Im Hessenwahlkampf, den wir vor Kurzem absolvierten, bemühten die Wahlkämpfer Bouffier und Merkel für die Aushöhlung der bundesstaatlichen Ordnung, der man noch 2006, Stichwort „Föderalismus-Reform“, ich erinnere gern in diesem Zusammenhang daran, entgegengetreten war, die Wohlfühlformel vom kooperativen Föderalismus. Kooperativer Föderalismus, das hört sich zunächst einmal gut an. Aber hinter dieser Politikphrase steht in letzter Konsequenz die in Kauf genommene Verletzung des Demokratieprinzips. Man wünschte, dass der sogenannte Verfassungsschutz jetzt mal sehr gut zuhört. Denn kooperativer Föderalismus ist nicht nur das Arbeiten Hand in Hand, kooperativer Föderalismus meint in der politischen Praxis dieses Landes leider vor allen Dingen die Verschleierung von Verantwortung. Zur Erinnerung, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete: Unsere Verfassung sieht nicht vor, dass die eine Ebene die andere finanziell alimentiert. Grundsätzlich gilt die Autonomie der Ebenen und die Wahrung der Autonomie der Ebenen, damit Verantwortung auch gelebt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auffassung 2007 auch noch mal begründet. Die Kompetenzaufteilung dient dazu, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in die Verwaltungshoheit
von Ländern und Kommunen zu schützen. Erstens soll durch diese klare und vollständig angelegte Zuordnung von Kompetenzen im Interesse der Bürger die Verantwortung der jeweils handelnden Stelle gewährleistet werden. Zweitens wird allein bei einer klaren Kompetenzverteilung die Verwaltung in ihren Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für den einzelnen Staatsbürger greifbar.
Nur so, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, kann dem Demokratieprinzip Rechnung getragen werden und nur so weiß der Bürger, wen er als Souverän wofür durch Vergabe oder eventuell auch Entzug seiner Stimme verantwortlich machen kann. Aber über Demokratie reden und Demokratie ermöglichen sind leider in diesem Land im Jahre 2018 zwei völlig unterschiedliche Dinge.
Die Grundgesetzänderung der Bundestagsaltfraktionen läuft dem alten Grundsatz zuwider, der da lautet: Das Geld folgt der Aufgabe. Ich ergänze gern: Wer die finanzierte Aufgabe hat, der trägt auch die Verantwortung, und zwar vollumfänglich.
Hans-Günther Hennecke hat in einem Beitrag für die FAZ am 29. November 2018 darauf hingewiesen, dass im Artikel 106 Grundgesetz eine kluge, altbewährte Lösung für die Projekte zur Verfügung steht, die Bund und Länder gemeinsam stemmen müssen und wollen. Das ist die flexible Festsetzung der Umsatzsteuer, die sich im Jahre 2018 auf 19 Milliarden Euro belief.
Es bleibt mir abschließend, die Vermutung zu artikulieren, dass es bei der Grundgesetzänderung in erster Linie darum ging, wählerwirksam und in großer Breite und in großem Umfang Geld aus dem Bundeshaushalt in die Schulen lotsen zu können. Kurz: Für kurzfristige Wahlerfolge scheut man nicht vor der Aushöhlung des Föderalismus und des Demokratieprinzips zurück. Was für ein besorgniserregendes Staatsverständnis drückt sich hier aus?
Man kann nur hoffen, dass dieses Unterfangen im Bundesrat dann scheitern wird. Mein Dank gilt abschließend der Fraktion, die als einzige diesem Vorhaben im Bundestag ihre Stimme verweigert hat. Mein Dank gilt der AfD-Fraktion des Deutschen Bundestages.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Blick in die Tagesordnung zeigt uns bei den Aktuellen Stunden, dass Punkt a) und Punkt d) in irgendeiner Form korrespondieren. Letztendlich reicht der Blick Richtung Berlin in den Deutschen Bundestag, sodass man darauf aufmerksam wird, dass dort ein Entschluss zur Änderung des Grundgesetzes gefasst wurde, der nicht im Interesse der einzelnen Bundesländer liegt. Ich habe mich als Erstes im Grundgesetz im Artikel 72 schlaugemacht. Dort ist von der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse die Rede. Darauf bezieht sich auch der Antrag der SPD-Fraktion, wenn es darum geht, wann der Bund sich in die Länderhoheiten einmischen darf.
