, wo aus beiden Strichen kürzere, aber dafür neue grüne Striche entstanden sind, dort könnten Ausweisungsgründe für ein Grünes Band gegeben sein. Jetzt muss man nur noch analysieren, wie viele grüne Striche auf meiner Karte sind und wie weit sie auseinanderliegen. Liegen sie weit auseinander, habe ich mehrere nationale Naturmonumente, liegen sie eng beieinander, habe ich möglicherweise ein riesiges zusammenhängendes nationales Naturmonument.

Meine Damen und Herren, was mein Sohn mit fünf Jahren locker hätte malen können, hat die Landesregierung in knapp zwei Jahren Debatte nicht auf die Reihe bekommen. Es fehlen sowohl die gelben Striche der Ausweisungsgründe Satz 1 als auch die blauen Striche der Ausweisungsgründe Satz 2, denn das Ministerium war eben nicht in der Lage, uns räumlich detailliert aufzuzeigen, wo der Kolonnenweg noch existiert und wo nicht und auch nicht, welche Abschnitte außerhalb der ohnehin schon geschützten Naturschutzgebiete eine besondere naturschutzfachliche Wertigkeit besitzen.

(Beifall AfD)

Dass es Regionen gibt, die das Kriterium „Landeskunde“ erfüllen, und wiederum andere Regionen, die das Kriterium „Eigenart“ erfüllen, ist unbestritten. Es geht aber darum herauszufinden, wo und wie lang die Abschnitte sind, in denen räumlich nachweisbar beide Ausweisungsgründe erfüllt werden.

Auch handwerklich weist der Gesetzentwurf Mängel auf: Es waren sechs Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen erforderlich, um das Gesetz heute hier abschließend zu beraten, aber bürgerfreundlich ist es immer noch nicht. Auf den beiliegenden Karten fehlen Flurnummern, administrative Grenzen sind überlagert, statt Linienbegleitsymbole zu verwenden. Die Aktualität der Liegenschaftskarte kann man würfeln und sich irgendwas zwischen 1. und 28. Februar 2017 aussuchen. Und um die Betroffenen so richtig zur Weißglut zu bringen, verzichtet man auf eine Kartenblattübersicht bei einem 854 Seiten starken Rahmenkartenwerk. Dafür kopierten die fleißigen Beamten aus dem Umweltministerium etwas einfallslos die Kartenlegende, die immerhin 20 Prozent der Gesamtkartengröße ausmacht, 853-mal – Hauptsache, der ministerielle Arbeitsalltag geht irgendwie herum.

(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Na, na, na!)

Mal ganz ehrlich: Ein Azubi im mittelständischen Landschaftsplanungsbüro hätte für diesen Verriss eine Abmahnung bekommen.

Liebe Kollegen, ich weiß, meckern ist einfacher als selbst machen, aber ich habe alle Anstrengungen unternommen, einen Änderungsantrag zu diesem Kartenwerk zu stellen. Die Quelldaten wurden mir von der Landesregierung jedoch verwehrt, unter anderem wegen noch nicht durchgeführter datenschutzrechtlicher Prüfung. Das muss man sich tatsächlich mal auf der Zunge zergehen lassen:

(Beifall AfD)

Bestandteile eines Gesetzes sind datenschutzrechtlich bedenklich. Also was, bitte schön, ist das für ein Gesetz?

(Beifall CDU)

Faktisch hat man mir das Recht verwehrt, einen Änderungsantrag zu einem Gesetz nach Beschlussfassung im Ausschuss zu stellen, obwohl dieses Recht in der Verfassung verankert ist. Inwieweit man unter diesem Umstand von einem verfassungsrechtlich unbedenklich zustande gekommenen Gesetzesbeschluss sprechen kann, muss geprüft werden, und das werde ich prüfen.

Liebe Frau Siegesmund, ganz kurz noch mal zu Ihnen: Wenn ich einen Änderungsantrag stellen möchte und Daten der Landesregierung benötige, dann verweisen Sie auf den formellen Weg im Rahmen einer Kleinen Anfrage. Wenn Rot-Rot-Grün einen Änderungsantrag verfassen möchte – das hat Herr Tilo Kummer heute mit dem Datum gemacht –, dann scheint auch der informelle Weg zu genügen.

