Protokoll der Sitzung vom 09.11.2018

Ich will jetzt gar nicht auf die ganzen einzelnen Winkelzüge und Argumente der CDU eingehen, womit man Zeit schinden wollte, weil irgendwelche Mails mit irgendwelchen Überlegungen der regierungstragenden Fraktionen angeblich nicht angekommen

(Abg. Herold)

sind. Dann wurde nicht zuletzt vor einigen Wochen das gemeinsame Tischtuch endgültig zerschnitten. Allein schon die Tatsache, dass wir nicht zu einer gemeinsamen Bewertung der Friedlichen Revolution und der Öffnung der innerdeutschen Grenze finden können, ist bezeichnend für Sie und traurig für uns. Gescheitert ist das Vorhaben letztlich – das will ich an dieser Stelle mal ganz deutlich sagen – nicht etwa, wie einige Kollegen der CDU-Fraktion gern ausführen, da dieser gemeinsame Antrag wegen des Punkts „Speziallager“ nicht zustande gekommen ist. Ich glaube, hier hätten wir eine gemeinsame Formulierung finden können. Gescheitert ist der gemeinsame Antrag an der mangelnden Bereitschaft der CDU-Fraktion, das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in diesem Antrag auch nur zu erwähnen, daran ist die Gemeinsamkeit gescheitert.

Aus Sicht der Regierungskoalition bietet sich eine Verbindung zu diesem Landesprogramm jedoch an, wenn es darum geht die Thüringer Zivilgesellschaft unter Beteiligung der Akteure von 1989/1990 öffentlich zu würdigen, sie in das Gedenken mit einzubeziehen und ihre Erfahrungen für unsere heutige Diskussion um die Zukunft der Demokratie nutzbar zu machen. Sie sind zu solcher Verknüpfung nicht bereit gewesen, wir haben einen entsprechenden Textvorschlag gemacht und der ist von Ihrer Seite ersatzlos gestrichen worden. Ich bedaure das umso mehr, weil wir in der letzten Legislaturperiode das Landesprogramm gemeinsam mit Ihnen auf den Weg gebracht haben und wir uns seinerzeit auch einig gewesen sind. Ich erinnere nur an den damaligen Beschluss des NSU-Untersuchungsausschusses, das Landesprogramm in der aktuellen Legislaturperiode deutlich stärken zu wollen. Aber scheinbar gilt das für die CDU mittlerweile nicht mehr. Das ist ja auch bei den Beratungen des letzten Doppelhaushalts deutlich geworden, da wollten Sie die Haushaltsmittel für das Landesprogramm drastisch zusammenstreichen. Ich glaube, es ging um eine beantragte Mittelreduzierung um 4,2 Millionen Euro. Sie wollen dieses gemeinsame Landesprogramm nicht mehr, dann muss man das natürlich auch sagen. Ich interpretiere daraus, dass Sie offenbar keine Stärkung der Thüringer Zivilgesellschaft und unserer Demokratie gegen die Feinde von rechts wollen. Bedauerlicherweise – auch das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich – haben Sie bei ihrer Ablehnung des Landesprogramms in diesem Antrag lieber die politische Nähe zur AfD gesucht, die das ja auch nicht möchte und das auch immer wieder deutlich macht, also die Nähe zu einer Partei, der AfD, die die Friedliche Revolution zum historischen Vorbild für den von ihr propagierten Umsturz umdeutet, in der ein Herr Höcke ganz offen über die Errichtung einer nationalistischen Diktatur schwadronieren kann, man muss nur mal in sein Buch gucken, das im Sommer erschienen ist. Das finde ich schlimm und traurig.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allein aus diesem Grund, weil eine Verständigung mit der CDU über eine gemeinsame Initiative trotz all unserer Bemühungen nicht möglich war und auch wahrscheinlich von Ihrer Seite nicht gewünscht würde, haben die Koalitionsfraktionen eben jetzt diesen eigenen Alternativantrag vorgelegt. Er nimmt alle die Punkte, die Frau Rothe-Beinlich und ich angesprochen haben, fachlich begründet als Ergänzung auf und enthält natürlich auch die Bekenntnis zum Landesprogramm.