Die Älteren im Saal werden sich noch erinnern: Von 1949 bis 1994 war an dieser Stelle noch von der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse die Rede. Auch wenn es heute nur noch „Gleichwertigkeit“ heißt, dann bedeutet das nicht, dass man neue Spielregeln einführt, von denen nur die reicheren Bundesländer profitieren können. Das wäre dann das Gegenteil dessen, was das Grundgesetz uns vorgibt.
Mir stellt sich die Frage, ob die Haushälter in der Koalition im Bundesrat eventuell – ich sage eventuell – verfassungswidrige Vorstellungen in die Verhandlungen zum Digitalpakt eingebracht haben könnten. Die einhellige Ablehnung aller Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder lässt dies zumindest vermuten. Es würde sich mit Sicherheit auf die finanzielle Handlungsfähigkeit der Länder auswirken. Eine hälftige Finanzierung bzw. Kofinanzierung von Bundesmitteln stünde der oben genannten Aufgabe aus dem Grundgesetz entgegen und benachteiligte mit Sicherheit finanzschwächere Bundesländer.
Ich hoffe, dass die Länder auch in Zukunft voll souverän über den Einsatz ihrer finanziellen Mittel entscheiden können, um dem Ziel, das im Grundgesetz genannt ist, wirklich näher zu kommen. Ich verweise auch darauf, dass unsere Anstrengungen als Landesregierung, wie der Abbau von 1 Milliarde Euro Schulden, die durch unsere Vorgängerregierungen angehäuft wurden, damit in Zukunft infrage gestellt würden. Und ich verweise auch darauf, dass die Frage der Neuverschuldung unseres Bundeslands, das übrigens zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode keine Schulden aufgenommen hat, obwohl ganz anderes prognostiziert war, dort ebenfalls infrage gestellt würde.
Der Fallstrick, der dort eingebaut ist, sollte über den Vermittlungsausschuss des Bundesrats gelöst werden, denn so gemeinsam wir für unser Land einstehen, so unterschiedlich sind die Schwerpunkte in den einzelnen Ländern. Ich habe dabei großes Vertrauen in unsere Landesregierung und in die ande
ren demokratischen Parteien, die in den Ländern regieren, dass uns dies auch gelingen wird. Danke schön.
Danke schön, Herr Abgeordneter Kalich. Ich sehe niemanden weiter auf der Rednerliste. Gibt es noch Wortmeldungen? Die Regierung möchte sprechen. Frau Ministerin Taubert, bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, natürlich haben wir uns geärgert, als wir gehört haben, dass eine Grundgesetzänderung in mehreren Artikeln, die seit Mai dieses Jahres zwischen den Bundesländern und den Bundestagsfraktionen verhandelt wurde, in letzter Minute noch geändert worden ist.
Es ist schon angesprochen worden, es geht um den Artikel 104 b Abs. 2 Satz 5 Grundgesetz, der geändert bzw. ergänzt werden soll. Die meisten Bürgerinnen und Bürger schauen gar nicht so weit hinten in das Grundgesetz. Die schauen nur auf die ersten 20 Artikel, die jeder Staatsbürger zumindest vom Sinn her kennen sollte, wenn vielleicht auch nicht in der Reihenfolge, wie sie im Grundgesetz stehen. So weit hinten schaut keiner. Und dann habe ich mich natürlich persönlich auch sehr geärgert, dass in der Presse sehr verkürzt stand: Die Bundesländer sind gegen den Digitalpakt. Dazu ist viel gesagt worden und wird vielleicht heute auch noch gesagt. Die Fraktionen haben ja schon ausgeführt: Dem ist nicht so. Aber genau dieser eine Artikel bzw. dieser eine Satz, der zusätzlich noch hineingekommen ist, verändert eben wesentlich mehr, als man dem Satz so ansieht. Natürlich sind die Bundesländer bereit und vielleicht zum Teil auch in der Lage, hälftige Finanzierungen von Projekten durchzuführen. Wir haben das in der Vergangenheit praktiziert, da gibt es gute Vereinbarungen. Aber hier steht dann für alle Zeiten, und das ist das Entscheidende, im Grundgesetz, dass alle Investitionsmaßnahmen zumindest zur Hälfte mitfinanziert werden müssen, und zwar ausschließlich von den Bundesländern.