Herr Abgeordneter Krumpe …

(Abg. Krumpe)

Aber auch die Beantwortung von Rückfragen zu

(Beifall CDU)

einer Mündlichen Anfrage erfolgt auf einem formellen Weg – so viel zur Fairness. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Kummer, Fraktion Die Linke, das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Lieber Jens Krumpe, ich habe vorhin der Landesregierung für ihre Hinweise, die sie uns im Gesetzgebungsverfahren im Ausschuss gegeben hat, gedankt – nicht mehr und nicht weniger. Ich bin immer wieder begeistert, wenn du bezüglich Kartenwerken und ähnlichen Dingen deine Überlegungen vorträgst, wo den anderen, die mit dem Bereich nicht so sehr verbunden sind, wirklich die Hochachtung im Gesicht geschrieben steht. Ich will trotzdem zu dem Punkt „Blaue und gelbe Linien“ noch etwas sagen, weil du vom Prinzip her recht hast. Aber die Erinnerungskultur und der Ansatz, die Erinnerungskultur hochzuhalten, gelten sicherlich für die gesamte ehemalige Grenze. So kann ich also die eine Farbe des Strichs durchziehen.

Jetzt ist die Frage: Wie ist das mit der naturschutzfachlichen Besonderheit? Da waren wir uns von vornherein einig, dass die nicht überall gegeben ist. Wie groß die Lücken sind, da gibt es unterschiedliche Auffassungen, darüber kann man trefflich streiten, aber ich sage eines dazu: Für mich ist wichtig, dass der Biotopverbundcharakter des Grünen Bands europaweit umgesetzt wird. Und da muss ich zum Teil auch aus dem Grünen Band rausgehen – das hatte ich vorhin versucht zu beschreiben –, weil ich eben die Notwendigkeit habe, den Biotopverbund auch manchmal an einer anderen Stelle zu suchen, weil es innerhalb des Grünen Bands inzwischen zu teuer geworden ist. Deshalb habe ich dort sicherlich Unterbrechungen, aber der Grundgedanke des Biotopverbunds zieht sich durch ganz Europa und deshalb habe ich auch hier eine durchgängige Linie. Deshalb lasst uns bitte so verfahren, wie hier vorgeschlagen.

Ich möchte zu Herrn Kießling noch etwas sagen. Herr Kießling, Sie sprachen von „Behördenwirrwarr“. Deshalb möchte ich eine Konkretisierung zum Änderungsantrag der Koalition treffen, der heute vorliegt, bezüglich der Behörden, die mitwirkungspflichtig sind. Es ist ganz klar, dass es sich um die Grundbuchämter und dass es sich im Moment um das Landesamt für Vermessung und Geoinformation handelt. Wir sind im Moment in dem

Bereich aber auch in einer Verwaltungsreform, deshalb wird sich der Name des Landesamts ändern, sodass wir hier keine Namen hineingeschrieben haben. Aber es ist klar, das sind die mitwirkenden Behörden und damit ist auch ein ganz eindeutiger Adressat dort und nicht die Stiftung Naturschutz. Das wollte ich hier noch mal klargestellt haben. Ich denke, dass wir damit auch wirklich für den Bürger eine nachvollziehbare Information gewährleisten.

(Beifall SPD)

Ich halte das Gesetz für gut gelungen und bitte um Zustimmung. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Frau Abgeordnete Herold für die Fraktion der AfD.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Internet! Wir haben heute den 9. November 2018. Vor 29 Jahren hat sich die Berliner Mauer geöffnet unter dem Druck von Massendemonstrationen, unter dem Druck und dem Einfluss von Michail Gorbatschow, der dem DDR-Regime klargemacht hat, dass das „Weiter so“ mit der Sowjetunion nicht gegeben ist und dass die Machthaber in Berlin, die verdorbenen Greise des Politbüros, ausgespielt haben.

(Beifall AfD)

Ich finde es angesichts dieses historischen Datums hier in Erfurt, in Thüringen aufs Äußerste bedauerlich, feststellen zu müssen, dass wir hier genötigt werden, ein Gesetz zu verabschieden, das Mauer, Grenze und Todesstreifen unter dem Vorwand des Naturschutzes auf lange Zeit festschreiben soll.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie werden nicht genötigt! Sie können einfach dagegenstimmen!)