Noch trauriger finde ich – wenn ich an die Rede des geschätzten Kollegen Wirkner zum CDU-Antrag hier im Plenum im April denke, für die ich auch noch mal ausdrücklich danken will, dann dürften die Positionen der Union und der Koalitionsfraktionen sowohl im Hinblick auf die Bewertung des 9. November 1989 und dessen Einordnung in einen breiteren historischen und europäischen Kontext als auch die angemessene Würdigung der damaligen zivilgesellschaftlichen Situation und des zivilgesellschaftlichen Engagements in Thüringen eigentlich gar nicht weit auseinanderliegen. Wenn es also der CDU – wahrscheinlich nicht von Herrn Wirkner, sondern von anderen – nicht ausschließlich um Parteitaktik ginge, dann könnte die CDU ohne Weiteres heute dem gemeinsamen Antrag zustimmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind allerdings Realisten genug, dass wir wissen, das wird nicht passieren. Aber – auch das sage ich an einem solchen Tag deutlich – damit haben wir als demokratische Fraktionen eine große Chance vertan, das heißt, Sie haben sich dazu nicht bekannt. Denn wir hätten bei diesem zentralen Thema der demokratischen Kultur und Geschichte Thüringens zeigen können, welche Grundsätze bei allen Differenzen in der Tagespolitik wir gemeinsam teilen und wofür wir gemeinsam stehen, gerade auch in der Abgrenzung zum rechten, zum demokratiefeindlichen Rand. Wenn die CDU stattdessen parteipolitischen Überlegungen den Vorzug gegeben hat, dann muss sie das mit sich selbst ausmachen. Ich kann nur sagen, dass ich dieses Vorgehen für unangemessen und unverständlich halte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, Sie werden es sich noch mal überlegen, Sie haben ja noch einige Minuten Zeit und Herr Wirkner wird ja sicher auch noch zu uns sprechen und vielleicht gelingt es ja, diese Gemeinsamkeit hier gegen rechte Ränder noch deutlich zu machen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner erhält Herr Abgeordneter Wirkner von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allen Dingen begrüße ich die Schülerinnen und Schüler auf der Zuschauertribüne und ich freue mich, dass Sie ausgerechnet zu diesem Thema heute hier Platz genommen haben. Es geht nämlich um Ihre Zukunft seit dem 9. November 1989.

(Beifall DIE LINKE)

Der 9. November 1989 – es wurde vorhin gesagt – war ein Freudentag für viele Menschen. Ja, es war ein Freudentag – für die, die es erlebt haben, zumindest für den größten Teil der Menschen in der DDR. Es ist aber auch ein Tag des Gedenkens an die Opfer der innerdeutschen Grenze, auch ein Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Und deswegen geziemt es sich, eine solche Diskussion auch in Würde zu führen, um den Opfern gerecht zu werden, die ihr Leben in 40 Jahren DDR an der Grenze gelassen haben und somit jeder für sich einen kleinen Baustein dazu beigetragen haben, dass letztendlich dieses Schandmahl der deutschen Nachkriegsgeschichte, nämlich diese innerdeutsche Grenze, im Jahr 1989 zu einem Ende gekommen ist.

Es war gegen 18.00 Uhr am 9. November 1989, als Schabowski, Mitglied des Zentralkomitees der damaligen SED, abends in einem Presseinterview – wurde live übertragen damals auf der Tagesschau, ich habe das live gesehen – nun das Ende der DDR eingeleitet hat, indem er die Öffnung der Grenzen bekannt gegeben hat. Ja, das war ein Tag der Freude. 40 Jahre Mauer und Stacheldraht, 40 Jahre Diktatur, 40 Jahre Gängelung waren nun zu Ende und die Menschen konnten in eine neue Welt hinein entlassen werden, in eine neue Zukunft, die euch auf der Tribüne gehört. Und ich freue mich, dass ich dies in meinem Alter damals so objektiv miterleben konnte. Und ich freue mich erst recht, dass ich heute zu diesem Thema hier reden kann, auch wenn es sicherlich für den einen oder anderen nicht verständlich ist, warum es so unterschiedliche Meinungen zu so einem sensiblen Thema gibt. Und, Frau Pelke, dass Sie uns heute hier in die Ecke der AfD im Zusammenhang mit dem Antrag stellen, das schmerzt mich außerordentlich. Das hätten Sie nicht nötig gehabt, das hat der Vorgang nicht nötig und insofern weise ich das mit aller Energie zurück.

