a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Gleichwertige Lebensverhältnisse sichern – Thüringens finanzielle Handlungsfähigkeit bewahren“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/6525
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, so schön wie der versprochene Geldsegen im ersten Augenblick klingen mag, er ist nichts anderes als süßes Gift – Gift für zukünftige Landeshaushalte und Gift für das gemeinsame Zusammenleben über alle Regionen Deutschlands hinweg. Nicht umsonst haben alle 16 Bundesländer für die Einberufung des Vermittlungsausschusses gestimmt.
Meine Damen und Herren, der Bundestag hat die Änderung des Grundgesetzes beschlossen. Wir finden es erfreulich, dass es eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes gegenüber den Ländern in den Bereichen Bildung, öffentlicher Personennahverkehr und sozialer Wohnungsbau geben soll und wird. Das hat meine Fraktion, die SPD, seit Jahren gefordert. Nun sind wir froh, dass der Weg gegangen wird. Aber die Umsetzung hätten wir uns anders gewünscht, nicht in der vom Bundestag beschlossenen Zusätzlichkeitsklausel im Grundgesetz. Die Folge für Thüringen – und nicht nur für Thüringen, sondern für alle finanzschwachen Länder – ist eine schwer zu stemmende Belastung. Schlimmstenfalls kann es dazu führen, dass die Mittel zur Kofinanzierung nicht vollständig oder gar nicht vorhanden sind und die Bundesmittel nicht in Anspruch genommen werden können. Das trifft genau die Länder, die die Unterstützung des Bundes eigentlich am dringendsten nötig hätten. So ist die vom Bundestag beschlossene Regelung ein reines Geschenk an die reichen Bundesländer wie Bayern
und Baden-Württemberg. Es werden jetzt auch genau die belohnt, die bei der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehung die Solidarität aufgekündigt haben, die schon geschaut haben, dass sie finanziell bessergestellt werden und andere Länder wie auch Thüringen benachteiligt werden.
Nur um das an dieser Stelle grundsätzlich klarzumachen: Wir sind nicht gegen ein stärkeres Engagement des Bundes an sich, schon gar nicht bei den Bildungsausgaben. Ich sage das nur, damit es nicht hinterher wieder heißt, die SPD ist gegen mehr Geld im Bildungsbereich. Immerhin haben wir in dieser Legislaturperiode mit dafür gesorgt, dass der Bildungsetat von 2015 bis 2018 um 262 Millionen Euro gesteigert wurde.
Der grundsätzliche Zuspruch gilt auch für den Digitalpakt, für den im Übrigen die Regel zur hälftigen Kofinanzierung noch nicht gelten soll.
Meine Damen und Herren, die Grundgesetzänderung trägt in keiner Weise dazu bei, die oberste Zielmarke der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland zu befördern. Im Gegenteil, es manifestiert die strukturelle Kluft zwischen reichen und armen Regionen in Deutschland. Und es steht dem erklärten Ziel meiner Partei, der SPD, entgegen, dass die Lebenschancen eines Menschen, seine persönlichen Entwicklungsperspektiven eben nicht von der Postleitzahl seines Geburts- und Wohnorts abhängen dürfen. So baut man keine sozialen und regionalen Unterschiede in Deutschland ab. Auf diesem Weg beschneidet man einseitig die Handlungsfähigkeit der Länder, die die Unterstützung tatsächlich benötigen.
Nun sollte der Vermittlungsausschuss genutzt werden, um eine vernünftige Regelung zu finden, die allen Bundesländern gerecht wird. Das Angebot des Bundes für ein stärkeres Engagement auf finanzieller Ebene muss für alle finanzschwachen Länder und auch Thüringen möglich sein. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter, als Nächster hat Abgeordneter Kowalleck von der CDU-Fraktion das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin, herzlichen Glückwunsch auch noch mal von meiner Seite und vor allem Kraft und Gesundheit für das Amt.
