Protokoll der Sitzung vom 13.12.2018

Gibt es Nachfragen? Herr Kollege Mohring.

Der Minister hatte dankenswerterweise geantwortet, dass Ausnahmen mit Blick auf die grundsätzliche Erwägung, nicht abzuschieben, bei Gefährdern oder Straftätern vorliegen. Nach dem Kenntnisstand des Fragestellers gibt es die Auskunft des Landeskriminalamts und des eingebundenen Staatsschutzes, dass der Mann sich möglicherweise radikalisiert hat. Ich würde gern die Einschätzung der Landesregierung wissen, ab wann der Punkt Radikalisierung, Gefährdung, Abschiebung erreicht ist, bevor möglicherweise dieser Mann erst eine Tat verursacht?

Also wenn ich die Frage jetzt richtig verstehe, zielt es nicht auf die strafrechtliche Seite, sondern auf die Frage, ob jemand Gefährder ist. Dazu: Wenn uns eine Einschätzung des Landeskriminalamts vorliegt, dass die betreffende Person als Gefährder eingestuft wird, dann sind auch nach Auffassung dieser Landesregierung Abschiebungen grundsätzlich denkbar. Bisher liegen mir keine Erkenntnisse darüber vor, dass er als Gefährder eingestuft ist.

Die zweite Nachfrage. Bitte, Herr Mohring.

Vielen Dank. Ich wollte nur noch mal nachfragen für meine Einschätzung: Wo ist sozusagen der Unterschied, dass jemand radikalisiert ist und dann jemand Gefährder ist? Können Sie uns das erklären?

Diese Frage müssen wir, glaube ich, noch mal mit dem Innenministerium besprechen, weil diese Einschätzung vom Landeskriminalamt kommt; die kommt nicht aus dem Justizministerium.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Können Sie das nachreichen?)

Wir können das nachreichen. Also Sie wollen die Kriterien für die Einschätzung als Gefährder?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Oder Radi- kalisierer und Gefährder!)

Ja, können wir nachreichen.

Eine weitere Nachfrage von der Kollegin Berninger, Fraktion Die Linke.

Vielen Dank. Herr Minister, ich finde es richtig und möchte auch Danke sagen dafür, dass nach Afghanistan grundsätzlich nicht abgeschoben wird. Sie haben in der Antwort von besonders schweren Straftaten gesprochen und da will ich mal nachfragen, was damit gemeint ist. Geht es da um die Auflistung, die wir in § 102 b der Strafprozessordnung stehen haben, wo Hochverrat, Bildung krimineller Vereinigung etc. aufgelistet sind, also besonders schwere Straftaten, die eine Online-Durchsuchung rechtfertigen?

Also es sind immer Entscheidungen des Einzelfalls. Ich hatte ja gesagt: besonders schwere Straftaten, die zu Freiheitsstrafen im Ergebnis führen. Aber es sind immer Einzelfallentscheidungen, die dem zugrunde liegen. Von daher gibt es jetzt keinen abschließenden Kriterienkatalog, wonach ich sagen könnte, wenn diese Tat erfolgt ist, dann liegt eine besonders schwere Straftat vor.

Noch eine weitere Nachfrage von Frau Berninger.

Herr Kuschel ist nur sehr freundlich. Herr Minister, wenn es eine Einzelfallabwägung ist, gibt es dann wenigstens eine Freiheitsstrafengrenze, also eine Mindestfreiheitsstrafe von über fünf Jahren oder zwei Jahren, für diese Einschätzung der besonders schweren Straftat?

Wir schauen uns die Fälle an, die zu einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe geführt haben, und entscheiden dann im Einzelfall.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Al- so nein?)

Wir haben auch für Freiheitsstrafen jetzt keine Grenze gesetzt.

Ich darf jetzt die Nachfragen abschließen, mehr sind nicht zugelassen. Die zehnte Fragestellerin heute ist Frau Abgeordnete Lieberknecht von der CDU-Fraktion mit der Drucksache 6/6502. Bitte, Frau Lieberknecht.

Ja, wir bleiben im Weimarer Land, und zwar: Nach Kenntnis der Fragestellerin bemüht sich die kommunale Ausländerbehörde des Weimarer Landes in Zusammenarbeit mit dem Landesverwaltungsamt um die Abschiebung eines afghanischen Staatsbürgers, der angibt, 1996 geboren zu sein. Gegen den Mann wurde seit 2015 wegen Ladendiebstahls, Bedrohung, Körperverletzungen, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Drogendelikten, Beleidigungen – eine auf sexueller Grundlage – und Ausländerdelikten ermittelt. In sechs Fällen wurden die Verfahren eingestellt, obgleich die Ermittlungen genügend Anlass zur Klageerhebung geboten haben. Zweimal wurden Geldstrafen ausgeurteilt. Für die restlichen Verfahren – das älteste stammt aus 2015 – liegen

keine Mitteilungen vor. Der Mann ist zurzeit unbekannten Aufenthalts und zur Festnahme ausgeschrieben. Ein Rückreisedokument soll vom Generalkonsulat ebenfalls ausgestellt sein. Das Landesverwaltungsamt soll um Zustimmung zur Abschiebung gebeten worden sein. Eine Antwort stehe aus.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

1. Welche Gründe haben dem Vollzug der Abschiebung des Mannes bisher entgegengestanden?

2. Welche Maßnahmen müssen von behördlicher Seite ergriffen werden, damit der Mann nach seiner Festnahme unverzüglich festgesetzt und abgeschoben werden könnte?