(Beifall CDU)

„Angemessene Erinnerung an die Friedliche Revolution vor 30 Jahren und den Fall der Berliner Mau

er am 9. November 1989“, das ist die Überschrift über unserem Antrag – völlig unverfänglich für jedermann, der eigentlich nachvollziehen kann, was wir alle in der DDR erlitten haben, ein völlig normaler Antrag. Mit dem Antrag werden der 30. Jahrestag der Friedlichen Revolution und der Fall der Mauer thematisiert, indem die Landesregierung dazu aufgefordert wird, die Jahre 2019 und 2020 durch besondere Veranstaltungen, Maßnahmen und Bildungsangebote entsprechend zu würdigen. Zu diesem Zweck soll die Landesregierung ein Gesamtkonzept zur Erinnerung an diese beiden historischen Ereignisse entwickeln. An dessen Erarbeitung sollen ebenfalls die jeweiligen Gedenkstätten für die Opfer der sowjetischen Besatzungsherrschaft, der SED-Diktatur sowie der Grenzmuseen beteiligt werden. Bei der Planung der Veranstaltungen sollen ebenfalls unsere angrenzenden Bundesländer Bayern, Hessen und Niedersachsen mit eingebunden werden. Nicht mehr und nicht weniger sind das die Forderungen der CDU-Fraktion.

Mit dem Antrag soll Thüringen in eine besondere Pflicht genommen werden, in den Jahren 2019 und 2020 an die historischen Ereignisse der Friedlichen Revolution von 1989 sowie an den Fall der Mauer zu erinnern, zumal seitens der Landesregierung – abgesehen vom Festakt zur Deutschen Einheit – bis dato keine weiteren Maßnahmen und Veranstaltungen geplant waren oder gar sind.

Aus Sicht der CDU sind beide Jubiläen von größter Bedeutung für die Wiedervereinigung Deutschlands und die Wiedergründung des Landes Thüringen, die entsprechend zu würdigen sind. Für die CDU ist die Erinnerung eine beständige staatspolitische Aufgabe, die die Auseinandersetzung mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts aufgreift und auf diese Weise auch bei den Bürgern das Bewusstsein für die Voraussetzungen und die Zerbrechlichkeit freiheitlich demokratischer Verhältnisse schärfen soll. So weit, so gut!

Der Antrag – es wurde schon mehrmals erwähnt – wurde im Plenum erstmals am 26. April beraten, seitdem ist ein halbes Jahr vergangen. Im Grunde hätten alle Fraktionen damals schon zustimmen können, schon 2018 im April! Aber es kann eben nicht sein, was nicht sein darf, dass nämlich die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag die erste Fraktion war, die das Thema besetzt.

Jetzt begann das parlamentarische Kindergartenspiel – anders kann ich das für mich persönlich nicht mehr bezeichnen – über Alternativanträge, die im Kern nichts anderes wollen, als das, was die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag bereits gefordert hat. Es wird quasi nach weiteren unsäglichen Details – man kann sagen, sogar Krümeln – gesucht, um mithilfe eines Alternativantrags zwar die Idee des CDU-Antrags zu übernehmen – wie das ja auch sichtbar ist, wenn man beide Alternativanträge

durchliest –, aber durch eingearbeitete Änderungen mit einem eigenen Antrag im Hohen Haus zu glänzen.

Wir haben Ihnen, den Koalitionsfraktionen von RotRot-Grün, die Hand gereicht. Leider wurde quasi im letzten Augenblick, in der Ausschusssitzung am 26. Oktober, also vor circa zwei Wochen, diese ausgestreckte Hand der CDU-Fraktion verwehrt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Frechheit!)