„Thüringens finanzielle Handlungsfähigkeit bewahren“ ist das Thema dieser Aktuellen Stunde, eingereicht von der SPD-Fraktion. So weit stimmen wir Ihnen auch zu, denn es ist wichtig, dass unser Freistaat auch in Zukunft und für die kommenden Generationen finanziell gut aufgestellt ist. Die CDUFraktion hat diese Handlungsfähigkeit in den vergangenen Jahren immer wieder angemahnt und mit verschiedenen parlamentarischen Initiativen darauf hingewiesen, dass wir vorsorgen und unser Land zukunftsfähig aufstellen müssen. Gerade im Hinblick auf die Themen „Bildung“ und „Innere Sicherheit“ sehen wir, dass die heutigen Investitionen wichtig für die Zukunft unseres Freistaats sind. Noch nie hatte das Land so viel Geld zur Verfügung. Wichtig ist dabei, dass dieses eben auch sinnvoll ausgegeben wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, an erster Stelle ist momentan noch die rot-rot-grüne Landesregierung in Verantwortung für unseren Freistaat. Aber: Wie nehmen Sie diese Verantwortung wahr? Ihre groß angekündigten Reformen sind gescheitert oder allerhöchstens zu Reförmchen verkommen. Wir sehen eine Vielzahl an handwerklichen Fehlern, Beispiel Kreisgebietsreform. Am Ende sind nur Kosten entstanden für eine große Werbekampagne und vermeintliche Experten, am Ende ist ein großer Scherbenhaufen übrig geblieben.
Der Rechnungshof bescheinigt Ihnen, dass wie bei der Verwaltungsreform, die wir auch noch in diesem Plenum behandeln werden, entscheidende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen fehlen. Reformieren ohne Grundlage, damit bringen Sie dieses Land nicht voran. Im Gegenteil, Sie verschwenden Zeit und Geld. Bei aller berechtigten Kritik kann ich für die CDU-Fraktion sagen, wir unterstützen das, was Thüringen voranbringt. Allerdings entlassen wir Sie vom rot-rot-grünen Bündnis nicht aus Ihrer Verantwortung. Zur Wahrheit gehört eben auch, dass Sie, liebe Kollegen von der SPD-Fraktion ein Teil dieser rot-rot-grünen Landesregierung sind, dass Sie die Thüringer Finanzministerin stellen und die finanzielle Zukunft unseres Freistaats noch mitgestalten. Noch nie war die Investitionsquote in Thüringen so niedrig wie in den Jahren 2016 und 2017. Damit ist Geld im Landeshaushalt liegen geblieben, statt in Schule oder Infrastruktur investiert zu werden. Hier hat Rot-Rot-Grün durch Verunsicherung der Kommunen mit verqueren Reformen und durch schlechtere Finanzausstattungen schlechte Rahmenbedingungen geschaffen.
Da hilft es nicht, nur nach dem Bund zu rufen. Dies liegt in der Verantwortung der Landesregierung und der Mehrheitsfraktionen in diesem Landtag.
Wir sind uns sicher alle darin einig, dass der Bund die Länder so ausstatten muss, dass sie ihre Aufgaben in den verschiedenen Bereichen erfüllen können. Eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit sind dabei wichtige Pfeiler. Mit einer nachhaltigen und ausreichenden Finanzausstattung können die Bundesländer verlässlich arbeiten und ihre finanzielle Handlungsfähigkeit bewahren. So könnten im Bereich Bildung auch Förderprogramme des Bundes von den Ländern genutzt werden oder die Mittelzuflüsse aus der Verteilung der Umsatzsteuer verbessert werden. Hierfür braucht es keine Grundgesetzänderung sondern die entsprechende Finanzausstattung. Es ist dabei wichtig, dass wir offen und vor allem gemeinsam darüber reden. So hat es ja auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz – SPD – in seiner Rede am 29. November 2018 im Deutschen Bundestag gesagt – und das sage ich gerade, weil diese Aktuelle Stunde von der SPD eingereicht wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Sicherheit reichen 5 Minuten nicht aus, um dieses Thema allumfassend zu erläutern. Wichtig ist, dass sowohl der Bund als auch der Freistaat seine Verantwortung wahrnehmen und sich gemeinsam für die finanzielle Handlungsfähigkeit unseres Freistaats einsetzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kowalleck. Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Abgeordneter, bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen, liebe Besucherinnen und Gäste! Auch ich danke der SPD für diese zugegebenermaßen aus finanzpolitischer Sicht interessante Aktuelle Stunde. Für meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ergibt sich zunächst folgende Ausgangslage: Die Bundesregierung hat im Mai 2018 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes beschlossen. Ziel sollte es insbesondere sein, dem Bund die Möglichkeiten einzuräumen, die Länder und deren Gemeinden über Finanzhilfen in den Bereichen der kommunalen Bildungsinfrastruktur sowie des sozialen Wohnungsbaus zu unterstützen. Dieses Ansinnen unterstützen wir erst einmal grundsätzlich.