Ich will das mal transportieren auf die, die sich sonst mit dem Grundgesetz und den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen gar nicht so häufig oder intensiv beschäftigen: Es wäre so, als wenn ich hier im Landtag einen Vorschlag zur Änderung unserer Thüringer Verfassung einbringe und wir würden in der Thüringer Verfassung festschreiben, dass, wenn Kommunen von uns Geld bekommen, sie das mindestens zur Hälfte mitfinanzieren müssen. Und da merken Sie schon,
weil das wesentlich konkreter ist, dass es viele kleine Gemeinden in Thüringen gäbe, die dem nicht folgen könnten.
Ich bleibe bei den Landkreisen und will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen, wo es anders war: Wir haben, was das Thema „Schulinvestitionen“ in den vergangenen Jahren betraf, vom Bund Geld bekommen. Der Freistaat Thüringen hat den notwendigen Eigenanteil für die Kommunen mit aufgebracht und hat gesagt, es gibt jetzt eine gewisse Geldsumme X, da kann auch eine Kommune mal 100 Prozent bekommen, wenn sie nicht leistungsfähig ist. Und wir haben darüber hinaus eigenes Geld, Landesgeld, in die Hand genommen, um auch Schulfinanzierung zu machen. Deswegen gibt es Landkreise und Gebietskörperschaften, die Schulträger sind, die eben die Schule sanieren konnten, weil sie auch eigenes Geld hatten, weil sie leistungsfähig sind, und es gab Schulträger, die prozentual mehr Geld bekommen haben, damit sie auch an ihrer maroden Schule etwas machen können. Das fiele dann alles aus und deswegen haben alle Bundesländer zu Recht aus unterschiedlichen Gründen heraus gesagt, wir müssen mit diesem Artikelentwurf in den Vermittlungsausschuss gehen. Das ist auch passiert und deswegen ist es wichtig, dass wir dort eine Lösung finden.
Ich will nochmal sagen: Klar ist es auch möglich und eine Finanzministerin freut sich immer darüber – im Übrigen auch der Stadtkämmerer und am Ende auch der Bundesfinanzminister –, wenn wir Prozente zum Beispiel an der Umsatzsteuer mehr bekommen und damit die Möglichkeit haben, unsere eigenen Maßnahmen voll auszufinanzieren. Und dass das Geld immer irgendwo nicht reicht, ist, glaube ich, auch jedem klar. Wenn es aber hilfsweise so sein muss – und nur deswegen sind ja auch diese Grundgesetzänderungen angestrebt worden –, dass man andere Wege gehen muss, weil man eben nicht bereit ist, mehr Umsatzsteuer pauschal zu geben, dann, glaube ich, sind auch andere Wege zulässig, so wie das in den anderen Änderungen zum Grundgesetz festgeschrieben ist und wie es auch hier schon von den Abgeordneten erläutert worden ist.
Ich will noch was dazu sagen, Herr Kowalleck. Der Bundesfinanzminister hat diesen Antrag so nicht in den Bundestag eingebracht, er hat die Grundgesetzänderung ohne diesen Artikel 104 b eingebracht. Deswegen muss man schon noch mal wirklich genau sagen, es waren ganz wenige Menschen, vier, sechs, acht Leute, die am Ende, wenn eine Grundgesetzänderung kommt, wenn wir die Möglichkeit haben, auch Bundesmittel zur investiven Finanzierung von Bildung und in den anderen zwei Bereichen Wohnungsbauförderung und ÖPNV einzusetzen, darauf bestehen, dass diese Regelung reinkommt. Das ist – ich sage mal ganz freundlich – eine sehr unfaire Handlung gegenüber
den Bundesländern gewesen. Ich denke, da darf man jetzt auch keine Krokodilstränen verdrücken von Bundestagsabgeordneten, die sagen, das war doch immer bekannt. Ein Bekannter Thüringer CDU-Twitterer aus dem Bundestag hatte geschrieben: Das wussten ja alle.
Der hat offensichtlich gar nicht mitgekriegt, wie die Dinge zustande gekommen sind. Es wäre besser, nicht zu twittern, sondern aufzupassen, aber es ist nun mal so.
Also, es ist wichtig, dass wir jetzt auch als Bundesländer in der Form zusammenstehen und sagen, das kann für die Zukunft und nicht für alle Zeiten so in das Grundgesetz hineinkommen und stehen bleiben.