Dies ist keine Frechheit, das ist die Tatsache, Frau Rothe-Beinlich!

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, das ist nicht wahr! Das stimmt nicht!)

Es ist so! Darüber können Sie sich jetzt wieder aufregen. Aus meiner Sicht ist das jedenfalls unverständlich. Nur weil Rot-Rot-Grün komplett die eigenen Vorschläge eins zu eins übernommen wissen wollte.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so funktioniert eben Demokratie nicht! Sondern Demokratie lebt immer von den Kompromissen und nie von einer Meinung, der sich alle anderen unterordnen müssen. Wir waren auch bereit, Kompromisse einzugehen. Dessen bin ich mir sicher, aber es kommt eben dazu, dass wir uns nicht auf einen gemeinsamen Antrag einigen konnten.

Dem von der Regierungskoalition angekündigten Änderungsantrag können wir natürlich nicht zustimmen, weil dieser insgesamt die Intention unseres eigenen Antrags, nämlich das Ereignis der Friedlichen Revolution von 1989 kompromisslos in den Mittelpunkt zu stellen, durch überflüssige Ergänzungen verwässert und damit sinnentstellt.

Auch weil dieser durch Weglassen den Bereich „Opfer der sowjetischen Besatzungsherrschaft und der SED-Diktatur“ stark relativiert. Die Ignoranz – kann man schon sagen – gegenüber den Gewaltverbrechen in der sowjetischen Besatzungszone ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern steht vor allem im Widerspruch zu den Ergebnissen der modernen Geschichtsforschung.

Warum tun Sie sich eigentlich so schwer mit dem geschichtswissenschaftlich untersetzten Begriff der sowjetischen Besatzungszone? Gerade die deutsche Sozialdemokratie sollte sich leidvoll daran erinnern, wie viele Sozialdemokraten in der sowjetischen Besatzungszone – zum Beispiel ins Konzentrationslager Buchenwald – abgeführt worden sind, nur weil sie dem Einheitsgedanken zwischen der Kommunistischen Partei und der SPD nicht gefolgt sind.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber die Besatzungszone war eine Folge der nachkriegsbedingten Tei- lung!)

Und das waren alles Opfer in der sowjetischen Besatzungszone. Das möchte ich nur noch mal kurz in Erinnerung bringen.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Das müssen Sie mir nicht sagen! Das wissen Sie!)

Nicht zuletzt können wir nicht zustimmen, weil Ihr Antrag beinahe den Eindruck vermittelt, die historische Entwicklung in Polen – da erinnere ich an Solidarność seit dem Jahr 1980 – und in der Sowjetunion im Zusammenhang mit Perestroika und Glasnost hätten die Friedliche Revolution in der DDR ausgelöst, obwohl diese die Entwicklung der Friedlichen Revolution von 1989 lediglich befördert haben. Ich denke, hier sollten wir historisch ganz korrekt bleiben. Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil aus unserer Sicht der von Ihnen eingebrachte Bezug zum Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit – zu dem wir eigentlich im Grundsätzlichen stehen – im Zusammenhang mit den Ereignissen der Friedlichen Revolution 1989 vollkommen verfehlt ist. Warum? Mit diesem Bezug zum Landesprogramm wird der Antragsteller dem Mut der vielen Menschen des Herbstes 1989 und vor allem auch davor in keiner Weise gerecht. Denn es ist etwas völlig anderes, sich gegen einen Unterdrückungsstaat, wie es der SED-Staat war, aufzulehnen, als an der Seite des Rechtsstaats für dessen demokratische Werte einzutreten, wofür ja bekanntermaßen die vom Landesprogramm unterstützten Projekte stehen sollen.

Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil Sie im Punkt 2, Absatz 5, wo das Naturmonument Grünes Band erwähnt ist – es wurde ja heute schon ausgiebig darüber diskutiert –, ja quasi scheinheilig sind und Sie mit Ihrem Gesetz zum Grünen Band genau das Gegenteil machen. Hier kritisieren wir und der betroffene Geschichtsverbund Thüringen, in dem auch die Grenzmuseen organisiert sind, vor allem die unzureichende Einbindung und Berücksichtigung der Akteure der Grenzerinnerung und der Aufarbeitung vor Ort, die sich seit vielen Jahren mit der historisch politischen Bildungsarbeit im ehemaligen Todesstreifen beschäftigen. Vor allem befürchten diese Akteure jedoch die Schaffung von parallelen Arbeitsstrukturen im Rahmen ihres Konzepts „Grünes Band Thüringen“. Zudem befürchten jene Akteure, dass mit der Umsetzung des Konzepts das Verhältnis zwischen Erinnerungsarbeit, Gedenkkultur und Umweltbildung nicht zukunftsgerecht zu gestalten ist. In Ihrem Gesetz werden die Angebote „Grünes Band“, Fähigkeiten und Möglichkeiten der Grenzlandmuseen im Bereich der historisch-politischen und ökologischen Bildung und Vermittlung für den

sanften Tourismus leider nur viel zu unzureichend berücksichtigt.

Wie ich aus der Zeitung erfahren konnte, hat Ministerpräsident Ramelow vor einiger Zeit den Grenzbahnhof in Probstzella besucht. Ich selbst war einige Wochen zuvor dort. Er hatte dort eindrucksvoll in Augenschein nehmen können, wie mit vielen privaten Initiativen dieser Grenzbahnhof zu einem Gedenkort umgearbeitet worden ist. Was ich in Ihrem Alternativantrag allerdings vermisse, ist, dass Sie sich zu den erforderlichen Investitionen, die in den Grenzlandmuseen notwendig sind – und auch am Grenzbahnhof in Probstzella –, in keiner Weise geäußert haben und auch Planungen nicht mit in Ihre Konzepte aufgenommen haben. Ich würde mir wünschen, auch mit Blick auf gerade diesen Bahnhof – und natürlich sage ich das bewusst, weil es in meiner Region ist und ich diesen Bahnhof auch persönlich erleiden musste –, dass genau solche Planungen für Investitionen mit aufgenommen werden, die sich maßgeblich dann in diesen Einrichtungen niederschlagen. Ich hoffe, dass der Grenzbahnhof in Probstzella nun endlich auch mal staatliche Unterstützung bekommt, dass dort weitere Initiativen, die geplant sind, zur Realisierung kommen können. Das nur als Nebenanmerkung.

Nun noch einige Worte zum AfD-Antrag: ebenfalls parlamentarischer Kindergarten. Auch die AfD suchte das Haar in der Suppe und fand schließlich für sich heraus, dass das Vermächtnis der Friedlichen Revolution von 1989 angeblich im CDU-Antrag zu kurz gekommen sei und daher ein eigener Alternativantrag eingebracht werden müsse. Dass eine angemessene Erinnerung immer auch mit einem Vermächtnis verknüpft ist, dürfte auf der Hand liegen. An Ihre Adresse gewandt möchte ich daher aus der Begründung unseres Antrags zitieren: „In der Auseinandersetzung mit den Diktaturen des 20. Jahrhunderts schärfen Bürgerinnen und Bürger ihr Bewusstsein für die Voraussetzungen und die Zerbrechlichkeit freiheitlich demokratischer Verhältnisse.“ Ich möchte diesen Satz in Richtung AfD quasi im Sinne Ihres geforderten Vermächtnisses ergänzen: Die Bürger schärfen ihr Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit freiheitlich demokratischer Verhältnisse, wie sie heute wieder einmal von populistischen Parteien, wie es die AfD ist, betrieben wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, das allerdings ist unser Vermächtnis der Friedlichen Revolution von 1989.

Ich glaube nicht daran, aber ich hoffe immer noch auf ein Umdenken. Es würde diesem Tag gut zu Gesicht stehen, wenn wir uns gemeinsam auf den Weg machen und den Antrag der CDU-Fraktion parteiübergreifend heute unterstützen. Danke.