Erst im vergangenen Jahr wurde im Zusammenhang mit der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen Artikel 104 c neu in das Grundgesetz aufgenommen, wonach es dem Bund ermöglicht wird,
finanzschwache Kommunen im Bereich der Bildungsinfrastruktur zu unterstützen, obwohl der Bildungsbereich zum grundgesetzlichen Aufgabenkanon der Länder zählt. Mit dem nun im Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf sollte die Beschränkung auf finanzschwache Gemeinden aufgehoben werden. Mit dieser Öffnung wollte der Bund aktuell vor allem den DigitalPakt Schule überhaupt erst ermöglichen und finanzieren. Zu der genauen Ausgestaltung dieses DigitalPakts werden wir in unserer Aktuellen Stunde noch einmal ausführlich Stellung nehmen.
Kurz zusammengefasst sollten insgesamt 5 Milliarden Euro für alle Länder bis zum Jahr 2023 für flächendeckendes WLAN, Tabletcomputer sowie Lehrerfortbildung aufgebracht werden. Vorgesehen war ursprünglich eine Finanzierungsbeteiligung des Bundes in Höhe von 90 Prozent. Das restliche Zehntel sollten die Länder beisteuern. Der Bundesrat hat bei der Beratung der Grundgesetzänderung im ersten Durchgang in seiner Stellungnahme vom Juli 2018 grundsätzlich begrüßt, dass sich der Bund mit der geplanten Grundgesetzänderung künftig flächendeckend an der Weiterentwicklung der Bildungsinfrastruktur beteiligen kann. Er hat jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass der Bund damit keine Steuerungs- und Kontrollrechte auf die konkrete Erfüllung von Länderaufgaben gewinnen darf. Das war der wichtigste Hinweis und die Bedingung.
In der parlamentarischen Beratung zu dem Gesetzentwurf wurde vom Bundestag am 29. November dieses Jahres beschlossen, über den bisherigen Gesetzentwurf hinausgehend für Finanzhilfen nach Artikel 104 b Grundgesetz grundsätzlich eine Kofinanzierung der Länder von mindestens 50 Prozent grundgesetzlich zu verankern. Der Vorschlag wurde nach meiner Information von den Koalitionsfraktionen im Bundestag hineinverhandelt. Dies bezieht sich nicht ausschließlich auf den DigitalPakt Schule, sondern würde im Ergebnis nahezu alle künftigen, im Gesetzentwurf adressierten Finanzhilfen betreffen, da auch Artikel 104 c – das ist kommunale Bildungsinfrastruktur –, 104 d – sozialer Wohnungsbau – und 125 c Grundgesetz – Gemeindeverkehrsfinanzierung – hinsichtlich der Kofinanzierungspflicht der Länder auf Artikel 104 b Grundgesetz abstellen. Für Thüringen ist aus unserer Sicht eine solch weitreichende Grundgesetzänderung nicht hinnehmbar und eigentlich auch überflüssig. Durch die Erhöhung des Kofinanzierungsanteils würde der Einfluss des Bundes in die Haushaltswirtschaft der Länder massiv zunehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Vorbindung investiver Mittel in den Länderhaushalten würde steigen. Und das versuchen wir doch gerade immer zu verhindern, dass zu viele Finanzmittel bereits im Vorfeld gebunden sind.