3. Wie bewertet die Landesregierung im geschilderten Fall, im Hinblick auf die strafbaren Handlungen, die Frage der konsequenten Ahndung?

4. Sieht die Landesregierung im geschilderten Fall den Beschleunigungsgrundsatz im Jugendstrafrecht, der da lautet „Die Strafe muss der Tat auf den Fuß folgen“, gewahrt?

Es antwortet erneut Herr Minister Lauinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Lieberknecht antworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Auch hier würde ich gern die Fragen 1 und 2 im Zusammenhang beantworten und im Prinzip die gleiche Antwort geben wie eben: Aufgrund der fragilen Sicherheitslage in Afghanistan finden Abschiebungen aus Thüringen nach Afghanistan grundsätzlich nicht statt. Ausnahmen können nur Fälle bilden, in denen es sich um Gefährder oder um Straftäter handelt, die wegen besonders schwerer Straftaten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Voraussetzungen der Abschiebung von Straftätern sind aber in jedem Fall eine rechtskräftige Verurteilung und – abhängig vom Strafmaß – auch ein Vollzug eines Teils einer Haftstrafe, um dem Strafanspruch unseres Staats zu genügen. Sie haben selbst vorgetragen, dass ein Großteil der Verfahren nicht mit einer Verurteilung geendet hat. Auch nach den von Ihnen vorgetragenen Verurteilungen sind diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Wird die betroffene Person aufgegriffen, können unverzüglich Abschiebemaßnahmen eingeleitet werden, wenn diese Person vollziehbar ausreisepflichtig ist und keine Abschiebungshindernisse entgegenstehen. Dies bedarf jedoch aber im konkreten Fall der Prüfung der zuständigen Ausländerbehörde. Zur Sicherung der Durchführung der Abschiebung kann auch nach

§ 62 Abs. 3 eine Abschiebehaft angeordnet werden.

Zu den Fragen 3 und 4: Auffassung der Landesregierung ist es, dass von jedem, gleich welcher Nationalität, Rechtstreue erwartet werden muss. Straftaten sind daher unabhängig von der Nationalität konsequent zu ahnden. Zu den Grundprinzipien unseres Strafverfahrens gehört die rechtliche Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, bei Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Straftat ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, dabei den Sachverhalt zu erforschen und bei hinreichendem Tatverdacht die öffentliche Anklage durch Einreichen der Anklageschrift beim dafür zuständigen Gericht zu erheben. Die Ahndung der angeklagten Tat ist allein Sache der Gerichte, die in ihren Entscheidungen unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Die Landesregierung respektiert die Unabhängigkeit der Strafjustiz und bewertet deren Erkenntnisse grundsätzlich nicht. Die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen steht ausschließlich den Rechtsmittelgerichten zu.

Vielen Dank.

Gibt es Nachfragen? Frau Lieberknecht.

Herr Minister, ich will jetzt noch mal nachfragen: Habe ich das richtig verstanden, dass all die aufgeführten Delikte, also Ladendiebstahl, Bedrohung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Drogendelikte, Beleidigung auf sexueller Grundlage, Ausländerdelikte, alle begangen von einer Person, nicht ausreichend sind, um von diesem Grundsatz der Nichtabschiebung abzuweichen?

Sie haben doch vorgetragen, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, dass die Verfahren eingestellt worden sind, richtig?

Ein Teil der Verfahren, ja.

Wenn Verfahren eingestellt worden sind, können sie natürlich nicht die Grundlage dafür bilden, dass eine Straftat festgestellt worden ist, die zur Abschiebung führen kann.

(Beifall DIE LINKE)

(Abg. Lieberknecht)

Weitere Nachfragen? Weitere Nachfragen sehe ich nicht.

Ich schließe damit die Fragestunde für heute. Als Hinweis für die Parlamentarischen Geschäftsführer: Es sind noch reichlich Fragen für morgen übrig, nämlich ganze 15.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 6 in den Teilen

a) Thüringer Gesetz zur Neustrukturierung der Familienförderung und zu Änderungen bei Stiftungen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/6150 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit - Drucksache 6/6538

dazu: Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/6560

dazu: Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6565

ZWEITE BERATUNG

b) Vielfalt der Familie in Thüringen stärken Entschließungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/6182 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit - Drucksache 6/6539

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Zippel aus dem Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit zur Berichterstattung zu beiden Tagesordnungspunkten. Bitte schön, Herr Zippel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Zuschauer auf der Tribüne, insbesondere die Tischtennisfreunde aus Schmölln, von denen ich gehört habe, dass sie da sind. Herzlich Willkommen!

(Beifall CDU)