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin erhält Frau Abgeordnete Mitteldorf von der Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Schülerinnen und Schüler auf den Rängen! Heute vor 29 Jahren war ich vier Jahre alt, mein Bruder war knapp ein halbes Jahr und meine Eltern waren jünger als ich heute bin. Als ich heute Morgen nach Erfurt gefahren bin, habe ich darüber nachgedacht und habe aus meiner Sicht das erste Mal wirklich nach langer Zeit wieder sehr bewusst das Empfinden auch für mich selbst gehabt, was das für eine Umbrucherfahrung gewesen sein muss für meine Eltern in jungen Jahren mit zwei kleinen Kindern. Wie der Zufall es wollte, hat die „Thüringer Allgemeine Nordhausen“ vor einiger Zeit unter anderen mich gefragt, was meine erste Erinnerung an die Grenzöffnung war. Da habe ich nachgedacht und gesagt: Ich war vier, aber meine Erinnerung war eigentlich keine gute, denn ich hatte in Erinnerung, meine Eltern sind plötzlich weggefahren und ich dachte, sie kommen nicht wieder. Ich habe dann, nachdem die „Thüringer Allgemeine“ mich das gefragt und ich ihnen das so erzählt hatte, im Nachgang meine Eltern angerufen und habe gefragt: Das ist übrigens meine Erinnerung, stimmt die eigentlich? Denn ich kann mir natürlich in dem Verhältnis zu meinen Eltern, das ich bis heute habe, auch nicht vorstellen, dass meine Eltern Knall über Fall losgefahren sind und uns zurückgelassen haben. Aber so hat sich das an dem Tag bei mir eingebrannt. Ich finde es nach wie vor sehr beeindruckend, dass mein Vater sehr ausführlich zu mir gesagt hat, dass er geradezu erschrocken darüber ist, wie meine Erinnerung ist, weil es in der Tat so nicht war. Er hat die Vorgänge beschrieben, wie es sich für sie angefühlt hat, als die Mauer sich öffnete und sie natürlich damals dann noch – was heute Sachsen-Anhalt ist – in den Westen gefahren sind, um zu gucken, um dann wieder zurückzukommen. Also mein Bruder und ich waren auch nicht allein. Es war also alles nicht so wie in meiner Erinnerung.

Aber das bringt mich immer an einen Punkt, der für mich – als jemand, der de facto so eine Zwischengeneration ist – ganz besonders wichtig ist. Ich gehöre also nicht zu der Wendegeneration, das heißt zu den Menschen, die zur Wendezeit in einem jugendlichen Alter waren und Dinge natürlich schon ganz bewusst und anders erlebt haben und über die es sehr viel wissenschaftliche Aufarbeitung auch gibt und sehr viele wissenschaftliche Erhebungen, was durch diese Umbrucherfahrung mit diesen Generationen passiert ist. Ich gehöre auch nicht zu der Generation, zu denen ihr und Sie da oben gehört, nämlich zu den Nachwendegeborenen, sondern ich gehöre in eine Zeitschiene, wo ich

(Abg. Wirkner)

irgendwann nach Nachdenken und Diskutieren für mich gesagt habe, das ist eigentlich eine entleerte Generation. Meine Alterskohorte gehört nicht mehr zu der Generation, die bewusste Erinnerungen an die DDR-Zeiten hat, sondern ist sehr darauf angewiesen zu hören, was in der Familie passiert ist, und lebt in der Hoffnung, dass man in einer Familie aufwächst, wo man darüber offen reden kann. Ich bin sehr froh und dankbar, dass das in meiner Familie durchaus der Fall war. Meinen Eltern und auch meinen Großeltern war es in allen unterschiedlichen Bewertungen, was die DDR betrifft – da gibt es innerhalb meiner Familie gravierende Unterschiede, das muss ich auch sagen –, immer möglich, darüber sehr offen und auch schonungslos zu reden. Meinen Eltern und Großeltern war es trotz unterschiedlicher und auch schmerzhafter Erfahrungen möglich, darüber zu reden. Das ist nicht überall so – bis heute nicht.