Dadurch verlieren wir wichtigen Spielraum, den wir für die Entwicklung unseres Freistaats aber dringend benötigen. Fraglich ist auch, ob insbesondere finanzschwache Länder eine 50-prozentige Kofinanzierung der Finanzhilfen des Bundes überhaupt dauerhaft aufbringen können. Die Attraktivität des Instruments der Finanzhilfen würde aus unserer Sicht erheblich zurückgehen. Finanzhilfen des Bundes und damit mitfinanzierte, bundesweit einheitliche Programme können bereits jetzt dazu führen, dass den unterschiedlichen regionalen Bedarfen in verschiedenen Aufgabenbereichen nicht angemessen Rechnung getragen wird. Eine Erhöhung des Kofinanzierungsanteils der Länder kann dazu führen, dass Länder die Finanzhilfen des Bundes nicht mehr in Anspruch nehmen können oder wollen. Auch dies kann nicht in unserem Interesse liegen.
Deshalb gibt es aus unserer Sicht zwei Lösungen. Eine Möglichkeit wäre eine Neuverhandlung über das vorgesehene Instrument der Umsatzsteuerverteilung des Artikels 106. Eine zweite Möglichkeit wäre eine Verständigung zwischen Bund und Ländern in der Verteilung der Einkommensteuer.
Durch beide Varianten könnte dauerhaft die auskömmliche Finanzierung Thüringens gesichert werden, ohne dass eine Grundgesetzänderung erforderlich wäre. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Am 29. November 2018 hat der Bundestag die Änderung des Grundgesetzes beschlossen. Zukünftig soll es für den Bund einfacher werden, die Länder bei der Finanzierung von Investitionsvorhaben in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und sozialer Wohnungsbau zu unterstützen. Die Regelungen sehen vor, dass die Länder mindestens die Hälfte der Investitionen zusteuern müssen. Vor diesem Hintergrund muss man Sorge haben, und da
her danke ich der SPD für die Einbringung dieser Aktuellen Stunde, dass unser hoch verschuldeter Freistaat nicht die notwendigen Finanzmittel aufbringen kann, um die Bundesmittel abzuschöpfen. Aber ich gebe gern zu, dass das meine kleinere Sorge ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich erstens gern daran erinnern: Diese Grundgesetzänderung wurde durchgepeitscht, obwohl sich die Bundestagsfraktionsvorsitzenden der alten Parteien erst wenige Tage vor dem 29. November 2018 auf den Textentwurf geeinigt hatten – und das bei der verdichtenden Begrifflichkeit eines Verfassungstextes.
Zweitens: Diese Grundgesetzänderung wurde durchgepeitscht, obwohl sie weit über den konkreten Anlass – ich meine den Digitalpakt – hinaus wirkt.
Drittens und letztens: Diese Grundgesetzänderung wurde durchgepeitscht, obwohl sie tief in die Grundprinzipien unserer bundesstaatlichen Ordnung eingreift.
Es wird Sie vielleicht wundern, aber ich muss an dieser Stelle Winfried Kretschmann Recht geben, der über diese Änderung des Grundgesetzes urteilte: Das ist ein Frontalangriff auf den Bildungsföderalismus. Und ich setze noch eins drauf, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete: Diese Grundgesetzänderung ist ein Frontalangriff auf den Föderalismus insgesamt.
Im Hessenwahlkampf, den wir vor Kurzem absolvierten, bemühten die Wahlkämpfer Bouffier und Merkel für die Aushöhlung der bundesstaatlichen Ordnung, der man noch 2006, Stichwort „Föderalismus-Reform“, ich erinnere gern in diesem Zusammenhang daran, entgegengetreten war, die Wohlfühlformel vom kooperativen Föderalismus. Kooperativer Föderalismus, das hört sich zunächst einmal gut an. Aber hinter dieser Politikphrase steht in letzter Konsequenz die in Kauf genommene Verletzung des Demokratieprinzips. Man wünschte, dass der sogenannte Verfassungsschutz jetzt mal sehr gut zuhört. Denn kooperativer Föderalismus ist nicht nur das Arbeiten Hand in Hand, kooperativer Föderalismus meint in der politischen Praxis dieses Landes leider vor allen Dingen die Verschleierung von Verantwortung. Zur Erinnerung, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete: Unsere Verfassung sieht nicht vor, dass die eine Ebene die andere finanziell alimentiert. Grundsätzlich gilt die Autonomie der Ebenen und die Wahrung der Autonomie der Ebenen, damit Verantwortung auch gelebt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auffassung 2007 auch noch mal begründet. Die Kompetenzaufteilung dient dazu, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in die Verwaltungshoheit