Vielleicht für die, die die Verfahren so nicht kennen: Wir brauchen die Zweidrittelmehrheit im Bundestag wie im Bundesrat. Eine solche Änderung wie diese, die jetzt in Artikel 104 b angestrebt worden ist, wird es nie wieder aus dem Grundgesetz schaffen. Deswegen ist es jetzt wichtig, mit dem Bund darüber zu verhandeln, wie man das tatsächlich anders machen kann. Herzlichen Dank.
b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Missbrauch von Leiharbeit in Thüringen unterbinden – Hartz IV durch Mindestsicherung ersetzen.“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/6536
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Besuchertribüne, „Missbrauch von Leiharbeit in Thüringen unterbinden – Hartz IV durch Mindestsicherung ersetzen“ – schon wieder wird mancher sagen, nicht nur weil Weihnachten ist und etliche Leute da ihr
soziales Herz entdecken. Wir als Linke meinen, die Zeit ist reif, genau darüber zu sprechen. Denn mit der Einführung von Hartz IV vor 14 Jahren wurde prekäre Beschäftigung auch bei uns in Thüringen hoffähig. Das hat die Gesellschaft, das hat die Arbeitswelt gespalten und Armut trotz Arbeit hervorgebracht. Aufstocker – das sind in Thüringen über 30.000 Menschen – ist das geflügelte Wort dafür.
Jedes fünfte Kind wächst in Armutsfamilien, Armutsverhältnissen auf. Darüber hilft auch die gute Arbeitslosenstatistik – die Zahlen nenne ich jetzt nicht, die sind allseits bekannt – nicht hinweg, denn viele Menschen wenden sich frustriert von demokratischer Politik ab. Wir meinen, das ist sehr gefährlich. Es ist höchste Zeit, diesen Menschen die Hand zu reichen, ihre Lebenssituation zu begreifen, würdevolle Beschäftigungsbedingungen und ein Leben ohne Armut zu ermöglichen.
Lassen Sie mich das ganz aktuell sagen: Das muss uns niemand auf der Straße entgegenschreien. Wir wissen, dass Korrekturen längst überfällig sind. Wir freuen uns darüber, dass Bewegung in die Sache gekommen ist, und wir hören, was Andrea Nahles, was Habeck von den Grünen dazu sagten. Wir haben auch die Beschlüsse auf ihren Parteitagen verfolgt. Deswegen wollen wir gar nicht ins Gestern schauen sondern in die Zukunft und wollen fragen: Wie kann man jetzt gemeinsam Lösungen herbeiführen?
Das Ziel unserer Aktuellen Stunde ist, dass die Fraktion Die Linke die Landesregierung und die Koalitionspartner auffordert, dazu mit einer Bundesratsinitiative konkrete Vorschläge zu unterbreiten, um die Diskussion für die Zukunft des Sozialstaats zu befördern und außer Reden letztendlich den Menschen eine konkrete Alternative aufzuzeigen. Wir brauchen einen Sozialstaatsdialog.
Wir nehmen das heute zum Anlass und auch als Auftakt, zwei Vorschläge zu unterbreiten, die weiter in die Diskussion gebracht werden sollen. Wir wollen erstens den Vorschlag erneuern, Leiharbeit auf das zurückzuführen, was es war, nämlich kurzfristige Personalengpässe und Auftragsspitzen abzufedern. Und wir wollen zweitens das Zwangssystem Hartz IV durch eine Grundsicherung ohne Sanktionen, die existenzsichernd ist und nicht Armut hervorbringt, ersetzen. Beides steht in engem Zusammenhang, denn Leiharbeit ist prekäre Beschäftigung. Sie hat sich in den letzten Jahren im Osten verdoppelt, bundesweit beträgt die Zunahme seit 2006 65 Prozent. Leiharbeit in Thüringen ist mit 3,9 Prozent aller Beschäftigten besonders hoch.
Bei Hartz IV haben wir es so zu verzeichnen, dass über 100.000 erwerbsfähige Thüringerinnen Arbeitslosengeld II erhalten. Wir haben 77.000 Bedarfsgemeinschaften mit über 172.000 Personen.
Das ist weniger geworden, aber das ist immer noch zu viel. Das muss geändert werden und deswegen soll aus Sicht der Linken eine Grundsicherung diskutiert werden, die schon heute möglich wäre. Wir orientieren uns dabei an der Armutsrisikogrenze. Die liegt gegenwärtig bei 1.170 Euro. Überfällig sind Sanktionen und Arbeitszwang, beides steht für eine Misstrauenskultur, die nicht zu einer modernen und offenen Gesellschaft passt. Deswegen setzen wir auf Freiwilligkeit auch bei Arbeitsmarktmaßnahmen.