Erinnerungskultur und das Ziehen von Lehren aus der Geschichte sieht in meinen Augen anders aus. Wenn wir denn Erinnerungskultur haben wollen und an die widernatürliche und todbringende innerdeutsche Grenze erinnern wollen, dann wäre den Opfern damit gutgetan, wenn sie einzelne Erinnerungstafeln und Hinweise auf ihren Todesort und die Umstände ihres Zutodekommens erhalten würden. Das wäre Erinnerungskultur, aber nicht falsch verstandener oder auch missbrauchter Naturschutz. Deswegen werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. Danke schön.

(Beifall AfD)

Aus den Reihen der Abgeordneten gibt es jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Für die Landesregierung hat Ministerin Siegesmund das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste auf der Tribüne! „Glück auf!“ den Betriebsräten von K+S. Lieber Kai Frobel, Burkhard Vogel, Karin Kowol, Familie Schrader ist hier. Ich freue mich, dass die NNLs mit Herrn Abbé, Herrn Hager und Frau Kober da sind. Liebe Gäste, die Mitglied des BUND oder diejenigen sind, die sich im Bereich des Grünen Bands engagieren! Heute ist der Tag, an dem wir das Grüne Band als Nationales Naturmonument für den Bereich Thüringen ausweisen. Es ist ein besonderer Moment, denn es ist das erste Nationale Naturmonument flächig in der Bundesrepublik. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, der 9. November ist ein Schicksalstag, der in der deutschen Geschichte Höhe- und Tiefpunkte markiert. Der letzte Wendepunkt der deutschen Geschichte, der auf einen 9. November fiel, war die Öffnung der Grenze im Jahr 1989 als Ergebnis des friedlichen und des machtvollen Protests der Menschen. Der 09.11.1989 – erinnern wir uns –, 18.57 Uhr war es, als das SED-Politbüromitglied Schabowski damals auf die Nachfrage nach dem Beginn der Regelung des Öffnens der Grenze mit „Das tritt nach meiner Kenntnis sofort unverzüglich...“ zu hören war. Damit war klar: Was die Menschen viele Jahre wollten, wofür sie viele Jahre – und zwar friedlich – gekämpft haben, nämlich Freiheit, ist errungen. Daraufhin öffneten sich nicht nur die Grenzen, sondern die Berliner Mauer und wir hatten die Möglichkeit, wieder zusammenzukommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser November 1989, diese Friedliche Revolution, führte in der DDR zum Ende der SED-Herrschaft und begleitete den Übergang zu einer parlamentarischen Demokratie. Und wenn wir heute am 9. November 2018 darüber reden, Brücken zu schlagen, nicht zu vergessen, sondern zu erinnern, ja, dann haben wir sehr wohl im Blick, was dieser 9. November 1989 bedeutete. Wir erinnern an geschehenes Unrecht ebenso und wir sichern unser Nationales Naturerbe. Nur weil wir dieses zusammen denken – übrigens von Anfang an –, gibt es das Grüne Band als Nationales Naturmonument. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gebe zu, ich bin bewegt. Ich bin auch deswegen bewegt, weil nach der gestrigen Debatte zum Thüringen-Monitor und weil nach dem, was wir uns vergegenwärtigen, gerade in heutigen Zeiten, deutlich wird, dass Demokratie

weder vom Himmel fällt noch in unseren Schoß und dass es deswegen umso besonderer ist, dass wir würdigen, was in den 80er-Jahren von Menschen mit der Kerze in der Hand friedlich errungen wurde – nämlich Demokratie.

Wenn wir heute darüber reden, dass das Grüne Band so zu entwickeln ist, dass es in Ländern, die es nach wie vor gibt, wo Frieden oder das Miteinander nicht selbstverständlich sind, auch an dieser Stelle ein historischer Tag ist, dann sage ich: Durchaus ist die Frage „Stärken wir damit ein Stück weit Europa und ist dieses Sinnbild auch Symbol für ein friedliches Europa?“ mit Ja zu beantworten – und deswegen ist heute ein guter Tag im Thüringer Landtag, meine sehr geehrten Damen und Herren!